Unbekannte Komponisten - Zu Recht oder Unrecht?

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AlkanLiszt

Guest
Hallo! Ich beschäftige mich zurzeit vor allem mit den "No-Names" der Musik, da diese für mich viel interessanter erscheinen als die bekannten Standard Komponisten wie Beethoven, Schuber, Bach, Chopin, Mozart, etc.. Mein Lieblingskomponist ist ja schon in meinem Nickname zu finden (Alkan). Ich habe nach langer Zeit mal meine Top-Ten neu geordnet und Medtner ist bei mir auf Platz 2. Ich behaupte, dass beide Namen dem ein oder anderen nicht bekannt sind. Da stellt sich mir die Frage: Wieso werden manche Komponisten einfach vergessen und nicht beachtet? Was ist der springende Punkt dabei? Und vor allem wieso werden manche Komponisten vergessen und dann wieder entdeckt (J. S. Bach, Rachmaninoff)? Bei Alkan kenne ich den Grund: Seine teilweisen monströsen Werke und bizarren Harmonien sind ihrer Zeit einfach zu weit voraus. Und die vielen Rückzüge haben auch viel zum Vergessen des Komponisten beigetragen. Aber wie ist das bei Medtner, Kosenko, Onslow, Jensen, Reinecke, Stanford, Heller? (Korrigiert mich falls manche dieser Namen doch bekannt sind.) und was auch interessant wäre, wer ist euer Liebling unter den vergessenen? ;)
 
Bei Alkan kenne ich den Grund: Seine teilweisen monströsen Werke und bizarren Harmonien sind ihrer Zeit einfach zu weit voraus.

Besonders beim zweiten Punkt wäre ich mir da nicht so sicher. Alkan war immerhin Zeitgenosse von Liszt und Wagner. Liszt hat z.B. 1834 das hier geschrieben, keine 20 Jahre später schieb Wagner das hier. Was genau ist da an Alkans Harmonik seiner Zeit weiter voraus? Was die Monstrosität betrifft, so gibt es in der Romantik einige Werke dieser Kategorie, davon geben manche mehr und manche weniger her. Alkan gehört leider zu oft zu letzterer Gruppe (ich hoffe, du nimmst mir das jetzt nicht übel).

Viele sehen in Medtner nur den russischen Folkloristen , dessen Stil zu wenig westlich ist und der sich den zeitgenössischen Strömungen widersetzte. Hinzu kommt, dass viele Werke Medtners den Durchschnittshörer zunächst überfordern, durch komplizierte Rhythmik, die ständige Vielstimmigkeit und den gelegentlichen Hang zur Überladenheit nicht nur im Klaviersatz, sondern auch in der Anzahl der musikalischen Ideen. Irgendwo habe ich mal gelesen, Medtner sei nur was für Intellektuelle und nur schwer zugänglich. Dass das bei Medtner keineswegs immer so ist, zeigt zum Beispiel der wundervolle Zyklus op.38. Dieser Zyklus beginnt wohl mit dem bekanntesten Werk Medtners, der Sonata Reminiscenza, die immerhin von einigen der ganz großen Pianisten (Hamelin, Gilels, Richter, Kissin...) gespielt wurde.

Dann darf man nicht vergessen, dass es viele regionale Unterschiede gibt. Medtner ist in Russland sehr viel bekannter und wird sehr viel häufiger aufgeführt, als bei uns. Dasselbe gilt für Szymanowski in Polen.

Ansonsten lässt sich die Frage sicher nicht in aller Kürze vollumfänglich beantworten. Wir hatten uns hier schon mal zu diesem Thema ausgetauscht. Dort findest du interessante Antworten u.a. von Rolf und Chiarina zu diesem Thema.

Viele Grüße!
 
Ich nehme dir das nicht übel. Ich bin das einerseits schon gewohnt stehe aber andererseits zu 100% hinter meinem Lieblingskomponisten (auch wenn das manchmal nervig für andere und insbesondere meine Klavierlehrerin sein kann :-)). Ich verstehe aber den Satz: "Was die Monstrosität betrifft, do gibt es in der Romantik einige Werke dieser Kategorie, davon geben manche mehr und manche weniger her. Alkan gehört leider zu oft zu letzterer Gruppe" leider nicht. Was geben manche mehr her? Die Monstrositäten? Musikalische Inhalte? Wäre nett wenn du das noch erklären könntest :)
 
Na ja, Bach war nie vergessen. Er wurde zwar eine Zeitlang kaum öffentlich aufgeführt, aber fast jeder Musiker nach Bach hat dessen Werke studiert und daran gelernt. Rachmaninow war erst recht nie vergessen, allerdings gab und gibt es immer Musiker, die ihn wegen seiner Epigonalität ablehnen.

