Dramatische Momente und Augenblicke der Kapitulation gegenüber dem Klavier

Hiob

Hiob

Gesperrt
Dabei seit
5. Dez. 2007
Beiträge
254
Reaktionen
4
Bremen, 04.01.2008, 21.30 Uhr

Draußen regnet es. Die Nacht ist Dunkel.
Frustriert und verärgert sitze ich vor meinem Klavier. Es starrt mich
unverholen an und amüsiert sich insgeheim über meine misslichen Versuche,
die nun schon zwei Wochen andauern, O Du Gröhliche zu spielen.
Das Klavier scheint zu flüstern: "Du kannst es nicht, Du kannst es nicht,
und Du wirst es nie können!"

Draußen wird es noch dunkler. Es regnet immer noch.

Langsam schließe ich den Deckel das Klaviers und das höhnische Flüstern
verstummt. Ich trinke einen Tee und sehe aus dem Fenster hinaus in den
dunklen Regen. Hin- und wieder höre ich auf Auto.

Nach 15 Minuten öffne ich den Deckel wieder, schaue auf das Notenblatt
und spiele die erste Note. NEIN ! Falsch, falsch die Hände aufgelegt,
falsche Noten.
Und das Klavier lacht sich wieder eins ab, schaut amüsiert mich an.
"Das wird nichts. Verschwende nicht Deine Zeit!", scheint es zu flüstern,
höhnisch und mit einer abgrundtiefen Verachtung gegenüber meiner
grenzenlosen Unfähigkeit.

Ich spiele weiter. Ein paar Zeilen geht es gut. Dann ... wieder verspielt
und wieder und wieder. Ich schließe wieder den Deckel. Das Klavier
steht harmlos in dem spärlich beleuchteten Raum im Licht der flackerden
Kerzen da. Ich wandle in die Küche und esse einen Keks.
Gehe zurück ins Wohnzimmer. Das Klavier steht lauernd im Zwielicht und
lauert sogar noch weiter, als ich das Zimmer durchquere und in das Bad
gehe um mich zu erfrischen.
Da liegt eine Rasierklinge ... aber NEIN! ... den Triumph soll mein Klavier
nicht haben!

Es ist dunkler geworden. Es regnet noch immer. Monoton und trist.
Ich sitze wieder vor dem Klavier. Meine Finger zittern, als ich den Deckel
öffne. Die Tastatur glänzt im Licht der Kerzen ... und da ist wieder dieses
amüsierte Ausdruck auf dem Markenschild des Klavieres.
K A W A I
Kawai? Sind diese Buchstaben ein Botschaft? Ist das japanisch und heißt:
"Such Dil eine andele Fleizeitbeschäftigung"?

"O Du Gröhliche" ... ich kann es nicht mehr hören. Mir bleiben nur noch
wenige Tagen, dann sollte ich das Stück können, um es meinem Klavierlehrer
vorzuspielen.

Und wieder ertönt der Klang, während draußen an der Scheibe der Regen
vor dem Dunkel der Nacht herunterläuft. Das Klavier beobachtet mich.

:twisted:






 
Hiob, du solltest das Klavierspielen an den Nägel hängen und Schriftsteller oder Comedian werden.
Bei deinen Texten lach ich mich oft halb tot :)

marcus
 
Oh Hiob, dein Text ist so rührend *schnief*
Lass dich umarmen ;)
 
Hiob, wehr Dich! Greif dem Ungeheuer in den Rachen! Stopf ihm das zähnebleckende Maul! Und denk dran: "Owie lacht" am längsten.
 
Hiob, schreib diese Geschichte bloß weiter!!! Herrlich zu lesen.
 
ja find ich auch..
echt toll :D
 
Auch wenn es für dich sicher nciht so was, ich finde das einfach wunderbar, also wie es geschreiben ist. Mir ist auch etwas passiert...

Damals war ich in der 5. Klasse und sollte gerade die 5. Symphonie von Beethoven lernen. Allerdings überkam mich immer, als ich mich as Klavier zum Üben setzte, die dringende Lust, sofoert wieder von dort wegzugehen. Ich dachte mir, ich würde es auch so können, bis dan einies Tages mein Klavierlehrer zu mir kam und mir sagte, ich könne das Stück überhaupt nicht (das war 2 Wochen bevor ich es aufhhüren sollte). Er fragte mich, ob es nciht besser wäre, wenn ich bei so wenig Lust zu Üben nciht leiber das Klavierspielen aufhören sollte, und ich hätte es fast gemacht. Doch im letzten Moment entfachte irgendetwas dann einen riesen Feuereifer in mir, und ich habe weitergemacht. Und in diesen 2 Wochen habe ich dann geübt wie ein blöder, bin den ganzen Tag vorm Klavier gesessen und habe mir dann Dank dessen den vollen Respekt meines Klavierlehrers wieder zurückgeholt, da die Aufführung ein voller Erfolg geworden ist.
 
