Wolfgang Weller, WARUM MIT NOTEN KONZERTIEREN ?

Wär eine schöne Idee für Regietheater-Regisseure:
eine Oper als Opernprobe zu inszenieren.

Die Sänger stehen in zerknautschten Jeans und zerfledderten T-Shirts
auf der Bühne - mit dem Klavierauszug vor der Nase. Sie singen aus ihren Noten
und deuten nur zwischendurch kleine Gesten an.

Hin und wieder springt der Regisseur (schwarzgekleidet) auf und führt bestimmte Personen zueinander.

Bayreuth 2013?

Lieber Gomez,

manche der heutigen Inszenierungen kommen dem doch sehr nahe, bis auf die Klavierauszüge. Mit denen können die meisten Regisseure ohnehin nix anfangen...;)

herzlichst grüßt
der gubuhu
 
Auch ein Pianist hat eine Körpersprache und die sollte mit dem Gehörten übereinstimmen.
Da kommen wohl wieder die von gubu erwähnten Musikertypen ins Spiel. (Und es gibt ja auch bei Schauspielern eine Entsprechung zu den Noten als Gedächtnisstütze während der Aufführung: Das nennt sich dann Souffleur oder Souffleuse - deren Aufgabe zumindest bei Ein-Personen-Stücken durchaus von dezent plaziertem bedrucktem Papier wahrgenommen werden kann.)

Was den im ersten Beitrag zitierten Text betrifft, habe ich doch stark den Eindruck, daß da ein Gegensatz konstruiert wird, der so nicht existiert (oder falls doch, eine weitaus geringere Bedetung hat als behauptet). Genausogut könnte ich die Struktur des Textes hernehmen, ein paar Argumente umdrehen und trefflich gegen Blattspielakrobaten wettern. Letztendlich wird also mittels eines Scheingegners der Unterschied zwischen guter und schlechter Aufführung charakterisiert. (Und durch diesen Umweg eher unzulänglich.)

Einfach skurril fand ich ja das Argument der Repertoirebreite, die angeblich durch das Auswendigspielen kleingehalten wird. Wenn ich voraussetze, daß ein konzertierender Solist die zu Gehör gebrachten Werke nicht nur irgendwie ins Hirn gehämmert, sondern wirklich künstlerisch durchdrungen hat, dann dürfte darin doch der Hauptgrund für eine solche (Selbst-)Beschränkung liegen.
 
Lieber gubu,

wobei natürlich an Musikhochschulen bei Aufnahmeprüfungen, in den entsprechenden Examen und Vorspielen die auswendige Spielweise gefordert ist. Und wenn man das dann jahrelang so gemacht hat oder machen musste, ist man es meistens gewohnt und weiß damit umzugehen. Also habe ich solistisch immer auswendig gespielt (wenn man das Ziel eines Musikstudiums hat, spielt man auch in der Jugend schon immer auswendig) und kammermusikalisch immer nach Noten. Die Situation hat es sozusagen erfordert und Affinitäten hatten da nichts zu suchen. :p

(...)
Liebe Grüße

chiarina

Liebe chiarina,

dass die Praxis so läuft, ist mir doch klar. Aber warum sollen solche "Traditionen" nicht auch aufbrechen und jeder macht es so, wie es ihm am besten liegt?? Niemand müsste "wider die Natur" spielen. Ich erinnere mich da an Haydnspaßens Beiträge, in denen er von seiner großen Abneigung berichtete, für sein Examen auswendig spielen zu müssen...

((Ich selbst fühle mich auf meinem bescheidenen Spielniveau allerdings auch erst "frei", wenn ich keine Noten mehr benötige.... Insofern fehlt mir das Verständnis für die Fraktion der Notenspieler, wenngleich ich ab und zu ein wenig neidisch darauf schaue....:D))

Herzliche Grüße
gubu
 
Aber warum sollen solche "Traditionen" nicht auch aufbrechen und jeder macht es so, wie es ihm am besten liegt??

Klar, kann man. Ich habe ja hier die ganze Zeit auch so geschrieben, oder nicht? An Musikhochschulen wird sich das aber vermutlich nicht ändern. Übrigens müssen dort auch in Reifeprüfungen (Abschlussprüfung Konzertfach) Solokonzerte anderer Instrumentengruppen auswendig gespielt werden. Es geht also nicht nur um die Pianisten. Auch bei Probespielen für Orchester ist das üblich.

