Bechstein historisch

  • Ersteller des Themas verdi1813
  • Erstellungsdatum

verdi1813

verdi1813

Dabei seit
27. Aug. 2010
Beiträge
372
Reaktionen
43
Liebes Forum,

hiermit möchte ich mal einen Thread eröffnen, der sich hauptsächlich mit Bechstein beschäftigt. Wie ich schon öfter gepostet habe, spiele ich einen Bechstein von 1903, bin daher an den historischen Instrumenten interessiert.

Hat jemand Literatur darüber, welche Modelle es zu welcher Zeit gab und was die einzelnen Modelle von einander unterschied (außerder Größe)? Es ist sehr schwer an Bechsteinspezifische Literatur heranzukommen, eigentlich weiß ich garnicht, ob es eine solche gibt. Ich habe bisher noch keine gefunden (ok, ein paar Jubiläumsbändchen gibts vielleicht, sind aber eher so Bildbände und historisch oberflächlich).

Mich würde auch interessieren, was innerhalb des gleichen Modells im Laufe der Zeit geändert wurde. War also ein C-Modell 1903 ein Instrument der "neuen" oder "alten" Generation? Wann wurde das Modell überarbeitet? Was wurde jeweils überarbeitet und weshalb? Verbesserungen oder Sparmaßnahmen?

Gibt es besonders "gute" Jahre, Flops? Gab es im Werk in Berlin einen Mann, der besonders gut eine bestimmte klavierbautechnische Fähigkeit besaß und mit dessen Ausscheiden die Fertigungsqualität in diesem Bereich etwas nachließ? Das wären dann aber schon sehr spezielle Infos. Ich fände die aber interessant und klasse!

Bei Autos ist eine Modellhistorie recht transparent, da weiß man sehr genau, wann das Modell überarbeitet wurde und was gemacht wurde. Bei Flügeln ist das schwieriger, herauszubekommen.

Falls es Leute gibt, die irgendwelche Informationen haben, möchte ich sie bitten, diese zu posten. Gerne nehme ich auch Literaturhinweise entgegen.

Interessieren würde mich der Klavierbau bei Bechstein so sagen wir mal bis in die 1950er Jahre hinein. Also, für dienliche Hinweise wäre ichs ehr dankbar!
 
Ein paar gute Grundinfos gibt es hier:
Bechstein
 
Danke für den Link, die Seite kenne ich. Woher stammen die Informationen?

Als Literatur sind neben einem englischen Buch zwei deutsche angegeben, die ich beide habe und auc gelesen habe. Diese gehen aber nicht auf die speziellen Details der einzelnen Modelle ein.
 
Hallo,

verdi1813, gute Idee dieses Thema einzustellen, ich würde auch gerne näheres über meinen Bechstein erfahren. Innerhalb seiner 107 Jahre ist ja viel passiert.

Rudl, woher weißt Du diese Einzelheiten über Deinen Flügel (Besitzer)?

Nach dem bei Wikipedia genannten Buch (Faszination eines Instruments, Hrsg. C. Bechstein Pianoforte Fabrik AG) habe ich gegoogelt. Kann man das von Bechstein beziehen?

LG,
Marlene
 
Hallo Marlene,

der Architekt bei dem ich es gekauft habe, hat die Vorbesitzer in Stuttgart, deren Namen bekannt war, angeschrieben. Diese hatten bei Matthaes einen Kostenvoranschlag sowohl für einen Steingräber als auch diesen Bechstein angefragt, wobei sie den Bechstein umfurniert haben wollten. Diesen Kostenvoranschlag habe ich inzwischen und zusätzlich noch ein kleines Schreiben, in welchem die Künstlerin erwähnt wird.

