Danz op de Deel

Das Problem ist, dass diese Tanzsätze schon zur Zeit ihres Entstehens nicht das waren, wofür du sie hältst.
Fakt ist, dass diese Tanz- und Musikstile in der Entstehungszeit populär und geläufig waren, also auch praktisch, quasi alltäglich umgesetzt wurden. Als andere Tänze aufkamen gerieten die meißten davon in Vergessenheit und wurden, wie du es machst, als reine Kunstform aufgefasst. Und selbst Tänze die es heute noch gibt, wie Walzer, tanzt der Normalbürger doch maximal einmal im Jahr, der Musikstudent/Pianist sicher noch seltener, wenn überhaupt.
Falls du auf Menuette in Bachs Suiten anspielst - das ist in höchstem Maß stilisierte Kunstmusik. Dazu wurde zu Bachs Lebzeiten nie getanzt.
Wie gesagt gab es den Unterschied zwischen Kunst- und Unterhaltungsmusik nicht so sehr wie es später, bis heute, zelebriert wurde und wird. Da wird seit Pianistengenerationen eine Musikrichtung vom Elfenbeinturm aus betrachtet. Wenn man Musik allein als Kunstmusik betrachtet, ist sie so lebendig wie juristische Fachliteratur.
Deswegen finde ich ja auch, bei "Let's Dance!" einen Wiener Walzer auf einen 12/8-Shuffle zu tanzen so dämlich, der Groove passt überhaupt nicht.
Das habe ich noch nicht gesehen, kann also nicht viel dazu sagen.
Das bezweifelt auch niemand. Aber daraus folgt im Umkehrschluss nicht, dass man die Stücke entsprechend spielen muss (oder sollte).
Selbstverständlich kann jeder machen was er will, ist dann aber eben wie einen Wiener Walzer auch einen 12/8 Shuffle zu tanzen. Wenn du das schön findest ist alles gut.

@mick ich schicke dir meine Beiträge gern vorab zum Korrektulesen ;-)
 
Was wären denn Stücke, zu denen zu Bachs/Mozarts/Chopins Zeiten tatsächlich getanzt wurde? Gibt’s da Beispiele auf YouTube?
 
"Graf Johann Josef Pachta war ein großer Musikliebhaber und Mäzen der Stadt. Er residierte in einem Palais am Annaplatz, das Schauplatz der wichtigsten Karnevalsbälle Prags war. Und er bat Mozart mehrere Male darum, für das nächste große Event einige Tänze zu komponieren. Aber wie es so mit ihm war, fand der Komponist nicht die Ruhe und Muße dafür – Selbstorganisation und Disziplin waren nun wahrlich nicht seine Stärken.

Graf Pachta sah sich mit fortschreitender Zeit gezwungen, wieder den Komponisten zu zwingen. Er lud ihn zu einem Abendessen ein, eine Stunde früher als sonst. Als Mozart eintraf, ließ er ihn zu einem Zimmer führen, in dem alles bereit lag: Notenpapier, Tinte, Feder. Ob die Tür hinter Mozart wirklich abgeschlossen wurde, überlassen wir vielleicht eher der Legendenbildung. Mozart jedenfalls komponierte eine halbe Stunde lang und konnte an diesem 6. Februar 1787 die sechs Deutschen Tänze in sein Werkverzeichnis eintragen.

Ganz bewusst legte er sie als Einheit an, die ohne Pause und mit vorkomponierter Überleitung gespielt wird. Jeder einzelne dieser Walzer im Dreivierteltakt steht in einer anderen Tonart und ist unterteilt in Hauptteil und Trio. Körperlich spürbar ist der Spannungsaufbau vom aufreizend wippenden Anfang bis zum orchestral aufbauschenden Schluss, ein humorvoller Ritt durch Melodien und Rhythmen, der unweigerlich in die Füße fährt."


