Dissonanzen - verstecken oder hervorheben?

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Meine besondere Faszination in der Musik gilt den Dissonanzen - von einigen bösen Menschen auch als "Mißklänge" verunglimpft. Und Dissonanzen gibt es in klassischer Musik reichlich.

Nun scheint es zwei grundverschiedene Einstellungen zu diesen "schrägen" Klängen zu geben. Die eine Sorte Musiker versuchen Dissonanzen möglichst unauffällig zu spielen, die Musik auf Harmonie und Schönklang zu trimmen - die andere Sorte (zu der natürlich ich gehöre :p ) läßt sich keine Möglichkeit entgehen, die musikalischen "Dornen" auch so deutlich wie möglich herauszuarbeiten.

Wie ist eure Einstellung dazu? Wie geht ihr mit diesen Biestern um - freut ihr euch über sie oder sind sie euch lästig?

Haydnspaß, der Neugierige ;)
 
Servus,

also wenn es dazu dient, die musikalische Spannung zu erhöhen und diese sich in absehbarer (abhörbarer?) Zeit auch wieder in Harmonie auflöst, finde ich Dissonanzen ganz kreativ.
Ob ich sie besonders hervorhebe, oder eher zurückhaltend spiele, kommt auf die gesamte Passage an. Eher zurückhaltend.

Gruß
Josef
 
Bei mir kommt das sehr auf das Stück an. In der Träumerei z.B. ist im sechsten Takt (den Auftakt nicht mitgerechnet) eine Sekunde zu spielen. Ich finde, wenn man die sehr deutlich spielt, zerstört man die Stimmung, die sich gerade aufbaut.

Bei anderen Stücken kann es dann wieder sein, dass es ohne Dissonanzen langweilig klingt und ich sie hervorhebe. Z.B. in einem kleinen Stück von Prokofjew aus den fugitive visions op.22 sind die Septimen und Tritoni sehr bewusst eingesetzt, um dem Stück einen ...mysteriösen/leicht unheimlichen/ungewöhnlichen Klang zu geben. (Hoffe das war verständlich :D )

Nicht dass das jemand falsch versteht; Ich bin auch ein Freund der Dissonanzen ;)
 
Mit geht´s wie den anderen, kommt auf´s Stück an.
Ich glaube aber, dass ich sie meist zu sehr hervorhebe (auch da, wo eigentlich nur "Stimmung" und keine Spannung sein soll), denn ich habe genauso einen Haydnspaß daran wie Haydnspaß. :)
 
Bei mir kommt das sehr auf das Stück an. In der Träumerei z.B. ist im sechsten Takt (den Auftakt nicht mitgerechnet) eine Sekunde zu spielen. Ich finde, wenn man die sehr deutlich spielt, zerstört man die Stimmung, die sich gerade aufbaut.

Das ist ein sehr interessanter und berechtigter Einwand. So gesehen gibt es verschiedene Arten von Dissonanzen, neben den aggressiven also auch die friedlichen ;)

Und ich würde auch noch sagen, daß Dissonanzen nicht immer gleichzeitig erklingende Töne sein müssen - es können auch unbegleitete Einzeltöne sein, oder dissonante Intervalle in einer Melodie, z.B. c d , wenn es sich um eine None handelt.
 
Dass auch nacheinander gespielte Töne Dissonanzen sein können, da stimme ich dir voll zu. Allerdings ist die Dissonanzwirkung dann deutlich geringer.

Meine Klavierlehrerin ermahnt mich immer die leiterfremden Töne in einem Stück besonders zu betonen. Also z.B. in der A-Dur Sonate von Mozart KV 331, die Variation 1 beginnt mit einem his, das soll nicht unter den Tisch fallen, nur weil es nicht in die Tonleiter gehört. (Wäre an der Stelle auch etwas schwierig, es zu verstecken :D ) Aber halt etwas betonen.

LG marcus
 
"Dissonanzen geben der Musik den schönsten Reiz, wie Schmerzen im Leben." R. Schumann

Ja, ich liebe auch Dissonanzen.:) - weswegen mir Mozart wahrscheinlich auch nicht so taugt.;)

Aber wie ihr schon geschrieben habt, hängt es maßgeblich vom Charakter des Stückes ab wie die Dissonanzen hervorzuheben sind. Allen Dissonanz-Junkies kann ich die Fuge Nr.24 aus dem WTK1 (an der ich grad sitze) empfehlen. Das Thema ist herrlich dissonant. In der Fuge wird phantastisch mit dem gegensatz von Harmonie und Reibungen gespielt. Z.B. läuft eine Stimme im wohlklingnden dur, wärend eine Andere als Contrapunkt das "verkorkste" Thema gibt.
Hab auch schon ein paar Aufnahmen gehört (z.B. Richter), bei denen versucht wir das Dissonante möglichst zu kaschieren, was der Fuge aber völlig ihren Reiz nimmt.
 
Allen Dissonanz-Junkies kann ich die Fuge Nr.24 aus dem WTK1 (an der ich grad sitze) empfehlen. Das Thema ist herrlich dissonant.

Ja, stimmt. Das ist auch eine meiner Lieblingsfugen. Wobei Bach allgemein sehr dissonant schreibt und schon allein deshalb zu meinen Lieblingskomponisten gehört :p

Das Schumann-Zitat ist übrigens echt spitze - kannte ich noch garnicht.