Gruss RUdl
 
Hallo,

das Buch "Faszination eines Instruments" kann man sowohl über Bechstein, wie auch neu und gebraucht z. B. über zvab.de beziehen. Allerdings enthält es nur ein allgemeines Kapitel über die geschichtliche Entwicklung des Unternehmens, was zwar für Bechstein-Besitzer interessant ist, bez. der Modellentwicklung, Konstruktionsdetails usw. aber leider fast überhaupt keine Aussagen enthält

Gruß

Ka8
 
Das Buch Faszination eines Instruments habe ich, eine CD ist da auch dabei. Es enthält keine neuen und interessanten Infos. Nur eine allgemeine Firmengeschichte, die jederzeit im Netz nachzulesen ist. Außerdem Äußerungen von aktiven und nicht mehr aktiven Musikern über Bechstein. Ist eher so ein Werbeteil.

Irgendwie tu ich mich schwer, die "Epochen" Im Wiki Zeitspannen zuzuordnen. Wann begann Epoche 4, wie lange dauerte sie und wann wurde zwischen den Modellen abgewechselt?
 
Das Buch von Lippe-Weißenfeld "Das Klavier als Mittel politischer Distinktion" ist eher ein soziologisches Buch. Es enthält nichts über Baureihen etc. Eher wird die Bedeutung des Klaviers für die bürgerliche Gesellschaft analysiert, außerdem werden die Unternehmer Bechstein und Broadwood verglichen. Auch dieses Buch besitze ich und habe es gelesen.

Gibt es ein Buch speziell über den Klavierbau bei Bechstein? Da ist die Luft schon recht dünn...
 
Das Buch von Lippe-Weißenfeld "Das Klavier als Mittel politischer Distinktion" ist eher ein soziologisches Buch. Es enthält nichts über Baureihen etc. Eher wird die Bedeutung des Klaviers für die bürgerliche Gesellschaft analysiert, außerdem werden die Unternehmer Bechstein und Broadwood verglichen. Auch dieses Buch besitze ich und habe es gelesen.

Gibt es ein Buch speziell über den Klavierbau bei Bechstein? Da ist die Luft schon recht dünn...

Sag mal, Verdi1813 , stehen da auch kritische Bemerkungen zu Helene Bechstein drin ? Das fänd ich mal interessant, aber ich vermute eher das Schweigen der Unschuldslämmer. Wer macht sich denn gerne unbeliebt in einem Buch über die eigene Vergangenheit. So groß meine Liebe zu meinem alten Bechstein ist, so widerlich ist es natürlich , wenn sich so eine Frau mit A.H. befreundet, und ihn finanziell in erheblichem Maße unterstützt. Im Netz hab ich spontan hier was gefunden:
Hitlers Frauen - Helene Bechstein | Suite101.de

@marlene
Für Deinen Bechstein auf dem Podest könntest Du versuchen, diesen zu entkoppeln, sodaß das Podest nicht so sehr mitschwingt. Ich nutze bei allen meinen Flügeln die Piattinos, das bringt auch wundervolle Obertöne und mehr Klang, da durch das Gummigemisch die Energie nicht in den Boden geht, und sich in Klang umsetzt. Das Nachschwing-Verhalten sowie die Obertöne profitieren ebenso massiv davon. Der Flügel klingt einfach größer. Bei meinem Bechstein Modell IV sind Konzertrollen verbaut, von daher sind die Untersetzer nicht möglich, sonst müsste ich diese abmontieren. *** PIATTINO - Klavieruntersetzer ***
Ich mache ungern hier Werbung, aber die Teile sind einfach genial, und für 30€ pro Stück angesichts der Klangverbesserung sogar als günstig zu bewerten. Bei manchen Händlern kann man auch umtauschen, wenn es nicht gefällt.
 