"Am 7.12.1788 war Wolfgang Amadé Mozart zum „k.k. Kammerkompositeur“ am Wiener Hof berufen worden, was ihm auch die Aufgabe zuteil werden ließ, für die Maskenbälle (oder auch Redoutenbälle) zur Faschingszeit Tänze zu komponieren."

"Mozarts Aufgabe als Kammerkompositeur war es also, Tänze für die reine Tanzpraxis zu komponieren, anders also, als in seiner Salzburger Zeit, in der er viele Menuette hauptsächlich als Übungsstücke für Tonsatz und Instrumentation komponierte. Seine Wiener Tänze sind im Gegensatz zu den Salnzburgern weniger experimentell, dafür aber geschickt und effektvoll instrumentiert: Sie zeugen von einem „Ideenreichtum, der sich innerhalb strenger Grenzen entfaltet“5.
Noch bis Mitte des 18. Jahrhunderts war es üblich gewesen, bei solchen Bällen Konzertmusiker über bekannte Melodien improvisieren zu lassen. Mozarts Aufgabe war es nun, durch seine speziell für den Anlass komponierte Tänze jeden Redoutenball zu etwas besonderem zu machen, was ihm durch geschickte Instrumentation und dem Spiel mit Klangfarben auch gelang. So nutze er zum Beispiel verschiedene Instrumentationen, um stereotype Wiederholungen des Themas, die eigentlich grundlegendes Prinzip von Tanzformen sind, zu variieren. Nichtsdestotrotz sind seine orchestralen Tanzkompositionen nicht so aufwendig wie seine symphonische Orchestermusik. So berichtet sein Biograph Nissen in einer Anekdote, „daß Mozart in weniger als einer halben Stunde mit vier Contretänzen für das große Orchester fertig war“6."

 
Ob das nun eine Kunstform eines Tanzes ist oder ein Tanz, trotzdem kann ich das als Tanz auffassen. da steckt noch der Kern des Tanzes drin. Und nur, wenn ich diesen Kern kenne, kann ich das auch richtig intepretieren.
Ist so wie bei Burger, Pornographie, Handtasche oder Sportwagen.

Grüße
Häretiker
 
Fakt ist, dass diese Tanz- und Musikstile in der Entstehungszeit populär und geläufig waren, also auch praktisch, quasi alltäglich umgesetzt wurden.
Das ist eben kein Fakt. Als Bach seine Menuette komponiert hat, waren das schon stilisierte Reminiszenzen an vergangene Zeiten. Tanzbar waren die schon deshalb nicht, weil die Zahl der Takte in seinen Menuetten in der Regel gar nicht zu den überlieferten Schrittfolgen passte. Und populär waren Menuette ohnehin nie; das Menuett galt als der komplizierteste unter den höfischen Tänzen - niemand aus dem gemeinen Volk konnte oder wollte sowas tanzen. Selbst der Adel konnte es zu Bachs Zeiten nicht mehr - das Menuett als echter Tanz überlebte nur in professionellen Ballettkompanien noch eine Weile. Für die komponierte Bach aber nicht. Und Claviermusik wurde weder zu Bachs noch zu späteren Zeiten als Tanzmusik verwendet - die Instrumente waren dafür viel zu leise und am Hof auch nicht repräsentativ genug.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist eben kein Fakt. Als Bach seine Menuette komponiert hat, waren das schon stilisierte Reminiszenzen an vergangene Zeiten. Tanzbar waren die schon deshalb nicht, weil die Zahl der Takte in seinen Menuetten in der Regel gar nicht zu den überlieferten Schrittfolgen passte. Und populär waren Menuette ohnehin nie; das Menuett galt als der komplizierteste unter den höfischen Tänzen - niemand aus dem gemeinen Volk konnte oder wollte sowas tanzen. Selbst der Adel konnte es zu Bachs Zeiten nicht mehr - das Menuett als echter Tanz überlebte nur in professionellen Ballettkompanien noch eine Weile. Für die komponierte Bach aber nicht. Und Claviermusik wurde weder zu Bachs noch zu späteren Zeiten als Tanzmusik verwendet - die Instrumente waren dafür viel zu leise und am Hof auch nicht repräsentativ genug.
Ich zitiere mal die bereits angegebene Quelle, die das ganz anders berichtet:
"Zum Ende des 18. Jahrhunderts waren hauptsächlich drei Standardtanzformen beliebt, deren Reihenfolge für die Redoutenbälle durch die oben schon erwähnte Ballordnung geregelt wurde. Sie sah vor, dass zunächst eine Reihe von Menuetten getanzt wurden, denen dann mehrere Kontretänze folgten. Den Abschluss bildeten die Deutschen.7
Das Menuett war der vorherrschende Tanzstil des Barock und wurde hauptsächlich vom Adel praktiziert, da eine gute Tanzausbildung und viel Übung erforderlich waren. Es galt noch bis ins 19. Jahrhundert als Ideal tänzerischer Aktion und Virtuosität. „[D]er perfekt stilisierte Gang, der die absolute Kontrolle über Schritt und Körperhaltung demonstriert […] verlangt nicht nur Disziplin und Musikalität, […] er offenbart auch jeden Fehler, da keinerlei technische Tricks als Bluff zur Verfügung stehen“8. Mozart benutzte jedoch bei seinen Menuetten für die Redouten-Bälle – ganz im Zeichen der Zeit – auch Einflüsse des Deutschen. Auffälliges Beispiel hierfür ist ein Menuett für die Redoute von 1791 (KV 601), bei der im B-Teil ein eintaktiges kreisendes Motiv eingeführt wird, das typisch für den Deutschen ist.9
"

