Entscheidungshilfe für Flügel im unteren Preissegment gesucht

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evacharlotte

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16. Feb. 2019
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Ich habe auf dieser Seite schon so einiges mitgelesen und gelernt, deshalb bitte ich um etwas professionelle Unterstützung. Ich möchte einen Flügel kaufen. Bislang besitze ich ein digitale Klavier, das im Wesentlichen von meiner Tochter genutzt wird. Ein akustisches Klavier möchte ich aus verschiedenen Gründen nicht, auch wenn ich weiß, dass es wirklich tolle Modelle gibt. Dies vorausgeschickt, ist mein Budget auf etwa 10.000 Euro limitiert. Ich habe keine Probleme mit gebrauchten Flügeln, allerdings hätte ich lieber einen jungen Gebrauchten (am liebsten aus dem aktuellen Jahrhundert). Vom Klang her bin ich nicht fixiert und muss zugeben, dass ich die Unterschiede nicht so deutlich heraushöre wie die meisten anderen hier. Was ich aber sagen kann, ist, dass der typische weiche Klang beispielsweise eines Blüthner-Flügels nicht so meins ist.
Ich habe 3 Modelle ins Auge gefasst: die ganz kleinen Flügel von Yamaha (GB1) und Kawai (GL/GM 10) sowie einen gebrauchten Yamaha GC1. Den Klang finde ich bei allen 3 ok.
Dazu habe ich folgende Fragen: Kawai verwendet im neueren Modell Karbon - ein Klavierhändler bezeichnete es schlicht als Kunststoff, der an dieser Stelle schlechter sei als Holz, weil man ihn halt nicht mehr bearbeiten könnte wie Holz. Ist da aus Eurer Sicht was dran? Das würde, wenn man sich für Kawai entscheidet, für das ältere Modell sprechen (als junges Gebrauchtes). In den GC1 habe ich mich ein bisschen verguckt, Baujahr 2005, von einer Musikerin/Musikstudentin o.ä. wohl einigermaßen intensiv genutzt (kein Musikschulinstrument). Man sieht Gebrauchsspuren, auch an den Tasten (z.B. kleinste Absprengungen). Was mich irritiert,ist, dass der Filz unter den Tasten neu gemacht werden musste. Ist das normal oder ein deutliches Zeichen für erhöhte Abnutzung? Außerdem klingt das Instrument in der mittleren Lage nicht optimal. Wenn man beispielsweise einen Akkord dort greift, sind manche Töne hörbar dominanter, vielleicht sogar blecherner/schriller. Der Klavierhändler sagte, dass dort nochmal intoniert werden wird und meinte, dass das Problem gelöst werden könnte. Ich werde mir das Instrument danach nochmal anhören. Aber selbst, wenn ich dann nichts Ungewöhnliches mehr höre - würdet Ihr mir zu so einem Instrument raten? Oder muss man damit rechnen, dass die Macke immer wieder auftritt?

Bitte nicht vergessen: ich bin absolute Laiin. Zu dem Händler, der mir das gebrauchte GC1 angeboten hat, habe ich grundsätzlich Vertrauen und nicht das Gefühl, er würde mir was aufschwatzen wollen.

Was meint Ihr? Händlermäßig bewege ich mich im Raum Mitteldeutschland in einem gedachten Dreieck Hamburg-Berlin-Bayreuth. Für Tipps zu den genannten Modellen und Empfehlungen zu Händlern wäre ich dankbar.
 
Schau doch mal hier.
"Der Kemble 151 wird von Yamaha gebaut"
 
Den hatte ich noch gar nicht auf dem Schirm. Danke.
 
