Habe Hausaufgaben nicht gemacht

XX, was Du jetzt nicht lernst, wirst Du später nie wieder so leicht lernen können, wie Du es jetzt könntest, wenn Du es tätest. :idee:

Hat mit der Gehirnentwicklung zu tun. ;-)
 
Vielleicht hat hasenbein Recht damit, dass Ratschläge hier gar nichts bringen. Im festen Glauben an die grundsätzliche Vernunftbegabung auch pubertierender Jugendlicher möchte ich deshalb auch noch meinen Senf dazu geben. Zwar bin ich kein Klavierlehrer, aber vom Lernen verstehe ich was und ich denke, dass das auch aufs Üben übertragbar ist.

(Ich setze im Folgenden voraus, dass Dein Lehrer Dir sinnvolle Hausaufgaben gegeben hat. Wenn er Dich wirklich mit den Etüden unterfordert (was ich nicht beurteilen kann), wäre der richtige Weg natürlich ein Gespräch mit dem Lehrer.)

Das besondere Problem beim Lernen (und dazu zähle ich jetzt nicht nur Latein sondern auch das Klavierüben) ist, dass man sich Dinge umso weniger gut einprägen kann, je weniger sie einen interessieren. Als belastbare Motivation ist die Vorstellung, dass man in ferner Zukunft vielleicht ein gefeierter Konzertpianist ist, allein wohl nicht geeignet. Dazu ist dieser Traum zu abstrakt und letztlich aus heutiger Sicht unerreichbar. Eine nachhaltige Motivation zu stundenlangem Üben kann nur aus der Tätigkeit selbst kommen.

Die gute Nachricht: unser Gehirn ist dazu angelegt, dass Lernen Freude macht (Stichwort: Belohnungsmechanismen - das würde aber jetzt zu weit führen). Ich habe schon eine Menge Dinge lernen müssen, von denen ich vorher gedacht hätte, dass sie völlig uninteressant sind. Sobald ich aber angefangen habe, mich mit diesen Dingen zu beschäftigen, hat sich regelmäßig (ja, wirklich immer!) herausgestellt, dass die Freude an der Sache mit zunehmender Beschäftigung damit von selbst gekommen ist. Je mehr man Experte in einer Sache wird, neue Zusammenhänge erkennt und immer mehr versteht, umso mehr wächst einem diese Sache ans Herz und umso weniger ist mangelnde Motivation ein Problem.

Der "Trick" ist also: einfach anfangen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man gerade wenn man sich einer Aufgabe nicht so gewachsen fühlt, in Vermeidungsstrategien verfällt und sich Ausreden einfallen lässt, wie "das brauche ich nicht", "das kann ich schon", "ich würde lieber etwas anderes machen und glaube, dass mir das mehr bringt". Könnte es so auch bei Dir sein? Mein Vorschlag: nimm Dir die Etüde oder die von rolf vorgeschlagenen Variationen vor, aber nicht mit der Haltung "Den Mist muss ich mir jetzt in den nächsten Tagen irgendwie 'raufschaffen.", sondern sei neugierig auf das, was beim Üben passiert. Setze dich nicht unter Druck. Höre Dir selbst genau zu, versuche, bei jeder Wiederholung noch etwas näher an Deine Klangvorstellung zu kommen, sei selbstkritisch und freue Dich, wenn eine Stelle hörbar besser wird. Meine Erfahrung ist, dass mit einer derartigen Grundeinstellung das Üben oder Lernen selbst als belohnend empfunden wird - einer externen Motivation bedarf es dann nicht. Und den ganz großen Motivationsschub gibt es dann, wenn Du plötzlich feststellst, dass als Ergebnis der Beschäftigung mit den Etüden auch die Stücke, die Du ohnehin gern spielst, plötzlich viel besser werden.
 
Übrigens, auch einen Diamanten muss man erst aus der Mine holen, und schleifen, was mit Arbeit und Dreck verbunden ist....
 
Ja, alles richtig, Lernen soll Freude machen.

In meinem Unterricht arbeite ich natürlich auch so - es ist zwecklos, kontraproduktiv und methodisch schlecht, einem Schüler ein Stück aufzugeben, das er nicht gerne spielt.

Aber Jugendliche wie xXanonymXx sind ein Sonderfall. Hier geht es nicht einfach um das Finden der richtigen Stücke (wie er mit seinem Ausgangsposting gerne suggerieren möchte). Hier geht es darum, dass ein jugendliches Gehirn völlig auf kurzfristige Gratifikation und kurzfristiges Vergnügen gepolt ist und daher einen Widerwillen gegen alles hat, bei dem man erstmal durch "Arbeit" oder "Disziplin" durch muss, um irgendwann ein Ergebnis (das dann auch Spaß macht) zu erhalten.

