Spannende Konzertprogramme

Gleich um 14:00 Uhr spielt Sir Andras Schiff zum x-ten Male die letzten 3 Klaviersonaten von Beethoven. Nennt mich Banause, aber ich finde es nicht spannend, dass diese Sonaten wirklich sehr oft in einem Konzert gespielt werden:schweigen:.

 
Ich finde es sehr schade, dass heute in Klavier-Abenden fast nur vollständige Zyklen gespielt werden. Also alle Préludes op. 28 von Chopin oder das komplette op. 11 von Scriabin oder alle Walzer von Chopin, oder alle Sonaten von Beethoven (möglichst chronologisch an 7 oder 8 Abenden) . Ganz schlimm finde ich alle Chopin Etüden nacheinander oder ein opus Rachmaninoff Préludes.
Ich finde es viel über reizvoller, wenn ein Pianist 4 sorgfältig ausgewählte Chopin Walzer und 5 seiner Lieblings Etüden mit 2 Nicturnes zu denen er eine besondere Beziehung hat, kombiniert. (Das op. 28 von Chopin kann ich sowohl als Zyklus wie auch in Auswahl hören). Sonaten auseinander zu reissen macht selten Sinn, aber Elly Ney spielte in späteren Jahren das Adagio aus op. 106 als Einzelstück! Warum nicht!?
Ich habe mal einen Klavier-Abend mit 17 aus allen möglichen Opera zusammen gestellten Schubert Walzern eröffnet und dann eine Sonate angeschlossen. Ich fand das stimmig.
Wir sollten froh sein, dass die Standard Programme der 1980 Jahre: Bach Suite, Beethoven Sonate, Pause, großes romantisches Stück, selten geworden sind.
 
Es ist wirklich interessant, was es für unterschiedliche und, wie es mir erscheint, unvereinbare Meinungen zu Gesprächsteilen innerhalb von Konzerten gibt.
Das reine Rezital gilt anscheinend noch für viele, nicht nur hier, als Königsdisziplin (was nicht gleich Lieblingsdisziplin heißt) – konzentrieren wir uns also auf die ursprüngliche Frage der Zusammenstellung eines reinen Musikprogramms.

Auch steht es außer Zweifel, dass "gute Musik, gut gespielt" der Grundsatz ist. Doch was macht darüber hinaus den Konzertabend wertvoll?

Zu Zyklen: damit macht man sich natürlich das Leben leicht, denn die Schlüssigkeit der Programmzusammenstellung ergibt sich vermeintlich von alleine. Es ist außerdem in vielen beruflichen Situationen von Vorteil, ein Projekt in einem Satz erzählen zu können.
 
Zu Zyklen: damit macht man sich natürlich das Leben leicht, denn die Schlüssigkeit der Programmzusammenstellung ergibt sich vermeintlich von alleine.
....sofern es nicht Sammlungen (Etüden, fast egal welche) sind, sondern wirkliche Zyklen wie Schumanns Kreisleriana oder Mussorgskis Bilder, ist das naheliegend. Aber die großen Zyklen machen dann Probleme im "Zeitmanagement": 45min hat man für eine halbe
und z.B. der Mussorgski dauert im Schnitt 30min oder länger. Bei einer Aufführungsdauer von 30min bleiben noch maximal 15 - welchen "Kurz"zyklus sollte man damit kombinieren?
Ganz einfach ist es nicht, eine komplette "Königsdisziplin" tatsächlich ausschließlich mit mus. Zyklen zu füllen.

Werkzyklen wie "alle 32 Beethovensonaten" an mehreren Abenden - das ist kein Recital mehr, sondern eine Konzertreihe.

Ich glaube, dass wenigstens ein sehr virtuoses oder allgemein bekanntes/berühmtes Werk integriert sein sollte - einfach weil das der allgemeinen Erwartungshaltung des Publikums mehrheitlich entspricht (man will für den Eintritt "was geboten bekommen") ... mit 2 mal 45min nur Chopin-Mazurken wird es schwer, den Saal voll zu kriegen...
 
Zyklen, wie Kreisleriana oder Bilder einer Ausstellung sollte man in der Tat nicht zerstückeln!
 
Hat nicht Rachmaninov höchstpersönlich einzelne Variationen seiner Variationswerke im Konzert spontan weggelassen? :denken:
 
...zerstückeln und kürzen sind zwei Paar Schuhe --- wobei ich nirgendwo gelesen habe, dass irgendwer vorschlägt, Zyklen wie Kreisleriana zu zerstückeln...
 
Hat nicht Rachmaninov höchstpersönlich einzelne Variationen seiner Variationswerke im Konzert spontan weggelassen
Rachmaninoff war schwer krank (Psycho) und hat bei der Tournee bei der er seine Corelli Variationen op. 42 (einen wunderbaren und stimmigen Zyklus!!!) vorstellte, jedesmal, wenn einer im Publikum hustete, die jeweils nächste Variation ausgelassen. So wenigstens berichtet er selbst in einem Brief. Ob das stimmt wird, sich kaum überprüfen lassen; wenn es aber stimmt, kann man nur Mitleid mit dem armen Mann haben. In den längeren Chopin Variationen op. 22 gibt es tatsächlich einige Variationen und die Coda, die freigestellt sind. Ich habe eine dieser Variationen selbst ausgelassen und würde heute auch die knallige C-Dur Coda streichen.
 

