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Hallo Rolf,
ich beschäftige mich nun seit vielen Jahren mit den antiken Musikdenkmälern, spiele die erhaltenen Melodien in meinen Konzerten und gebe gerne Auskunft:
1) Es gab in der röm/griechischen Antike eine gut entwickelte Notenschrift. Etwa 60 Melodien sind - leider meist nur fragmentarisch - erhalten, auf Papyrus und in Stein gemeißelt. Und wir wissen aus der antiken Musiktheorie auch ziemlich genau, was die Zeichen bedeuten.
2) Ein eindrucksvolles Beispiel ist das Lied des Seikilos. Einfach mal den Wiki-Link dazu angucken.
Weitere wichtige Vokalstücke sind die beiden Delphi-Paiane, der Berliner Paian, der sog. Oxyrhynchos-Hymnus, und vor allem die Hymnen des Mesomedes von Kreta.
3) Orgel: Es gab auch eine Instrumentalnotation. Leider wissen wir nicht, für welches Instrument die erhaltenen Stücke sind. Zuerst wären da Kithara und Aulos zu nennen. Anhaltspunkte dazu können vielleicht die Informationen aus der Musiktheorie dienen, welche Instrumente in welchen Tonarten gespielt haben. Als Beispiele für die Instrumentalnotation wären vor allem die Melodien aus dem sog. Anon. Bellermann zu nennen. Aber auch die beiden Instrumentalstücke vom Berliner Papyrus sind eindrucksvoll. Und natürlich das Stück vom Michigan-Papyrus.
4) Es ist echt erstaunlich, dass diese Melodien nicht bekannter sind. Das war aber nicht immer so, die Musikforscher der Renaissance kannten zB die Hymnen des Mesomedes sehr genau! Es gibt angeblich auch auch eine Barockkantate, die den Helios-Hymnus von Mesomedes als c.f. verwendet (habe ich noch nicht selbst gesehen). Und Ustinov singt im genannten "Quo Vadis" die Seikilos-Melodie zur Lyra! Der Gesang der Christen am Kreuz ist die Melodie des Nemesis-Hymnus und im Triumphzug sind im Orchestersatz Melodien aus Anon. Bellermann eingebaut! Gut recherchiert, wow!
5) Genaue Information über die erhaltenen Musikbeispiele und
 
erst einmal Danke für die Antwort!

1) Es gab in der röm/griechischen Antike eine gut entwickelte Notenschrift. Etwa 60 Melodien sind - leider meist nur fragmentarisch - erhalten, auf Papyrus und in Stein gemeißelt. Und wir wissen aus der antiken Musiktheorie auch ziemlich genau, was die Zeichen bedeuten.
hier beginnt mein Problem: Papyri, spätere Kopien usw. von Musik der römischen Kaiserzeit inklusive Textdenkmälern müssten den Altphilologen bekannt sein - mich würde sehr wundern, wenn es seit Jahren römische Quellen gäbe, von denen die Altphilologie nichts weiß.
auch aus der Musikwissenschaft ist mir "eine gut entwickelte Notenschrift" der Römer nicht bekannt.

Wo finden sich die Quellen?
 
die Quellenlage findet man in diesem Buch:
http://www.amazon.com/Documents-Ancient-Greek-Music-Fragments/dp/019815223X
6) Danke für den Hinweis, dass meine Website nicht aktuell ist. Wird gleich korrigiert.
Vielleicht hört Ihr Euch das alles mal live an: Die nächsten Termine: München 26.6., Eining 15-17.8., Carnuntum 23./24.8., Augst 30./31.8., Haltern 13-/14.9., Weißenburg 16.9., Aalen 27./28.9.
Da ist auch immer Zeit zum Nachfragen und Diskutieren.
Beste Grüße, Justus
 
Ich bin selbst kein Altphilologe, da empfehle ich, Dr. Stefan Hagel von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien zu fragen. homepage.univie.ac.at Er ist der beste Fachmann auf dem Gebiet der antiken Musik und kennt die Quellenlage genau. Die Theorieabhandlungen und auch die Texte der Musikstücke sind übrigens fast alle in griechischer Sprache, auch die Texte der Musikdenkmäler aus römischer Zeit. Die einzige Quelle in lateinischer Sprache, die mir jetzt spontan einfällt, ist die Abhandlung von Vitruv über das Tonsystem der Antike, De architectura, Liber quintus, IV.
 
