Was tun mit nicht übenden und wenig begabten Schülern - außer rausschmeißen??

  • Ersteller des Themas Jeanpaul5
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Schönes Beispiel, nur ein klein wenig satirisch.....


aus: Heinz Strunk, Fleisch ist mein Gemüse. Eine Landjugend mit Musik, Reinbek 2004, S. 90 ff


Willen und Knochen, beides wird gebrochen


Dem Musikhaus Da Capo war eine Musikschule angeschlossen, die von Gurkis Partner Tobias Strick, genannt der schöne Tobias, geleitet wurde. Tobias war tatsächlich der einzige gut aussehende Mann weit und breit. In privaten Musikschulen werden meist Gitarre, Blockflöte und Orgel/Keyboards unterrichtet, aber bei Da Capo hatten sich seit einiger Zeit die Anfragen für Saxophon- und Querflötenunterricht gehäuft. Da Gurki sonst niemanden kannte, der diese königlichen Instrumente beherrschte, kam er schließlich auf mich. Mit einem Tag in der Woche sollte ich beginnen, und zwanzig Mark die Stunde würde es geben. Ich hatte zwar nicht die geringste Lust, willigte aber trotzdem sofort ein. Geld, Geld, Geld! An Mutter zahlte ich keinen Pfennig Miete fürs Zwergenhaus, und die Tiffanys-Gagen hatte ich zur freien Verfügung. Lediglich Auto, Zigaretten und Einbecker Bockbier musste ich selber bezahlen. Und jetzt noch der Unterricht. Ich würde jeden Abend zu Schorsch gehen, Souvlaki satt!


Zu Beginn des neuen Schuljahres fuhr ich also fortan jeden Montag nach Lüneburg, um dort verstockte Jugendliche zu unterrichten, die von ihren besser verdienenden Eltern zum Musikunterricht genötigt wurden. Gerade die Älteren hatten meist genauso wenig Lust auf das öde Getröte wie ich, und so verbrachten wir die Zeit überwiegend mit Sabbelei. Ich hörte mir Geschichten aus dem harten Alltag meiner Schutzbefohlenen an. «Und, was hast du so am Wochenende gemacht? Laberlaberlaber. Ach so.» Bei den Weibern über sechzehn interessierte mich natürlich in erster Linie, ob sich in sexueller Hinsicht schon was tat. Die meisten Gespräche waren todlangweilig, aber immer noch besser, als unwilligen Teenys in der typischen, unnatürlich gekrümmten Haltung auf dem Affeninstrument Saxophon vorzuspielen. Ab und an mussten ein paar Alibi- Übungen gemacht werden, damit die Eltern nicht misstrauisch wurden, meist aber blieben die schwergängigen Instrumente unausgepackt. Das konnte ich aber leider nicht mit allen machen, denn manchen der kleinen Quälgeister war es förmlich auf die niedrige Stirn geschrieben: Meine Eltern bezahlen viel Geld für den Privatunterricht und erwarten dafür eine Leistung. Na wartet, ihr Spatzenhirne, die sollt ihr bekommen! Euch werden die frechen Forderungen schon noch vergehen. Von der Pike auf sollten meine Schutzbefohlenen das Einmaleins der Musik lernen, mit Spaß würde das alles aber wenig zu tun haben! Mir war schließlich auch nichts geschenkt worden. Ich begann die Stunde mit endlosen Einblasstudien. Der Ansatz, so trichterte ich den eingeschüchterten Naseweisen ein, ist bei Saxophon wie Flöte wie bei überhaupt allen Blasinstrumenten die Grundlage für alles. Wer einen schlechten Ansatz und damit Ton hat, wird zum Gespött der Leute und mit Baseballschlägern windelweich geprügelt. Was ist Ansatz überhaupt? Fragezeichen. Jugendliche Fragen, Heinz Strunk erklärt in Kindersprache: das perfekte Zusammenspiel bestimmter Muskelgruppen. Das muss man üben üben üben, wie ja auch Stabhochspringer viele Jahre den immer gleichen Bewegungsablauf trainieren, bis dieser schließlich in Fleisch und Blut übergeht. Natürlich machen diese Übungen nicht gerade viel Spaß, und sie klingen auch ganz schrecklich. Sie sind aber jeden Tag exakt so zu machen, wie ich es anordne. Deine Eltern erwarten Leistung? Bitte schön!