Hiob, ich kann dein Problem gut verstehen. So ging es mir in den Sommerferien als ich einen Walzer von Chopin geübt habe und so ging es mir in diesen Ferien beim Üben einer Beethoven-Sonate. Wegen den Ferien hat man mehrere Wochen keinen Unterricht, muss also auf eigene Faust schauen wie weit man kommt. Bei mir ist vor den Ferien sogar noch der Unterricht ausgefallen, meine letzte Stunde ist also recht lang her. Man übt also fleißig, macht auch Fortschritte und denkt, diese Fortschritte wird man die ganzen Ferien über machen. Aber so ist es nicht, irgendwann ist man am Ende mit seinem Latein, und dann macht man halt innerhalb einer Woche plötzlich viel weniger Fortschritte als erhofft. Lass dich davon nicht entmutigen, fang mal an, von einem anderen Stück die Noten zu üben, wiederhole ein altes Stück. So hab ichs gemacht. Mit deinem Lehrer wirst du das Stück bestimmt schaffen:p
 
Vor dem Klavier zu kapitulieren ist völlig sinnlos, das merkt es nicht mal. Aber es hilft oft, ein bischen Ignoranz an den Tag zu legen, oder gleich an eine ganze Woche. Das merkt das Klavier zwar auch nicht, aber man fängt wesentlich entspannter neu an. Wenn man sich verkrampft an irgendein Instrument setzt, sollte man am besten gleich wieder aufstehen und wieder kommen, wenn es einem besser geht.

Der Text gibt übrigens hervorragend wieder, was vermutlich Millionen von Klavierspielern gelegentlich erleben :D
 
Häng es doch mal verkehrt herum an die Decke!

Vielleicht wird dann aus dem bösen Blick ein Grinsen (und etwas Schadenfreude von Deiner Seite ... lass es bloß nicht runterplumpsen, sonst ist die Schadenfreude wieder auf der Seite des Klaviers :P).
 
@Hiob, toller Text - Du hast nicht nur musikalische Talente !

Die Empfindungen sind mir aus meiner frühen Klassiklernzeit nicht unbekannt....
Seit meinem Zweiteinstieg ins Klavierspielen mit heute ganz anderen Stücken kommt dieses Gefühl nicht mehr auf; könnte aber auch daran liegen das meine Tastentiere wissen das sie seit dieser Zeit auch von mir gestimmt und gewartet werden und haben möglicherweise Angst vor einer Revanche.....:geige:
 

Lass dir sagen,
lieber Hiob,
du sollest nicht verzagen,
wegen dummer Blicke voller Heimtücke,
eines vermeintlich bösen Klaviers

Spiel munter weiter,
und zwar mit vollem Eifer,
rauf und runter jede Tonleiter,
denn du bist der Reiter,
und musst zähmen das wilde Pferd

Übe 10 Stunden,
stakkato gebunden << kleiner Scherz am Rande:cool:
du wirst es nicht bereuen,
und die Nachbarn wirds freuen

Wenn dann deine Künste,
stehen im schönsten Licht,
dann schau dem Biest ins Gesicht,
und lass sein Grinsen verblassen,
du wirst es nie wieder hassen

Und wenn es dann immer noch regnet,
dann lass dir eins sagen,
deine Künste sind gesegnet,
kein Zweifel darf mehr an dir nagen,
du hast das Klavier geschlagen
 
Wieso an den Nagel hängen? Klavierspielende Comedians sind doch was Feines! Siehe Bodo Wartke, Georg Kreisler, Tom Lehrer...
War ja nur ein Witz. Aber wenn man auf diesem Gebiet so talentiert ist, könnte man ja auf das Klavier spielen verzichten; besonders wenn es einen so quält ;)
Ich könnte jedenfalls so einen Text nicht schreiben

@Hacon:
Dein Gedicht gefällt mir auch super.

marcus
 
... und da ist wieder dieses
amüsierte Ausdruck auf dem Markenschild des Klavieres.
K A W A I
Kawai? Sind diese Buchstaben ein Botschaft? Ist das japanisch und heißt:
"Such Dil eine andele Fleizeitbeschäftigung"?


Hier die neueste

HIOBSBOTSCHAFT

K.A.W.A.I.

bedeutet nämlich:

KEINER AHNT WAS AUSSER ICH

(sagte das japanische Klavier mit dem leichten Sprachfehlel
und schwieg)


 

Zurück
Top Bottom