An alle Bachfans ;)

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J

Johanna Sebastiana

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1. Nov. 2011
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Hallo,
ich bins wieder. Und zwar frage ich mich immer, was eigentlich das Besondere an Bachs Musik ist. Wenn mich jemand fragen würde, wüsste ich echt nicht was ich sagen sollte. Könnt ihr das irgendwie in Worte fassen?
Z. B. beim Schlusschoral der 11. Kantate (wer's gerade nicht im Ohr hat: http://www.youtube.com/watch?v=QDWeTVbkft8&feature=player_embedded) Es ist so, als würde es in meinem "tiefsten Innersten" lächeln. Oder so. Ich kann dieses Gefühl echt nicht beschreiben. Liegt das an mir? (Meine Altersgenossen und Freunde halten mich sowieso für komisch wegen meines Musikgeschmacks, aber ich bin ja nicht die einzige und man muss ja nicht immer Mainstream sein :p).
Ein paar Meinungen würden mich sehr freuen! :)
Liebe Grüße
Johanna Sebastiana
 
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Liebe Johanna Sebastiana,

ich teile deine Liebe zur Musik Bachs, und auch mir fällt es schwer, das Großartige daran zu formulieren. Aber ich will einmal versuchen, zu sagen, was ich momentan darüber denke.
Wenn ich aus meinen eigenen Erfahrungen sprechen darf, so habe ich bisher eigentlich bloß zwei grundlegende Auffassungen der Musik Bachs kennengelernt (einerseits habe ich sie selbst durchlebt, andererseits kenne ich sie von etlichen Menschen, die mir begegnet sind): Viele – auch ich früher – mögen Bach nicht wegen der vermeintlich kühlen Rationalität, wegen der „zu strengen“ Konstruktion seiner Musik (die beiden elementaren Folgerungen waren dann entweder: „Das verstehe ich nicht“, oder: „Das ist mir nicht gefühlvoll genug“), andere wiederum empfinden – so wie ich heute – sie als etwas zutiefst Lebendiges und Heilvolles, und zwar auch gerade wegen dieser immanenten Logik. Mir ist die Grenzwertigkeit dieser Kategorisierung vollends gegenwärtig, aber ich möchte sie nicht zur Diskussion stellen, denn sie ist bloß das vorläufige Resultat meiner sich ständig erweiternden Erfahrungen.
Nun kann man gestrenge Formalität und Formvollendung als ästhetisch schön oder als Beschneidung von Gefühlsausdruck auffassen.
Ob man nun das eine oder das andere tut, hängt davon ab, ob man Musik als das Kunstwerk begreift, das sie ist, oder ob man immer und auf Gedeih und Verderb den Versuch anzustellen sich nötigt, in Musik etwas besonders Göttliches zu finden oder Musik auf sich selbst zu beziehen.
Mir käme es nicht in den Sinn, eine Bach-Fuge nicht einfach als Bach-Fuge zu begreifen und zu versuchen, Rilke-Gedichte damit zu vertonen (da legt sich auch die Verbindung zu diesem Thread offen, glaube ich: https://www.clavio.de/forum/werke-k...rt-oder-hilft-das-assoziieren.html#post234530).
Ist Bach nicht schon Dichtung genug? Bachs Musik ist so dicht an kunstvoll verarbeitetem Material, und vor allem war sie – ich spreche nun von seiner Instrumentalmusik; über den Ausdrucksgehalt der Kantaten, Oratorien und Passionen muss man kaum diskutieren – auch vom Komponisten vermutlich nicht zu wildesten und romantischsten Fantasien gedacht.
Wenn man es besonders pathetisch formulieren will, so kann man sagen, dass die Musik Bachs kein fragende, keine zweifelnde Musik ist. Sie bedarf keiner außermusikalischen Motivation und keiner außermusikalischen Rechtfertigung, um als das begriffen zu werden, was sie ist. Und die Fähigkeit, Musik als etwas wahrzunehmen, das sich selbst gerecht wird und das aus sich selbst heraus logisch und geschlossen ist, fehlt vielen Menschen.
Womöglich ist es auch eine Anmaßung, es als eine Fähigkeit zu bezeichnen.