So verging die erste Hälfte der Stunde mit unglaublich eintönigen Einblasstudien. Part eins: lange Töne. Der gesamte Umfang des Instruments musste dabei abgearbeitet und der Ton so lange ausgehalten werden, bis die Birne puterrot war. Dann folgten andere, schrecklich langweilige Etüden, die ich mir meistens einfach so ausdachte:

C, D, C, D, C, D, Ceeeeeee, D, E, D, E, D, E, Deeeeeee, E, F,

E, F, E, F, Eeeeeeeee usw.


Nachdem ich die armen Kinder mit diesem Quatsch malträtiert hatte, verdonnerte ich die uneinsichtigen Streber im zweiten Teil der Unterrichtseinheit zum Bimsen von musikalischem Elementarwissen. Wie heißt die enharmonische Verwechslung von ges? Aus welchen Tönen besteht der a-7+9-Akkord? Wie sind eigentlich die Blue Notes entstanden? Für Zehnjährige schwierige, aber mit ein bisschen gutem Willen lösbare Aufgaben. Dann Tonleiterübungen. Normalerweise fangt man mit C-Dur an, der einfachsten Tonart. Wenn die Töne einigermaßen sitzen, werden kleine Lieder gespielt. So wird die Musikalität entwickelt, und der Schüler hat schnell Erfolgserlebnisse. Dann folgen die komplizierteren Tonleitern, und auch die Stücke werden anspruchsvoller. Selbstverständlich gehören Theorie, Gehörbildung und manchmal etwas triste Übungen dazu, aber auf jeden Fall sollte der Spaß im Vordergrund stehen. Nicht so unter der harten Knute meines musikpädagogischen Konzepts. Denn Spaß kommt erst mit der perfekten Beherrschung von allem. Bevor auch nur ein Stück gespielt wird, braucht man umfassendes Wissen. Willen und Persönlichkeit müssen dazu gebrochen werden, erst, wenn der Schüler am Boden liegt und alle Viere von sich streckt, kann aus ihm etwas Neues geformt werden. In der Fremdenlegion sieht man das ebenso. Zuerst mussten die Gören also sämtliche Tonleitern beherrschen. Warum mit C-Dur, G-Dur und F-Dur beginnen, das ist langweilig und konventionell. Des-Dur, Fis-Dur und as-Moll haben doch auch eine Daseinsberechtigung. Es gibt keine unwichtigen Tonleitern, es gibt nur schlampige Lehrer. Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr! Bei meinen Hochleitungsexerzitien fristeten auch verminderte, übermäßige und alterierte Tonleitern kein Schattendasein. Die Sprache der Musik ist reich, sie besteht nicht nur aus zehn Vokabeln. Die typische Aufgabe für einen Achtjährigen: Quartenübungen in Es-, As-, Des- und Ges- Dur, halb verminderte Akkorde in allen Kreuztonarten und diatonische Dreiklänge, wenn ich gnädig war, erst mal in C-Dur: C-e-g, d-f-a, e-g-h usw. Die Studien müssen sauber beherrscht werden, und wenn es sechs Wochen dauert, nun gut, dann dauert es eben sechs Wochen. Selbst wenn es sechs Jahre bräuchte, wäre das ja wohl nicht meine Schuld!


Bei diesen Anforderungen hatte ich eine hohe Fluktuation, denn das hielt natürlich niemand lange durch. Vielleicht wunderten sich Tobias oder die anderen Lehrer über die seltsamen Geräusche, die aus meinem Raum drangen, aber das ging die schließlich gar nichts an. Moderner zielorientierter Unterricht drang da heraus und kein Larifariquatsch mit Soße. Ich begann zeitweise schon um ein Uhr mittags, und Feierabend war erst abends um acht, Pausen Fehlanzeige. Durchgehend wurde getrötet und gepfiffen, und ich musste mir immer neue Sabbelthemen auf niedrigem Niveau ausdenken. Das war anstrengend. Manchmal wollten die Eltern sogar noch zuhören. Dann überkam mich immer große Lust, die verzogenen Blagen vor ihren Augen auch körperlich zur Räson zu bringen: Was, das soll ges halb vermindert sein?! Klatsch, klatsch. Wenn du vor mir schon keinen Respekt hast, dann wenigstens vor deinen armen Eltern. Los, nochmal! Na ja, ich ließ dann doch meistens Gnade vor Recht ergehen. Wie hatte Mutter das bloß die ganzen Jahre durchgehalten? Kein Wunder, dass sie verrückt geworden war.


