Wie geht ein Berufsmusiker mit "ungeliebter" Musik um?

In diesem Zusammenhang gab es (...) Persimfans.

Das Orchester gibt es wohl noch immer. In dem Artikel steht:

"2008 hat sich das Persimfans-Orchester unter dem Pianisten und Klangkünstler Peter Aidu in Russland neu formiert".

Und:
 
Der Dirigent ist Leiter und ich dachte bisher, dass er das Sagen hat und die anderen seiner Kompetenz und Interpretation folgen. Das scheint - wenn ich die Aussage von Dir, @mick, richtig interpretiere, nicht der Fall zu sein.
Doch, das ist natürlich der Fall. Trotz kann und sollte ein Dirigent stellenweise Verantwortung delegieren und sein Orchester nicht ständig gängeln.

Das hier:
Schon zu zweit kann der Diskussionsbedarf groß werden, im Trio, Quartett oder Quintett kann
bezog sich auf Kammermusik.

Ein Orchester ohne Dirigent ist zwar möglich (nicht bei allen Stücken, und in der Oper überhaupt nicht), aber es ist sehr ineffizient. Den erheblich größeren Probenaufwand will kaum jemand bezahlen. Es gibt ein paar Kammerorchester, die so auftreten - aber die reisen meistens herum und spielen monatelang dasselbe Repertoire. Besonders reizvoll finde ich die Vorstellung nicht, in so einer Truppe zu spielen.
 
Interessiert die Frage nur in Bezug auf die hohe Kunst? Denn sie stellt sich ja auch auf den unteren Leveln. Ich habe viele Jahre mit einem C-Kantor verbracht, der regelmäßig Hochzeiten georgelt hat, da wurden eher selten Stücke gewünscht, auf die er sich gefreut hat, die anderen nannte er gut gelaunt Hurenstücke und hat sie gespielt.
 
Ich behaupte mal folgende Theorie: Wer es zur Aufnahmeprüfung für einen künstlerischen Studiengang schafft, hat vorher jede Menge Literatur verschiedenster Epochen kennen gelernt. Mit nur Barock oder nur 19. Jhdt kommt man vermtulich nicht weit. Sicher gibt es Vorlieben, aber das kann man nicht mit einem erwachsenen Schüler vergleichen, der seinem Lehrer sagt er möchte nur XY spielen, weil ihm alles ander nicht gefällt.

Wie jemand mit weniger geliebten Stücken im Rahmen seiner Berufsausübung umgeht, ist nochmal etwas anderes. Das hat Alibiphysiker meiner Meinung nach treffend auf den Punkt gebracht.

Persönlich kann ich sagen, dass es in meinem bisherigen Musikleben immer mal "sperrige" Stücke gab, die ich mir selbst sicher nicht ausgesucht hätte, die ich aber während der Arbeit daran zu schätzen gelernt habe. Irgendwer hat es geschafft, mir das Stück schmackhaft zu machen (Wink zu Tastatula).
 
Ich muss sagen, dass ich mir die Frage nach "ungeliebter Musik" noch nie gestellt habe und dieses auch von Orchestermusikern, von denen ich viele kenne, noch nie gehört habe.

Vielleicht liegt es daran, dass ich immer neugierig bin und es sowieso nur wenige Stücke gibt, die ich nicht leiden kann. Aber auch allen anderen Musikern, die ich kenne, geht es so. Selbst das 1000ste Mal Stamitz oder Hoffmeister zu spielen als Bratschenkorrepetitorin machte mir nichts aus, denn immerhin ist ja der Solist immer ein anderer und somit auch der Blick aufs Stück ein anderer.

Ein professioneller Umgang beinhaltet doch auch, alles, was kommt, willkommen zu heißen und damit zu arbeiten. Andere Fragen sind viel wichtiger: nicht mit jedem spielt man gern zusammen - wenn man äußerst unterschiedliche Vorstellungen von einem Stück hat, wenn man auf unterschiedlichem musikalischen Niveau agiert, kann es schwierig werden.

Auch bei Orchestermusikern liegen die Probleme woanders: es gibt Dirigenten mit schlechter Führung und schlechtem Schlag, so dass das Orchester sich notgedrungen nach dem Konzertmeister richten muss, wenn es zusammen klingen will. Da gibt es lustige Geschichten .... :003: . Es gibt Dirigenten, die kaum musikalisch arbeiten - das Orchester ist glücklich, wenn es einen inspirierenden, interessanten und musikalisch arbeitenden Dirigenten bekommt, der auch noch über eine präzise Schlagtechnik verfügt. Für ein Orchester ist es interessant, ein Stück im Laufe der Zeit mit verschiedenen Dirigenten zu proben und verschiedene Sichtweisen kennen zu lernen. Manchmal können Tuttisten sich auch für bestimmte Konzertprogramme und Proben einschreiben und ihrem persönlichen Geschmack folgen.

