Das System der "Stimmungen" – wer erklärt es mir?

  • Ersteller des Themas Tinnitus
  • Erstellungsdatum

Aufgrund der unterschiedlichen Stimmtonhöhen hat Chopin seine C-Dur-Etüde allerdings ganz anders gehört (und somit sicherlich auch anders empfunden) als wir heutzutage. Selbst Bach hat seine d-moll-Fuge kurzerhand nach dis-moll transponiert. War er unmusikalisch? Unsensibel? Daß eine Transposition andere Bewegungsabläufe erfordert, daß bestimmte Figuren und Griffe in anderen Tonarten unbequem oder gar nicht zu realisieren sind, steht auf einem anderen Blatt und hat nichts mit der Hörwahrnehmung zu tun.
 
Ich glaube, da hast du Hasenbein falsch verstanden. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich dich richtig verstanden habe. Angenommen, ich nehme ein Klavierstück in A-Dur als Midi File auf. Dann transponiere ich es auf As-Dur. Beides lasse ich mit einem super Digitalpiano Klang abspielen. Glaubst du, dass du da eine andere Charakteristik wahrnimmst?
Natürlich, of course, bien sur.

Eben das ist so lustig: dass so viele sich es einfach nicht vorstellen können, dass ein Stück transponiert völlicht anderst klingt.

Bei einfach gestrickten Stücken wie The Entertainer fällt es nicht auf. Auch so ziemlich alle Klavierlieder bis Frühromantik vertragen eine Transposition. Obwohl der Tod und das Mädchen nur in d-Moll bleiben kann (dabei wären cis-, c- oder h-Moll direkt noch denkbar, aber gibt's das in der Praxis?)... Werden bei Liedern von Hugo Wolf überhaupt transponierte Fassungen praktiziert?!

Chopins Polonaise in A-Dur jetzt in As-Dur? das ist offenhörig Käse:013:
 
Bei einem Halbton ist in der Tat kein charakterlicher Unterschied feststellbar.

Joplins Entertainer zum Beispiel, kannst auch in H oder Des spielen - des merkst ned groß.

Transponierst Du diesen aber in G, so klingt er schon deutlich anders.
Das hat aber weniger mit der Tonart als solcher, sondern mit der Tonhöhe zu tun. Je nach Lage (und da reicht durchaus schon eine Terz) klingen Akkorde mehr oder weniger kompakt. D.h. der Komponist orientiert sich nicht an der Tonart, sondern an der Klangbalance.
 
Auch die Frage: Wie war damals der Kammerton?
Von der Romantik bis 1939 lag dieser zwischen 432 und 435 Hz.

Gab aber immer wieder Komponisten welche es höher oder tiefer haben wollten.

Gerüchteweise komponierte Chopin auf einer Tonhöhe von 446 Hz.

@Cheval blanc , Da hast natürlich auch recht, die Tonhohe verändert die Charakteristik - was bei Halbtonschritten allerdings wenig auffällig ist bei der gleichstufigen Stimmung.

Allerdings gibt es in der gleichstufigen Stimmung auch durchaus Unterschiede, wennst die mittels App oder Gerät stimmst, hast die absolut gleichstufige Stimmung, nach Gehör hingegen gibt es auch da geringfügige Abweichungen, was die Tonarten durchaus interessanter machen kann.
 
Ich denke, es spielt bei der Wahrnehmung der Tonarten auch ein Gewöhnungseffekt eine Rolle. Ein bestimmtes Musikstück hat man eben in einer bestimmten Tonart eingeübt, d.h. eine gewisse Abnutzung des Höreindruckes stellt sich irgendwann ein, auch bei nicht ganz trivialer harmonischer Gestaltung, die dann irgendwann doch nichts besonderes mehr ist. Transponiert man dann das Stück, wirkt es auf einmal wieder etwas frischer, je nach gewählter Tonart auch mitunter komplizierter, anspruchsvoller. Geht man nach dieser Umgewöhnung dann irgendwann wieder auf die Ursprungstonart zurück, stellt sich lustigerweise genau der gleiche Effekt auch auf dem Rückweg wieder ein.
So ergeht es mir jedenfalls oft bei meinen eigenen Stücken, die ich oft in verschiedenen Tonarten ausprobiere.
 
unterschiedlichen Stimmtonhöhen hat Chopin seine C-Dur-Etüde allerdings ganz anders gehört (und somit sicherlich auch anders empfunden) als wir heutzutage. Selbst Bach hat seine d-moll-Fuge kurzerhand nach dis-moll transponiert. War er unmusikalisch? Unsensibel?
Chopin hat seine erste Etüde in C-Dur gespielt und gehört, wie wir das heute auch tun!

Bei Bach ist das Thema hochinteressant. Die 'Neue Tonart' dis-Moll musste belegt werden und konnte das durch das Tieferlegen eines e-Moll Präludiums und das Höherlegen einer d-Moll Fuge, es entstand der hochinteressante Zwitter Präludium und Fuge es/dis-Moll. Daran kann man jetzt endlose Spekulationen anknüpfen insbesondere zum Thema enharmonische Verwechslung. Im Übrigen behaupte ich, dass das im WtC stehende Paar sich von den beiden Ausgangsstücken in konventionelleren Tonarten im Charakter deutlich unterscheidet. Um das zu sehen und zu fühlen, braucht man nur das Fugenthema in d-Moll und in dis-Moll einige Male alternierend auf einem modernen Instrument zu spielen.
Besonders aufschlussreich ist der Vergleich der Eröffnungssätze von BWV 29 und 1006.
D-Dur mit Pauken und Trompeten E-Dur mit der alleinstehenden Geige. Das ändert den Charakter nachhaltig und damit die Tonart.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es ist allerdings zu befürchten, dass in naher Zukunft ein Pianist diese Etüde auch in Cis-Dur genauso glatt, wie in C-Dur spielen kann und damit eine Perversion schafft, die man nicht wirklich gut finden muss.
Ist Peter Feuchtwanger aufgrund eines zu schnell laufenden Grammophons passiert:

Zitat von Peter Feuchtwanger:
So lernte ich die Chopin-Etüden, die erste in Cis-dur, die zweite in B-Moll, und so weiter, alles falsch.