Zudem fehlt die Einsicht, dass dieser Zustand des eigenen Gehirns tatsächlich vorhanden ist und dass das tatsächlich der Grund für die Probleme ist.
 
Liebe Leute, hört auf, Eure Zeit mit Tippgeben zu verschwenden, schon gar nicht mit solchen wie "Zeitmanagement". Mit so etwas kann jemand wie xXanonymXx überhaupt nichts anfangen.
Diejenigen, die es in künstlerischer Hinsicht nach oben geschafft haben, konnten damit alle etwas anfangen, weil es gar nicht anders geht. Dass der künstlerische Fortschritt ein steiniger Weg ist, wissen alle, die ihn gegangen sind. Wenn's tröstet: Die Pubertätsjahre haben alle durchgemacht und sie lassen sich meistern.

Ein trivialer, aber naheliegender Tipp: Ein Soloflötist und Hochschullehrer, dessen Klasse ich als Klavierbegleiter zugeteilt war, berichtete mir von einer besonders schwierigen Kandidatin, die ihn bis kurz vor die Entscheidung trieb, ihr den Wechsel zu einem anderen Lehrer nahezulegen. Eine Mitstudentin redete ihr ins Gewissen - und diese Ausführungen gipfelten in der schlichten Empfehlung, vielleicht endlich mal das zu machen, was ihr der Herr Professor sagt. Daraufhin muss sie den Ernst der Lage erkannt haben - sie ist heute als Soloflötistin in einem der führenden deutschen Orchester tätig.

Fazit: Es ist nicht verboten, sich über Sinn oder Unsinn von Übungsaufgaben Gedanken zu machen. Aber durch Beratungsresistenz allein ist noch nie eine Karriere möglich geworden. Das macht ebenso wenig Sinn wie der Gang zum Arzt im Krankheitsfalle, um mit ihm als medizinischer Laie anschließend über Sinn oder Unsinn seiner Verordnungen und therapeutischen Maßnahmen zu diskutieren.

LG von Rheinkultur
 
@xXanonymXx

Kein Klavierlehrer gibt über die Sommerferien Stücke auf, die technische oder musikalische Schwierigkeiten aufweisen, die der Schüler noch nie gesehen hat.

Wenn Du eine Etüde aufbekommen hast, bei der Du theoretisch alles alleine erarbeiten kannst, dann wäre es Deine Aufgabe gewesen, diese Arbeit selbständig zu machen. Offenbar ist die Etüde für Dich doch nicht so leicht gewesen, als dass Du sie im Unterricht einfach locker vom Blatt hättest spielen können ohne sie vorher geübt zu haben.

Ich vermute, dass Du eh nicht der Typ für eine reine klassische Ausbildung bist, die ist bekanntlich sehr engstirnig. Wenn das so ist, ist das auch nicht schlimm. Nicht wenige Leute gehen durch die Anforderungen eines akademischen Klavierstudiums seelisch und musikalisch kaputt und geben Musik für immer auf. Es gibt auch Musiker, die während oder nach einer klassischen Ausbildung musikalisch umorientieren, weil sie merken, dass sie für sich eine andere Art des Musizierens brauchen. Musiker wie "Piano Guys" und "Yiruma" sind bekannt und erfolgreich - sie sind vermutlich sogar bekannter als Pollini und Schiff.

Etüden sind so gesehen nicht immer zwingend notwendig. Wenn Du aber mit der Hausaufgabe überhaupt nichts anfangen kannst, weil Du diese Etüde nicht magst, wäre die schlechteste Lösung zu sagen, dass Du nicht übst. Wenn Du schon ein rebellischer Teenager bist, und entschlossen bist, auf Deine Weise besser auf dem Klavier zu werden, musst Du zumindest den Mumm haben, in der ersten Stunde nach der Sommerpause dem Klavierlehrer ein anderes Stück so vorzutragen, dass er mit offenem Mund da steht. Wenn schon, denn schon. Entweder geht er drauf ein oder er schmeißt Dich raus, aber dann hast Du wenigstens was für Dich getan und zu Dir gestanden.

Als Berufsmusiker einen Weg zu gehen, den noch kein anderer gegangen ist, ist noch steiniger als zu versuchen, von einem fest vorgegebenen Weg nicht ab zu kommen. Wenn das ist, was Du willst, brauchst Du noch mehr Selbstdisziplin als wenn Du brav tust, was der Lehrer sagt.
 
Ja, irgendwie lustig, der Einwand. :-D Außerdem ist es nicht unbedingt von der thematischen oder stilistischen Richtung abhängig, was für ein Niveau man anpeilt. Man kann auch Klassik auf niedrigem Niveau spielen, und wenn man Jazz, Blues richtig können will, ist das absolut auch nicht "ohne". Im Gegenteil mache ich derzeit verstärkt Jazz-Übungen, weil ich die Richtung persönlich intellektuell deutlich fordernder finde, aber auch die manuelle Seite ist absolut nicht anspruchslos. Wenn man über die Klimperstufe hinaus will, ist es immer jahrelange Arbeit, und "fertig" ist man eh nie.