Jeder Musiker hat mehr oder weniger viele Muggen, wofür er engagiert wird. Das ist sein Job und er freut sich, ihn zu haben und überhaupt engagiert zu werden. Ob im Chor, Orchester, in der Kammermusik - ich habe im Lauf meines Lebens wirklich noch nie den Ausdruck "ungeliebte Musik", "ich hasse dieses Stück" o.ä. gehört.

Liebe Grüße

chiarina
 
@chiarina, Du hast ein Nietzsche-zitat in Deiner Signatur....spiele mal seine Musik, und Du wirst sie sofort wegschieben.
Damit würdest Du Dich nicht beschäftigen wollen.
Ich kenne es durchaus, dass Profimusiker in A-Orchestern auch gelegentlich die Musik nicht mögen, die sie spielen sollen.
Aber wie Du schon sagtest, kann man sich manchmal passend einteilen lassen.
Einen viel härteren Einfluss auf die Freude am Proben in Orchestern hat aber wohl der/die Dirigent.
 
@chiarina, Du hast ein Nietzsche-zitat in Deiner Signatur....spiele mal seine Musik, und Du wirst sie sofort wegschieben.
Damit würdest Du Dich nicht beschäftigen wollen.
Ich kenne es durchaus, dass Profimusiker in A-Orchestern auch gelegentlich die Musik nicht mögen, die sie spielen sollen.
Aber wie Du schon sagtest, kann man sich manchmal passend einteilen lassen.
Hm, ich kenne ein sehr schönes kleines Klavierstück von Nietzsche, das Gomez de Riquet hier mal gepostet hatte. Mehr kenne ich allerdings nicht von ihm.
Einen viel härteren Einfluss auf die Freude am Proben in Orchestern hat aber wohl der/die Dirigent.
Das stimmt! :002:

Liebe Grüße

chiarina
 
Selbst das 1000ste Mal Stamitz oder Hoffmeister zu spielen als Bratschenkorrepetitorin machte mir nichts aus, denn immerhin ist ja der Solist immer ein anderer und somit auch der Blick aufs Stück ein anderer.
Nach dem 9. Kandidaten beim Bratschen-Probespiel stöhnt der Stimmführer der 2. Geigen: "Meine Güte, ist das öde - Stamitz, Hoffmeister, Stamitz, Hoffmeister, Hoffmeister, Stamitz! Was bin ich froh, dass ich nicht Bratsche spiele!"

Der Solobratscher dreht sich langsam um: "Hm, wieviele Konzerte gibt es denn für 2. Geige?"
 
Nach dem 9. Kandidaten beim Bratschen-Probespiel stöhnt der Stimmführer der 2. Geigen: "Meine Güte, ist das öde - Stamitz, Hoffmeister, Stamitz, Hoffmeister, Hoffmeister, Stamitz! Was bin ich froh, dass ich nicht Bratsche spiele!"

Der Solobratscher dreht sich langsam um: "Hm, wieviele Konzerte gibt es denn für 2. Geige?"
:004: - dabei gibt es bei den Geigen sogar nur ein einziges Konzert in der ersten Runde des Probespiels:

"A-Dur Mozart, Mozart A-Dur, A-Dur Mozart, Mozart - ach, was war es noch ..... " :004:
 
@chiarina, also ich muss ein wenig schmunzeln, wenn Du sagst, dass Du keinen Orchestermusiker kennst der bestimmte Stücke nicht leiden könne. Habe ich doch einen zuhause, der jedesmal, wenn er eine Donizetti-Oper auf dem Dienstplan hatte über diese „Drecksmusik“ schimpfte, das sei „Müll“, schöne Melodien, ja, aber handwerklich „schlecht gemacht“, „der konnte nicht komponieren“, „langweilig“. :musik018:
Und ich selber habe mich an Astor Piazolla gründlich satt gehört, wenn der im Radio läuft schalte ich aus.
 
:004: - dabei gibt es bei den Geigen sogar nur ein einziges Konzert in der ersten Runde des Probespiels:

"A-Dur Mozart, Mozart A-Dur, A-Dur Mozart, Mozart - ach, was war es noch ..... " :004:
Bei den Probespielen, die ich begleitet habe, waren alle drei "großen" Mozart-Konzerte erlaubt. Das G-Dur-Konzert hat kaum jemand gespielt, aber D-Dur und A-Dur waren in etwa gleich verteilt. Unangenehm zu begleiten sind sie alle...
 

