Danz op de Deel

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Viel klassische Kunstmusik ist von Tanzmusik beeinflusst und repräsentiert diese oft in stilisierter Form (z.B. Bach: Suiten, Chopin: Mazurken, Bartok: sehr viel)

Bei der Auswahl der Literatur, die ich so in meinem bisherigen Leben gespielt habe, war für mich diese Kategorisierung egal bzw. zweitrangig.

In meinem Studium, vor ca. 25 Jahren, habe ich einen Pianisten kennengelernt, der sagte, er könne keine Klaviermusik spielen, die von Tanzmusik beeinflusst ist, weil er mit Tanzen und Tanzmusik im Allgemeinen nichts anzufangen weiß. Er spielte konsequent nur Musik, die keine Verbindung zu Tänzen hat.

Mich interessiert: Wie seht ihr das? Trennt ihr zwischen vom Tanz inspirierter Musik und anderer Musik?
Beeinflussen Gedanken darüber eure Interpretation?
Oder ist euch diese Trennung völlig frend?
 
Ich trenne nicht. Ich spiele die Stücke, die mir gefallen. Ich denke dabei nicht notwendigerweise an die Inspiration des Komponisten, verschließe mich dem aber auch nicht kategorisch.
Ich spiele für mich, es muss keinem anderen (zB zahlendem Publikum,,,) gefallen.
 
In meinem Studium, vor ca. 25 Jahren, habe ich einen Pianisten kennengelernt, der sagte, er könne keine Klaviermusik spielen, die von Tanzmusik beeinflusst ist, weil er mit Tanzen und Tanzmusik im Allgemeinen nichts anzufangen weiß. Er spielte konsequent nur Musik, die keine Verbindung zu Tänzen hat.
Ogottogott. Ich verwette meine Uroma, dass der nicht nur nicht gut gespielt hat, sondern auch statt Mädels am Start zu haben immer Mütze-Glatze gemacht hat. War der irgendwie religiös? :lol:
 
Wie seht ihr das? Trennt ihr zwischen vom Tanz inspirierter Musik und anderer Musik?
Manchmal, aber eher andersrum ;-)

Im normalen Klavieralltag spiele ich auch Tänze, es kommen halt viele in der derzeit von mir gespielten Literatur vor. Menuette, Mazurkas..... Ich mache da keinen Bogen drum, ich mag das sogar.

Da ich einen großen Fuß in der Bal Folk Szene habe bzw. hatte kann es vorkommen, dass ich einen expliziten Tanz-Tag oder ganzes Wochenende habe, wo eigentlich nur Tänze gespielt werden, das kann auch einfach mal Donnerstags nachmittags für mich alleine sein. Oder zum Bal Folk mit vielen Tänzern. Und wenn, dann steht immer die Tanzbarkeit im Vordergrund. Also ne Mazurka so gespielt, dass man sie gerne tanzen mag. (was ich auch gerne tue ;-) ) Dann kann es sogar sein, das ich das Klavier gegen eine Cornemuse du Centre oder Musette Bechonette tausche. (Chopin-Freunden eventuell aus George Sands Buch "Maîtres Sonneurs" bekannt) Hach, ja, da trenne ich dann.

Aber im Klavieralltag, wie geschrieben, Tänze, Lieder oder Vortragstücke so wie ich sie halt kann.
 
Völlig abwegig eine solche Trennung. Aber soll ja Leute geben, die deswegen Musiker geworden sind (mehr noch DJs DJs) weil sie nicht tanzen können (oder wollen) aber trotzdem Mädels beeindrucken wollen. Scheint hier aber nicht der Fall, denn er will ja auch niemanden zum Tanzen bringen offenbar, also einfach nur ein Spleen.

Bei klassischen Interpreten merkt man aber sehr häufig, dass die keine Ahnung von Tanz haben. Tänze werden so verwurstet, dass man nicht einmal mehr erkennen kann, dass es mal ein Tanz war, wenn man nicht die Bezeichnung der Stücke kennt. Selbst bei bekannten Orchestern oder Interpreten klingt Tanzmusik immer irgendwie hölzern.
 