Hinsichtlich Tonartencharakteristik, sei es nun aufgrund verschiedener Stimmungen und/oder Stimmtonhöhen, muss man akzeptieren, dass jeder das Gras ein bisschen anders wachsen hört.
Wenn Christian Daniel Friedrich Schubart die Tonarten so blumig gehört hat, dann war es für ihn so, verallgemeinern lässt sich hier nichts:

 
Chopins Polonaise in A-Dur jetzt in As-Dur? das ist offenhörig Käse:013:
Zu Chopins Zeiten wurd ausschließlich nach Gehör gestimmt.

Das da A und As Dur recht unterschiedlich klingen konnten (trotz gleichstufiger Stimmung) ist recht wahrscheinlich.

Heute stimmen viele Kollegen mittels Gerät oder Stimm App - da merkst zwischen A und As Dur keinen Unterschied mehr.
 

Wahrscheinlich verhält es sich mit der „Tonartencharakteristik“ bei der gleichschwebenden Stimmung wie mit der Homöopathie oder der Bach-Blütentherapie: Man muß daran glauben - und bisweilen hilft der Glaube ja auch schon (Autosuggestion, Selbstheilungskräfte …)
 
Wahrscheinlich verhält es sich mit der „Tonartencharakteristik“ bei der gleichschwebenden Stimmung wie mit der Homöopathie oder der Bach-Blütentherapie: Man muß daran glauben - und bisweilen hilft der Glaube ja auch schon (Autosuggestion, Selbstheilungskräfte …)

Möglich.

Auch vorstellbar, daß es mit dem archaischem Gedächtnis zusammenhängt.

Meine absolute Haßtonart war immer Fis - Dur....ohne Grund.

Ob ich was in F oder Fis spiele ist eigentlich wurscht.

Wenn man sich allerdings alte Stimmungen anhört, war Fis Dur mit die greissligste.
 
Ich bin gespannt auf den Nachweis, dass Modulationen (wie z.B. die übliche in der Exposition in die Dominante) sich am Tonartencharakter orientieren - das müssten sie, wenn dieser so enorm relevant und augenfällig wäre.
 
Ich bin gespannt auf den Nachweis, dass Modulationen (wie z.B. die übliche in der Exposition in die Dominante) sich am Tonartencharakter orientieren - das müssten sie, wenn dieser so enorm relevant und augenfällig wäre.
Wäre doch mal eine Aufgabe für die Musikwissenschaftler, dies allgemein und dann auch noch Komponist für Komponist bzw. epochenspezifisch statistisch auszuwerten. Vermutlich wäre das doch nur ein Add-On, das man zu der Software basteln müsste, die bei YouTube etc. Musik auf Urherberrechtsverletzungen scannt.
 
Ich bin gespannt auf den Nachweis, dass Modulationen (wie z.B. die übliche in der Exposition in die Dominante) sich am Tonartencharakter orientieren - das müssten sie, wenn dieser so enorm relevant und augenfällig wäre.
Finde ich gar nicht mal so abwegig, auch wenn Satire Mutter dieses Postings war. ;-)

Waren die Komponisten auch in "hohen" Tonarten so klassischbrav-modulierend? also bei Sonaten(sätzen) in Fis-Dur und so...

Ein Cis-Dur-Seitenthema käme mir unnatürlicher vor als jetzt z.B. in einer Medianttonart (B-Dur oder A-Dur) vielleicht...
 
Finde ich gar nicht mal so abwegig, auch wenn Satire Mutter dieses Postings war. ;-)
Gewisse Kennzahlen, die den Charakter eines Musikstückes wiederspiegeln, gibt es sicherlich. Warum nicht diese ermitteln und daraus Datensätze erstellen, die man dann miteinander vergleichen kann ? Die ein oder andere Erkenntnis wird wohl schon dabei rausspringen.
 
Gewisse Kennzahlen, die den Charakter eines Musikstückes wiederspiegeln, gibt es sicherlich. Warum nicht diese ermitteln und daraus Datensätze erstellen, die man dann miteinander vergleichen kann ? Die ein oder andere Erkenntnis wird wohl schon dabei rausspringen.
*grins* aus "Kennzahlen" bekommt man fast nichts zur Musik heraus. Wogegen etwa soll man diese "Kennzahlen" kalibrieren?
Alles Aberglaube von Statistikern.
 
Finde ich gar nicht mal so abwegig, auch wenn Satire Mutter dieses Postings war. ;-)
Ganz soooo dolle satirisch war das gar nicht. Es gibt nun mal eine Menge schematischer Modulationen. Wenn eine als Bezugspunkt gewählte Tonart (meinetwegen "schwarzes" h-moll (Beethoven)) eine spezielle stimmungsmäßige Charakteristik hat, dann muss das auch für die mit ihr "verwandten" Tonarten gelten (im Fall von h-moll die "gleißend helle, strahlende" (Skrjabin) Dominante Fis-Dur) - dann aber würden sich die stimmungsmäßigen Verhältnisse zwischen Tonika und Dominante sehr unterscheiden müssen. Und da habe ich Zweifel, denn D-T/t klingt eigentlich immer schematisch richtig, zielstrebend.

Aber das hat mit dem stimmen von Instrumenten nicht mehr so viel zu tun.
 

Zurück
Top Bottom