unter den Welte-Mignon Aufnahmen gibt es auch sehr schöne, sogar virtuose (d´Albert)
unter den ältesten Schellack-Platten gibt es auch brillante (Skrjabin spielt seine patetico-Etüde)
Das Stichwort "Schellack-Platten" zeigt einen nicht zu unterschätzenden Unsicherheitsfaktor auf: Im ersten Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts existierten akustische und mechanische Einspielungen gewissermaßen nebeneinander. Zu letzterer Kategorie gehörten die Welte-Mignon-Klavierrollen, die in Konkurrenz mit anderen Produktionen dieser Art standen, sowohl inländischer (Hupfeld/Triphonola) als auch ausländischer (Ampico Piano Rolls) Herkunft. Der Niedergang mechanischer Aufzeichnungsverfahren in der Zeit der Weltwirtschaftskrise der ausgehenden 1920er-Jahre hatte auch technisch bedingte und praktische Gründe: Die Wiedergabe der Rollen war nur auf einem Instrument (oftmals plus Vorsetzer-Automatik) möglich - und mit Verbreitung der elektrischen Schallaufzeichnung verbesserte sich der Klavierklang auf den Aufnahmen beachtlich.
Zum eingangs erwähnten Unsicherheitsfaktor: Das Spiel des jeweiligen Pianisten wird von einer Rolle wiedergegeben, in die neben den Tonhöhen auch in begrenztem Umfang Anschlagsnuancen in gestanzter Form eingearbeitet waren, die von einer Wiedergabe-Apparatur wieder auf die Klaviatur übertragen wurden, als ob der Künstler wieder am Instrument Platz nähme. Stanzfehler und Manipulationsmöglichkeiten (falsche Töne punktuell berichtigen und ähnliches) ermöglichten Eingriffe in die Vorlage wie in ein MIDI-File der Gegenwart, ohne dass man diese im einzelnen nachvollziehen kann, deshalb rufen diese Dokumente viele Skeptiker auf den Plan.
@rolf: Die Skrjabin-Etüde op. 8/12 ist mir lediglich wie die anderen Skrjabin-Interpretationen als mechanische Aufzeichnung bekannt. Hat Skrjabin auch akustische Einspielungen hinterlassen wie diese?:
Denn leider gehört Skrjabin zu jenen Interpreten respektive Komponisten-Interpreten, deren Spiel offensichtlich nicht auf akustischen Einspielungen überliefert ist. Allerdings gab es bereits im Grammophon-Zeitalter Übertragungen von mechanischen Dokumenten auf Schallplatte, die damit nicht zu verwechseln sind.
Interessant ist der Vergleich von Interpretationen jener Künstler, die sowohl Klavierrollen als auch Schallplattenaufnahmen eingespielt haben (Grieg, Prokofiew, Busoni, Rachmaninow u.a.) - da ergibt sich in der Regel zwischen mechanischen und akustischen/elektroakustischen Dokumenten keine eklatante Diskrepanz, dass etwa Schallplattenaufnahmen strotzen vor falschen Tönen und technischen Schlampigkeiten, die auf den Rollen diskret beseitigt worden wären. Das lässt hoffen und erwarten, dass die mechanischen Aufzeichnungen schon
ziemlich genau das Spiel des jeweiligen Künstlers reproduzieren, zumal aufwendiges Nachbearbeiten mit enormem Zeitaufwand verbunden gewesen wäre, der die Produktionskosten weiter in die Höhe getrieben hätte - um an einem Markt platziert zu werden, der weitaus kleiner dimensioniert als in späteren Jahrzehnten gewesen sein muss. Wenn ein Medium Manipulationsmöglichkeiten bietet, ist es keine logische Konsequenz, dass dieser Spielraum in der Praxis auch ausgeschöpft wird.
@rolf: Auch der von Dir erwähnte späte Liszt-Schüler Eugen d'Albert hat Aufnahmen beiden Typs hinterlassen, zum Beispiel:
In den Jahren vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs war allerdings d'Albert vorrangig als Komponist und Hochschullehrer tätig. Ob diese Aufnahmen sein absolutes pianistisches Spitzenniveau wiederspiegeln, wage ich zu bezweifeln. Trotzdem kann man diese Dokumente immer noch mit großem künstlerischem Gewinn bis auf den heutigen Tag hören und schätzen.
LG von Rheinkultur