Ja, erlaubt waren die drei oder nur D-Dur und A-Dur. Aber gespielt haben bei mir alle immer nur A-Dur. Dabei ist es ganz schön schwer, gerade das vermeintlich leichte G-Dur schön zu spielen. Und ich finde sie auch unangenehm zu begleiten ... .
 
Wenn Leonid Bernstein die ersten Einspielungen von Gustav Mahler Symphonien mit Wiener Philharmonie gemacht hat, da wurde ihm von Orchester entgegengerufen ….. scheiss Musik, die wie da spielen müssen. So viel ich mich auf das Interview mit. L. Bernstein erinnere, musste Leonid viel Überzeugungsarbeit leisten. Gegenüber H. Karajan würden sie sich so was kaum erlauben. Aber die Macht der Wiener Philharmonie war bekannt, sie haben sich auch lange gewehrt, eine Frau ins Orchester aufzunehmen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Manche begegnen Unbekanntem offen und differenziert, manche mit professioneller Distanz,
@alibiphysiker war denn wirklich nach "Unbekanntem" gefragt? Ich denke nicht, dass das die zentrale Frage dieses Fadens ist. Denn zu "Unbekanntem" kann man keine Meinung haben, weder eine positive noch eine negative: man kennt es ja noch gar nicht (sonst wäre es nicht unbekannt);-)

mir noch "unbekanntem" gegenüber bin ich grundsätzlich neugierig, kann sein, dass es
a) gut ist und mir gefällt
b) schlecht ist und mir gefällt
c) gut ist und mir nicht gefällt
d) schlecht ist und mir nicht gefällt
e) egal ob gut oder schlecht mir erst gefällt und später mißfällt
f) wie e) aber umgekehrt
aber a) bis e) weiß ich erst, wenn das anfangs mir "Unbekannte" mir halt doch bekannt geworden ist ;-)

Ich kann bzgl der eigentlichen Frage nur für mich sprechen: es ist ein Unterschied, ob ich etwas spielen soll (Programmvorschläge oder -vorschriften a la dies oder das soll dabei sein) oder ob es in den Unterricht mitgebracht wird. Ich selber gehe den meisten Preludes und Etudes von Rachmaninov inzwischen aus dem Weg (gerade mal 2-3 davon "nutze" ich gelegentlich), für mich sind sie zunehmend öder (war früher mal anders, ist lange her) also spiele ich die überwiegend gar nicht mehr - aber im Unterricht kommt viel Rachmaninov auf den Tisch: da heißt es dann, das Zeug erklären (wie geht diese Stelle, was ist da zu tun usw) und demonstrieren können und beim sich befassen mit dem, was andere machen bzw lernen wollen, wird der "bäh-rruuuussische-Säääle-Krachmaninoff" dann doch wieder interessant - zumindest dafür.

Nicht mögen bedeutet ja nicht, dass man das, was man nicht mag, für schlecht hält.
(ehrlich gesagt, finde ich einen Großteil der Klaviermusik - von Barock bis tief in die Moderne - langweilig, mag selber das meiste nicht: von jedem der Klavierkomponisten mag ich vielleicht eine kleine Handvoll Sachen sehr, das meiste andere ist für mich nebensächlich, egal ob es sich um Chopin, Liszt, Debussy oder andere handelt - - damit das nicht falsch verstanden wird: z.B. die dritte Sonate von Chopin ist ein bewundernswertes Meisterwerk und macht jedem, der sie spielen will, immense Arbeit, ihr Klaviersatz ist über jeden Zweifel erhaben, da stimmt jede Note, aber mir privat gefällt sie nun mal nicht (und wenn jemand damit ankommt, dann mache ich insgeheim für mich ein bäh-Gesicht, zeige es aber nicht))
 
Sorry, soll Leonard heissen (habe die russische Version erwischt :-))
 
An Euch alle schon mal jetzt ein herzliches Dankeschoen fuer Eure Beitraege ... mir erschliesst sich eine neue Welt!
 
Ich mag fast jede Musik, die ich bisher spielen bzw. dirigieren durfte. Eine Ausnahme ist Beethovens Chorfantasie. Die mag ich genau bis zum Choreinsatz, ab dann finde ich sie grauenvoll.

Was soll's. Ich war jung und brauchte das Geld. :lol:
 
Bier trinken.
 

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