Arpeggio
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- 22. Sep. 2006
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Eine derartige Grausamkeit hat sicherlich schon jeder mal gehört: eine poppige Version eines klassischen Stücks. Mir tut sowas immer im Herzen weh. Einige Beispiele:
Vor zehn, zwölf Jahren ungefähr habe ich zum ersten Mal angefangen, die Etüde in E-Dur, Opus 10/3 von Chopin zu üben. Sogleich stürzt meine Mutter ins Wohnzimmer und verkündet entzückt: "Oh, wie schön, das kenn ich!" Und sie singt mit: "In miiiiiiir klingt ein Liiiieeeed...." Da fing ich an zu verstehen, was es heißt, wenn sich einem der Magen umdreht :D Ich hab dann ewig mit ihr diskutiert, dass sie NIE, NIE, NIE wieder diese Zeilen in meiner Gegenwart singen dürfe. Zum Glück hab ich diese Version nie richtig gehört.
Was noch schlimmstens war: Ich war im Februar für die Arbeit (Tageszeitung) auf ein paar Faschingsbällen. Ich sitz also so rum, langweile mich und schäme mich für die Peinlichkeiten dieser Veranstaltungen, da reißt mich plötzlich etwas aus meiner Lethargie: Mozarts C-Dur-Sonate KV 545, 1. Satz, geht mit einem RUMMS los, Pauken, um-pa-pa und allem, was schlecht ist. Dazu hüpfen ein paar picklige Teenager in Glitzerkostümchen durch den Saal und die Leute auf ihren Plätzen klatschen - naja, jetzt nicht unbedingt im Rhythmus - aber sie klatschen mit. Da musste schon direkt kriminelle Energie dahinterstecken, um aus dieser Sonate ein derartiges Horrorszenario zu fabrizieren.
Wahrscheinlich bekanntestes Beispiel: Beethovens "Ode an die Freude" in dieser schleimigen Pop-Version, die anscheinend in den 70ern oder so ein trauriger Charthit war.
Der Pachelbel-Kanon wurde ja auch schon desöfteren Opfer von Verwurstungen. Schockierenderweise gefiel eine der schlimmsten Versionen, die mir je untergekommen sind, einer Freundin von mir, die aus einer Kirchenmusikerfamilie kommt und die kürzlich ihr Musikstudium beendet hat mit der Begründung: "Da erkenne ich wenigstens mal was." (Sie hat ansonsten nie viel Pop-Musik gehört; bei ihrer Auswahl an Pop-Musikstücken war das wohl auch besser so, dass sie sich auf Klassik beschränkte :p ).
Ähnliche Gefühle hatte ich übrigens bei DSDS, obwohl es da jetzt nicht um ein klassisches Stück ging. Aber als Thomas Godoj "Let it be" (nicht wohlwollend geschätzt) vierfach zu schnell in der Bohlen-Hüpf-Version gesungen hat, bin ich nach den ersten Takten abspülen gegangen. Ich wollte es einfach nicht mitbekommen.
Und ich stelle mir immer wieder die Frage: "Darf" man sowas? Also, klar darf man es, stehen ja (leider ;) ) keine Haftstrafen drauf. Aber gebietet es nicht eine nicht näher definierte Form musikalischen Anstands, dass man solch wunderbare Stücke nicht durch den Fleischwolf dreht? Warum muss man klassische Musik so dermaßen reduzieren und verschandeln? Damit bringt man doch niemandem, in dem das Potenzial zum Musikinteressierten steckt, die Musik näher. (Der Rest interessiert doch aus musikalischer Sicht eh nicht, höchstens als Geldeinnahmequelle). Wobei das vermutlich ja gar nicht das Ziel ist. Aber warum müssen die Faschingszirkusaffen unbedingt Mozart nehmen? Gibt's da nix anderes, das man nicht erst kaputt machen muss, um es zum Stimmungshit umzubauen?