Rund 10000E für etwas Neues ist natürlich ein knappes Budget. Wenn Du vielleicht €12000 aufbringen könntest, könntest du zu den bereits genannten Instrumenten etwa nach Johannes Seiler, Samick, (China)-Feurich oder Wilh. Steinberg suchen. Den oben genannten Kemble 151 gibt sogar unterhalb deiner Preisgrenze es an der südlichen Peripherie deines Suchgebiets, bei Klemens Schmidt in Bayreuth, und wenn Du schon dorthin fährst, schau doch auch bei Steingräber vorbei. Vielleicht hat er was Interessantes (er hat eine Zeitlang mit Yamaha gehandelt), und wenn nicht, findest Du dort tolle Instrumente zur Schulung deiner Klangvorstellungen. Ob du danach auch noch sagen wirst, der Klang des kleinen Yamaha sei in Ordnung für Dich? ;)
 
Zitat von Beschreibung Kemble:
KEMBLE-Instrumente werden von YAMAHA gebaut und verfügen über die gleichen hervorragenden Eigenschaften wie Yamaha-Klaviere selbst.

Der Klangcharakter ist dank der „Strunz-Resonanzböden“-
etwas europäischer, etwas wärmer und nicht so direkt.

Produkteigenschaften

  • Strunz-Resonanzboden, Rippen und Rasten aus massiver europäischer Fichte

  • Hochpräzise Hammerkonstruktion

  • Im Vakuumverfahren hergestellter Gussrahmen - gewährleistet höhere Konstruktionsfestigkeit

  • Hochwertige Yamaha-Mechanik

Was denn jetzt?:denken:
 
Vielen Dank schon mal für die Hinweise und Tipps. Ich würde mich sehr freuen, wenn jemand mal was dazu sagen könnte, ob es normal ist, dass bei einem 14 Jahre alten Flügel der Filz unter den Tasten erneuert/repariert werden muss. Oder ob das eher für eine Gebrauchsintensität wie in einer Musikschule spricht. Und ob es vorstellbar ist, dass ein Missklang in der Mittellage dauerhaft behoben werden kann.
 
Vielen Dank schon mal für die Hinweise und Tipps. Ich würde mich sehr freuen, wenn jemand mal was dazu sagen könnte, ob es normal ist, dass bei einem 14 Jahre alten Flügel der Filz unter den Tasten erneuert/repariert werden muss. Oder ob das eher für eine Gebrauchsintensität wie in einer Musikschule spricht. Und ob es vorstellbar ist, dass ein Missklang in der Mittellage dauerhaft behoben werden kann.

Wenn Du schon einen 5stelligen Betrag ausgibst, dann solltest Du auch noch die 150 EUR oder so für einen Klaviertechniker haben, der sich das Teil anschaut und Dir genaue Antwort auf diese Fragen geben kann, und vermutlich noch deutlich mehr zum Zustand des Flügels sagen kann, um eine Kaufentscheidung treffen zu können.
 
Das stimmt. Die 150 € oder so für die Begutachtung könnte ich mir aber sparen, wenn für jemanden, der mehr Ahnung hat als ich, schon die von mir geschilderten Symptome ein deutliches Zeichen für "Finger weg!" wären :001:
Einen gebrauchten Flügel würde ich nie ohne Spezialistenmeinung kaufen.
 
Vielen Dank schon mal für die Hinweise und Tipps. Ich würde mich sehr freuen, wenn jemand mal was dazu sagen könnte, ob es normal ist, dass bei einem 14 Jahre alten Flügel der Filz unter den Tasten erneuert/repariert werden muss. Oder ob das eher für eine Gebrauchsintensität wie in einer Musikschule spricht. Und ob es vorstellbar ist, dass ein Missklang in der Mittellage dauerhaft behoben werden kann.

"Normal" oder nicht, ist hier nicht die Frage. Dass der Filz erneuert werden muss, ist ein Indiz dafuer, dass das Instrument sehr stark genutzt worden ist. Solche Filze halten bei durchschnittlicher Nutzung oft viele Jahrzehnte. Wenn ein Musikstudent nun aber viele Stunden taeglich auf dem Instrument spielt, so kann es viel schneller eine starke Abnutzung geben.