Von Alkan finde ich ein paar Werke ganz nett (z.B. Le Festin d'Ésope, was ich bestimmt mal spielen werde). Aber an die großen Werke der Zeitgenossen Liszt oder Brahms kommt Alkan nicht annähernd heran. Kaum jemand kommt auf die Idee, Alkans Concert pour piano zu spielen, weil man in derselben Zeit eben auch die Liszt-Sonate oder die F-Moll-Sonate von Brahms lernen kann. Ich finde das absolut logisch. Das Bessere ist der Feind des Guten.

Medtner finde ich etwas interessanter als Alkan - aber auch nicht so interessant, dass ich eines seiner Werke auf der Agenda hätte. Es gibt so viele Stücke, die ich unbedingt so bald wie möglich spielen möchte - da bleibt für Komponisten der zweiten Reihe kaum Zeit übrig. Schon gar nicht, wenn die Sachen aufwendig zu lernen sind, was zumindest für einen Teil der Werke von Medtner gilt. Es gab hier im Forum mal einen Fan von L.M. Gottschalk - das ist auch so ein Komponist, den ich nur anrühren würde, wenn mir wirklich nichts besseres mehr einfällt.

LG, Mick
 
Ein Komponist, der zumindest für mich kein Angehöriger der Kategorie "Würde ich nur spielen, wenn mir nichts besseres einfällt" ist, ist M. Weinberg. Ein Zeitgenosse Schostawkotischs, welcher von ihm übrigens sehr geschätzt wurde.

Ich persönlich mag sein Klavierquintett sehr gerne:



Und seine Klaviersonaten sind, finde ich zumindest, auch ziemlich hübsch. Auch wenn sie auf youtube immer etwas "runtergehämmert" werden :D.
 
Was geben manche mehr her? Die Monstrositäten? Musikalische Inhalte? Wäre nett wenn du das noch erklären könntest :)

Ich meine die musikalischen Inhalte bei Montrositäten, also bei langen und manuell aufwändigen Stücken. Wie Mick bereits sagte, hat Alkan eben nichts in der Klasse einer Liszt-Sonate geschrieben.

Wolters schreibt z.B. meiner Meinung nach völlig richtig: "Seine Pianistik ist zwar anspruchsvoll, aber oft trivial und grob, gelegentlich auch überraschend originell. Die melodischen Einfälle sind oft nichts sagend; es fehlt der Wille zur disziplinierten Durchgestaltung. Stattdessen wird ins Uferlose Seite um Seite kritiklos angefüllt und damit auch die beste Idee zu Tode geritten."

Seine Etüden oder seine Preludes sind dennoch einen Blick wert.

Es gibt so viele Stücke, die ich unbedingt so bald wie möglich spielen möchte - da bleibt für Komponisten der zweiten Reihe kaum Zeit übrig.

Ich würde sehr gerne mal etwas von Medtner spielen, aber alle Sachen, die mir von ihm gefallen (einige seiner Sonaten oder die Märchen op.20) sind leider für mich nicht machbar.

Es gab hier im Forum mal einen Fan von L.M. Gottschalk

Da wäre mir Medtner aber doch um einiges lieber.

Viele Grüße!
 
Die Vingts regards find ich ganz toll, nächstes Jahr nehm ich mir ein paar von denen vor. Oder was mit Vögeln :-D
 

Ich finde seine Visions de l'Amen für 2 Klaviere ganz toll. Gibt eine tolle Aufnahme vom Grau-Schumacher-Klavierduo.
 
Bei Alkan kenne ich den Grund: Seine teilweisen monströsen Werke und bizarren Harmonien sind ihrer Zeit einfach zu weit voraus.
bzgl. der Harmonik muss ich dir widersprechen: auf diesem Gebiet hat Alkan nicht einmal annähernd seine derselben Generation entstammenden Kollegen wie Schumann und Chopin erreicht, von Liszt und Wagner ganz zu schweigen.
was die monströsen Ausmaße betrifft: dem 19. Jh. war in allen Bereichen ein nicht immer besonders glücklicher Hang zur Monumentalität eigen (sehr schön hat das Thomas Mann beschrieben), und diesem Hang hing Alkan ganz eindeutig an :-)
 
Hallo! Ich beschäftige mich zurzeit vor allem mit den "No-Names" der Musik, da diese für mich viel interessanter erscheinen als die bekannten Standard Komponisten wie Beethoven, Schuber, Bach, Chopin, Mozart, etc.. Mein Lieblingskomponist ist ja schon in meinem Nickname zu finden (Alkan). Ich habe nach langer Zeit mal meine Top-Ten neu geordnet und Medtner ist bei mir auf Platz 2. Ich behaupte, dass beide Namen dem ein oder anderen nicht bekannt sind. Da stellt sich mir die Frage: Wieso werden manche Komponisten einfach vergessen und nicht beachtet? Was ist der springende Punkt dabei? Und vor allem wieso werden manche Komponisten vergessen und dann wieder entdeckt (J. S. Bach, Rachmaninoff)? Bei Alkan kenne ich den Grund: Seine teilweisen monströsen Werke und bizarren Harmonien sind ihrer Zeit einfach zu weit voraus. Und die vielen Rückzüge haben auch viel zum Vergessen des Komponisten beigetragen. Aber wie ist das bei Medtner, Kosenko, Onslow, Jensen, Reinecke, Stanford, Heller? (Korrigiert mich falls manche dieser Namen doch bekannt sind.) und was auch interessant wäre, wer ist euer Liebling unter den vergessenen? ;)

Weil sie - aufs Ganze gesehen - qualitativ einfach nicht mit den "Standard Komponisten" mithalten können?