Unendlich erleichtert tuckerte ich jeden Montagabend zurück ins Zwergenhaus und genehmigte mir anschließend immer ordentlich einen, denn das hatte ich mir verdient.
 
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aus: Heinz Strunk, Fleisch ist mein Gemüse. Eine Landjugend mit Musik, Reinbek 2004, S. 129 ff



Schutzfohlen


Mein Unterricht bei Da Capo ging den gewohnten Gang: Einblasübungen, Tonleitern und Sabbelei. Die Schüler kamen und gingen. Wenn alle geblieben wären, hätte ich bestimmt schon drei Tage die Woche zu tun gehabt. Nach den Sommerferien bekam ich auf einen Schlag noch einmal vier neue Schüler: zweimal Maike, den kleinen Michael und Frau Kleinschmidt. Die beiden Maikes waren sechzehn und siebzehn und wurden schnell die bevorzugten Objekte meiner erotischen Tagträumereien. Die ältere Maike hatte einen gigantischen Busen. Wirklich groß. Nur für Kenner. Sie schämte sich dafür und versuchte, die mannsgroßen Glocken unter sackartigen Sweatshirts verschwinden zu lassen. In Wahrheit fielen sie so fast noch mehr auf: Die jüngere Maike hatte irgendwie ein ordinäres Gesicht, was mich gleich wieder auf einschlägige Gedanken brachte. So lag zumindest nach meinem Empfinden immer eine Haube erotischer Spannung über der halbstündigen Unterrichtseinheit. Mit beiden Maikes verstand ich mich gut, und wir sabbelten, was das Zeug hielt. Der kleine Michael hatte weder etwas zu reden noch zu lachen. Er war neun und wurde immer von seiner Mutter zum Unterricht gebracht und wieder abgeholt. Sie hatte ihren Sohnemann zur Querflöte verdonnert, und nun kam der verängstigte Wurm jede Woche in den muffigen Lehrpavillon, um Buße zu tun. Er war so in Not, dass er während des Unterrichts dauernd leise vor sich hin pupste. Unablässig entwich dem Zwerg die heiße Luft. Es roch schlecht und war dem armen Michael entsetzlich peinlich, aber er konnte nichts dagegen tun. Die Flöte, ja das ganze Leben war für ihn eine furchtbare Heimsuchung. Um ihn aus seinem Elend zu erlösen, hätte man zuerst einmal seine schreckliche Mutter erschlagen müssen. Einmal war sie mit dem Abholen etwas spät dran, und ich ging mit ihm zusammen schon mal raus, eine rauchen. Da standen wir an diesem herrlichen Sommertag an der Straße, und Michael sagte keinen Pieps. Um die Stimmung etwas zu lockern, machte ich eine Bemerkung über das schöne Wetter. Die Replik des Neunjährigen: «Ja, es weht ein recht schönes, laues Lüftchen.» Herrje!


Er tat mir Leid, aber mein pädagogisches Konzept war mittlerweile schon so eingefahren, dass ich auch bei ihm keine Ausnahme machen konnte.

«So, Michael, von H-Dur die große Septime, wie heißt die denn?»

Langes Grübeln. «E.»

«Das ist weder richtig noch falsch. Denk mal scharf nach. B in einer Kreuztonart? Da stimmt doch irgendwas nicht. Wie muss das heißen?»

Michael schaute mich verzweifelt an.

«Na gut, ausnahmsweise sag ich's dir. Ais, mein Lieber, Ais!! Ais ist die so genannte enharmonische Verwechslung von B, das hatten wir doch schon. So, und nun spielst du mir mal schön den Vierklang H-Dur mit großer Septime, also H-Major, damit sich der Klang auch einprägt.»

Unter leisem Gefurze mühte er sich an der Brechung des Akkords.