"also antike griechische Quellen - und die gut entwickelte römische Notenschrift? wo ist die?"
Genau, Quellen in altgriechischer Sprache. Eine eigene römische Notation gab es meines Wissens nicht. Die meisten erhaltenen Melodien sind allerdings aus der römischen Kaiserzeit.
 
Genau, Quellen in altgriechischer Sprache. Eine eigene römische Notation gab es meines Wissens nicht.
ja ok, die griech./hellenistischen Sachen samt den Versuchen, sie zu transkribieren, sind ja seit langem nicht unbekannt - https://de.wikipedia.org/wiki/Musiktheorie_im_antiken_Griechenland
...so ein wenig irreführend ist das auf der Hydraulis-Website, es wirkt so, als gäbe es römische Kompositionen aus der römischen Kaiserzeit... ;-)

jetzt interessiert mich natürlich noch die Quellenlage zur "Arena-Musik"
 
hier ist ein Fragment zur Diskussion gestellt: Mehrere haben sich wohl damit beschäftigt, siehe Namen der Leute weiter unten.

Hoffe, der Link funzt?

http://www.jstor.org/stable/20191873

Aber auch dort steht ja ein Fragezeichen dahinter, ob es ein Fragment römischer Musik wäre.

LG, Olli
 

Olli: Link zum Fragment geht bei mir leider nicht auf.
Arenamusik: Die Orgel betreffend stehen dazu alle mir bekannten Quellen (antike Bildzeugnisse und Textquellen) bei Markovits: http://www.amazon.de/Michael-Markovits/e/B001JXLD76
Antike Musikstücke können der Arena natürlich nicht zugeordnet werden (das wäre ja auch zu schön gewesen...). Wir spielen zur Einleitung der Kämpfe immer die Melodie des Nemesis-Hymnos, weil in Carnuntum in der Arena ein Heiligtum der Nemesis entdeckt wurde und angenommen werden darf, dass dieses im Zusammenhang mit den Gladiatorenkämpfen stand. Dazu Dr. Marcus Junkelmann:
http://www.amazon.de/Gladiatoren-Das-Spiel-mit-dem/dp/3805337973
Sonst kann man heutige Arenamusik in der NHL, beim Baseball und beim Spanischen Stierkampf erleben. Vielleicht ist das gar nicht so weit weg von der antiken Situation...
 
hmm. wenn Link nicht funzt, dann über google: suche nach

CIL IV 2305: Ein Fragment römischer Musik?
Janika Päll
Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik
Bd. 148, (2004), pp. 313-315

und über jstor hingehen. Dort kann man die Seite ansehen und Kommentare dazu.

LG, Olli

 
Antike Musikstücke können der Arena natürlich nicht zugeordnet werden (das wäre ja auch zu schön gewesen...).
:-):-)
überhaupt scheint es ja mit explizit antik römischer Musik recht mau auszusehen http://www.musikarchaeologie.de/handout_roem_etr_Musik.pdf

Sonst kann man heutige Arenamusik in der NHL, beim Baseball und beim Spanischen Stierkampf erleben. Vielleicht ist das gar nicht so weit weg von der antiken Situation...
freilich mit unverkennbar iberischem*) und teutonischem**) Kolorit :-D:-D
_______________
*) ole, ole ole oleee
**) wo bleibt denn das fünf zu null
 
Und Ustinov singt im genannten "Quo Vadis" die Seikilos-Melodie zur Lyra! Der Gesang der Christen am Kreuz ist die Melodie des Nemesis-Hymnus und im Triumphzug sind im Orchestersatz Melodien aus Anon. Bellermann eingebaut! Gut recherchiert, wow!