Adam Neely würde sagen, der Ursprung von Rhythmus ist die Koordination der Bewegungen von mehreren Individuen. Damit ist jede Musik mit Tanz verbunden (wenn man weit genug zurückgeht). Für die konkrete Fragestellung ist das vielleicht nicht besonders hilfreich, aber meiner Meinung nach doch ein Gedanke, den man im Hinterkopf behalten sollte.

Die Frage ist auch, wo man die Grenze zwischen 'rhythmischer Bewegung" und "Tanz" zieht, oder ob man die überhaupt ziehen sollte.
 
Wenn man eine Tanz-Allergie hat, wird es mit der Literatur-Auswahl ganz schön eng. Denn in einem erheblichen Teil des klassischen Repertoires sind mehr oder weniger stark stilisierte Tänze maßgeblich enthalten. Kaum eine Sonate oder Sinfonie kommt ohne Tanzsatz aus. Selbst das "unverdächtige" WTK enthält etliche Sätze, die von Tänzen inspiriert sind (Giguen, Pastoralen etc.).

Bei klassischen Interpreten merkt man aber sehr häufig, dass die keine Ahnung von Tanz haben. Tänze werden so verwurstet, dass man nicht einmal mehr erkennen kann, dass es mal ein Tanz war, wenn man nicht die Bezeichnung der Stücke kennt. Selbst bei bekannten Orchestern oder Interpreten klingt Tanzmusik immer irgendwie hölzern.
Kannst du das auch an Beispielen belegen oder ist das eines deiner üblichen Vorurteile?
 
Musik sollte nicht nur mit dem Geist, sondern auch mit dem Körper interagieren. Wer mit Tänzen, Groove und Co. nix anfangen kann, dem fehlt m.E. ein gutes Stück Musikerfahrung. Ich habe da mehrfache Erfahrungen gemacht, das ist aber nur anekdotische Evidenz.

Den Rhythmus, den muss ich spüren. Meistens ungefähr da, wo auch mein Schwerpunkt ist, den ich spüre z.B. beim Rollschuhlaufen.

Wie gesagt, anekdortische Evidenz, persönliche Meinung, ich kann da jetzt keine Artbeiten zitieren.

Grüße
Häretiker

PS:
"Der Rhythmus wo ich immer mitmuss"
-- Stephan Remmler, "Keine Sterne in Athen"
 
Kannst du das auch an Beispielen belegen oder ist das eines deiner üblichen Vorurteile?
Ich könnte sicher mal ein paar Beispiele raussuchen, besonders schlimm ist es, wenn klassische Orchester was spielen sollen, dass eigentlich swingen soll. Pianisten und Walzer (Schubert) scheint auch einschwieriges Verhältnis zu sein, denn er hat ja wirklich Tanzstücke im eigentlichen Sinne gemacht.

Aber wenn es um ältere Musik geht wäre imo Glen Gould ein gutes Beispiel was verwursten angeht.
 

Nein, hat er nicht. Die Walzer und Ländler sind Kunstmusik und ebenso wenig zum Tanzen gedacht wie die Walzer Chopins.
Wie kommst Du darauf in Bezug auf Schubert?

Der Verlag schreibt dazu:
"Haydn, Mozart und Beethoven schrieben Tanzmusik zumeist als Auftrag für Hof und Adel. Schubert war in der sozialen Stufe des heraufkommenden Bürgertums angesiedelt. Seine Tanzmusik entfloss keinem finanzträchtigen "Auftrag", höchstens dem, seinen Freunden und seiner Gesellschaft gelegentlich Freude zu bereiten. Sie entstammt einer Zeit, die in "Kunstmusik" und "Unterhaltungsmusik" noch keinen Gegensatz erblickte; und wie viele seiner Lieder bei all ihrer hohen Kunst volkstümlich wurden, so verleugnet keiner seiner Tänze echte Wiener und österreichische Folklore."

