Laienhafte Gedanken zur Diskussion und um neue Ideen anzubringen sind hier ja ausdrücklich gewünscht worden, und deshalb hake ich mich hier nun auch in diesen Analyseworkshop ein.
Zuerst ein paar Ergänzungen, die mir zu marcus' Analyse noch einfallen:
Takt 9 greift Motiv 2 auf und führt deren 16tel Abgang frei weiter zu einem G7-Höhepunkt, der über eine c-Moll Skala und einen gebrochenen c-Moll Akkord schließlich in eine Fermate auf dem Dominantgrundton mündet.
Ganz interessant wäre es, was diese Stelle zu einem ersten Höhepunkt macht. Für mich hängt das hier - abgesehen von der Lautstärke - ganz klar mit der linken Hand zusammen. Diese repetiert in den ersten 8 Takten in relativ tiefer Lage verhältnismäßig eng liegende Intervalle, welche bis dahin immer kleiner als eine Oktave sind. Durch die geringe Lautstärke, verhältnismäßig eher enge Lage für diese tiefen Töne und das Tempo wirkt die Linke Hand wie ein diffuses Murmeln, ein Grummeln. Und dann stößt die linke auf einmal schlagartig um ein bis dato (chromatischer Abstieg) ungekannt großes Intervall nach oben, und schlägt eine laute, lang gehaltene Oktave an, die aus der bisherigen Textur sehr heraussticht, was wohl auch zu dieser Höhepunktwirkung beiträgt.
Die Linke lehnt sich dann in Folge rhythmisch an das von dir so bezeichnete 1. Motiv der rechten Hand an und strebt nach oben hin (in C-Dur!!) auf das C zu, während parallel die rechte Hand nach unten strebend c-moll!! vorbereitet, welches sich im folgenden gebrochenen fallenden Akkord dann ja auch durchsetzt, wie von dir beschrieben.
Zitat von marcus:
In gebrochenen Oktaven geht Beethoven die E-Dur Tonleiter hinauf, verweilt dabei einen Moment spielerisch bei dem Übergang dis-e und führt dann hinauf zum Seitenthema. Besonders schön finde ich, wie Beethoven hier das a2 repetiert, denn eine Tonleiter an sich hat keinen bestimmten Endpunkt, sondern kann einfach immer weiter hinaufgehen. Das a2 gibt einen Zielpunkt vor und macht das Enden auf gis2 logisch (denn eben diese Erwartung weckt es ja).
Der Trick an dieser "E-Dur"-Tonleiter ist in meinen Augen folgender, dass sich E-Dur und H-Dur nur in der Verwendung von a und ais unterscheiden. In den ersten zweieinhalb Takten dieser Tonleiter kommt noch kein a bzw. ais vor. Dafür liegen auf den jeweils ersten Schlägen der Takte die Töne h, dis und fis, wobei auf dis und fis sogar noch in beiden Händen jeweils ein wenig verharrt wird (Viertelpause und danach erneutes Wiederholen von dis bzw. fis). All dies deutet zunächst gar nicht auf E-Dur hin, sondern sehr stark auf H-Dur - was vor diesem Lauf auch schon etliche Takte vorlag und ohnehin somit im Gehör ist.
Durch diese Mehrdeutigkeit der E-Dur-Tonleiter, die sich lange als vermeintlich weiterführendes H-Dur tarnen kann, gelingt der Übergang zum tatsächlich auch hörbaren E-Dur natürlich sehr fließend. Das repetierte a sorgt schließlich für genug Klarheit (und durch das repetieren kann sich der Hörer dann letztendlich noch rechtzeitig von H-Dur auf E-Dur umstellen und dann das angesteuerte gis erwarten, was dann umso ruhiger und unauffälliger eintreten kann - und Ruhe ist zunächst einmal eine charakterisierende Eigenschaft, die der Eintritt des Seitenthemas vermutlich ausstrahlen sollte (zumindest tut er das in meinem Empfinden).
Zitat von mracus:
Je nachdem, wie weit man die beiden Themen fasst, sind es natürlich weniger Wiederholungen. Ich habe das Thema jeweils auf seinen Kern reduziert und alles andere als Wiederholungen bezeichnet.
Ich würde das erste Thema (inklusive der von rolf völlig zurecht zum Thema gerechneten Terzen natürlich) genauso sehen wie du - folglich auch viermal wiederholt. Beim Seitenthema würde ich aber nicht in viertaktigen Einheiten denken wie du, sondern würde jeweils acht Takte zusammenfassen zum Thema - und dieses träte dann somit nur zweimal auf.