Frau Kleinschmidt war ungefähr fünfzig und wollte auch Flöte lernen. Sie war die Inkarnation alles Muttchenhaften, das jemals auf der Welt existiert hat. Sie hatte eine steingraue Betonfrisur, zu der sie stets Bluse, Faltenrock und graue Strumpfhosen trug. Ich musste immer an den Song von Mike Krüger denken: «Sie trägt 'nen Faltenrock, Sie trägt 'nen Faltenrock, Sie trägt 'nen Faltenrock, Leute, ich geh am Stock.» Vielleicht waren ja die Kinder aus dem Haus, und sie wollte was Eigenes machen, wie in dem Jodeldiplom-Sketch von Loriot. Frau Kleinschmidt war wie Michael sehr eingeschüchtert und hatte so wenig Talent, dass ich heimlich anfing, die Unterrichtsstunden mitzuschneiden. Ich dachte, dass man die Aufnahmen vielleicht mal gegen sie verwenden könnte; ein grausiger Beweis dafür, was sich wirklich in den Wänden des kargen Unterrichtsraums abspielte.

«So, Frau Kleinschmidt, jetzt spielen Sie bitte eine ganze Note C, dann eine ganze Note D und dann eine ganze Note E.»

Frau Kleinschmidt spielt eine halbe Note D und eine Viertelnote F.

«Nein, Frau Kleinschmidt, C, D, E. Und alles ganze Noten, das heißt langsam. Einfach stumm bis vier zählen. Sie wissen doch, eine Viertelnote hat einen Schlag, eine halbe Note zwei Schläge und eine ganze Note vier, also bitte probieren Sie es nochmal.»

Frau Kleinschmidt spielt eine halbe Note D, eine halbe Note C und eine Viertelnote D.
 
Kommt ne Fortsetzung? :D

Im Ernst, es erinnert mich auch an meinen Klavierunterricht in der Kindheit. Es war nicht geil, aber aus Respekt vor den Beteiligten will ich mich nicht weiter dazu äußern, nur soviel: Meine Eltern waren weder reich noch wollten sie mich beschäftigen. Ihre Absichten waren wenigstens in Teilen lauter. In meinem Fall war einfach die Musik nicht meine. Heute würde ich beispielsweise Mozart nie wieder anrühren.

Die Rückschlüsse aus dem Folgenden überlass ich euch:
Es gab im Wesentlichen zwei Gründe, weswegen ich (fast) nie geübt hab:

- Schon wieder Mozart?
- Das Klavier war stark verstimmt.
Und so waren die Klavierstunden eine Qual, nicht nur für mich, sicher auch für meine damalige geneigte KL, die sicher ihr Bestes gegeben hatte.

Wenn es einfach nur darum geht, dass dem Kind geholfen werden muss, den "Schweinehund" zu überwinden, "Boh Klavier _üben_?" ihm zu vermitteln: Hock dich einfach mal dran. Das weiße da sind keine Zähne. Denn das ist das Schwerste. Und gelegentlich sollte sich das Klavier jmd anschauen, der mit einem Stimmhammer umzugehen weiß.

Heute übe ich mind 1h/d, meistens länger, wenn dafür Zeit ist. Der Punkt ist, ich spiele, was MIR gefällt. Hanon, Tonleitern und Arpeggien gefallen mir zwar nicht, ich üb' das trotzdem, weil mir das notwendig erscheint. Wäre ich auf die Literatur nicht gestoßen, hätte ich die Klavierklappe nie wieder geöffnet. Und das wäre sehr, sehr schade gewesen. Der Aufhänger war damals "Wait for sleep" von Dream Theater.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Musikanna
Zur Mutter meines Vaters sagten wir "Großmama" das also ist die Großmutter, zur anderen - Mutter meiner Mutter Oma. War verwirrend, ich gebs zu

Das ist in vielen Familien der Fall, schließlich gibt es im Deutschen keine Unterscheidung zwischen den beiden Großmutter-Arten. Die Mutter meines Vaters hieß B...-Omi, die Mutter meiner Mutter Omi. Worüber sich erstere einmal beschwerte, sie wollte auch schlicht und einfach nur "Omi" sein. Aber sie stand uns halt einfach nicht so nah wie die andere Großmutter, mit gutem Grund übrigens.
 