Das meinte ich; wobei es interessant wäre zu erfahren, ob Mikós Rózsa so skrupulös recherchiert hat - oder ob ihm ein wissenschaftlicher Beirat zur Seite stand.
 
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"also antike griechische Quellen - und die gut entwickelte römische Notenschrift? wo ist die?"
Genau, Quellen in altgriechischer Sprache. Eine eigene römische Notation gab es meines Wissens nicht. Die meisten erhaltenen Melodien sind allerdings aus der römischen Kaiserzeit.

Es gibt auch keine römische Theorie. Wo sie faßbar ist, ist es wie bei der Sprachtheorie - einfach von den Griechen abgekupfert und z.T. gewaltsam übertragen (so die gesamte Metrik; genuin römische Metrik wie der Saturnier gingen unter). Wenn man in den Neuen Pauly, sozusagen die amtliche moderne Enzyklopädie der Altertumwissenschaft, schaut, findet man bezeichnenderweise unter Griechische Musik 32 Literaturangaben, unter Römische M. ganze 10. Einer meiner ehemaligen Lehrer, Egert Pöhlmann ist einer der führenden Leute auf dem Gebiet und hat den Musik-Abschnitt im Griechenland-Artikel der neuen MGG (also nicht der auf der CD von der "Digitalen Bibliothek" geschrieben (Bd. 3, 1995, 1626-1676; Grundlage sind seine "Beiträge zur antiken und neueren Musikgeschichte"). Der dürfte für einen systematischen Überblick trotz seiner mittlerweile fast 20 Jahre immer noch eine gute Grundlage abgeben (Das oben verlinkte Buch ist eine Übersetzung seiner "Denkmäler altgriechischer Musik" von 1970, erweitert um die nachher hinzugekommenen Dokumente).

Zu dem Seikilos-Lied bemerkt der "Neue Pauly" lapidar:

Die Vertonung gibt Rätsel auf: Die Ecktöne sind nicht die, welche die notierte Oktavspezies erwarten läßt; die quintbasierte, diatonische Melodik und eine die Textmetra ausgleichende Rhythmik legen Vergleiche mit Volksmusik nahe (W. Anderson, Music and Musicians in Ancient Greece, 1994, 222-227; Th. Mathiesen, Apollo's Lyre, 1999, 148-151).

Jene ungarische Wasserorgel habe ich übrigens mal spielen hören und auch mit der "Organistin" geredet, die freimütig zugab, daß es nur eine von mehreren Rekonstruktionsmöglichkeiten war, die sie da zum besten gab.

Grüße,

Friedrich
 
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Danke, Toni, das interessiert mich auch! [Edit: pardon, Rückmeldung fand ja schon statt...]

@ Rolf: faszinierender Fund, vielen Dank!

@ Olli: wenn du dir schon die Mühe machst, den Weihnachtsintroitus zu zitieren und übersetzen, dann tu es doch einfach in demselben sachlichen Wortlaut wie dein restlicher Beitrag - oder lass es ganz bleiben. Aber spar dir das Gesülze von "Jesusfratz", "besungen werden muss", und "Mama". Schlicht daneben, und im Zusammenhang des Gesamtbeitrags ein Armutszeugnis.
 
@ Olli: wenn du dir schon die Mühe machst, den Weihnachtsintroitus zu zitieren und übersetzen, dann tu es doch einfach in demselben sachlichen Wortlaut wie dein restlicher Beitrag - oder lass es ganz bleiben. Aber spar dir das Gesülze von "Jesusfratz", "besungen werden muss", und "Mama". Schlicht daneben, und im Zusammenhang des Gesamtbeitrags ein Armutszeugnis.

