Alter Flügel Josef Riedl Wien

Gernot

Gernot

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Eine Arbeitskollegin hat mir von einem alten Flügel erzählt, der schon ewig im Familienbesitz ist. Da der Haushalt ihrer Mutter nun Schritt für Schritt aufgelöst wird, stellt sich die Frage, was tun mit dem Instrument. Ich war letztens mit ihr vor Ort und habe mir den Flügel angesehen.

Es handelt sich um einen ca 210 cm langen Flügel des Wiener Klavierbauers Josef Riedl. Auf die Schnelle habe ich dazu im Internet nichts gefunden. Es ist, wie man auf den Fotos sehen kann, ein Geradsaiter mit Wiener Mechanik. Inventarnummer konnte ich keine entdecken. Da es noch ein Geradsaiter ist, denke ich mir, dass der Flügel von vor 1900 stammt. Er hat auch noch nicht den heute üblichen Tonumfang. Wenn ich mich nicht verzählt habe, fehlt darauf noch eine Viertel Oktave.

Der Flügel ist seit sicher 30 Jahren nicht gewartet worden. Ich war überrascht, dass er sich überhaupt noch spielen ließ. Abgesehen von ein paar Tönen im unteren und oberen Randbereich funktionierte noch alles. Auch den Grad der Verstimmung fand ich jetzt nicht so wild (vgl. Soundfile). Liegt ca einen Ganzton unter dem heutigen Kammerton.

Trotz des optisch unerquicklichen Zustands der Mechanik, reagiert die Mechanik überraschend gut. Dynamisches Differenzieren ist noch möglich. Die Tasten bleiben nicht stecken.

Die Saiten wirken zum Teil angerostet. Die in die Saiten eingeflochtenen Filzstreifen wirken zum Teil angefressen. Die Dämpferfilze dagegen schauen ganz gut aus.

Der Resonanzboden wirkte an der Oberseite (für mein Laienauge) intakt. Auf der Unterseite konnte ich eine Kerbe entdecken (ca 15 cm lang).

Klangprobe gibt es hier

Unten hänge ich ein paar Fotos an, die zum Teil leider sehr unscharf geraten sind. Ich hatte leider nicht die richtigen Brillen dabei, um das Ergebnis am Handydisplay beurteilen zu können. Aber die Fotos geben zumindest einen allgemeinen Eindruck.

An der Außenseite ist vom Schellack nicht mehr viel zu merken. Die Innenseite des Deckels spiegelt aber noch. Das Notenpult fand ich ziemlich beeindruckend.

gratis abgeben. Die Frage ist natürlich, was man hier investieren müsste, um den Flügel sinnvoll nutzen zu können. Ist so was eventuell für professionelle Restauratoren interessant?

Liebe Grüße
Gernot

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Im Tonumfang scheint er tatsächlich nur bis zu a4 zu gehen, also 3 Halbtöne unter heutiger "Norm". Beeindruckend, wenngleich die Filze auch der Hämmer sehr mitgenommen aussehen. Da wäre wohl einiges zu tun.

Edit: hat der Flügel überhaupt einen Metallrahmen? Das sieht beinahe aus wie ein später Hammerflügel?
 
Im Tonumfang scheint er tatsächlich nur bis zu a4 zu gehen, also 3 Halbtöne unter heutiger "Norm". Beeindruckend, wenngleich die Filze auch der Hämmer sehr mitgenommen aussehen. Da wäre wohl einiges zu tun.

Edit: hat der Flügel überhaupt einen Metallrahmen? Das sieht beinahe aus wie ein später Hammerflügel?

Das ist ein typischer Flügel Wiener Bauart...ich schätze mal so 1880... ich wünsche viel Glück, dass er ein neues Zuhause finden wird....wobei ich denke, dass das nicht so einfach sein wird....
 
Ja, geh, den alten Schrott... :-D
Aufarbeiten kostet halt nicht weniger als für einen Flügel mit engl. Mechanik, und für die Wiener muss man schon Liebhaber sein. Wiederverkaufswert ist dementsprechend gering, aber es ist ja auch ein Kulturgut. Ich weiß jetzt nicht, wo du wohnst, aber in Wien gibt es schon Leute, die den sehr gut wieder hinbekommen. Auf jeden Fall sollte es jemand sein, der sich mit Wienern auskennt, da kann Klaviermacher sicher auch weiterhelfen. Und ist natürlich die Frage, ob du ihn erst mal nur mechanisch machen lässt oder ob das Gehäuse auch gleich ne neue Politur bekommen soll. Ob es sich lohnt, ist immer ne Frage, die man sich als Liebhaber nicht stellen darf... Ich würd's versuchen :-)

Es grüßt
Die Drahtkommode
 
Lieber Gernot,

Du hast Dir ja für den Kollegen recht viel Mühe gegeben. Hat sein Ururgroßvater auf diesen Flügel spielen gelernt? ..und vielleicht seine Ururoma kennen gelernt? Ich frage deshalb, weil für jeden anderen eine Aufarbeitung nichts anderes wäre als Geld zu vernichten. Klar kann man daraus einen recht ordentlichen Flügel machen, aber um das Geld kriegste locker einen wesentlich besseren alten Flügel, mit mehr Historie. Wert hat dieser Flügel nur für jemanden, dessen eigene Geschichte damit verbunden ist.