Schönes Beispiel, nur ein klein wenig satirisch.....
@linmus da hab ich auch eins:

SCHULMEISTER sitzt am Tische und schenkt aus einer großen Flasche sich ein Glas nach dem andren ein. Utile cum dulci, Schnaps mit Zucker! – Es wird heute ein saurer Tag, – ich muß den Bauerjungen die erste Deklination beibringen. Ein Bauerjunge und die erste Deklination! Das kommt mir vor als wenn ein Rabe ein rein Hemd anziehen wollte! Er blickt durch das Fenster. Alle Wetter, da kommt der schiefbeinige Tobies mit seinem einfältigen Schlingel! Schwerenot, wo verstecke ich meinen Schnaps? – geschwind, geschwind, ich will ihn in meinen Bauch verbergen! Er säuft die Bouteille mit einer entsetzlichen Schnelligkeit aus. Ah, das war ein Schluck, dessen sich selbst Pestalozzi nicht hätte zu schämen brauchen! Die leere Flasche zum Fenster hinaus!

Tobies und Gottliebchen treten herein.

TOBIES. Wünsche wohl geschlafen zu haben, Herr Schulmeister.

SCHULMEISTER. Danke, Herr Gevatter, danke! – Alles noch wohl in der Familie?

TOBIES. So lala! Meine Frau ist gesund, aber mein bestes Schwein liegt in den letzten Zügen. Es stöhnt und ächzt wie ein alter Mann!

SCHULMEISTER. Bedaure, bedaure, sowohl das Schwein als wie den alten Mann!

TOBIES. Wie stehts denn am politischen Himmel, Herr Schulmeister? Was sagen die neuen Zeitungen? Hat der Grieche gewonnen? Ist der Erbfeind verjagt?

SCHULMEISTER. Die Aspekten sind nicht ungünstig. Der hamburger Unparteiische hat schon wieder 30000 Türken totgeschlagen, und der nürnberger Korrespondent fährt unermüdlich fort die griechischen Jungfrauen der edelsten Geschlechter zu notzüchtigen; auch flüstert man sich aus zuverlässigen Quellen in die Ohren, daß das auseinandergelaufene Heer des Ypsilanti am 25sten künftigen Monats in einer großen Bataille gesiegt hat.

TOBIES Nase und Maul aufsperrend. Am 25sten künftigen –?

SCHULMEISTER. Wundern Sie sich nicht, Herr Tobies! Die Kuriere gehen rasch! Verbesserte Poststraßen, verbesserte Poststraßen!

TOBIES. Jesus Christus! so 'ne Poststraße, worauf der Kurier einen Monat vorausläuft, möchte ich vor meinem Tode wohl 'mal sehen!

SCHULMEISTER. Freilich ist so etwas hier zu Lande rar! Aber, Herr Tobies, Sie werden ja aus eigner Erfahrung bemerkt haben, daß ein gutes Pferd auf einer guten Chaussee den Weg von einer Stunde in einer halben zurücklegt; wenn Sie sich nun das Pferd immer besser und die Chaussee immer vortrefflicher denken, so muß es ja natürlich dahin kommen, daß das Pferd den Weg in einer Viertelstunde, in zehn Minuten, in einer Minute, in nichts, in gar nichts und zuletzt in noch weniger als gar nichts zurücklegt! Begreifen Sie?

TOBIES. Ich begreife, aber verstehen tu ich Sie hol mich der Teufel! doch noch nicht.

SCHULMEISTER. Da Sie mich schon begreifen, so macht es soviel nicht aus, ob Sie mich auch verstehen. Doch, wie Cicero zum Cäsar sagt – Ei, was ziehen Sie da aus der Rocktasche?

TOBIES. Ja, das ist es eigentlich, weswegen ich mit Gottliebchen hier vorgesprochen habe. Meine Frau läßt Ihnen ein Kompliment machen und bittet Sie recht artig, mit dieser Wurst vorlieb zu nehmen.

SCHULMEISTER. Vorlieb zu nehmen!

Er ergreift die Wurst und ißt sie auf.