Ich glaube, dass es also vor allem mit dem formalen Charakter seiner Musik zusammenhängt, und dass die Neigung oder Abneigung in Bezug auf Bach mit dem grundlegenden Musikverständnis eines Menschen verwoben ist.

Anbei möchte ich eines der nach meinem Empfinden schönsten Stücke nicht unerwähnt lassen, nämlich die Sarabande aus der großartigen dritten Englischen Suite: Johann Sebastian Bach - English Suite No. 3 in G minor BWV 808 - IV. Sarabande - YouTube


Herzliche Grüße!
 
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Hallo Johanna Sebastiana,

die Bach Musik von Bach ist für mich so faszinierend, weil er sich selbst als Komponist bis zur Unkenntlichkeit zurückgenommen hat.
Das ist nichts, als reine Musik, ganz klar und rein mit schöner, melancholischer Eleganz.

In meinem musikalischen Universum steht er auf dem ersten Rang, dann kommt lange nichts...

Lieber Gruß, NewOldie

P.S.
- wer 10 Euro übrig hat, sollte sich mal die Aufnahme des gesamten! WTK von Rosalyn Tureck gönnen.
Vor 60 Jahren in Mono aufgenommen.
Die aus heutiger Sicht "schlechte Tonqualität" hat eine suggestive Kraft.
Die Höhen sind dezent angezerrt, die Bässe knurren manchmal wie ein räudiger Hund.
Die Stimmen steigen im unendlichen Reigen wie Blasen aus dem Unbewussten auf.

J.S.Bach: das Wohltemperierte Klavier: Rosalyn Tureck, Johann Sebastian Bach: Amazon.de: Musik
 
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Ich hab keene Ahnung, aber Ihr schreibt mir aus der Seele:

Es ist so, als würde es in meinem "tiefsten Innersten" lächeln.
sie als etwas zutiefst Lebendiges und Heilvolles, und zwar auch gerade wegen dieser immanenten Logik.
Das ist nichts, als reine Musik, ganz klar und rein mit schöner, melancholischer Eleganz.
 
Also ich find Bach sehr langweilig, kenne auch nicht besonders viel. Schön ist der Choral zu "Komm oh Tod, Du Schlafes Bruder"
Ansonsten klingt es oft wie ein eleganter mathematischer Beweis in Musikform.
Aber da bevorzuge ich doch eher die Mathematik als solche und musikalisch eher "emotional Gehaltvolleres".
Freut mich, wenn manche von den "zwingenden" und genialen harmonischen und melodischen Konstrukten so beglückt werden, bei mir gelingt das (noch) nicht.
 
Hallo ihr Lieben,
vielen Dank für eure Antworten! Ich persönlich finde es auch sehr interessant, mal die Meinung eines Nicht-Bachfans zu hören... ;) Dass Bach für viele Menschen irgendwie kompliziert und gefühllos ist, habe ich schon mal gehört. Aber keine Ahnung, für mich ist seine Musik "voll logisch"! Ich bin damit aufgewachsen, vielleicht liegt es daran. Und ich mag Mathe und Latein... das hängt dann wahrscheinlich irgendwie miteienander zusammen ;)
Liebe Grüße
 
Also ich find Bach sehr langweilig, kenne auch nicht besonders viel. Schön ist der Choral zu "Komm oh Tod, Du Schlafes Bruder"
...
Lieber Barpianodilettant, auch ich kenne nicht viel von Bachs riesigem Werk. Ich bin mir aber sicher: Wenn Dir DER Choral gefällt, so wirst Du unter den Kantaten und Chorälen noch manches finden, was Dir ebenso zusagt. Vom Bach-Abstinenzler, gar Bach-Hasser, bist Du in meinen Augen weit entfernt ;-). Manchmal glaube ich fast, dass Bach von vielen auch deswegen "abgelehnt" wird, weil man ihm das Attribut "mathemathisch-logisch" umgehängt hat, was manchem ein vorurteilsfreies Hören verwehrt. Heute denke ich, dass die Äußerung meiner KL, dass Bach entspannend und meditativ sei, mir zu einem neuen Hören verholfen hat
 