Also ich habe ganz prinzipiell nichts dagegen, mal ein Thema oder so aufzugreifen und etwas anderes draus zu machen, von mir aus auch mal zu persiflieren. Ich hab da auch schon gute Sachen gehört. Was ich gerne mal wieder hören würde, aber wohl nie wieder finden werde, ist eine Jazz-Version von "Für Elise." Da haben sich zwei Musiker, eine klassische Pianistin und ein Jazz-Pianist, an zwei Flügel gesetzt und gleichzeitig das Lied gespielt in ihrer jeweiligen Interpretation. Das war toll . Wirklich gut gemacht und nicht respektlos. Ein bewundernswertes Beispiel für Beatles-Cover: Ich war im Dezember in dem Film "Across the Universe." 33 Beatlessongs begleiten den Film und ich war zugegebenermaßen sehr skeptisch. Aber das hat selbst mich als Beatles-Experten umgehaun, was diese Leuten an interpretatorischen Ideen abgefeuert haben. Es muss also nicht in die Hose gehen, wenn man etwas Respekt vor den Originalen hat und genügend Kreativität an den Tag legt.
Was mich aber in dem Zusammenhang interessieren würde: Woher kommt dieses Gefühl: "Das darf man doch nicht." Was ist es, das dieses Grauen verursacht? Ich will eigentlich nicht so ein Prinzipienreiter und Purist sein. Wenn einer eine Idee zu einem bereits bestehenden Stück hat, spricht ja erstmal nichts dagegen, dass er sie auch umsetzt. Aber warum greifen Leute, die offensichtlich keinen Respekt vor Musik haben, immer wieder richtige Klassiker auf und verschandeln sie aufs Übelste? Mir kommt das manchmal so vor, als würden die Leute auf den Gräbern der Komponisten tanzen. Und was genau macht diese Stücke so schlimm? Ich gehe mal davon aus, dass in diesem Forum hier niemand ist, der sagt: "Och, Faschingstänzchen zu KV 545 ist doch ne dufte Sache!" Vielleicht kann das ja der ein oder andere in Worte fassen, was an solchen Schandtaten das Schlimme eigentlich ist. Ich kann es nämlich nicht, ich fühle mich nur immer beschämt, fast schon persönlich angegriffen und möchte im Erdboden versinken. Die einzige Erklärung, die ich im Ansatz liefern könnte, ist, dass man den Werken das Herz rausreißt, ihnen das Gefühl raubt, sie funktionalisiert. Mir kommt das ein bisschen so vor wie die Meinung mancher Leute, die Liebesbeziehungen darauf reduzieren, dass man den anderen für den geeignetsten Fortpflanzungspartner hält. Irgendwie so ähnlich ist das für mich. Aber genau kann ich es nicht sagen. Vielleicht ist ja jemand hier, der meinen Schmerz teilt ;)
Vor zehn, zwölf Jahren ungefähr habe ich zum ersten Mal angefangen, die Etüde in E-Dur, Opus 10/3 von Chopin zu üben. Sogleich stürzt meine Mutter ins Wohnzimmer und verkündet entzückt: "Oh, wie schön, das kenn ich!" Und sie singt mit: "In miiiiiiir klingt ein Liiiieeeed...." Da fing ich an zu verstehen, was es heißt, wenn sich einem der Magen umdreht :D Ich hab dann ewig mit ihr diskutiert, dass sie NIE, NIE, NIE wieder diese Zeilen in meiner Gegenwart singen dürfe. Zum Glück hab ich diese Version nie richtig gehört.
Was noch schlimmstens war: Ich war im Februar für die Arbeit (Tageszeitung) auf ein paar Faschingsbällen. Ich sitz also so rum, langweile mich und schäme mich für die Peinlichkeiten dieser Veranstaltungen, da reißt mich plötzlich etwas aus meiner Lethargie: Mozarts C-Dur-Sonate KV 545, 1. Satz, geht mit einem RUMMS los, Pauken, um-pa-pa und allem, was schlecht ist. Dazu hüpfen ein paar picklige Teenager in Glitzerkostümchen durch den Saal und die Leute auf ihren Plätzen klatschen - naja, jetzt nicht unbedingt im Rhythmus - aber sie klatschen mit. Da musste schon direkt kriminelle Energie dahinterstecken, um aus dieser Sonate ein derartiges Horrorszenario zu fabrizieren.
Wahrscheinlich bekanntestes Beispiel: Beethovens "Ode an die Freude" in dieser schleimigen Pop-Version, die anscheinend in den 70ern oder so ein trauriger Charthit war.
Der Pachelbel-Kanon wurde ja auch schon desöfteren Opfer von Verwurstungen. Schockierenderweise gefiel eine der schlimmsten Versionen, die mir je untergekommen sind, einer Freundin von mir, die aus einer Kirchenmusikerfamilie kommt und die kürzlich ihr Musikstudium beendet hat mit der Begründung: "Da erkenne ich wenigstens mal was." (Sie hat ansonsten nie viel Pop-Musik gehört; bei ihrer Auswahl an Pop-Musikstücken war das wohl auch besser so, dass sie sich auf Klassik beschränkte :p ).
