10 000 Stunden; die Expertise Theorie

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Alter Tastendrücker

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In einem anderen Faden wurde das Thema aufgeworfen. Wäre schön, man könnte die Diskussion hier führen.
In Skandinavien und im englischen Sprachraum kam vor etlichen Jahren ein Forschungsgebiet zu größerer Bedeutung, welches die Frage zu beantworten sucht, warum einige Menschen Dinge können, die die meisten anderen nicht können. Dabei versuchte man den unfassbaren Faktor Begabung (Genetik) möglichst herauszunehmen!
Es gibt wohl viele 'Domänen' bei denen eine Überprüfung der 'Kompetenz' oder Leistungsfähigkeit eher arbiträr und subjektiv ist, diese Bereiche wurden nicht weiter verfolgt!
Offenbar ergab sich bei diesen Forschungen die 10 000 Stunden Regel. Ich halte diese für sehr gutes Klavierspiel für nicht ausreichend.
Das ganze Forschungsgebiet ist mit seiner Ausrichtung auf quantitative Faktoren (in den letzten Jahren wurde zunehmend auch der qualitative Aspekt wichtig) aktuell eher noch weniger aussagefähig! Was die Zukunft bringt wird man sehen!
 
Zuletzt bearbeitet:
Irgendwo las ich etwas von den Weichen, die im Elternhaus gestellt werden. Wenn ich dann aber so etwas lese, ist es wohl allein daran nicht festzumachen.

Im Alter von sechs Jahren bekam sie ihren ersten Geigenunterricht. Der Drang zum Erlernen dieses Instrumentes ging von Stirling selbst aus, ihre Eltern hatten ihr den Wunsch zunächst in Hinblick auf die anfallenden Kosten verwehrt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Lindsey_Stirling

Kann ich mir so richtig vorstellen, wie ein Kind seinen Dickkopf den Eltern gegenüber durchsetzen kann, wenn es etwas unbedingt will. Klar wird die dann mit den Jahren 10.000 Stunden oder mehr geübt haben.
 
Ein anderes Beispiel, über das Alter steht da nichts:

ZEIT: Wo haben Sie am meisten über Musik gelernt?

McCartney: Ich habe mir alles selber beigebracht und viel gelernt, indem ich einfach meinem Vater und Schallplatten zuhörte.

https://www.zeit.de/2012/05/Interview-McCartney/seite-2

Somit würde ich meinen, ein gewisser Drang muss von einem Kind selbst ausgehen. Bleibt dieser Drang dann erhalten, wird dieses Kind auch tausende von Stunden üben.
 
Und ich bin fest davon überzeugt, dass ganz viele meinen, bei ihrem Fachgebiet gilt sie (10.000-Stunden-Regel) aber nicht. Erinnert mich an Lehrer, die meinen, ihr Fach wäre ja nun mal das wichtigste Fach. :-)

Deine Logik erschließt sich mir nicht!
Von irgendeiner Wichtigkeit irgendeines Faches hatte ich doch nichts geschrieben??!!
Ich hatte ganz einfach gerechnet!
Wenn jemand mit 6 Jahren beginnt und mit 18 die AP zu einem Studium besteht (also noch kein erfolgreicher Konzertpianist ist, aber sicher über eine gewisse Expertise verfügt) dann hat er 12 Jahre Üben hinter sich. Bei insgesamt 10000 Stunden wären das im Jahr 10000:12 etwa 8 45 Stunden und damit täglich etwa 2,5 Stunden. Selbst, wenn man im Anfang sehr kurze Ubezeiten ansetzt sind 3 bis 4 Stunden Üben oder mehr zwischen dem 10 und 18 Lebensjahr (selbst bei gleichzeitigem Besuch der Schule) nicht ungewöhnlich!
Dann sind die 10000 Stunden schon beim Studienbeginn übererfüllt!
 
Deine Logik erschließt sich mir nicht!
Von irgendeiner Wichtigkeit irgendeines Faches hatte ich doch nichts geschrieben??!!

Die Logik auseinander gepflückt:
Ausgerechnet mein Fachgebiet hat Eigenschaft A nicht.
Ausgerechnet mein Fachgebiet hat Eigenschaft B.
A: Die 10kh-Theorie gilt.
B: Fach ist wichtig.

Die Gemeinsamkeit ist nicht A oder B, sondern wie sich Aussagen auf 'mein Fachgebiet' beziehen und natürlich (implizit angenommen) überall gelten, aber halt nicht auf 'meinem Fachgebiet'.

Jetzt klar!?

Grüße
Häretiker
 
Völlig einverstanden, dennoch finde den Ansatz überdenkenswert.
Der Faktor Fleiss (Einsatz, Motivation, ...) wird im künstlerischen Bereich tendenziell massiv unterschätzt!
 
Ich zähle auch außerhalb der Musik nicht zu den Gläubigen dieser Theorie!

Dann hättest Du möglicherweise "Ich halte diese für sehr gutes Klavierspiel für nicht ausreichend." besser formulieren können. Zumindest ich hatte den Eindruck, dass exclusiv gemeint war.

Also, dann ist Deine Argumentation eher so:
Ich halte sie - weil ich mich in diesem Fachgebiet etwas auskenne - die 10kh-Theorie für Klavierspielen falsch und dewegen auch möglicherweise für andere Fachgebiete.

Danke für die Klärung!

Grüße
Häretiker
 
10.000 h hin oder her,
der Genius zählt nicht die Stunden,
er schwelgt im ewigen Augenblick des Schaffens.

Natürlich brauchts Zeit und Beharrlichkeit, aber Fleiß und Ehrgeiz vorrausgesetzt, spürt der Genius vieles intuitiver und schafft intensiver und emotionaler, ein Werk ist dann eben nicht nur "toll" und ausgezeichnet vorgetragen, sondern es erblüht ein Blumenmeer aus Knospen der Verzückung.
 