Im Übrigen wurden Menuette nicht allein auf dem Clavier gespielt, sondern auch auf anderen Instrumenten und Ensebles. Un wo wir von Schubert gesprochen haben, das Klavier war zu seiner Zeit laut genug um für seine Freunde zum Tanz aufzuspielen.
 
Die Redoutenbälle waren im Prinzip nichts anderes als Nachläufer höfischer Tanzveranstaltungen, die sich dem gehobenen Bürgertum geöffnet haben. Die Tänze waren komplett durchchoreografiert - das war alles mehr Bühnentanz als Gesellschaftstanz.

Und da du schon die Mozartschen Contredanses erwähnst: hier zeigt sich, dass es eben doch einen Unterschied zwischen U-Musik und E-Musik gab. Hör dir den ersten aus KV 609 an und anschließend den ersten Figaro-Akt, aus dem die Musik letztlich stammt. In den Contredanses ist alles in großer Vorhersehbarkeit angelegt. Und das muss es auch, sonst würde es sofort zu Konfusionen in der festgelegten Schrittfolge kommen. In der Oper gelten andere Gesetze; hier ist die Musik weit komplexer und gehorcht ganz anderen Gesetzen. So auch der Fandango aus dem 3. Akt - für eine Tanzveranstaltung wäre der aufgrund seiner Komplexität völlig ungeeignet.

Ähnliches gilt auch für die Menuette - vor allem diejenigen aus den Sinfonien ab KV 385. Sie sind wesentlich kunstvoller als diejenigen der Ballmusik; der Stilisierungsgrad ist hier sehr groß. Zum Tanzen eignen sie sich nicht. Und wer versucht, sie so zu interpretieren, der banalisiert sie.

Was auch für die Schubert-Walzer gilt. Die sind viel zu kunstvoll angelegt. Wenn Schubert in den Schubertiaden mal zum Tanz aufgespielt hat, dann hat er improvisiert und sich mit Sicherheit auf 8- oder 16-taktige Phrasen beschränkt. Im Prinzip nicht anders, als es ein Ballett-Repetitor noch heute tut, wenn er das Training begleitet.
 

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