Ernsthaftes Erraten von Klavierwerken

@mick: Violinsonaten kenne ich fast gar nicht:-(. Kommt den June im Titel des Jazz-Standards vor? Da fällt mir nämlich auch keiner ein, bei April wäre die Auswahl auf jeden Fall um ein Vielfaches größer:-).
 
Nein, der "Juni" hat mit dem zitierten Jazzstandard nichts zu tun. Dieser Jazzstandard war übrigens mal Gegenstand einer Wette eines anderen Komponisten, der zufälligerweise auch eine tolle Violinsonate geschrieben hat.
 
Nein, der "Juni" hat mit dem zitierten Jazzstandard nichts zu tun. Dieser Jazzstandard war übrigens mal Gegenstand einer Wette eines anderen Komponisten, der zufälligerweise auch eine tolle Violinsonate geschrieben hat.
Dann ist es das hier:



Poulenc spielte mit Ginette Neveu im Juni 1943 in Paris die Uraufführung. Einige Male zitiert das Stück den Titel "Tea For Two", den Schostakowitsch folgendermaßen instrumentiert hat:



Mit dem bereits schwer erkrankten Komponisten an der Seite von David Oistrach existiert eine Amateuraufnahme seiner späten Violinsonate:



Bitte um Nachsicht, dass es mit einem neuen Rätsel noch etwas dauert - bin verständlicherweise im Osterstress. Da wird georgelt, dass sich die Balken biegen!

Allen Clavioten wünsche ich schon mal frohe Ostern.

LG von Rheinkultur
 
Vollkommen richtig! Bleibt nur noch die Sache mit dem Juni zu klären - gemeint ist das gleichnamige Stück aus Tschaikowskys "Jahreszeiten":



In der Poulenc-Sonate taucht das Zitat (um zwei Töne verkürzt) im ersten Satz auf:

Auch von mir frohe Ostern an alle!

EDIT: Ach, ja, die Wette: Der Dirigent Nikolai Malko und Schostakowitsch hörten zusammen eine Aufnahme von "Tea for Two", sie wetteten um 100 Rubel, dass Schostakowitsch es nicht gelingen würde, den Song in weniger als einer Stunde (aus dem Gedächtnis) für großes Orchester zu instrumentieren. Schostakowitsch brauchte 45 Minuten für den Tahiti-Trott. Wahnsinn!
 
Zuletzt bearbeitet:
Vollkommen richtig! Bleibt nur noch die Sache mit dem Juni zu klären - gemeint ist das gleichnamige Stück aus Tschaikowskys "Jahreszeiten"
Natürlich habe ich erst an Tschaikowskys Opus 37 gedacht und versucht, eine Verbindung zur Schostakowitsch-Sonate herzustellen, da Schostakowitsch gerne mal fremde Anregungen aufgriff und diese in einen ganz unvermutet anderen Zusammenhang brachte. Mit dem Hinweis auf die Arrangierwette war die Sachlage klar. Allerdings wird das hundertprozentige Zutreffen der geschilderten Ereignisse vielfach in Zweifel gezogen - aber selbst das ganze Stück in einer mehrstündigen Sitzung so arrangieren, wäre immer noch ein Geniestreich erster Klasse...!

LG von Rheinkultur
 
Kommt den June im Titel des Jazz-Standards vor? Da fällt mir nämlich auch keiner ein, bei April wäre die Auswahl auf jeden Fall um ein Vielfaches größer:-).
Einen Jazz-Standard mit diesem Monatsnamen im Titel kenne ich auch nicht, während man bei anderen Monaten eher fündig wird. Nun denn.

Ein Rätsel, bei dem Jazz oder im weitesten Sinne Jazzverwandtes vorkommt? Kannst Du, respektive könnt Ihr gerne haben. Ich suche nämlich eine Konzertetüde, die einem bekannten Ragtime-Komponisten und einem seiner bekanntesten Titel ein würdiges Denkmal setzt. Das Stück gehört einem Zyklus an, in dem der Name des Widmungsträgers noch ein zweites Mal auftaucht.