(Das gilt übrigens für viele Hobbies. Ich beschäftige mich gelegentlich mit Modellflug, und bei Interesse kann ich gerne mal Aufnahmen der richtigen Meister im Helikopter-Kunstflug heraussuchen. Die haben quasi irgendwo den Physik-Ausschalter versteckt... das sieht immer sehr beeindruckend aus. Aber die Hunderte, nein eher Tausende Stunden Training sieht man von außen nicht.)
 
@klaviermacher Weißt Du das nicht?

@kalessin Wenn man Jazz und Blues richtig gut spielen will, gibt es sinnvollere Übungen als Czerny Etüden.
 

Ich vermute, dass Du eh nicht der Typ für eine reine klassische Ausbildung bist, die ist bekanntlich sehr engstirnig. Wenn das so ist, ist das auch nicht schlimm. Nicht wenige Leute gehen durch die Anforderungen eines akademischen Klavierstudiums seelisch und musikalisch kaputt und geben Musik für immer auf. Es gibt auch Musiker, die während oder nach einer klassischen Ausbildung musikalisch umorientieren, weil sie merken, dass sie für sich eine andere Art des Musizierens brauchen.
Die klassische Ausbildung an sich ist nicht engstirnig - allenfalls derjenige, der Musikvermittlung so praktiziert. Es gibt sie gar nicht so selten, die Jazzklavier-Spezialisten mit "klassischem Background". Wenn man das eine gegen das andere ausspielen möchte, bräuchte man gute Argumente. Mir fallen jedenfalls keine ein... .

Etwas haben aber alle verschiedenen Spezialisierungen miteinander gemeinsam: Ohne harte langjährige Arbeit wird's nichts mit dem Spezialistentum.

Als Berufsmusiker einen Weg zu gehen, den noch kein anderer gegangen ist, ist noch steiniger als zu versuchen, von einem fest vorgegebenen Weg nicht ab zu kommen. Wenn das ist, was Du willst, brauchst Du noch mehr Selbstdisziplin als wenn Du brav tust, was der Lehrer sagt.
Dazu braucht man nicht nur Selbstdisziplin, sondern auch eine Menge Mut. Es gilt dann, auch bei Widerständen einen Weg durchzuhalten - aber es muss sich auch die Bereitschaft zur Selbsterkenntnis einstellen, dann nämlich, wenn das Ganze keinen Zweck mehr hat. Wenn es anders wäre, könnten viel mehr Menschen eine bestens organisierte Karriere machen.

LG von Rheinkultur
 
@kalessin Wenn man Jazz und Blues richtig gut spielen will, gibt es sinnvollere Übungen als Czerny Etüden.
Not my point. Ich meinte, dass es in allen Fällen lange, recht harte und zielstrebige Arbeit ist, die mit dem Endergebnis streckenweise gefühlt wenig bis nichts zu tun hat. Wenn mir das Thema Klassik nicht gefällt, dann mache ich etwas anderes. Aber mit "Engstirnigkeit" einer thematischen Richtung hat das eher wenig zu tun.
 
@Gamma - nein sorry , hab ich jetzt ne Bildungslücke? Du meinst also es ist "bekannt" wahrscheinlich aus Rundfunk und Fernsehen, dass eine klassische Ausbildung engstirnig ist.
Na dann
Prost Mahlzeit :-D
 
@kalessin Doch hat es.
Dass es lange, harte und zielstrebige Arbeit braucht, darüber besteht Konsens. Die Frage ist nur, wie diese Arbeit aussehen soll.
 
@klaviermacher Zeig mir mal ein klassisches Klavierstudium, wo Studenten im Unterricht lernen, über Popsongs auf einem vorzeigbaren Niveau zu improvisieren.
 
Nö. ;-) Ich schließe mich da @Rheinkultur an. Nicht Klassik oder klassiche Ausbildung ist "engstirnig". Das Wort ergibt auf eine musikalische Richtung angewendet nicht einmal Sinn, sorry. Wenn überhaupt, dann ist ggf. der/die einzelne Ausbilder(in) "engstirnig" oder wohl eher unflexibel in seinen bzw. ihren Methoden. Dann ist sie/er aber schlicht ein schlechter Pädagoge, und man kann ein schlechter Pädagoge auch in Pop, Rock oder Jazz sein...
 
So gesehen bin ich auch engstirnig.. Kann nur Klaviere und Flügel richten. Dabei gibt es soviele Instrumente.. Total engstirng bin ich , Jawoll!
 

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