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Hallo zusammen,
ich finde die Orgelmusik von Bach total genial. Gerade dieses Lied, finde ich genial von ihn Johann Sebastian Bach - Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ - YouTube. Wenn ich nachts nicht mehr schlafen kann mach ich mir einfach dieses Lied an und dann kann ich meistens wieder einschlafen oder das Lied. Ist zwar ein Violinen Concerto, aber ich kriege jedesmal Gänsehaut, wenn ich das höre. Ervis Gega & Sebastian Casleanu - Konzert für 2 Violinen und Streicher d-Moll BWV 1043 - 2 Satz - YouTube
 
Bach "mathematisch-logisch" ? Dieser Eindruck entsteht nur dort, wo der Interpret es nicht vermag, die Noten zum Leben zu erwecken.

((Auch ich kenne Aufnahmen, bei denen Bach leider nähmaschinenartig runtergeschnurrt wird :roll: ... Das ist aber nicht Bach....))


PS: Fürchterlich mathematisch....:D
 
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Manchmal glaube ich fast, dass Bach von vielen auch deswegen "abgelehnt" wird, weil man ihm das Attribut "mathemathisch-logisch" umgehängt hat, was manchem ein vorurteilsfreies Hören verwehrt.
Und da hinter steckt oft das Vorurteil, Ratio und Emotion seinen Gegensätze, was ich auch aus folgendem Zitat herauszuhören vermeine:
Aber da bevorzuge ich doch eher die Mathematik als solche und musikalisch eher "emotional Gehaltvolleres".
Ich halte Gefühle für eine unbedingte Voraussetzung rationalen, logischen, auch mathematischen Denkens. Das Gefühl, dass etwas richtig ist, schön ist, passt; das Gefühl, wenn man zwei passende Puzzleteile zusammensetzt, wenn man die Antwort auf eine vorher unklare Frage gefunden hat, wenn man die Auflösung einer musikalischen Wendung, eine Kadenz oder ähnliches hört; das und dessen Gegenteil, "richtig" und "falsch" sind sozusagen die Bausteine, die Voraussetzung für logisches Denken. Und damit sind hochkomplexe und dabei logisch schlüssige Strukturen wie sie in der Musik Bachs stecken zugleich hochemotional. Und da bin ich scheinbar nicht der Einzige, der das so emfpindet:
Es ist so, als würde es in meinem "tiefsten Innersten" lächeln. Oder so. Ich kann dieses Gefühl echt nicht beschreiben.

Freut mich, wenn manche von den "zwingenden" und genialen harmonischen und melodischen Konstrukten so beglückt werden, bei mir gelingt das (noch) nicht.
Etwas schön zu finden und sich von dieser Schönheit beglücken lassen, lässt sich natürlich nicht erzwingen. Es hägt, aber oft mit den Assoziationen, seien diese berechtigt oder nicht, die man damit verbindet zusammen. Sprich, wenn Du mit "logisch/mathematisch" direkt "gefühlslos" assoziierst, kann es vielleicht sein, dass dies die Emfpindung von Schönheit bei Bachs Musik erschwert,
 
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Bach "mathematisch-logisch" ? Dieser Eindruck entsteht nur dort, wo der Interpret es nicht vermag, die Noten zum Leben zu erwecken.

Und da war es wieder, das Vorurteil, mathematisch-logisch sei das Gegenteil von Leben.

PS: Ja, Bachs Musik ist in gewisser Weise logisch, auf eine fast schon mathematische Art. Und genau dadürch enthält sie Leben, enthält sie Geist, welches der Interpret wecken kann, ja, welcher zum Leben erweckt werden will.

PPS:
Herrlich logisch.
 
