... am Rande des guten Geschmacks und darüber

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Hallo Ihr Klavierverrückten alle miteinander,

ich hätte gerne mal eine Sammlung von Klavierstücken „am Rande des guten Geschmacks und weit darüber“. Die Menge seichten Zeugs ist natürlich Legion, es sollten allerdings Stücke sein, die mal im Musikbetrieb (Konzert/Unterricht) eine gewisse Rolle gespielt haben. Zum Beispiel wurde das Frühlingsrauschen von Sinding anscheinend Ende des 19. Jahrhunderts oft im Konzertsaal gespielt. Es gibt sogar eine Aufnahme von Leopold Godowski. Er hatte das Stück wohl nicht als ganz unterirdisch eingestuft.

Ich weiß noch nicht so recht, welche Verrücktheiten ich damit machen werde, aber ich fange mal an:

Tekla Bądarzewska: Das Gebet einer Jungfrau (war mal Verkaufsschlager Nr.1 und wurde von Maple Leaf Rag abgelöst)
Louis Moreau Gottschalk: Der sterbende Poet, Der sterbende Schwan
Lefébure-Wély: Les Cloches Du Monastère – Nocturne (Die Klosterglocken)
Kontski: Das Erwachen des Löwen
Gustav Lange: Edelweiß

Nun bin ich gespannt, was alles zusammenkommt!

Walter
 
Es gibt aus dem Beginn des 20. Jh. mindestens 12 Bde. „Sang und Klang“ (Verlag P.J. Tonger). Die sind voll von solchen Schmonzetten, Peinlichkeiten, aber auch durchaus ernstzunehmenden Ratitäten. Die Bände sind sicherlich bei IMSLP zu finden.
 
Ich kann zwar spontan nichts zu dieser Liste beitragen, bin mir aber ziemlich sicher, dass alle Ergebnisse aus der Romantik kommen werden. „Geschmacklose“ Musik ist dem Barock oder aus der Klassik oder aus dem Expressionismus gibt es vermutlich nicht, oder?
 
Doch! Pachelbel-Kanon, Für Elise, sämtliche Variationen und sonstigen Elaborate von Herz, Hünten und Konsorten …
 
Ich kann zwar spontan nichts zu dieser Liste beitragen, bin mir aber ziemlich sicher, dass alle Ergebnisse aus der Romantik kommen werden. „Geschmacklose“ Musik ist dem Barock oder aus der Klassik oder aus dem Expressionismus gibt es vermutlich nicht, oder?
Die schwachen Stücke jeder Epoche haben halt ihre eigenartigen Schwächen.
Im Barock gibt es eher einige Sachen, die etwas eintönig sind. War es nicht Strawinski, der gesagt hat, dass Vvaldi 200 mal das gleiche Konzert komponiert hat oder so ähnlich?
In der frühen Klassik hätte ich gesagt, ist es ähnlich und in der Spätklassikfängt ja schon die Romantik mit teilweise eben "Schmonzetten" wie Für Elise an.
In der Spätromantik haben die Werke gerade für Klavier dann oft etwas Salonhaftes und die Tiefgründigkeit fehlt dann und wann.
In der Moderne gibt es dann teilweise billige Kopien von längst Dagewesenem oder scheinbar innovative Provokation, die im Endeffekt nichts Neues enthält und von keinem Wert ist.
 
Na dann: 😀😃

Gounod: Ave Maria (immerhin hat JSB dazu die Begleitung geschrieben)

Rachmaninow: "Die Glocken von Moskau" :angst: :lol: :angst:
 
Chopin selber hat sein Fantasie-Impromptu für ein solches seichtes Schmalzstück gehalten - "zu sehr im Stil von Kontski und anderer Tiere" - und deshalb nicht veröffentlicht. Seinem Urteil kann man getrost trauen
 
Hallo, jetzt wart Ihr aber schnell, so viele Beiträge in der kurzen Zeit!

Vielen Dank!

Ich glaube, ein Problem tut sich auf,

dass wir einerseits anfangen, die Titel aller angestaubten Stücke der Spätromantik zu nennen (Blätterrauschen, das Waldidyll, die Mühle am Bach …), ein ganzer Sack voller Zeug, mit dem niemand mehr was anfängt

und andererseits die zu Stücke suchen, die mal wirklich eine gewisse Rolle gespielt haben, die aber vom Musikbetrieb und der Aufführungstradition aussortiert wurden. Diesbezüglich belastbare Informationen zu bekommen halte ich für schwierig. Vielleicht hat sich schon jemand die Mühe gemacht, entsprechende Stücke zusammenzusuchen.