Du bestätigst meiner Meinung nach nur das was viele klassische Musiker denken und praktizieren, weswegen solche Stück imo oft falsch interpretiert werden.
 
@Alex_S.
Der entscheidende Teilsatz in dem von dir zitierten Text ist dieser:
„[…] so verleugnet keiner seiner Tänze echte Wiener und österreichische Folklore."

Diese Aussage impliziert ja, dass es sich um
Kunstmusik handelt, die ihre Wurzeln zwar in der Gebrauchsmusik hat, aber eben keine solche mehr ist.
 
Chopin verleugnet in keiner seiner Mazurken echte polnische Folklore. Sind die deshalb Tanzmusik - in dem Sinne, dass dazu getanzt werden soll?

Genau so ist es bei Schubert. Schon die auffällige Asymmetrie in vielen seiner Walzer macht überdeutlich, dass es sich um Charakterstücke und nicht um Tanzmusik im engeren Sinn handelt.
 
Wird aber nichts daran ändern, dass das auch Geschmacksache ist und man muss natürlich auch wissen wie z.B. ein Walzer getanzt wird. Ein Beispiel habe ich ja schon gegeben, Glen Goulds Menuette sind meißt völlig untanzbar, allerdings zugegebene Maßen interessant.
Da geht es weniger um Tanz / nicht-Tanz, sondern darum, dass das Orchester in einem Stil spielt, den es nicht gewohnt ist.
Das ist letztlich bei Walzer. Polonaise und Menuett nicht anders. Wobei man heute Swing wohl häufiger im Alltag hört als Menuett oder Polonaise. Wenn man Tänze schon über Generationen von klassisch ausgebildeten Pianisten nicht als das ausgibt als was sie zur Zeit des Enstehens waren, dann wird das irgendwann als richtig erachtet. Auch Walzer hat einen gewissen Groove, wenn man dessen eigentlichen Zweck und die Art wie man den erfüllt nicht kennt, wird man auch "Kunstmusik" nicht richtig spielen können. Der Musik fehlt etwas und wer weiß wie man tanzt, der hört das auch.
 
@Alex_S.
Der entscheidende Teilsatz in dem von dir zitierten Text ist dieser:
„[…] so verleugnet keiner seiner Tänze echte Wiener und österreichische Folklore."
Das ist deine Interpretation. Für mich heißt das, dass man die Tänze auch tanzen kann und sollte, so der Hochzeitswalzer für Kuppelwieser. Auch die allermeißten, wenn nicht alle Stücke aus dem zitierten Notenheft sind Tanzbar.
Diese Aussage impliziert ja, dass es sich um
Kunstmusik handelt, die ihre Wurzeln zwar in der Gebrauchsmusik hat, aber eben keine solche mehr ist.
nein, auch insbesondere nich in Bezug auf Haydn, Mozart und Beethoven. Es steht ja gerade da, dass "Unterhaltungsmusik" (also auch Gebrauchsmusik im Sinne von Tanzen) und "Kunstmusik" kein Gegensatz waren. Einen Halbsatz herauszusuchen, die deine These stützen ist kein geeigneter Versuch.
Chopin verleugnet in keiner seiner Mazurken echte polnische Folklore. Sind die deshalb Tanzmusik - in dem Sinne, dass dazu getanzt werden soll?
Mit Chopin habe ich mich nicht besonders beschäftigt. Nach dem was du sagst sollte aber zumindest beachtet werden, dass es ein Tanzstil ist und insofern auch "grooven" sollte, wie man heute sagt.
Genau so ist es bei Schubert. Schon die auffällige Asymmetrie in vielen seiner Walzer macht überdeutlich, dass es sich um Charakterstücke und nicht um Tanzmusik im engeren Sinn handelt.
Was meinst du mit Assymetrie? Alle Stücke in D365 sind durchaus tanzbar, wenn entsprechend gespielt.
 

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