Ist ja auch ok wenn du deine eigene Meinung hast und diverse Komponisten "interessanter" findest, aber erwarte halt nicht das der größere Teil der Menschheit deinen Geschmack teilt.
 
Ich finde die unbekannten Gesichter interessanter, da man bei ihnen noch so viel zu entdecken hat. Ich weiß nicht ob jemand das Gefühl kennt, aber immer wenn ich IMSLP durchforste und ich einen Komponisten, von dem man noch nie was gehört hat, entdecke und dann feststelle wie viel diese Komponisten dann teilweise geschrieben haben, oder was es noch alles zu entdecken gibt. Das macht das ganze für mich so interessant. Kurz gesagt: Ich teile die Philosophie von Hamelin, dass man als Pianist heute wahnsinnig glücklich sein kann, da es eben zig Komponisten gibt. Und Hamelin spielt(e) ja auch nicht das konventionellste Programm.

Und ja ich weiß: "Über Geschmack lässt sich streiten." Ich sage ja auch nicht, dass Alkan besser ist und alle anderen Komponisten schlecht. Das meine ich ja gar nicht. Ich schätze und liebe ja auch die Musik Skrjabins, Liszts, Beethovens, Bachs, Chopins. Alles großartige und fabelhafte Komponisten. Die einen mögen Alkan halt nicht, die anderen schon. Jeder darf ja seine Meinung äußern. Ich zum Beispiel mag überhaupt kein Mozart, Prokofieff und Haydn. Darüber kann man jetzt auch hitzige Diskussionen führen.

Also, dass das jeder versteht: Ich möchte der Musik von Schubert, Bach, Beethoven etc. ihre Genialität nicht abstreiten und ich liebe diese Musik. Ich finde AUCH unbekannte Komponisten interessant und nennenswert. Ich möchte andere Meister nicht schlecht machen.

Ich habe nämlich das Gefühl, dass dieser Standpunkt immer nicht beachtet wird und man dem Besessenen immer aus allem was er sagt einen Strick drehen will.
 
Ich sage ja auch nicht, dass Alkan besser ist und alle anderen Komponisten schlecht. Das meine ich ja gar nicht.
...verdrehst du dir jetzt deine eigenen Worte?... ;-)
du hast behauptet, dass Alkans "bizarre Harmonien seiner Zet voraus" gewesen seien - das stimmt schlichtweg nicht! (falls du Freude an bizarren, funktional kaum oder nicht mehr erklärbaren Harmonien und Dissonanzen hast, dann schau dich bei Beethoven und Chopin um; wenn´s dann noch noch heftiger werden soll, dann empfehlen sich Liszt und Wagner)
 
bzgl. der Harmonik muss ich dir widersprechen: auf diesem Gebiet hat Alkan nicht einmal annähernd seine derselben Generation entstammenden Kollegen wie Schumann und Chopin erreicht, von Liszt und Wagner ganz zu schweigen.

Immerhin hat er in der Harmonik eine Notation benutzt, die es bei den von Dir genannten Kollegen nicht gibt. :-)
 

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Medtner kannte ich bis vor ein paar Tagen auch nicht. Dann hörte ich eines seiner Werke bei Steingräber. Prof. Manz nannte in seiner Einführung einen weiteren "unbekannten" Komponisten: Max Reger.
Laß mich noch ein paar hinzufügen: Bruch, Suk, Respighi, Milhaud, Satie, Honegger...
Die Bekanntheit von Komponsiten hat meiner Meinung nach nichts mit der Qualität ihrer Werke zu tun, es ist eine Angelegenheit des Marketings, bekannt zu werden. Und manche sind eben bekannter, weil sie schon bekannter sind, das hält sich selbst aufrecht: wer als Musiker Werke unbekannter Komponisten spielt, findet nur wenig Publikum.
 
Ich habe schon den Eindruck, dass selbst mittelprächtige Werke der großen Namen viel öfter gespielt werden als vergleichsweise bessere Werke der weniger bekannten Komponisten.
Neben dem erwähnten Hang zur Monumentalität gibts leider auch den Hang zum Star-Kult. Das eine kann man Alkan vorwerfen (da geht Manches auch schnell auf die Nerven), das Andere allen Anderen ;)
 

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