Im übrigen ist es echt interessant, daß es hier so viele Dissonanzenliebhaber gibt. Ist ja sonst eher nicht so verbreitet unter der Klassik-Schickeria ;)

Haydnspaß, der sich hier richtig wohlfühlt
 
Das Schumann-Zitat ist übrigens echt spitze - kannte ich noch garnicht.
Ja, Schumann hat schon recht weise Sachen von sich gegeben. Wie auch siehe meine Signatur;)


Im übrigen ist es echt interessant, daß es hier so viele Dissonanzenliebhaber gibt.
Naja, so viele haben hier gemessen an der Mitgliedszahl ja noch nicht reingeschrieben, nicht mal drauf geklick - sie scheint schon allein das Wort Dissonanz im Threat-Titel abgeschreckt zu haben. :lol:

Hier auch noch eine Orgelfuge mit einem wahnsinnig tollem Thema

Wie gefällt dir (euch) eigentlich Schönberg?
 
Klar, auch ich als Bach- und Jazzliebhaber bade gern in Dissonanzen ... aber kann man das so einfach sagen? Sowohl die Definition von "Dissonanz" als auch ihre Wahrnehmung als solche haben sich doch im Laufe der Zeit verändert. Kann man nicht eigentlich nur von Dissonanz sprechen, wenn ihr Auftreten mit einem hintergründigen Unbehagen verbunden ist und erst ihre Auflösung den Gesamteindruck des Angenehmen vermittelt? Im Jazz wäre für mich zum Beispiel die große Septime keine Dissonanz, weil sie zum typischen Klang gehört und ich sie zu hören gewöhnt bin, ohne eine Auflösung zu erwarten,
 

Ich kann euch da nur zustimmen mit der aussage, dass es stückabhänig ist ob man nun Dissonanzen hervorhebt oder nicht.
Wie Wu Wei sagte, ist das auch Gewöhnungssache was als Dissonanz empfunden wird.
Oder anders gesagt, ist es eine Sache der Gewöhnung ob man Dissonanzen gerne hört oder ob man lieber weghört =)
Da ich in letzter Zeit mich einwenig mit Jazz beschäftige bzw sie höre ;-)
mache ich die Erfahrung, dass mir die Dissonanzen mit der Zeit erstens nix mehr "ausmachen" und zweitens ich sogar gefallen an ihnen finde. Konkret ist das die Musik von Thelonious Monk die ich da höre.

Ich denke man kann allgemein sagen, dass man Dissonanzen bei klassischen Stücken eher hervorhebt als sie versteckt. Weil sie ja bewusst so komponiert wurden.

Gruß --- Sebi
 
Ich schließe mich mich ebenfalls Wu Wei`s Meinung an.
Den Begriff "Dissonanz" zu definieren ist sehr schwierig, weil jeder einzelne sie ein wenig anders empfindet. Und wie Wu Wei auch schon schrieb, sich Dissonanzen im Laufe der Musikgeschichte ja sehr veränderten, bzw. heute bei weitem nicht mehr das als dissonant empfunden wird wie z.B. im Mittelalter wo bis auf Quart, Quint und Oktav alles als dissonant galt.
Dissonanzen zu verwenden kam quasi in Mode und macht meiner Meinung Musik erst wirklich interessant.
Ich glaube, es war Robert Schumann, der einmal von sich gab:
"Dissonanzen geben der Musik den schönsten Reiz, wie Schmerzen im Leben."

Aber: wo hört die Konsonanz auf und fängt Dissonanz an?
Und genau das kann man nicht eindeutig beantworten, weil eben jeder ein anderes Musikempfinden hat, das vor allem natürlich sehr stark von den Hörgewohnheiten beeinflusst ist.
 
Und was ist z.B. mit der Akkordfolge V7 - I, die wir ja als komplett konsonant zu hören gewöhnt sind. Da kommt doch auch eine Sept vor? ;)
 
Und da behauptet man doch, wir hätten im klassischen Bereich keinen Platz für Musiktheorie.

Chief
 
Auch wenn man Dissonanzen gewohnt ist, muss es doch möglich sein zwischen einem klaren, harmonischem Akkord und einem Unausgewogenen, sich Reibenden zu differenzieren. Man nimmt es vielleicht nur nicht mehr bewusst war, aber sicherlich wenn man als Konast davor was harmonisches gehört hat, oder?
 
Also für mich besteht eine Dissonanz aus Tönen die sich reiben, die für unser heutiges Ohr nicht zueinander passen.
Ist das für dich anders? Ist ein Dominantseptakkord dissonant nur weil die Septime darin vorkommt oder weil er nach Auflösung schreit?

Für mich ist ein V7 ein konsonanter Klang, ich finde auch nur das Intervall "kleine Sept" konsonant.
Hingegen die große 7 ist für mich dissonant - in Verbindung einer Jazz-Harmoniefolge als maj7 aber wieder wohlklingend.
Drum meinte ich ja - die Hörgewohnheiten sind doch das ausschlaggebende.
Oder nicht?

Entschuldige, dass ich da jetzt so darauf herumpoche, aber das interessiert mich eben.... ;)
 
Also für mich besteht eine Dissonanz aus Tönen die sich reiben, die für unser heutiges Ohr nicht zueinander passen.

Also da hast du wohl eine etwas andere Definition von Dissonanz als die allgemein übliche ;)

Dissonanz im musikalischen Sinn bedeutet ja nicht, daß der Klang sich "falsch" anhören - oder gar Kopfschmerzen verursachen muß. Wie du selber schreibst "ein Klang, der nach Auflösung schreit" ist auf jeden Fall eine Dissonanz. Ist übrigens sehr schön ausgedrückt :)

(es gibt aber auch Dissonanzen, die sich nur nach Auflösung sehnen - manchmal vergeblich...)
 
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