LG
Michael
 
Danke für die bisherigen Rückmeldungen

Lieber Gernot,

Du hast Dir ja für den Kollegen recht viel Mühe gegeben. Hat sein Ururgroßvater auf diesen Flügel spielen gelernt? ..und vielleicht seine Ururoma kennen gelernt? Ich frage deshalb, weil für jeden anderen eine Aufarbeitung nichts anderes wäre als Geld zu vernichten. Klar kann man daraus einen recht ordentlichen Flügel machen, aber um das Geld kriegste locker einen wesentlich besseren alten Flügel, mit mehr Historie. Wert hat dieser Flügel nur für jemanden, dessen eigene Geschichte damit verbunden ist.

LG
Michael

Nein, emotionale Bindung ist sicher keine da. Ich habe meiner Kollegin nur versprochen, mich mal schlau zu machen. Ich kenne auch ein paar Leute, die gerne einen Flügel hätten und zum Teil wahrscheinlich auch mit Wiener Mechanik zufrieden wären.

Rein aus Interesse: wieviel Geld würde man da in die Hand nehmen müssen, für neue Hämmer, Überholung der Mechanik und eventuell neue Saiten?

Liebe Grüße
Gernot
 
Am besten bei B.B in Wien nachfragen..

LG
Michael

Daran hatte ich eh auch schon gedacht. Wollte aber erstmal hier im Forum fragen. Habe ein Mail geschickt.


Danke für den Link. Schöne Geschichte :super:.

Liebe Grüße
Gernot
 
Ich kann mich der Meinung von Klaviermacher nur anschließen. Eine teilweise Überholung würde schon zuviel Kosten, von solchen Flügeln aus der K.u.K.-Zeit, aus Östereich, auch weit vor der Jahrhundertwende, gibt es genug; sollte jemand einen solchen gut spielbaren Flügel haben wollen, dann lohnt es sich eher die diversen Angebote von Wiener Flügeln zu studieren. Einen solchen Flügel gibt es im gut spielbaren Zustand zwischen 500 (ja leider 500) und 2500 EUR. Will man einen gut spielbaren (also Stimmhöhe stimmt und die Mechanik nicht runtegespielt) haben, dann muß man schon etwas suchen, wenn nur 500 bis 900 ausgegeben werden sollen. Ich würde als Marke die Stelzhammer-Flügel, vielleicht noch die Ehrbar-Flügel, aus Wien, aus der Zeit empfehlen, wenn man so etwas überhaupt empfehlen kann.

Klangbeispiel eines Rudolf Stelzhammer-Flügels:






Zugegeben, ich war damals beeindruckt, wie die junge Frau spielte.
 
Zuletzt bearbeitet:

Kurzinfo zu Josef Riedl, Wien
Josef Riedl war um 1830 als Instrumentenbauer, speziell Blasinstrumente bekannt.
Hat er mit dem 1859 nachweisbaren „Klaviermacher“, wohnhaft Mariahilf Hauptstraße 57 zu tun?
Als „Klaviermacher“ wurde Josef Riedl erst
1859 wohnhaft Mariahilf Hauptstraße 57 erwähnt.
1864 – 1874 wohnhaft Mariahilfstr. 60
1875 Instrumentenmacher, wohnhaft Rosensteingasse 5
1876 wohnhaft Zollergasse 2
ab 1879 Josef und A. Riedl
1880 ist A. Riedel unter „Clavier-Fabrikanten und – händler zu finden
ab 1882 ist er nicht mehr nachweisbar.
von Dieter
 
KALESSIN:
der flügel ist ja perfekt erhalten. alles reinigen, die mechanik aufarbeiten (obwohl mehr als putzen, und regulieren nicht notwendig sein sollte; eventuell intonierleder versetzen), gehäuse mit autopolitur abreiben un geht schon. mehr als zwei wochen arbeit ist es nicht. und der klingt besser als die S&S gurken.
er hat einen geschraubten rahmen (einzelteile sind geschmiedet und dann eben zusammengeschraubt). und die filze sehen fantastisch aus. das intonierleder ist ein bisschen dreckig. das geht aber mit bürsten weg. und mit dem leder spiel die kiste noch 200 jahre. ;)

lg
emm
 

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