TOBIES. Sehen Sie, unser Gottliebchen hat die Würmer und deshalb meint seine Mutter, daß aus ihm noch einmal ein Gelehrter würde. – Nicht wahr, Gottliebchen, du willst ein Gelehrter werden?

GOTTLIEBCHEN. Ja, ich habe die Würmer.

SCHULMEISTER. Herr Gevatter, sein Sie überzeugt, daß ich die vielversprechenden Anlagen Ihres hoffnungsvollen Sohnes zu schätzen weiß!

TOBIES. Nun wünschen ich und meine Frau, daß Sie den Jungen ins Haus nehmen und, mit Respekt zu sagen, zum Pastor erziehen möchten. Wir sähen ihn doch gar zu gerne, mit Respekt zu sagen, auf der Kanzel stehen! Zur Erkenntlichkeit wollen wir Ihnen an jedem Sankt Martinstage neun fette Gänse und ein Stückfaß voll Schnaps schicken.

SCHULMEISTER. Wie? ein Stückfaß? und voll bis an den Rand?

TOBIES. Schwappend voll, Herr Schulmeister!

SCHULMEISTER. Jeder Zoll ein Schnaps! Ihr Sohn gehört zu den eminentesten Köpfen! Ich werde ihn nicht nur in die tiefsten Geheimnisse der Dogmatik, der Homiletik und der übrigen Nebenwissenschaften der Theologie einweihen, sondern ihn auch in den plastischen, idyllischen und mephytischen Hauptwissenschaften unserer Landprediger, als wie im Schweineschneidern, Kuhschlachten und Mistaufladen zu unterrichten suchen. – Um Ihnen zu beweisen, wie sehr mir Gottliebchens Wohlfahrt am Herzen liegt, will ich mich noch heute mit ihm auf das Schloß verfügen und ihn der jungen Baronin und ihrem Onkel, welche gestern angekommen sind, als ein großes Genie vorstellen; vielleicht, daß man ihm eine außerordentliche Unterstützung zu seinen Studien gewährt.

TOBIES. Na, das tun Sie, Herr Schulmeister! Aber ich bitte, quälen Sie den Jungen mit dem Lernen nicht zu übermäßig. Ich habe ein paar Ochsen, welche mit dem Kopfe ziehen müssen, und da weiß ich denn, was Kopfarbeit für eine Arbeit ist. Guten Morgen!

Geht ab.

SCHULMEISTER zu Gottliebchen. Nun komm, du Esel, und gib Acht! Ich will dir sagen, wie du es auf dem Schlosse machen mußt, um dich genial zu stellen: du mußt entweder völlig das Maul halten, – dann denken sie, Donnerwetter, der muß viel zu verschweigen haben, denn er sagt kein Wort; – oder du mußt verrücktes Zeug sprechen, – dann denken sie, Donnerwetter, der muß etwas Tiefsinniges gesagt haben, denn wir, die wir sonst alles verstehen, verstehen es nicht; – oder du mußt Spinnen essen und Fliegen einschlingen, – dann denken sie, Donnerwetter, der ist ein großer Mann, (oder wie es bei dir schicklicher heißen würde, ein großer Junge) denn er ekelt sich vor keinen Fliegen und Spinnen. Sag, Rindvieh, was von allem diesen willst du?

GOTTLIEBCHEN. Ich will's Maul halten.

SCHULMEISTER. So halt es, und meinetwegen mit der Hand, denn das sieht noch allegorischer und poetischer aus. Jedoch kann ich dir dessenohngeachtet ein andres notwendiges Requisit nicht erlassen: du mußt bisweilen eine genialische Zerstreutheit zeigen. Dies machst du ohngefähr so, Gottliebchen: du steckst, ehe du aus dem Hause gehst, eine tote Katze in die Uhrtasche; wenn du dann nachher in Gesellschaft eines schönen Fräuleins spazierst und mit ihr in der Abenddämmerung die Sterne betrachtest, so ziehst du auf einmal deine tote Katze heraus und führst sie an die Nase, als wenn du dich hineinschnupfen wolltest; da wird denn das Fräulein leichenblaß aufschreien: »Sackerlot, eine tote Katze!« du aber erwiderst wie zerstreut: »ach Gott, ich meinte, es wäre ein Gestirn!« – So etwas bringt dich in den Ruf der Originalität, du Mißgeburt!