Die letztgenannte Kategorie ist wohl erstrebenswerter – aus Interesse und in interpretationsgeschichtlicher Hinsicht ergiebiger.

Vielleicht ist die Suche nach solchen Stücken zielführender, wenn wir bei den Einspielungen auf Klavierrollen suchen – die Epoche und die Anforderung zur Bekanntheit der Stücke passen dort vielleicht am besten.

Walter
 

Die Ungarischen Tänze von Brahms, die Slawischen Tänze von Dvorak...
Tschingdarassa bum bum bum tsching...
 
Nicht alle zu Lebzeiten nicht veröffentlichten Werke von Chopin sind weniger wertvoll als die veröffentlichten. Der Walzer in e-moll ist doch qualitativ nicht schlechter als die anderen Walzer. Dagegen ist Chopins Bolero opus 19 als veröffentlichte Komposition zurecht fast vergessen.
 
Die Ungarischen Tänze von Brahms, die Slawischen Tänze von Dvorak...
Tschingdarassa bum bum bum tsching...
In dieser Novelty-Rag-Komposition sind alle entsprechenden Klischeewerke vertreten:


Leider hat dieser deutlich bekanntere Komponist dieses Genres seine Jugendsünde selbst nie eingespielt. Oder sollte man "Gott sei Dank" sagen?:


Als jemand, der regelmäßig an Klavier und Kirchenorgel sitzt, könnte ich hier sagen, hätte ich nur zehn Prozent des virtuosen Könnens dieses Tastenartisten, würde ich solche geschmacklosen Sachen nicht machen wollen:

Was Chopin davon gehalten hätte? Keine Ahnung.

LG von Rheinkultur
 
Das ist doch ein nettes Beispiel direkt an der Grenze:


Ich mag das sehr und habe es öfters als Zugabe gespielt!
 
Ich habe lange drüber nachgedacht, warum du diese beiden Stücke genannt hast. Von meinem völlig subjektiven Geschmacksurteil aus ist „Für Elise“ (zumindest der A-Teil) fast genauso banal wie „Ballade pour Adeline“. Könnte das einfach an der Tatsache liegen, dass „Für Elise“ in einem extremen Maß zu oft gehört worden sind?

Pachelbels Kanon ist für mich übrigens bei jedem Hören ein Erlebnis wie beim ersten Mal, trotz ständiger Präsenz. Da erscheint mir der erste Satz vom Frühling von Vivaldi (sorry @Peter, ich schätze Vivaldi sehr!) doch viel mehr übergehört.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was Chopin davon gehalten hätte? Keine Ahnung.
Ohje, der Carpenter...
Schrecklich finde ich, was er macht. Außerdem halte ich ihn nichtmal für soooo virtuos, wie diese Aufnahme es erscheinen lässt. Ich habe mal eine Liveaufnahme von ich glaube BWV 582 gesehen, da waren einige Stellen durchaus verschludert. Vielleicht hat er aber auch einfach nicht geübt oder hatte schon einen im Tee, weil sein Publikum eh nichts merkt.

Ich glaube Chopin hat sich im Gegensatz zu Mendelssohn oder Liszt kaum für die Orgel interessiert. Wahrscheinlich wäre er unbegeistert.

Obwohl Chopin für mich einer der größten ist, zählen für mich das Fantasie-Impromptu und der Minutenwalzer zu den Titeln, die zum Thread passen. Wobei Gebet einer Jungfrau z.B. nochmal eine ganz andere Hausnummer ist.
 
@Alter Tastendrücker : Kann es sein, daß das Intermezzo von Ponce irgendwo als Filmmusik auftaucht (evtl. Der Pate)?
 
Ich glaube Chopin hat sich im Gegensatz zu Mendelssohn oder Liszt kaum für die Orgel interessiert. Wahrscheinlich wäre er unbegeistert.
Orgel gespielt hat er aber:


Chopin besuchte bis 1826 das Warschauer Lyzäum. Während dieser Zeit spielte er regelmäßig die Orgel in der Visitantinnen-Kirche.
 

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