Liebe Grüße

chiarina
 
Klar, kann man. Ich habe ja hier die ganze Zeit auch so geschrieben, oder nicht? An Musikhochschulen wird sich das aber vermutlich nicht ändern. Übrigens müssen dort auch in Reifeprüfungen (Abschlussprüfung Konzertfach) Solokonzerte anderer Instrumentengruppen auswendig gespielt werden. Es geht also nicht nur um die Pianisten. Auch bei Probespielen für Orchester ist das üblich.

Liebe Grüße
chiarina

...Ich habe ja auch nicht behauptet, dass Profimusiker das nicht können sollten!
 
Das Thema hier finde ich sehr interessant, warum? Ich hoere immer mehr vor allem von junge Pianisten, die das Auswendigspielen alls absurd und sinnlose Folterung bezeichnen.
Der franzoesiche Pianisten Alexandre Tharaud hatte bei einem Konzert eine Gedaechtnisluecke,
er leidet bis heute darunter und hat sich vorgenommen, nie wieder ohne Noten zu spielen.
So ging es auch einigen erfahrenen Pianisten und ehemaligen Hochschullehrern, diese sind darauf, nie wieder oeffentlich aufgetreten, einer hat nach diesem Erlebniss alle seine Fluegel verkauft, er leidet heute mit 80 Jahren noch unter diesem Schock.
Alexandre Tharaud wurde 2012 mit dem ECHO ausgezeichnet, saemtlich Aufnahmen hatte er ab Blatt gespielt. Link http://www.echoklassik.de/klassik-alexandre-tharaud/

Cordialement
Destenay
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
6. Auswendig konzertieren Interpreten, vor allem Pianisten, besonders gern, wenn sie in einer Saison das gleiche Konzertprogramm viele Male wiederholen. Aber im Ernst: welcher ernsthafte Künstler, ernst genommen werden wollende neuzeitliche Künstler, will das schon?

nu fein... dann werden künftig die Aidas und Rademese, die Tristans und die Isolden mit fetten Notenbüchern über die Bühnen schlurfen... also wenn der große Weller das so sieht und so will, dann muss das bestimmt so sein... ...und bitte: die drei Schwestern vom Cechov und der Faust vom Goethe sollen auch mit Büchern über ide Bühnen, ach was sag ich: sogar den Tatortkommissar will ich mit Drehbuch sehn, sonst taugt er nämlich nüscht, wie ich dem Weller entnehme :D:D:D:D
 
2. Die aktive Gedächtnisleistung beim Reproduzieren kann die Konzentration auf die Gestaltung behindern. Die passive Gedächtnisleistung als bloßes Wieder-Erkennen des früher studierten Notentextes beim Nachlesen läßt hingegen für die Gestaltung genügend Energien frei. Der Künstler kann qualitativ mehr vermitteln.

...soso... ...Herrn Weller zufolge müsste z.B. das Moskauer Konzert von Horowitz qualitativ minderwertiger sein, weil der Horowitz es nicht mit Noten gespielt hat... ...ja genau genommen müssten alle auswendig gespielten Konzerte nicht gut genug sein...
.......eigentlich könnte spätestens jetzt erkannt werden, dass solche Ausführungen ziemlich neben der Mütze sind :D:D:D:D
 
Außerdem kann das "Mit-Noten-Spielen" auch gegen eine qualitativ gute Interpretation wirken, denn:
1. man konzentriert sich dann (vielleicht) mehr auf die Noten selbst, als auf die Interpretation
2. man kann sich auch, wenn man gerade mal kurz auswendig spielt, später im Notenbild verlieren.
In der Zeit in der man die Stelle, die man grad spielt, sucht, spielt man dann höchstwahrscheinlich
viele falsche Noten.

Das gilt natürlich nicht für alle Pianisten...
 
Außerdem kann das "Mit-Noten-Spielen" auch
zu einer bescheuerten Art von Hochleistungssport werden:
man gaffe mal beim spielen im Tempo bei z.B. de Fallas Nächten in spanischen Gärten permanent in die Noten, blättere selber um (hähä, das muss man da sehr oft sehr sehr schnell hintereinander: fies, dass da auch immer die Reduktion des Orchesterparts aufm Notenblatt mit dabei ist) und dann bitte keine rhythmischen Schwankungen und keine Auslassungen :D:D:D:D
 

(hähä, das muss man da sehr oft sehr sehr schnell hintereinander: fies, dass da auch immer die Reduktion des Orchesterparts aufm Notenblatt mit dabei ist)
Vor allem, da die ja vierhändig ist, die Begleitung (hat die Martha übrigens auch mal so aufgeführt; mit Nelson Freire als Solisten und Stefan Askenase und ihr selbst als Begleitung). :D:D:D:D
 
Interessantes Thema ...
Kommt glaub ich v.a. drauf an, was man für ein Typ ist: Ich hab manchmal doch leichte Probleme, wenn ich in die Noten starre und mir denk sch****, die Stelle hat noch nie funktioniert - also schau ich in die Noten und nicht auf die Hände - und bumm :D
Is nich überall so, aber ich mags lieber auswendig - kommt aber wahrscheinlich auch drauf an, wie man selber zum bestimmten Stück steht und vor allem, wie gut man es kann - also eher das inwendige als auswendige Spiel - darauf kommts ja letztendlich an.