Die ersten vier Takte sind quasi der Vordersatz, endend auf der Dominante H, während die zweiten vier Takte der Nachsatz sind, welcher zwar zunächst genau gleich beginnt wie der Vordersatz, aber schließlich ganz anders endet - nämlich auf der Tonika E. Etwas ungewohnt mag hierbei natürlich jeweils der "Sprung" zwischen Vorder- und Nachsatz um eine Oktave nach unten sein, aber dieser gelingt Beethoven in beiden Fällen fließend und unauffällig: Beim ersten, ruhigen Auftreten des Themas durch eine aus der homophonen Stimmführung kurzzeitig heraustretende Mittelstimme, die von h über a zwingend auf den dann in der Oberstimme sich anschließenden Melodieton gis zuführt. Beim zweiten Auftreten des Themas gelingt der Übergang noch einfacher, indem die figurierte Oberstimme selbst in einer Tonleiter zum tiefer liegenden gis hin absteigt.
Zitat von marcus:
Alles was noch bleibt ist die Vorbereitung der Wiederholung. Über die Stationen E7-a-H7-e-a-H7-C-G7 gelangt Beethoven wieder nach C-Dur.
Diese Stationen konnte ich selbst noch nicht wirklich einwandfrei verorten, könntest du (bzw. jemand anderes) das eventuell noch ein wenig genauer aufschlüsseln?
So, und nun noch ein paar weitere persönliche Auffälligkeiten:
1. Zum Hauptthema:
Uhde schreibt, der erste Takt sei Anlauf, der zweite gehört zum Kern. Wie kann man das so konkret trennen? Oder ist das einfach so zu verstehen, dass an sich eine gewisse, größere Anzahl repetierter Terzen zum Thema gehören muss, aber deren genaue Zahl an sich nicht wirklich entscheidend ist? (Dafür spricht ja zum Beispiel auch, dass auf Schlag 1 im Takt 1 noch keine Terz erklingt, beim späteren Auftreten des Themas aber auch dieser erste Schlag bereits eine Terz enthält.)
Dazu dann gleich die nächste interessante Frage: Weshalb setzt Beethoven nicht direkt mit dem vollen Akkord ein ganz am Anfang des Stückes, sondern setzt auf den allerersten Schlag nur das einzelne c im Bass? Das muss ja irgendeinen Grund haben.
Und natürlich: Sind wirklich die repetierten Terzen (e und c) entscheidend für das Thema oder gehört nicht eigentlich nur das repetierte e zum Thema, während das als Terz darunterliegende c eher zum Begleitakkord dazugehört?
2.
Über die überraschende harmonische Rückung von a auf ais von Takt 21 auf 22 wurde hier ja schon recht ausführlich gesprochen. Mindestens ebenso bemerkenswert finde ich aber den Übergang zwei Takte zuvor vom d-moll ins a-moll. Die übermäßige Sekunde f->gis hat auf mich irgendwie eine besonders spannende, unerwartete Wirkung. Immerhin ist das gis weder ein Ton der d-moll-, noch der a-moll-Tonleiter. Statt gis könnte man doch auch viel braver einfach über ein tonartimmanentes g gehen. Das würde mein Ohr viel eher erwarten als das gis. Dass Beethoven genau das hier aber nicht tut, hebt diesen Übergang für mich irgendwie auch besonders hervor.
3.
Einen ähnlich unerwarteten Akkord in meinen Ohren enthält das Seitenthema am Ende seines zweiten Taktes.
Das Seitenthema besteht bis dahin aus den Akkorden E - H7 - cis - Gis7 - A.
Der Gis7 strebt üblicherweise doch recht stark (zurück) nach cis-moll. Umso überraschender kommt dann stattdessen das A-Dur. Nach dem A-Dur bewegt sich das Thema weiter mit H7. Dieses anschließende H7 wäre aber doch ebenso möglich gewesen, wenn Beethoven zuvor statt dem ungewohnten A-Dur einfach einen gewöhnlicheren cis-moll-Akkord gesetzt hätte, oder liege ich da falsch?
Eben dies, macht diesen A-Dur-Akkord für mich auch zu einem Akkord, der in gewisser Weise besondere Beachtung verdient.
Liebe Grüße
DonBos