Das muss nicht problematisch sein, aber man kann es nicht ausschliessen, dass auch andere Probleme in der Mechanik zeiter auftreten koennen, als man es bei so einem jungen Instrument erwarten wuerde. So ist es moeglich, dass man mal ein paar Achsen - besonders in der Mittellage - ersetzen muss, was normalerweise auch erst nach Jahrzehnten der Hausmusik-Nutzung erfolgen wuerde.

Das klangliche Problem laesst sich durch Intonieren in den Griff bekommen. Aber auch hier ist die Fragestellung, wie oft die Hammerkoepfe schon abgezogen worden sind. Dies kann man nicht beliebig oft machen. Evtl kaufst du also einen Fluegel, der schon relativ abgespielte Hammerkoepfe hat. Das ist Spekulation - ich habe den Fluegel nicht gesehen. Jedoch treten durchgespielte Tastengarnierungen und platte Hammerkoepfe oft zusammen auf.

Das alles ist mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Problem, wenn das Instrument in der Folge fuer eine Musikschuelerin genutzt werden soll, die darauf vielleicht ein bis zwei Stunden pro Tag ueben moechte, aber man sollte doch einfach wissen, dass dieser Fluegel nicht mit einem Instrument zu vergleichen ist, was aus demselben Baujahr ist und nur mal gelegentlich am Wochenende und zu Weihnachten bespielt wurde.

Wenn du Vertrauen zu dem Haendler hast, dann ist das gut und du musst auch nicht noch einen externen Klavierbauer beauftragen. Stelle ihm konkrete Fragen. Sage ihm, dass du die Vermutung hast, dass der Fluegel sehr stark genutzt wurde und ob aus seiner Sicht in der Folge noch weitere Reparaturen (insbesondere an der Mechanik) zu erwarten sind und wie der restliche Zustand der Mechanik ist. Ausserdem moechtest du noch wissen, ob man die Hammerkoepfe nach der erfolgten Intonation nochmal abziehen kann, oder ob dann das Ende der Nutzbarkeit erreicht ist.
 

Vielen Dank für diese ausführliche Antwort. Das hat mir sehr geholfen.
 
Normalerweise geben Händler ja auch 5 Jahre Garantie. Ist das hier auch der Fall?
 
Ich habe noch nicht danach gefragt. Da es aber ein in Kommission genommenes Instrument ist, gehe ich nicht davon aus.
 
Hallo evacharlotte,
kann es sein , dass nicht die Filze unter den Tasten, sondern die Filze in den Tasten ( die Klaviaturgarnierung) gemeint war?
Meist sind diese nach intensiver Nutzung durchgespielt ( d.h., die Tasten hatten zu viel Spiel ).
Nach 14 Jahren großer Beanspruchung merkt man aber auch die Qualitätsunterschiede zu einem
hochwertigem Instrument.Diese stecken die "Mehrbelastung" besser weg. Auch klanglich wird man bei so einem Instrument ziemliche Abstriche machen müssen ( trotz Hämmer abziehen..).
Irgendwo macht sich der günstige Anschaffungspreis dann doch mal bemerkbar.
 
Ja, du hast recht mit deiner Vermutung. Es hieß, der Filz sei gemacht worden, damit hätten die Tasten jetzt nicht mehr soviel Spiel.

Es ist mir schon klar, dass ich in der von mir ins Auge gefassten Preisklasse keinen Mercedes unter den Flügeln bekomme. Aber ein guter (!) gebrauchter Skoda würde mir völlig reichen. Oder ein neuer, dann etwas kleinerer. Das Instrument soll einen akzeptablen Klang haben (noch höre ich die Feinheiten nicht) und zuverlässig sein. Darüber hinaus wäre es schön, wenn der Wertverlust sich in Grenzen hielte. Denn vielleicht entwickelt sich mein Gehör mit der Zeit tatsächlich , und es soll dann doch ein Audi/BMW/Mercedes werden....im übertragenen Sinne natürlich. Um es zusammenzufassen: auch wenn es für Musikliebhaber schwer nachzuvollziehen ist, hätte ich lieber einen soliden kleinen Flügel ohne Fehler als ein richtig gutes Klavier mit wahrscheinlich besserem Klang für denselben Preis. Ich halte mich nicht für unmusikalisch. Aber bin definitiv gehörmäßig (noch?) nicht geschult.
 
