Bourree, Gavotte, Menuett... (noch) als Tanz zu verstehen?

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Bourree, Gavotte, Menuett, Rigaudon.. diese (und viele weitere) Formen waren ja ursprünglich einmal als Tänze gedacht.
Ich frage mich beim Spielen solcher Stücke oft, ob das jetzt sozusagen die "Dancefloor-Hits" der 1700...er waren und sie auch so gespielt werden wollen. Oder ob und wenn wann sich diese Formen von ihrem eigentlichen Ursprung gelöst haben und eigenständige Kunstformen geworden sind, die gar nicht mehr dazu gedacht waren, einen Tanz zu begleiten.
Wie macht ihr das, wenn ihr solche Stücke spielt? Arbeitet ihr da einen "tänzerischen" Charakter heraus? Und sollte man das tun?
Wobei das ja auch gar nicht einfach ist, ohne den zugehörigen Tanz auch nur ansatzweise zu kennen.
 
Aus genau diesem Grund habe ich vor Jahren mal einen Barocktanzkurs mitgemacht.
Sehr erhellend waren für mich damals zwei Punkte:
1. die 1 geht zum Himmel (gemeint ist die erste Zählzeit, die wir gerne als schwere Zeit betrachten. Das Ballett als Reminiszens an alte Zeiten zeigt die erste Zählzeit auf der Spitze, so verhält es sich auch beim Barocktanz)
2. Das Menuett ist der ernsthafteste aller Tänze.
 
Wow, so was gibts?? das klingt toll! Und ich fände es total erhellend, um die Musik besser zu verstehen...

Schau mal im nächsten Jahr (Besserungen in der Corona-Lage vorausgesetzt) nach den Kursen in Arosa/Schweiz. Ich meine, dass die lange Jahre einen Kurs "Höfische Tänze" dabei hatten. Einmal habe ich bei einer Vorführung zugeschaut.
(Die Hotels in Arosa sind natürlich nicht billig, das muss man dazu sagen. Dafür kann man immer mal wieder eine Vorführung eines Kurses umsonst erleben. Und - falls Du Dich zu einem Kurs dort entschließt - auf keinen Fall das Dienstagskonzert im Bergkirchli verpassen!)
 
Das hätte ich eher von der Sarabande erwartet - kannst du das bzgl Menuet etwas erläutern @Tastatula ?
Zunächst zur Sarabande: Sie war ursprünglich ein erotischer und durchaus unzüchtiger Tanz, wenn ich es recht weiß, auch eher nicht langsam, sie wurde sogar verboten, bevor sie höfisch gemacht wurde und damit rehabilitiert.
Vom Menuett sagt J.J. Rousseau: "...eine zierliche und edle Einfachheit characterisire dieselbe, seine Bewegung sey sehr gemässigt, und unter allen, bey den Franzosen üblichen Tanzstücken sey dieses das ernsthafteste." (Zitat aus der allgemeinen Musikzeitung April, 1817).
@Viva la musica, Den Kurs in Barocktanz habe ich bei Barbara Zech-Günther belegt. Ja, ich fand es auch wunderbar, der alten Musik im tänzerischen Kontext nahezukommen.
 
Zunächst zur Sarabande: Sie war ursprünglich ein erotischer und durchaus unzüchtiger Tanz, wenn ich es recht weiß, auch eher nicht langsam, sie wurde sogar verboten, bevor sie höfisch gemacht wurde und damit rehabilitiert.

Das ist ja spannend, da muss ich mir doch jetzt glatt mal eine Sarabande zum Spielen raussuchen! :coolguy:

Hab jetzt auch schon einige Barocktanzkurse gefunden, nehm ich nach Corona vielleicht wirklich mal in Angriff... geb dann hier im Forum Bescheid, vielleicht hat ja noch jemand Lust... ;-)
 
Erstaunlich finde ich, dass man die neckische Geschichte (sowie evtl. lateinamerikanische oder spanische (!?) Herkunft) dieses Tanzes den Sarabanden von Bach gar nicht anmerkt. Allerdings scheinen dann bzgl höf. Tanz und Musik die Gepflogenheiten am franz. Hof (ab Ludwig 14.) eher abgefärbt zu haben.
 
Erstaunlich finde ich, dass man die neckische Geschichte (sowie evtl. lateinamerikanische oder spanische (!?) Herkunft) dieses Tanzes den Sarabanden von Bach gar nicht anmerkt.
Hihi, er war ja auch evangelisch....
Wenn ich mich recht erinnere - ich war zu der Zeit noch sehr klein - , dann hat die Sarabande Gnade gefunden allein dadurch, dass sie entspeckt wurde und höflich angepasst. Das hat sie dann wohl so zahm gemacht. Es ist ja oft so, wenn ein Pendel zunächst in die eine Richtung schlägt - wilder erotischer Tanz - , dass sie dann sogar eher zugeknöpft daherkommt, damit sie nur ja keiner mehr verbiete...
 

Das ist auch meine Erfahrung: Ein Menuett hat einfach Tempogrenzen, man bekommt die Schrittfolge sonst nicht hin.
Im Allgemeinen, ja, durchaus als Tanz. Bei Bach ist das allerdings teilweise schon so weit von einem tanzbaren Stück entfernt, dass der immer irgendwie speziell ist.
 
Meine Klavierlehrerin hat mir erklärt dass zb bei einem Menuett die linke Hand (die sich ja eher im Bassbereich bewegt) für den männlichen Tanzpartner und die rechte Hand für den weiblichen Part stehen. Und manchmal kommen beide Parts zusammen und tanzen gemeinsam,manchmal trennen sie sich und je nachdem wirkt sich das auf die Betonung aus.
Für mich war das sehr erhellend und es hat mir sehr geholfen mich etwas mehr in die Stücke einzufühlen.
 
@Lizzythep
Interessant wäre es nun noch zu erfahren, ob, dies wissenschaftlich untermauert ist oder „nur“ eine methodische Hilfestellung bzw. Vorstellung zur Entfaltung der musikalischen Gestaltung.
 
Meine Klavierlehrerin hat mir erklärt dass zb bei einem Menuett die linke Hand (die sich ja eher im Bassbereich bewegt) für den männlichen Tanzpartner und die rechte Hand für den weiblichen Part stehen. Und manchmal kommen beide Parts zusammen und tanzen gemeinsam,manchmal trennen sie sich und je nachdem wirkt sich das auf die Betonung aus.
Für mich war das sehr erhellend und es hat mir sehr geholfen mich etwas mehr in die Stücke einzufühlen.

Das wird bei den Cello-Suiten von Bach halt etwas schwieriger. :-)

Grüße
Häretiker
 
Da kenne ich mich aus!
Das spielt man auch mit zwei Händen......und jede macht etwas anderes.....
Im Idealfall klingt die Synthese atemberaubend...:musik024:

OK, Next Level:
Die gibt auch für Saxophon Solo. :-)

Ja, durch die Stimmführung wird mitunter eine inhärente Zweistimmigkeit emuliert. Aber die tiefe als 'männlich' und die hohe als 'weiblich' zu interpretiern, kommt mir ... seltsam vor. Ich kann das ja mal dieser inneren Haltung zu spielen versuchen.

Grüße
Häretiker
 
An der Uni in Innsbruck war mal ein Zentrum für die Erforschung der historischen Tänze.
Es gab da auch einige Veröffentlichungen.
Müsste man recherchieren. Oder auch einfach anfragen!
 

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