Ähnliche Gefühle hatte ich übrigens bei DSDS, obwohl es da jetzt nicht um ein klassisches Stück ging. Aber als Thomas Godoj "Let it be" (nicht wohlwollend geschätzt) vierfach zu schnell in der Bohlen-Hüpf-Version gesungen hat, bin ich nach den ersten Takten abspülen gegangen. Ich wollte es einfach nicht mitbekommen.
Und ich stelle mir immer wieder die Frage: "Darf" man sowas? Also, klar darf man es, stehen ja (leider ;) ) keine Haftstrafen drauf. Aber gebietet es nicht eine nicht näher definierte Form musikalischen Anstands, dass man solch wunderbare Stücke nicht durch den Fleischwolf dreht? Warum muss man klassische Musik so dermaßen reduzieren und verschandeln? Damit bringt man doch niemandem, in dem das Potenzial zum Musikinteressierten steckt, die Musik näher. (Der Rest interessiert doch aus musikalischer Sicht eh nicht, höchstens als Geldeinnahmequelle). Wobei das vermutlich ja gar nicht das Ziel ist. Aber warum müssen die Faschingszirkusaffen unbedingt Mozart nehmen? Gibt's da nix anderes, das man nicht erst kaputt machen muss, um es zum Stimmungshit umzubauen?
Also ich habe ganz prinzipiell nichts dagegen, mal ein Thema oder so aufzugreifen und etwas anderes draus zu machen, von mir aus auch mal zu persiflieren. Ich hab da auch schon gute Sachen gehört. Was ich gerne mal wieder hören würde, aber wohl nie wieder finden werde, ist eine Jazz-Version von "Für Elise." Da haben sich zwei Musiker, eine klassische Pianistin und ein Jazz-Pianist, an zwei Flügel gesetzt und gleichzeitig das Lied gespielt in ihrer jeweiligen Interpretation. Das war toll . Wirklich gut gemacht und nicht respektlos. Ein bewundernswertes Beispiel für Beatles-Cover: Ich war im Dezember in dem Film "Across the Universe." 33 Beatlessongs begleiten den Film und ich war zugegebenermaßen sehr skeptisch. Aber das hat selbst mich als Beatles-Experten umgehaun, was diese Leuten an interpretatorischen Ideen abgefeuert haben. Es muss also nicht in die Hose gehen, wenn man etwas Respekt vor den Originalen hat und genügend Kreativität an den Tag legt.
Was mich aber in dem Zusammenhang interessieren würde: Woher kommt dieses Gefühl: "Das darf man doch nicht." Was ist es, das dieses Grauen verursacht? Ich will eigentlich nicht so ein Prinzipienreiter und Purist sein. Wenn einer eine Idee zu einem bereits bestehenden Stück hat, spricht ja erstmal nichts dagegen, dass er sie auch umsetzt. Aber warum greifen Leute, die offensichtlich keinen Respekt vor Musik haben, immer wieder richtige Klassiker auf und verschandeln sie aufs Übelste? Mir kommt das manchmal so vor, als würden die Leute auf den Gräbern der Komponisten tanzen. Und was genau macht diese Stücke so schlimm? Ich gehe mal davon aus, dass in diesem Forum hier niemand ist, der sagt: "Och, Faschingstänzchen zu KV 545 ist doch ne dufte Sache!" Vielleicht kann das ja der ein oder andere in Worte fassen, was an solchen Schandtaten das Schlimme eigentlich ist. Ich kann es nämlich nicht, ich fühle mich nur immer beschämt, fast schon persönlich angegriffen und möchte im Erdboden versinken. Die einzige Erklärung, die ich im Ansatz liefern könnte, ist, dass man den Werken das Herz rausreißt, ihnen das Gefühl raubt, sie funktionalisiert. Mir kommt das ein bisschen so vor wie die Meinung mancher Leute, die Liebesbeziehungen darauf reduzieren, dass man den anderen für den geeignetsten Fortpflanzungspartner hält. Irgendwie so ähnlich ist das für mich. Aber genau kann ich es nicht sagen. Vielleicht ist ja jemand hier, der meinen Schmerz teilt ;)