So groß meine Liebe zu meinem alten Bechstein ist, so widerlich ist es natürlich , wenn sich so eine Frau mit A.H. befreundet, und ihn finanziell in erheblichem Maße unterstützt. Im Netz hab ich spontan hier was gefunden:
Hitlers Frauen - Helene Bechstein | Suite101.de
dass die Villa Bechstein in Berlin schon früh eine Anlaufstelle für ultranationale Kreise war, dass die Bechsteinerbin kurz darauf den Anstreicher aus Österreich protegierte, ist eigentlich seit langem bekannt und dokumentiert - also darauf hinzuweisen ist nicht gar so rasend investigativ. Worauf aber willst du eigentlich hinaus?
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
War nur so ein Punkt, der bei solchen Retrospektiven immer wieder gerne untern Tisch gefallen lassen wird, siehe auch Axel Springer Geburtstag und die 68ger. Wobei ich diese Geschichten eben nicht kenne, aber erwarte, daß sich eine Firma auch mit diesen dunklen Jahren auseinandersetzt.
 

Sag mal, Verdi1813 , stehen da auch kritische Bemerkungen zu Helene Bechstein drin? Das fänd ich mal interessant, aber ich vermute eher das Schweigen der Unschuldslämmer. Wer macht sich denn gerne unbeliebt in einem Buch über die eigene Vergangenheit.

Bitte, Rolleum, hört doch endlich auf mit der Vergangenheit! Aus dieser sollte jeder lernen, aber es muss endlich mal Schluss sein damit! Keiner der heutigen Generation ist daran beteiligt oder Schuld. Weder deren aktuelle Flügel noch deren Mitarbeiter sind in die "braune" Vergangenheit involviert. Und diese ist für Bechstein deutlich unerfreulicher als meine Ausführungen zu meinen Erlebnissen mit einigen ihrer Mitarbeiter.

@marlene
Für Deinen Bechstein auf dem Podest könntest Du versuchen, diesen zu entkoppeln, sodaß das Podest nicht so sehr mitschwingt. Ich nutze bei allen meinen Flügeln die Piattinos, das bringt auch wundervolle Obertöne und mehr Klang, da durch das Gummigemisch die Energie nicht in den Boden geht, und sich in Klang umsetzt.

Danke für den Tipp. Auf diesen steht er bereits und wenn er umzieht (am Mittwoch hat es leider aus Termingründen nicht geklappt – ich muss ja vier starke Jungs dafür haben) wird er auf diesen Untersetzern erneut Platz finden.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Bitte, Rolleum, hört doch endlich auf mit der Vergangenheit! Aus dieser sollte jeder lernen, aber es muss endlich mal Schluss sein damit! Keiner der heutigen Generation ist daran beteiligt oder Schuld.

Ach wie gut wir diese es-muss-endlich-mal-Schluss-sein-Rhetorik kennen.

Zu einem Ende gehört eine gute Beendigung. Diese steht bei der Firma Bechstein bis heute aus. Was Bechstein z.B. hier unter dem Jahr "1932" schreibt: The history of Bechstein pianos
ist eine Beleidigung der Opfer der Nazis und ihrer Nachfahren. Mal wieder wird eine (nicht ganz unwichtige) Täterin selbst zu einem Opfer umstilisiert. Solange die HEUTIGE Firma Bechstein sich nicht klipp und klar von dieser Vergangenheit trennt, muss ihr die Vergangenheit immer wieder unter die Nase gerieben werden. Viele Firmen haben das inzwischen getan und sich so neuen Respekt verdient. Warum nicht - endlich - auch Bechstein? Das ist die eigentlich wichtige Frage in diesem Zusammenhang.
 
Ach wie gut wir diese es-muss-endlich-mal-Schluss-sein-Rhetorik kennen.

Zu einem Ende gehört eine gute Beendigung. Diese steht bei der Firma Bechstein bis heute aus. Was Bechstein z.B. hier unter dem Jahr "1932" schreibt: The history of Bechstein pianos
ist eine Beleidigung der Opfer der Nazis und ihrer Nachfahren. Mal wieder wird eine (nicht ganz unwichtige) Täterin selbst zu einem Opfer umstilisiert. Solange die HEUTIGE Firma Bechstein sich nicht klipp und klar von dieser Vergangenheit trennt, muss ihr die Vergangenheit immer wieder unter die Nase gerieben werden. Viele Firmen haben das inzwischen getan und sich so neuen Respekt verdient. Warum nicht - endlich - auch Bechstein? Das ist die eigentlich wichtige Frage in diesem Zusammenhang.