Fröhliches Ostereiersuchen und Raten wünscht
mit LG Rheinkultur
 
Vollkommen richtig! Bleibt nur noch die Sache mit dem Juni zu klären - gemeint ist das gleichnamige Stück aus Tschaikowskys "Jahreszeiten":



In der Poulenc-Sonate taucht das Zitat (um zwei Töne verkürzt) im ersten Satz auf:


Lieber Mick,

ich frage mich nur, ob das nicht ein Zufallstreffer ist - sowohl die Ähnlichkeit mit Tschaikowsky als auch mit "Tea for two" (dessen Melodie das Hauptthema des ersten Satzes verfremdet; im Finale kehrt sie wieder; beides ist überdeutlich). Aber ob Poulenc diese Ähnlichkeit bewußt war? Und die "Juni"-Tonfolge ist eigentlich ein Allerwelts-Melodiesegment. Bei Poulenc findet man generell so viele Allusionen und Halbzitate, auch Selbstzitate, daß ein Musikwissenschaftler auf Jahre hinaus zu tun hätte, all das zu ergründen und zu erklären - wenn es sprechende Zitate wären.

In diesem Fall müßten sie mit dem Widmungsträger in Zusammenhang stehen, zu dessen Gedächtnis die Sonate komponiert wurde: Lorca, der am 5. Juni zur Welt kam. Das könnte den Tschaikowsky erklären. Welchen Stellenwert "Tea for two" im Lorca-Kreis hatte, müßte ein Lorca-Spezialist sagen. Die Notwendigkeit, mit sprechenden Zitaten zu arbeiten, könnte sich aus den Zeitumständen ergeben: Die Sonate wurde 1943 komponiert und uraufgeführt, im von den Deutschen besetzten Paris, und Lorca galt als verfemter Autor.

Dito schöne Ostergrüße
Gomez
 
Lieber @Gomez de Riquet,

Nicht nur Lorca, sondern auch "Tea for Two" war zur Entstehungszeit der Sonate in Paris verfemt. Die verfremdete Verwendung des Motivs kann man wohl als einen Akt des Widerstands gegen die deutsche Besatzung verstehen, ähnlich wie das Auftreten der Marseillaise in Schumanns Faschingsschwank ein Protest gegen Metternich war.

Was das "Juni"-Motiv angeht, hast du natürlich Recht. Eine Molltonleiter, die auf der 5. Stufe beginnt, ist erstmal eine Allerweltsfloskel. Allerdings beginnt sie sowohl bei Tschaikowsky als auch bei Poulenc auftaktig mit jeweils drei Achteln. Für mich hatte das beim ersten Durchspielen des Satzes schon einen starken Wiedererkennungswert - ich musste sofort an die Barcarolle aus den Jahreszeiten denken. In der Sekundärliteratur habe ich allerdings nichts dazu gefunden. Entweder ist das noch niemandem aufgefallen oder ich liege tatsächlich falsch und es ist ein Zufall. So recht daran glauben will ich aber nicht. Zum einen gibt es in der Sonate noch weitere Anspielungen auf Lorca (vor allem die "spanischen", an Albéniz erinnernden Passagen im zweiten Satz) und zum anderen hat Poulenc den dritten Satz komplett revidiert, als er vom Flugzeugabsturz der Geigerin Ginette Neveu erfuhr, für die er das Stück komponiert hat: der Absturz ist in der neuen Fassung des dritten Satzes beinahe programmatisch mit einkomponiert. Diese "biografische" Vorgehensweise Poulencs spricht dafür, dass auch das Tschaikowsky-Zitat als Anspielung auf Lorcas Geburtstag Absicht war. Aber sicher erfahren wird man das wohl nie.

LG, Mick
 
Nicht nur Lorca, sondern auch "Tea for Two" war zur Entstehungszeit der Sonate in Paris verfemt. Die verfremdete Verwendung des Motivs kann man wohl als einen Akt des Widerstands gegen die deutsche Besatzung verstehen, ähnlich wie das Auftreten der Marseillaise in Schumanns Faschingsschwank ein Protest gegen Metternich war.

Dann mal um ein paar Ecken gedacht: Lorcas bekanntestes Gedicht, "La cogida y la muerte", die Totenklage für den Stierkämpfer Ignacio Sánchez Mejías, wird strukturiert von der unablässig wiederkehrenden Zeitangabe "a las cinco de la tarde": um fünf Uhr nachmittags - und das ist die klassische tea time... ist aber mehr in die Musik hineingelesen als aus ihr herausgehört.
 
Das sind so Momente, zu denen ich diesen Faden liebe - erstaunlich, wie viel man an zusätzlichen Informationen erhält, wenn Zeitgenossen mit Fachwissen aufwarten können. "Gefällt mir".