Als neuen Flügel in der " Einsteigerklasse" ist ein Feurich 162 für rund 11000.- zu haben.
Oder eben Yamaha oder Kawai.Im Wiederverkauf werden wohl Yamaha und Kawai a bisserl besser
dastehen, aber klanglich in dieser Klasse hat für mich der Feurich die Nase vorn...
Hat auch hochwertigere Hammerköpfe ( von Wurzen aus Deutschland), die man auch nach intensiven Gebrauch schön abziehen und intonieren kann ( hat mehr Filz drauf, als z.B. der Yamaha GB1).
Aber raten würde ich Dir eher zu einem guten Klavier in der Preisklasse , aber das magst Du ja nicht...
 
Schaue und höre mir gerne mal den (China?) Feurich an. Bin etwas starrköpfig, aber nicht unbelehrbar.
 
Für die Erneuerung von Filzen kann es mehrere Gründe geben. Leider lieben zum Beispiel auch Motten den Filz und leben da ihre Brut hinein. Die Erneuerung der (weichen) Filze ist aber andererseits auch kein wirtschaftlicher Ruin. Was mich hier stutzig macht, sind die von Dir beschriebenen Abplatzungen an den Tasten. Natürlich sind auch bei einem fabrikneuen Instrument die Tasten in der Regel nicht ohne feinste Mikrokratzer, aber wenn Teile fehlen, grenzt das für mich an Missbrauch.
 
Um es zusammenzufassen: auch wenn es für Musikliebhaber schwer nachzuvollziehen ist, hätte ich lieber einen soliden kleinen Flügel ohne Fehler als ein richtig gutes Klavier mit wahrscheinlich besserem Klang für denselben Preis.

Nö, ist nachvollziehbar.

muss man damit rechnen, dass die Macke immer wieder auftritt?

Da die Mittellage üblicherweise den größten Belastungen ausgesetzt ist, ist das normal. Carbon ja oder nein ist m. E. eine ideologische Frage. Holz ist ein empfindlicher Werkstoff. "Aus dem Bauch raus" würde ich mutmaßen: Carbon ist der bessere Werkstoff.

Wenn Filze ausgewechselt wurden, sind ja jetzt neue drin, das sollte Deine Sorge also nicht sein. Verschleißteile sind sowieso kein Problem. :022: Das wird der Händler sicher schon gerichtet haben, wenn er den Flügel für verkaufsfertig deklariert.

Man sieht Gebrauchsspuren, auch an den Tasten (z.B. kleinste Absprengungen).
Bei Elfenbein leider nicht selten, bei Kunststoff habe ich es noch nicht gesehen, aber das hat beileibe nichts zu sagen. Vielleicht sind um das Instrument Kinder herumgetobt, vielleicht ist mal jemand blöd dagegengekommen o.ä. Die Tastenauflage hat keinen Einfluss auf die Spielbarkeit des Instruments.

Die kleinen Yamahas und Kawais sind solide Arbeitspferde, aber keine Klangwunder. Ein liebevoller Klavierbauer kann sie in der Regel nochmal ein bisschen aufhübschen (Kleingefummel kostet natürlich Arbeitszeit, aber das kann man in aller Ruhe nach und nach machen lassen).

Ich habe u.a. einen GM10 (Kawai) in meinem Besitz. Der ist nett, unempfindlich (hält korrekt die Stimmung), guter Kumpel. Ich mag den kleinen Kerl. Ich kenne jemanden, der seit mehr als 10 Jahren einen Kleinstyamaha besitzt. Mit dem Instrument gab es auch noch nie Probleme. :022:
 

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