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Und da war es wieder, das Vorurteil, mathematisch-logisch sei das Gegenteil von Leben.

PS: Ja, Bachs Musik ist in gewisser Weise logisch, auf eine fast schon mathematische Art. Und genau dadürch enthält sie Leben, enthält sie Geist, welches der Interpret wecken kann, ja, welcher zum Leben erweckt werden will.

PPS:

Herrlich logisch.

Leider hast Du mich wohl eher nicht verstanden.....
 
Leider hast Du mich wohl eher nicht verstanden.....

hier im Vergleich zur Einspielung von Rosalyn Tureck eine wirklich unerträglich mathematische Interpretation.
Das halte ich keine 30 Sekunden aus.
Das ist, wenn man Tureck gehört hat, (für mich) Bach zum Abgewöhnen.

... und Tureck ist für mich die Hohepriesterin:p. So habe ich gubu auch verstanden.

Goldberg Variations, Aria-Var 1 (1/14) - YouTube

Lieber Gruß, NewOldie
 
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Leider hast Du mich wohl eher nicht verstanden.....
Hm. Ich hatte gedacht, Du hättest geschrieben, dass Du die Assoziation "mathematisch-logisch" ausschließlich "leblos" also machanisch steif (?) gespielten Interprätationen zuordnest und dazu Turecks Aufnahme als Gegendarstellung zitierst, der Du das Attribut "mathematisch" mit dem abwertenden Zusatz "fürchterlich" ironischerweise mitgibst.
Wenn Du etwas anderei gemeint hattest, wäre ich für einer Aufklärung dankbar.
 
Ich möchte mal ein paar Gedanken zur Diskussion stellen, die ich zum Thema habe:

Hier wurde die Beobachtung mitgeteilt, dass Bachs Musik konstruiert sei, dazu die typischen Attribute mathematisch-logisch, leblos.
Ich frage mich 1) ob andere Musik wirklich so viel weniger konstruiert ist und 2) ob nicht vielmehr der barocke Stil an sich dazu beiträgt Bachs Musik als gefühllos wahrzunehmen.

2) muss ich vielleicht erklären :) Bei Beethovens Sinfonien, z.B. der fünften oder der neunten, kann man ihr konstruktives Element wohl kaum verleugnen, aber ich glaube, der teilweise etwas plakative, mächtige Gefühlsausdruck überdeckt diesen Sachverhalt, gleiches bei den Sonaten.
Bachs Klangsprache ist aber eine ganz andere, weil sie auf dicke f-ff Akkorde verzichtet, das Unisono scheut, den Ambitus wesentlich enger nimmt und auf die Gegenüberstellung harter Kontraste eher verzichtet. Das ist natürlich eine sehr holzschnittartige Beschreibung, aber dass der Affektausdruck bei Bach im Vergleich zu Beethoven oder gar Liszt zurückhaltender und ohne Effekthascherei auskommt, halte ich für evident.

Das soll selbstverständlich nicht heißen, dass Bach weniger emotional wäre (oder gar sachlicher), sondern nur dass sein Ausdruck weniger unmittelbar mitreißend ist als bei der Musik, die wir als Vergleichsmaßstab gewohnt sind.

Kann das jemand nachempfinden? oder bin ich da komplett auf dem Holzweg?

lg marcus
 
aber dass der Affektausdruck bei Bach im Vergleich zu Beethoven oder gar Liszt zurückhaltender und ohne Effekthascherei auskommt, halte ich für evident.
Ich gehe da sofort konform. Less is more. Nicht mehr als nötig und nicht weniger als zwingend notwendig. Keine Note zuviel.
Beethoven/Liszt: große Effekte! Bach: Das "kleine, leise Glück"...

Könnte es übrigens sein, dass sich Musik als Kontrapunkt zur Architektur entwickelt?

Und: Dürfen wir dann Bach so isoliert herausstellen? Oder müssen wir nicht weitere ("kleinere") Zeitgenossen an diesen Attributen teilhaben lassen?
 

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