Dann hättest Du möglicherweise "Ich halte diese für sehr gutes Klavierspiel für nicht ausreichend." besser formulieren können. Zumindest ich hatte den Eindruck, dass exclusiv gemeint war.

Ich habe die Expertise Theorie hier nicht weil ich dran glaube zur Diskussion angeregt, sondern weil ich sie aus bestimmten Gründen für interessant halte.
Die beiden wichtigsten Gründe sind:
Außerordentliche Leistungen haben einen durchaus ganz natürlichen Hintergrund die Begabungstheorie lenkt davon etwas ab; und dass auch das größte Genie (in egal welchen Fach!) nicht viel zustande bringt ohne Fleiß und fachkundige Anleitung dürfte inzwischen Gemeingut sein.
UND: für Pädagogen (und da gehören auch einige KL dazu) ist es besser, sie glauben durch ihre Arbeit wird etwas bewegt und sie sind nicht hilflos und ausschließlich der Begabung ihrer Schüler ausgeliefert! Ich hoffe, das viele KL ein bisschen an die Expertise Theorie glauben!
Ich habe inzwischen was das Erlernen von komplexen Gegenständen angeht, sowohl die "alles hängt von der Umwelt ab" Theorie im ideologischen Gefolge von 68 als auch die (teilweise aus der Zwillingsforschung abgeleitete ) Theorie "alles ist eine Sache der Gene Theorie erlebt und abzulehnen gelernt. Aber mir ist die Idee, das wir Einfluss auf unsere Entwicklung und die unserer Schüler haben sympathischer!
 
Ericsson hat diese 10k h Regel übrigens nicht aufgestellt, das war angeblich der US-Autor Malcolm Gladwell mit dem Buch "Outliers: The Story of Success" in dem der Autor auf die Arbeit von Ericsson verweist.
Wenn man im Netz schaut gibt es mittlerweile schon ein paar Zweifler und Gegner, aber alle sind sich einig dass viel Üben auf alle Fälle wichtig ist.
Weiters interessant finde ich die Erkenntnis der Neuroplastizität
https://www.spektrum.de/magazin/neuroplastizitaet-wie-lernen-das-gehirn-veraendert/1437617
Dort sind 3 sehr interessante Dinge zusammengefasst:
Auf einen Blick Dynamisches Gehirn
  1. Neuronale Netzwerke können sich infolge intensiver Lern- und Umwelterfahrungen in großem Umfang reorganisieren – dies nennt man Neuroplastizität.

  2. Die Grundlage der Neuroplastizität sind Anpassungsmechanismen, die sich von der molekularen über die zelluläre bis hin zur neuroanatomischen Ebene erstrecken.

  3. Auffällige anatomische Veränderungen im Gehirn finden sich häufig bei Profis wie Musikern oder Leistungssportlern, weil diese über lange Zeit intensiv trainieren.
Dies ist keine Theorie sondern eine nachgewiesene Sache, weil man sie mit dem MRT nachweisen kann.

Was dies nun bedeutet ist für mich klar: Durch üben verändert sich die Gehirnstruktur.
Fehlende Talente (anfangs) können vermutlich durch Üben (dazu)gelernt werden.
Somit glaube ich langfristig (nach Jahren übens) nicht an die Talent Hypothese und das "Talent" (anfangs) spielt letztlich am Ende (nach 10k h als Bsp.) keine Rolle mehr.
 
Somit glaube ich langfristig (nach Jahren übens) nicht an die Talent Hypothese und das "Talent" (anfangs) spielt letztlich am Ende (nach 10k h als Bsp.) keine Rolle mehr.
Ich würde die 10.000 Stunden eher für eine Art von Indikator sehen, ob anfängliche Begabung vorlag. Kindern, denen es gänzlich an Begabung fehlt, werfen früher oder später mangels positiver Rückkopplung aus der kindlichen Umwelt das Handtuch, verlieren die Lust und halt den erforderlichen Antrieb und kommen erst gar nicht auf 10.000 Stunden.
 
Oh, ein Hirnbla-Faden!
Ist schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem?

Talent ist natürlich ein unscharfer Begriff. Am plausibelsten ist "in die Wiege gelegt". Das kann Vererbung bedeuten, aber auch das vor- und nachgeburtliche Beschallen mit Musik (Musikereltern), wo schon die Anlagen geformt werden. Da das aber nicht immer funktioniert (Geschwisterkinder haben unterschiedliche Vorlieben bzw. Talente) und in der weiteren Entwicklung die Vorliebe, das Interesse erst einmal dazu führt, dass sich das Talent entfaltet, sprich ersichtlich wird, wird es wohl nie eine sichere Aussage darüber geben.

Sicher ist aber, dass 10.000 Stunden üben mit Talent, Interesse und gutem Lehrer eher in den Olymp führen als 10.000 runtergeklimperte Stunden ohne (oder mit Kacklehrer- :001:) Anleitung.
 
...das es nun gerade 10kh (36 Megasekunden) sein sollen, scheint mir ohnehin eine bestenfalls statistische Marketingzahl zu sein - wenn man etwas in der ersten Gigasekunde des Lebens (~31 Jahre) intensiv und regelmäßig betreibt, sind es nun einmal, wie Alter Tastendrücker vorrechnete, größenordnungsmäßig ein paar zehntausend Stunden.

Wobei - ich rechne gerade - erreiche ich die 10.000 Stunden just heute nachmittag und wandle mich beim Herumgestümpere in der Oktavenetüde mittendrin zum Superkönner??? Dann besteht ja noch Hoffnung!
 

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