Hallo Morn,
Was ist eigentlich, wenn mal ein Schüler mein privates Klavier zerdonnert (Deckel fallen lassen, Flügeldeckel zerkratzen, Notenständer zerknacksen etc.)?
Absichtlich oder unabsichtlich? Muss man dann versichert sein (Hausrat), oder übernimmt das bei bezahltem Unterricht die Haftpflicht des Schülers, bzw. der Eltern?
Die Fragestellung ist ziemlich komplex und nicht in einem Satz zu beantworten. Ich versuch’s mal auseinanderzuklamüsern:
a) Haftung von Kindern unter sieben Jahren:
Kinder unter sieben Jahren sind nicht deliktsfähig.
D.h., egal ob versehentlich oder absichtlich: Das Kind haftet nicht.
b) Haftung von Kindern/Jugendlichen ab Vollendung des siebten Lebensjahres:
Hier besteht eine bedingte Deliktsfähigkeit.
Das Kind bzw. der Jugendliche haftet dann nicht, wenn es/er
„bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat“
(§ 828 III BGB).
Das bedeutet, es kommt darauf an, ob das Kind überhaupt versteht, dass es gerade etwas Verbotenes und Schädigendes tut. Wenn der Siebenjährige leichtfertig den Deckel aus deinem Beispiel fallen lässt und gar nicht verstanden hat, dass dabei etwas kaputt gehen kann, dann haftet er nicht. Wenn der Siebzehnjährige aus Verärgerung die Klaviatur mit dem Hämmerchen bearbeitet, dann wird man in der Regel davon ausgehen können, dass er die erforderliche Einsichtsfähigkeit hatte. In dem großen Bereich dazwischen ist die Frage: Wie reif und verständig ist das Kind.
Wenn das Kind verständig genug ist und darüber hinaus auch kein Mitverschulden des Klavierlehrers vorliegt (der ja auch ein bisschen gucken soll, was das Kind macht), dann besteht ein Schadensersatzanspruch.
GEGEN DAS KIND.
Das Gute daran ist: Es haftet überhaupt jemand.
Das Schlechte: Die meisten Kinder haben nicht genug Geld für eine Flügelreparatur.
Wenn das Kind haftet, heißt das mitnichten, dass die Eltern den Schaden bezahlen müssen. Es bedeutet nur, dass das Kind dafür aufkommen muss. Wo nix is’, kann man nix holen, aber es bleiben die Möglichkeit der Klage und die Hoffnung, dass das Kind nach abgeschlossener Ausbildung einen lukrativen Beruf ergreift.
c) Haftung der Eltern:
Praktischer ist es deshalb, wenn man die Eltern in Anspruch nehmen kann.
Der auf verlotterten Baustellen anzutreffende Spruch
„Eltern haften für ihre Kinder“
ist nicht nur dort Blödsinn.
Eltern haften nur für eigenes Verschulden, d.h. wenn sie etwas falsch gemacht haben. Nun könnte man meinen, der Fehler läge bereits darin, Kinder zu haben, die Klavierdeckel fallen lassen, oder die Tasten mit dem Hämmerchen bearbeiten. Indes steckt die Rechtsprechung die Anforderungen an Kausalität und Verschulden enger. Letztendlich kommt es auf die Frage an: „Haben die Eltern ihre Aufsichtspflicht verletzt?“. Genau das aber haben sie in der Regel nicht. Wenn Eltern ihr Kind in allseitigem Einvernehmen für die Dauer der Unterrichtsstunde beim Klavierlehrer abgeben, übertragen sie damit – zumindest im Verhältnis zum Klavierlehrer – auch die Aufsichtspflicht.
d) Haftung der Haftpflichtversicherung:
Wie der Name nahe legt, haftet die Haftpflichtversicherung dann, wenn der Versicherte haftet.
Wenn der Versicherte nicht haftet, tritt auch die Haftpflichtversicherung nicht in die (nichtexistente) Haftung ein.
Haben also die Eltern ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt, dann haftet die Versicherung der Eltern NICHT. Und es nutzt wenig, wenn das Kind über eine Versicherung verfügt, die nur haftet, wenn das Kind haftet (also selten oder gar nicht). Es gibt Haftpflichtversicherungen, die auch für Schäden deliktsunfähiger Kinder einstehen. Ist das nicht ausdrücklich vereinbart, dann steht die Versicherung für solche Schäden NICHT ein.
Letzteres hilft dem Klavierlehrer zugestandenermaßen wenig, wenn das Kind nicht entsprechend versichert ist. Nun könnte man bei Abschluss des Unterrichtsvertrages von den Eltern fordern, dass sie …
Praktisch gesehen würde sich das wohl nicht bewähren.
e) Eigene Versicherungen:
Nun kann man sich als Klavierlehrer auch selbst versichern. Dabei sollte man sich sehr genau überlegen, welche Versicherung und wofür.
Dabei muss man insbesondere schauen, ob
- das Klavier bzw. der
flügel mitversichert ist,
- ersteres auch bei beruflicher Nutzung gilt und
- welche Risiken der Versicherungsvertrag abdeckt und welche nicht.
Egal ob Hausratversicherung (da kann das Unterrichtsklavier im Wohnzimmer mit eingeschlossen sein), Betriebsinhaltsversicherung oder was auch immer: Wenn im Vertrag (hausratversicherungstypisch) die Risiken Feuer, Leitungswasser, Sturm, Hagel, Einbruchdiebstahl und Vandalismus (damit ist nicht (!) der kleine Vandale auf dem Klavierhocker gemeint) versichert sind, dann hilft das bei fallen gelassenen Deckeln, Kratzern und angeknacksten Notenhalterungen gar nichts.
Man kann sich nicht gegen alles, aber gegen vieles versichern, und so wahrscheinlich auch gegen Vandalen am Klavier. Bevor man einen solchen Vertrag abschließt, kann es nicht schaden,
- Kosten und Risiken abzuwägen,
- eine Leselupe zu erwerben,
- das, was aussieht wie Fliegenschiss damit intensiv zu studieren,
- sich zu fragen, ob man verstand, was man gerade las,
- das, was aussieht wie Fliegenschiss erneut intensiv zu studieren
- sich zu vergewissern, dass genau das versichert ist, was man versichert haben will-
- sich zu fragen, ob das alles wirklich sinnvoll ist.
Hoffe, ich konnt’ trotzdem helfen.
Liebe Grüße,
Nuri