Hier ein Link über Bechstein, da kann sich jeder selber seine Gedanken machen Druckansicht: Stradivari der Flügel - tachles.ch
 
Was Bechstein z.B. hier unter dem Jahr "1932" schreibt: The history of Bechstein pianos
ist eine Beleidigung der Opfer der Nazis und ihrer Nachfahren.

Hier ein Link über Bechstein, da kann sich jeder selber seine Gedanken machen Druckansicht: Stradivari der Flügel - tachles.ch

Ich habe mir Gedanken gemacht, aber ich kenne mich mit dieser Problematik nicht aus. Daher bitte ich bei diesem sensiblen Thema um Entschuldigung, wenn ich jetzt vermutlich politisch unkorrekt frage:

Meinst Du die Aussage von Bechstein, daß sie jüdische Kunden verloren haben (aus dem bekannten Grund) aber Helene Bechstein als Unterstützerin des Mannes aus Braunau mit dafür gesorgt hat ihre eigenen Kunden zu verlieren?
 
Ach wie gut wir diese es-muss-endlich-mal-Schluss-sein-Rhetorik kennen.

Was hat das mit "Rhetorik" zu tun...?? Marlene hat völlig recht: der überwiegende Großteil aller Menschen heute, hat nichts, aber auch gar nichts damit zu tun, was damals passiert ist. Herrn ******, vormals Schicklgruber, würde es wohl richtig freuen, daß wir heute immer noch so eifrig an ihn denken!

Unsere politische Landschaft zeigt keinerlei Tendenzen, in Richtung Diktatur zu wandern --- sollte es mal soweit kommen, dürfen wir uns gerne wieder an diesen Herrn erinnern (oder auch einige andere...). Bis dahin kann er da bleiben, wo er ist.

Ich selbst habe niemanden angefeindet, umgebracht oder sonstwas. Und was Menschen vor meiner Zeit gemacht haben, ist und war schon immer deren Bier.
Oder...?

Viele Grüße
Dreiklang
 
Hallo,

wir hatten eine sehr ähnliche Diskussion schon einmal im Februar dieses Jahres im Faden "Bechstein Modell V" (bitte SuFu benutzen). Auch wenn Sie nicht zu 100% passt, hier noch mal mein Statement von damals


Guten Abend,

ich habe mir gerade den Faden durchgelesen. Als Historiker, der auch viel im Bereich der historisch-politischen Bildung und hier speziell im Bereich Nationalsozialismus arbeitet, hätte ich zu vielen Posts etwas zu sagen, halte dies aber im Rahmen der bereits erstellten Beiträge für etwas zu aufwändig und zudem den anonymen Rahmen eines Forums aus verschiedenen Gründen dafür nicht angemessen. Interessant ist allerdings, dass die Argumentstrukturen auch hier in diesem Forum mit meinen bisherigen Diskussionserfahrungen mit Lehrgangsteilnehmern usw. einhergeht, prägnante Positionen wie etwa die strikte Ablehnung von allem was mit dem NS in mehr oder weniger enger Verbindung stand, die Aussage von der "Siegergeschichte" wie auch solche die in die Richtung "ich höre lieber meinem Opa zu" oder "wir hätten damals wahrscheinlich damals auch mitgemacht" sind durchaus typisch und werden sehr häufig vorgebracht. Ich möchte einzelne Aussagen hier auch nicht bewerten, bekräftigen oder verurteilen, sondern stattdessen einige Punkte anmerken:

- Konkret zu Bechstein: dass Helene Bechstein eine bekennende ******-Unterstützerin in den frühen Jahren der sog. "Bewegung" war ist historisch zweifelsfrei nachgewiesen. Sie sprang vor 1933 mehrmals mit größeren Geldsummen ein, um u. a. den Wahlkampf Hitlers und der NSDAP zu finanzieren, welche zu diesem Zeitpunkt notorisch pleite war.
- Ich halte es für angebracht, die Bechsteininstrumente jedoch strikt von der Weltanschauung der Firmenleitung zu trennen, ein Produkt ist schließlich ein "dummes" Ding, welches nichts dafür kann wenn es zu Propaganda- oder Kriegszwecken vereinnahmt wird. Wäre dementsprechend streng vorgegangen worden, hätte man nach dem Ende des NS etwa niemals mehr einen VW Käfer ("KdF-Wagen") bauen dürfen, niemand mehr Klamotten von Boss tragen dürfen, die Autobahn nicht mehr Autobahn heißen dürfen usw. Beispiele könnte ich hier Hunderte erbringen. Wichtig ist lediglich immer, dass ich um den historischen Kontext bzw. auf diesen aufmerksam mache nicht schön rede oder verheimliche, was Bechstein leider auf seiner Website für die Zeit des NS leider tut. Ein wenigstens kurzer Hinweis auf die Verstrickungen der Firmenleitung wäre hier zumindest angebracht und würde die Glaubwürdigkeit des Unternehmens erhöhen und nicht beschädigen, denn es ist unbestritten, dass niemand der in der der Zeit des NS noch nicht geboren oder noch zu jung war auch nur irgendetwas für den Krieg oder die Verbrechen konnte. Dass wir heute aber immer noch eine gewisse Verantwortung der Nachwelt besonders bezüglich dem Wachhalten der Erinnerung und der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Geschehenen haben darf nicht bestritten werden.
- Ich kenne mich zwar in der Geschichte des deutschen Klavierbaus in der Zeit des NS nicht genau aus, aber ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass nicht nur das Unternehmen Bechstein bzw. dessen Firmenleitung in den NS verstrickt waren und diesen unterstützen. Bei Grotrian-Steinweg wurden z. B. Teile für Flugzeugmotoren gefertigt und sicherlich produzierten auch alle anderen deutschen Klavierbauer teile für die Rüstungsindstrie und unterstützen damit den Krieg. Ob die Firmenleitungen zur Produktion solcher Produkte gezwungen wurden oder sich freiwillig zur Verfügung stellten müsste im Einzelfall erforscht werden, aus meiner Erfahrung heraus war aber der Wille zur Kooperation weitaus häufiger anzutreffen als die staatlich erzwungene Herbeiführung solcher Maßnahmen, auch wenn man davon später freilich nichts mehr wissen wollte.

Unabhängig von diesem Faden empfehle ich allen Interessierten bezüglich der hier angeklungenen Problematiken die Lektüre der hinreichend bekannten "Lingua Tertii Imperii, Notizbuch eines Philologen", in welcher der jüdische Philologe Victor Klemperer die Sprache des NS analysierte und dabei auch teils heitere Einblicke in die Gegebenheiten der Zeit gibt. Erst danach wird einem deutlich, wie sehr der NS in alle Bereiche des Lebens eingedrungen war, v. a. auch in die Sprache, Schrifttypen und viele Begriffe, die wir heute noch selbstverständlich verwenden. Dass der NS aber bis in Musikinstrumente (die Berufsmusiker aber durchaus) vorgedrungen sei und deshalb Negativassoziationen entstehen sollten, halte ich für reichlich übertrieben, ich setze mich ja auch nicht in meinen Ford und denke mir jeden Tag "mein Gott, der Gründer dieser Firma war aber ein böser Antisemit und Hitlerförderer" was aber auf Henry Ford wirklich zutrifft...