Zitat von Gomez de Riquet:
Wär eine schöne Idee für Regietheater-Regisseure:
eine Oper als Opernprobe zu inszenieren.

Die Sänger stehen in zerknautschten Jeans und zerfledderten T-Shirts
auf der Bühne - mit dem Klavierauszug vor der Nase. Sie singen aus ihren Noten
und deuten nur zwischendurch kleine Gesten an.

Wurde mal bei Bellinis Sonnambula an der Met gemacht. Ich fands eigentlich sogar ziemlich gut (liegt aber unter Umständen auch an den Sängern! :D)
http://www.youtube.com/watch?v=4GUQgSRAJQo

Mit besten Grüßen,
Oli
 
Vom grossen 83 Jaehrigen Altmeister Joerg Demus ist es bekannt, dass er sozusagen die ganze Klavierliteratur auswendig spielen kann, mit gewissen Ausnahmen - auch heute noch.
Demus hat gegen 400 CDs aufgenommen, bedenkt man das diese alle ohne Noten aufgenommen wurde, dann kommt man bei einer Spieldauer von ca.50 Minuten auf ca. auf 12 Tage, spielen Tag und Nacht.
Faengt Demus um 18 Uhr am Sonntagabend an, dann ist er am uebernaechsten Freitagabend fertig. Weller wird wahrscheinlich am ersten Sonntag um 19 Uhr das Nachthemd anziehen muessen:D:D:D

Cordialement
Destenay
 
Gestern Abend war ich in Basel an einem Konzert, mit dem Kammerorchester Basel soll das beste Orchester in der Schweiz sein. Zur Auffuehrung u.a. kam das Tripelkonzert C Dur op.56
von Beethoven. Der Pianist war Kristian Bezuidenhout und die Geigerin Isabelle Faust, diese wurde noch am Vorabend bei der Sendung ttt -titel,thesen,themperamente- hoch hervorgehoben, da sie sich von den Starallueren ihren Kollegen abhebt.
Aufgefallen ist mir von neuem, dass der Pianist mit Noten spielte, zudem musste er neben dem blaettern dauernd seine Haare von den Augen entfernen, er hatte wahrhaftig viel Nebenarbeit.
Das Konzert wurde vom Publikum mit grossem Applaus gefeiert, besonders aufgefallen ist mir der italienische Dirigent Giovanni Antoninni bei diesem berfuerchte ich, dass er eines Tages an einem Herzinfarkt erleidet, so ein Temperament!!!
Ich habe bisher einen Pianisten in den vielen Jahren gehoert, der dieses Konzert auswendig spielte

Cordialement
Destenay
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Gestern Abend war ich in Basel an einem Konzert, mit dem Kammerorchester Basel soll das beste Orchester in der Schweiz sein. Zur Auffuehrung u.a. kam das Tripelkonzert C Dur op.56
von Beethoven. Der Pianist war Kristian Bezuidenhout und die Geigerin Isabelle Faust, diese wurde noch am Vorabend bei der Sendung ttt -titel,thesen,themperamente- hoch hervorgehoben, da sie sich von den Starallueren ihren Kollegen abhebt.
Aufgefallen ist mir von neuem, dass der Pianist mit Noten spielte, zudem musste er neben dem blaettern dauernd seine Haare von den Augen entfernen, er hatte wahrhaftig viel Nebenarbeit.
Das Konzert wurde vom Publikum mit grossem Applaus gefeiert, besonders aufgefallen ist mir der italienische Dirigent Giovanni Antoninni bei diesem berfuerchte ich, dass er eines Tages an einem Herzinfarkt erleidet, so ein Temperament!!!
Ich habe bisher einen Pianisten in den vielen Jahren gehoert, der dieses Konzert auswendig spielte

Cordialement
Destenay

Wie schon gesagt, ist dieses Konzert im weitesten Sinne Kammermusik, also spielt zumindest
der Pianist mit Noten...
 

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