Schon eine Idee zu der gesuchten Klavieretüde? Der Widmungsträger und seine Vorlage waren dort zu Hause, wo es auch der Ragtime ist - nicht aber der Komponist des gesuchten Stückes. Da liegen ein paar tausend Kilometer dazwischen... .

LG von Rheinkultur
 

Schon eine Idee zu der gesuchten Klavieretüde? Der Widmungsträger und seine Vorlage waren dort zu Hause, wo es auch der Ragtime ist - nicht aber der Komponist des gesuchten Stückes. Da liegen ein paar tausend Kilometer dazwischen...

Das hier wäre eine mögliche Lösung:



Der Widmungsträger der ersten Etüde, Zez Confrey, taucht im letzten Stück nochmal auf - Schulhoff hat da eines seiner bekanntesten Stücke zu einer virtuosen Toccata verarbeitet.

LG, Mick
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist keine mögliche Lösung, sondern wieder einmal die einzig richtige. Bis @mick uns eine neue Aufgabe stellt, hören wir einem der Novelty-Rag-Pioniere mit seiner "Katzenmusik" zu:



Das Original stammt aus dem Jahre 1921 - leider hier miserabel überspielt. Trotzdem vielleicht eine kleine Entschädigung für die verspätete Rückmeldung, der Rest der Ostertage wird etwas ruhiger.

Eher jazzverwandt als jazzspezifisch muss man die Bezugnahmen in den Werktiteln und Satzweisen einsortieren, da diese eher mit aktueller Tanzmusik zu tun haben. Die heute eher mit Operetten und Filmschlagern in Verbindung gebrachten Komponisten haben mit Boston, Shimmy & Co. allerdings ein neues Kolorit auf die Bühne gebracht - so puristisch war man damals nicht eingestellt. Was man ein paar Jahre vorher als eine Art Ragtime auf deutsche Art präsentiert bekam, war eine rhythmisch verschärfte Variante preußischer Märsche - nettes Beispiel:



Paul Lincke kannte sicherlich einiges von Scott Joplin und anderen. Immerhin entstand von dem Stück 1909 eine Aufnahme mit dem Victor-Studioorchester - einigen Amerikanern dürfte dieses "The Coon's Birthday" betitelte Stück durchaus gefallen haben. Zur stilistischen Abrundung:



Mick, machst Du weiter?

LG von Rheinkultur
 
Wir bleiben mal bei Erwin Schulhoff. Dieser Komponist war vielleicht progressiver, als er selbst geahnt hat - indem er ein in jeder Hinsicht zukunftsweisendes Klavierstück komponiert hat.

Mehr als 30 Jahre später komponierte ein anderer Komponist ein Werk, das Schulhoffs Stück klanglich auf frappierende Weise ähnelt. Meines Wissens kannte dieser Komponist die "Vorlage" nicht - die beiden Komponisten hatten also unabhängig voneinander sehr ähnliche Ideen. Allerdings traf der zweite Komponist nun den Nerv der Zeit - sein Werk wurde weltberühmt. Ganz im Gegensatz zu Schulhoffs Opus, das weitgehend vergessen ist. So ungerecht kann es manchmal zugehen!

Welche beiden "Geschwisterwerke" sind hier gesucht?
 
Gemeint ist wohl Schulhoffs "In Futurum", dass Cages 4'33'' doch recht ähnlich ist.
 
Die Stücke klingen sogar auf frappierende Weise identisch - wenn das Publikum schweigt.


Naja, wie der eine hier gesuchte Komponist feststellte: Es gibt keine absolute Stille.

Gemeint ist wohl Schulhoffs "In Futurum", dass Cages 4'33'' doch recht ähnlich ist.

Alles richtig!

"In futurum" ist das dritte Stück aus den 5 Pittoresken op. 31. Das Klangbild ist mit Cages 4'33 identisch, aber zu spielen ist Schulhoffs Stück sehr viel schwieriger, was man am komplexen Notenbild unschwer erkennt:

In futurum.png

Gewusst haben's @Gomez de Riquet, @Wastlsepp und @Troubadix - wer macht nun weiter?

LG, Mick
 
Eigentlich hat es @Gomez de Riquet als erster gewusst, ich habe ja quasi nur noch abgestaubt.

Hast du ein schönes Rätsel für uns, Gomez?
 

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