Es gibt beim Komponieren eines Programmes auch zeitliche Abwägungen vorzunehmen. Ich würde sehr gerne zum nächstjährigen Programm (einem immer wieder aufgeschobenen Lieblings-Projekt) einführende Worte sprechen und/oder das Ganze als kommentiertes Konzert durchziehen, aber die Länge ist als Klavierabend ideal, mit Gequatsche aber sofort zu lang.
1. Teil: Beethoven und Scriabin die beiden ersten Sonaten in f-Moll. (20 + 23 Minuten)
2. Teil: Beethoven und Scriabin die beiden letzten Sonaten. (23 + 13 Minuten)
Kürzen geht nicht. Deshalb schriftliche Einführung oder (anstrengend aber reizvoll) vor dem Konzert 30 Minuten Einführung, 30 Minuten Ruhe, Konzert.
 
@Alter Tastendrücker eine tolle Programmidee!!!
op.111 und Insektensonate passen ganz fantastisch zusammen (schon erprobt) - die beiden in f-moll zu kombinieren, darauf wäre ich nie gekommen. (Hut ab vor dem Arbeitsaufwand, die 1. von Skrjabin zu spielen!)
In diesem Zusammenhang stellt sich mir die Frage, ob Waldstein und 5. Sonate gekoppelt werden könnten (evtl würde das zeitlich problematisch)
 
f-Moll und letzte Sonaten..,, ooorh, da würde ich zum Zuhören kommen :blöd:
 
Ich habe seit einigen Jahren ein Projekt in Entwicklung: 24 Préludes und zwar nicht von einem Komponisten, sondern von 12-24. Jeweils ein geeignetes in jeder einzelnen Tonart zu finden, gestaltet sich relativ schwierig. Die Frage, ob ich mich nur innerhalb einer Epoche bewege oder von Bach bis A. Tcherepnin den Rahmen spanne, habe ich auch noch nicht abschließend geklärt. Das mit der chronologischen Reihenfolge funktioniert nur, wenn man die Reihenfolge der Tonarten unbeachtet lässt. Sonst müsste ich zu viele interessante Stücke auslassen. Wenn ich zu viele Kompromisse (Rosinenpickerei versus Lückenfüllertum, Sinnfindung in der Reihenfolge) eingehen muss, werde ich die Idee verwerfen. Bis jetzt habe ich:
Bach, Chopin, Rachmaninoff, Scriabin, N. Tcherepnin, A. Tcherepnin, Barmotin, Chaminade, Bowen (12 Stücke). Es ergeben sich permanent erhebliche stilistische und kulturelle Kontraste. (Das gibt es schon auf anderen Alben. Das kann ermüdend oder stimulierend wirken.) Das Präludium in gotischem Stil von Feist oder Gershwin nur vielleicht - für Gershwin müsste man den Kontext anpassen.
Geeignet wären noch Blumenfeld, Catoire, Lyadow, Fauré, Debussy (le vent dans la pleine), Ravel, Alkan, Schostakowitsch und ein paar weitere. Ausgemustert habe ich auch schon ganze Sammlungen, z.B. die von Stanford oder Busoni. Mit Nr. 24 könnte man es ausklingen lassen entweder sehr ruhig (Ravel) oder spektakulär/virtuos (Gershwin, Alkan's Nr. 24 in seiner Sammlung ist eine Etude).
Es gibt hier unbegrenzt viele Möglichkeiten der Kombination. Wenn man das ausreizen würde, könnte man die Kombination der Tageslaune anpassen, sozusagen ein ''Running Project''. Das ist dann eine Repertoire-Frage.
Ich lasse mir viel Zeit mit der weiteren Auswahl und Einstudierung.
 
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Hallo Triangulum,

Skrjabin, den du schon mit aufgezählt hast, ist eine sehr reiche Fundgrube, und zwar über sein op.11 (= in 24 Tonarten) hinaus: er vollendete fast einen zweiten 24-Preludes-in-allen-Tonarten-Zyklus (die er allerdings nicht auf ein Mal veröffentlichte, sondern peu a peu, sodass sie sich verteilen auf op.13+ op.15 (enthält zwei A-Dur-Preludes) + op.16 (enthält ein Preludes in Fis-Dur) + op.17 (enthält ein Preludes in Ges'Dur). Zur Vollständigkeit fehlen nur drei Tonarten (F-Dur, As-Dur und c-Moll).
Rachmaninov bediente alle 24 Tonarten, auch er verteilte über die Jahre hinweg auf die Opuszahlen 3, 23 und 32.
Ein sehr (!) schöner Zyklus ist Caesar Cuis op.65: 25 Preludes durch alle Tonarten. (Falls du diesen Zyklus nicht kennen solltest: Cui entdeckte keine fünfundzwanzigste Tonart, sondern startet UND beschließt mit C-Dur).
"Ariadne in musica" nennt C.D.F.Fischer den allerersten Zyklus der Musikgeschichte, der Praeludien + Fugen in (leider nur fast) allen Tonarten enthält: komponiert im Jahr 1700 (oder 1703?), also rund 20 Jahre NOCH VOR J.S.Bachs Pioniertat. Fischer schreibt zwar für Orgel, bis auf wenige Bass-Orgeltöne geht aber alles sehr bequem auch auf dem Klavier.
Beste Grüße und viel Freude bei der weiteren Zusammenstellung,
satiata
 

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