Er gibt ihm eine Ohrfeige.

GOTTLIEBCHEN. Au! au! au!

SCHULMEISTER. Erschrick nicht, mein Söhnchen! Utile cum dulci, ein Ohr, weil es nützlich ist, und eine Feige, weil sie süß ist, also eine Ohrfeige. Es gehört zu den Feinheiten meiner Erziehungsmethode, mußt du wissen, daß ich dem Schüler bei jeder interessanten Lehre eine markdurchdringende Maulschelle erteile, denn späterhin wird er alsdann immer, wenn er sich an die Maulschelle erinnert, sich auch an die Lehre erinnern, welche sie begleitete. – Doch, allons, wir wollen aufs Schloß! Tunke die Feder tief in das Tintenfaß und zieh mir damit einen dicken, schwarzen Strich quer über die Nase durchs Gesicht! Die gnädige Herrschaft soll selbst in meinem Antlitze die Spuren meines Fleißes erblicken!

Gottliebchen zieht ihm einen dicken Tintenstrich durchs Gesicht und sie gehen beide ab.
(Grabbe, Scharz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung)
 
Ich denke, man muss da interessante Spiele machen:

1) Überschutzbrille aus Plastik unten mit schwarzem Isolierband bekleben und damit vom Blatt spielen üben. Dann erkennt der Schüler genau, wann er auf die Hände/Tasten schauen muss.
2) Die Augen komplett abdecken/schließen, also blind spielen.
3) Flohwalzer u.ä. Spielchen, die rasch verblüffende Erfolge bringen
4) Zwei Klaviere gleichzeitg spielen:
View: https://www.youtube.com/watch?v=FJxmq64rLEI

5) Einer singt, der andere spielt (wechseln) <-- möglichst easy setzen
usw.

Bei den Stücken kann man vielleicht Sachen aus der Erlebniswelt (abfragen!) der Schüler nehmen, natürlich möglichst einfach gesetzt, also Musik von Filmen, Games, Serien. etc.
Mit vierseitigen Sonatinen oder der Elise kann man natürlich jeden unlustigen Schüler frustrieren.
Klassik läuft unter Bildung/Kultur, also einfach mal richtig auf Spaß umschalten.

Jeder hat Musik, die ihn wirklich begeistert, z.B. Lord of the Rings (möglichst einfach)
 
Zuletzt bearbeitet:

Ich meine das wirklich ernst. Nehmen wir mal Lord of the Rings. Man muss nur D-Dur (kann man erklären, was Grundton, große Terz und Quinte ist) hoch und runter spielen (RH: d - fis - a - fis - d) und anschließend einen kleinen Übergangston e einbauen (RH: d - e - fis - a - fis - e - d), und schon klingt ein gewaltiges Epos im Raum. Man kann das Ganze dann mit f statt fis spielen lassen, dann ist alles weg. Einfach alles. Nur ein kleiner Halbton, nur der Unterschied zwischen Moll und Dur machen hier Welten aus. Wenn das kein Aha-Erlebnis ist. :idee:

Dann fragt man nach der LH. Ja, was soll sie spielen? Dann lässt man erst mal raten, dann nimmt man nur D dazu, später D - A - D als gemeinsam klingenden Akkord, dann als fließenden Akkord (Arpeggio von arpa = Harfe).

Nun alles im richtigen Rhythmus. Liebt jemand "Lord of the Rings", dann schafft er das und will wissen, wie es weiter geht. Als Nächstes wird es rhythmisch und grifftechnisch schwieriger, der Klang aber wunderschön, und man kann die nächsten Harmonien erklären und dabei experimentieren.

Wenn das nicht fruchtet, sucht man ein anderes Stück, das dem Schüler wirklich zu Herzen geht und dass er spielen will, nicht soll. :konfus:

Warum soll man auf genau diesen Berg steigen, wenn man die Aussicht in dieses Tal gar nicht mag?
 
Naja, Scarlatti hat dann, wie wir ja wissen, in K 89, d-Moll, das LOR-Ding dann etwas verändert, vielleicht gefiel es ihm nicht in Dur, und er änderte noch anderes,

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:super: - das hat er doch gut arrangiert?!

LG, -Rev.-:drink:
 

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