@hasenbein:
Das Problem ist außerdem, dass viele Stücke nur dann angemessen empfunden und aufgefasst werden können, wenn sich das Tempo beim Üben nicht zu weit vom eigentlichen Tempo entfernt. Das heißt, ein zu langsames Übetempo (oder gar ein übehalber Umschalten des Grundmetrums von Viertel- auf Achtelnoten oder so) ist ebenfalls eine sehr unmusikalische und mechanistische Vorgehensweise, die strengstens zu vermeiden ist. Missachtet man diesen Grundsatz, so speichert das Gehirn etwas, was mit dem eigentlichen Stück nicht viel zu tun hat - Folge ist, dass man den "Sprung" hin zur richtigen Auffassung oder auch nur zum richtigen Tempo nicht oder bestenfalls unter großen Mühen schafft.
Hast Du Beispiele, die das belegen? Meiner persönlichen Erfahrung nach stimmt das nämlich gar nicht. - Ich gebe dir insofern Recht, als die Empfindung für ein Stück nicht mehr "die richtige" ist, wenn man das Metrum einfach auf einen kleineren Notenwert umstellt, aber das Zurückspringen in das richtige Metrum, sobald man das Tempo entsprechend gesteigert hat, ist doch keine große Sache, oder?
Ich hätte da gerade ein aktuelles Beispiel - Etüde 1 aus Burgmüller Opus 105: Verlangt wird bei diesem Stück ein Endtempo von 76 BPM für eine punktierte Viertel. Beim Noten Einstudieren hab ich das Metronom auf 50 BPM für eine Achtel eingestellt und habe damit bei einem Tempo begonnen, das deutlich weniger als das Drittel des geforderten Tempos beträgt! Der schlichte Grund dafür: Bei meinem durch das Notensuchen bedingten Schnecken-Anfangstempo war das Metronom nicht passend einstellbar. Und hätte ich es auf 50 Drittel BPM einstellen können, dann hätte ich dieses Metrum nicht empfinden können und das Stück wäre zerfallen. Da ich aber immer einen Grundpuls fühlen muss, wenn ich spiele, habe ich mit dem falschen Metrum für einen solchen gesorgt. - Mit wachsender Sicherheit hab ich das Tempo erhöht, immer im Achtelmetrum, und als ich dann bei 120 BPM war und mich in diesem Tempo wohl gefühlt habe, habe ich auf 40 BPM für die punktierte Viertel umgestellt. - Bei diesem Übergang ändert sich doch allein das Metrum bzw. das Empfinden für den Grundschlag und kein anderer Parameter, weshalb sollte das schwierig sein? Ich empfinde eine "Metronomerweiterung" (wenn sie denn mal vorkommt) als einen sehr schönen Moment beim Üben, weil das Spiel dann in einem Rutsch freier und musikalischer wird, ohne dass sich an den technischen Anforderungen etwas ändert.
Das richtige Metrum ist dann sozusagen ein "Befreiungsschlag".
In die andere Richtung geht das übrigens auch: So habe ich vorgestern bei "Der klare Bach" (ein Sorgenkind aus Burgmüller opus 100) das Stück nur in Akkorden geübt, und da hab ich bei über 176 BPM irgendwann mal auf die halbe Zählzeit umgestellt und quasi alla breve gespielt. - In der Hoffnung, dadurch mehr Ruhe in das Ganze zu kriegen, wenn ich dann wieder "so spiele, wie es sich gehört", also so, wie in den Noten notiert.
Kann man das Setzen verschiedener Schwerpunkte durch die unterschiedlichen Metronomeinstellungen/ gefühlten Pulse nicht als hilfreiche Übevarianten ansehen anstatt als etwas, was schadet?
Es gibt 2 grundsätzliche Langsamspiel-Arten, die jeweils zur richtigen Zeit zum Einsatz kommen müssen:
1. "out of time"-Spiel, d.h., es kommt gar keine "BPM"-Zahl zum Einsatz, sondern man lässt sich für jeden Ton so viel Zeit, dass auf jeden Fall alle Parameter außer Rhythmus richtig gespielt werden.
a) Was sind typische Voraussetzungen, unter denen man 1. anwendet?
b) Worauf achtet man, wenn man 1. anwendet bzw. wie tut man das?
c) Was erreicht man mit 1.?
Da bin ich echt gespannt, denn ich kenne nur das Spielen mit einem Pulsgefühl.
LG Wil