Gruß

Ka8
 
Ein guter Beitrag, Ka8.

Das Problem sind in der Tat *nicht* die Instrumente, und - falls die Klavierbautechnik das eigentliche Thema des Fadens sein sollte - eine Diskussion hierüber kann interessant sein.

Was dagegen problematisch ist, ist die nach wie vor beschönigende Haltung der Firma Bechstein zu ihrer eigenen Geschichte heute (um es milde zu formulieren). Alle, die nach dem 'Schlussstrich' rufen, sollten sich einmal überlegen, warum eine Firma heute noch eine solche Haltung einnimmt - und wo da was noch weiterwirkt.

PS. Und eine Firma mit internationalem Geschäft sollte sich fragen: Wie setzt man denn die eigene Geschichte wirkungsvoller in der PR ein: Durch Verschleiern und Beschönigen - oder durch einen offenen kritischen Umgang mit der Nazi-Vergangenheit? Aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht scheint mir die Antwort hierauf klar zu sein.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hallo maurus,

ich pflichte Dir selbstverständlich bei. Ich weiß auch nicht, warum man sich heute bei so vielen deutschen, international auftretenden Unternehmen noch so schwer mit der Aufarbeitung der Vergangenheit tut, gerade wenn die Firma nicht mehr in Familienhand ist (wie eben z. B. Bechstein), wenn also auch Familienbande (Schutz der Familie, Scham über die Taten oder schlimmstenfalss sogar das Gefühl nach dem Krieg ungerecht behandelt worden zu sein) keinerlei Rolle mehr spielt. Dabei ist es doch gerade "Mode", dass sich Unternehmen eine eigene Chronik erstellen lassen und Ihre Archive auf Vordermann bringen, allerdings wird eine Aufarbeitung mit den Jahren nicht leichter, sondern immer schwerer, denn wenn irgendwann evtl Verstrickungen ans Tageslicht kommen, stellt sich natürlich zurecht die Frage, warum so lange mit einer kritischen Auseinandersetzung gewartet wurde, obwohl die Zusammenhänge mehr oder weniger bekannt waren.

Da die Archive von Mittelständlern oft überschaubar sind, könnte man aus so einer Aufarbeitung sogar tolle Projekte unter Mitwirkung von Studenten machen, ich hätte da einige Ideen. Das wäre eine Win-Win-Situation, denn die Studierenden könnten lernen was Aufarbeitung ist und wie sie im Kleinen funktioniert, die Unternehmen hätten endlich eine "saubere" Chronik und zudem noch positive Presse.

Gruß

Ka8
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Das sind prima Ideen. Sie setzen voraus, dass die Archive unzensiert (im Sinn des Bundesarchivgesetzes) für die historische Forschung geöffnet werden. Auch damit tun sich viele - mittelständische und gößere - Firmen und z.T. auch andere Akteure bis heute schwer. Ich wette, dass die Firmenarchive etlicher Klavierbauer *nicht* vollständig zugänglich sind. Und selbst wenn sie geöffnet würden, wäre wohl der erste Befund, wie so oft, dass die Akten zwischenzeitlich gereinigt wurden.

Bechstein könnte sich hier noch Verdienste erwerben - dies sei den mitlesenden MitarbeiterInnen der Firma zu bedenken gegeben. Vor den manchmal in Auftrag gegebenen - erneut mehr peinlichen als erhellenden - nichtssagenden Haushistorien sollte man sich dann allerdings hüten.

Vor nicht allzulanger Zeit habe ich eine interessante Dissertation über den Klavierbau v.a. bei Grotrian-Steinweg gelesen (Sonja Petersen, Vom "Schwachstarktastenkasten" und seinen Fabrikanten. Wissensräume im Klavierbau 1830-1930. Münster 2011). Sie hört kurz vor der kritischen Zeit auf - möglicherweise auch wegen des Archivzugangsproblems.
 

Zurück
Top Bottom