Also Klimperer, ich muss doch bitten :):):)

sagt man nicht "kleiner Fratz" zu Babys? Und sei mal nicht so humorlos, denn Du weißt ja:

Auch Jesus hat bestimmt gelacht, wie schon im Namen der Rose thematisiert. Im übrigen steht genau das dort, was ich schrieb: Puer nobis cantandus est => Gerundivum mit Dat. auct.: => Der Knabe muss "von" uns besungen werden => Wir müssen den Knaben besingen. In der Inhaltsangabe meines Satzes natürlich angepasst, da ich auf den Inhalt referierte. Was also regst Du Dich auf? Mach mal halblang.

Auch fehlt mit Sicherheit "Maria" oder "Mater" zu "inclyta". Das lässt sich bestimmt überprüfen, denn andere Bezüge wären unsinnig.

Wieso also Armutszeugnis?
Begreife ich nicht. Guck Dir lieber die römische Wandsingerei im CIL an.

LG, Olli.
 
Auch fehlt mit Sicherheit "Maria" oder "Mater" zu "inclyta". Das lässt sich bestimmt überprüfen, denn andere Bezüge wären unsinnig.

Da braucht man nicht lange herumrätseln, denn das ist einer der berühmstesten Tropen, Tuotilo v. St. Gallen zugeschrieben. Was der allerdings mit Rolfs Eingangsfrage zu tun hat, ist unklar. Auch CIL 4, 2305 hilft für ihre Beantwortung nicht weiter, denn die Autorin bringt ja selber den Begriff "griechische Notation" ins Spiel.

Daß die Römer kein großes Interesse an Musiktheorie hatten, entspricht ihrer pragmatischen Einstellung. Was die Griechen schon erledigt haben, braucht man nicht nochmal erledigen, es sei denn es hat politische Relevanz (z.B. Jurisprudenz, Rhetorik), zumal wenn es um Dinge geht, die ein Angehöriger der Oberschicht nicht selber tut. Der macht nicht Musik, der läßt sie machen. In der Spätantike, in unserem Falle mit Boethius, ändert sich das, da geht es einfach darum, im Bewußtsein des Asueinanderdriftens der Reichshälften, möglichst viel zu bewahren.

PS. Wenn man Links zu elektronischen Zeitschriften oder Zf-Repositiorien setzt, sollte man fairerweise erwähnen, daß man einen Zugang über eine UB dafür braucht, sonst kriegt man außer der ersten Seite nichts zu sehen.
 

Dass Glauben und Kirche in Deutschland weitgehend unbeliebt sind, und entweder beschimpft oder halt belächelt werden, weiß ich, und trage daran - das sage ich frei heraus.

Wenn also...
a) ich (z.B. durch eine diesbezügliche Überempfindlichkeit) einen lapidaren Tonfall, der weder reell vorlag noch beabsichtigt war, in diese Stelle deines Beitrags hineingelesen habe, dann mache ich nicht halblang, sondern einen kompletten Rückzieher: sieh mir das bitte nach und entschuldige es.

Wenn aber...
b) der lapidare Tonfall nicht nur (m)ein Hirngespinst ist, sondern gar beabsichtigt war, dann mache ich ebenfalls nicht halblang, sondern mein voriger Sermon steht, denn so etwas hätte in einem ansonsten fundierten, interessanten Beitrag wirklich nicht sein müssen. Vielmehr würde es beispielhaft aufzeigen, wie weit es mit der besagten Belächelung schon gekommen ist.

Du wirst selber am besten wissen, wie (und in welchem Ton) die Stelle von dir gemeint war. Nur: "halblang" wirst du von mir nicht bekommen - jedenfalls nicht als lauwarmen Mittelweg.

Wie auch immer: Nebenschauplatz! Ich will nicht allzusehr vom Thema ablenken; zurück zur Arena.
 

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