Spielen mit Gefuehl

  • Ersteller des Themas Normalo
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Meiner bisherigen bescheidenen Erfahrung nach kann ich bereits an der musikalischen Ausgestaltung arbeiten, auch wenn die Technik noch nicht perfekt ist. Ihr seht ja im Video, dass meine Terzen noch nicht immer gleichzeitig erklingen oder ich hab und zu Tasten suchen muss. Aber trotzdem hat mein Hirn inzwischen Ressourcen frei fuer den Ausdruck. Es fehlt halt die Idee dafuer.

Inzwischen aber nicht mehr, hab' dieses Stueck endlich umsetzen koennen. Bei vorangegangenen Stuecken jedoch ist es mir nicht gelungen.
 
Ich bin zwar etwas spät daran, aber ich finde dieses Thema wichtig und spannend.
Als erste Reaktion dachte ich an meine Erlebnisse mit Menschen (die es wohl gut meinten), die mir ähnliches nahelegen wollten - ich spiele nicht mit genügend Gefühl - und mir teilweise auch zeigten, wie ich mit mehr Gefühl zu spielen hätte. Jetzt lege ich natürlich Wert darauf, jenen Ratschlägen und aufgesetzten Mustern nicht mehr zu folgen.
Aber: Gefühle, die man selber nicht nötig hat, zu simulieren gehört zu der Kunstform. Es ist nicht richtig, der Musik diese Künstlichkeit ganz absprechen zu wollen. Genauso wenig dem Eiskunstlauf oder der Poesie usw.
Rückblickend würde ich behaupten, dass dies gelernt und geübt wird, als Teil der "Anleitung zum Musizieren". Irgendwann wird man dann entweder sich so an die floskelhaften Mienen gewöhnen, dass sie ganz und gar Teil von einem selbst werden, oder sie hinterfragen und ggf. verleugnen.
Wenn ich einige meiner Aufnahmen aus einem gewissen Zeitraum höre, weiß ich von den Sachen, die ich gemacht habe, weil "die Musikleute genau so etwas unter musikalisch und gefühlsvoll verstehen". (Ich sage nicht aus welchem Zeitraum, denn die Aufnahmen kursieren immer noch im Rundfunk, und das Publikum soll sie ohne Vorurteile hören.) Ich habe es in nicht geringem Maße dem Erfolg, welchen ich mit solchen Aufführungen erlangte, zu verdanken, dass ich mich mittlerweile einer Position erfreuen kann, in der ich keinen derartigen Zwang fühle.
Will man lernen, gefühlsvoll nach der Vorstellung des Klavierlehrers zu spielen, weil dies ihm gefällt? So formuliert klingt es schrecklich, aber mit jener Einstellung, und dem notwendigen Geschick, alles als echt zu "verkaufen", erreicht man Menschen. Reine Authentizität genügt dafür nicht; man muss die Menschen zuerst in der Emotionssprache ansprechen, die sie schon mal gehört haben.
Dieses Bedürfnis mag nicht bestehen; wenn man dem eigenen, von anderen als emotionslos empfundenen Vortrag etwas abgewinnen kann, reicht es doch...
Oder man will versuchen, durch Nachahmung fremder Ausdruckssymptome sich emotionell weiterzuentwickeln. Vielleicht geht das.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich bin zwar etwas spät daran, aber ich finde dieses Thema wichtig und spannend.
Als erste Reaktion dachte ich an meine Erlebnisse mit Menschen (die es wohl gut meinten), die mir ähnliches nahelegen wollten - ich spiele nicht mit genügend Gefühl - und mir teilweise auch zeigten, wie ich mit mehr Gefühl zu spielen hätte. Jetzt lege ich natürlich Wert darauf, jenen Ratschlägen und aufgesetzten Mustern nicht mehr zu folgen.
Aber: Gefühle, die man selber nicht nötig hat, zu simulieren gehört zu der Kunstform. Es ist nicht richtig, der Musik diese Künstlichkeit ganz absprechen zu wollen. Genauso wenig dem Eiskunstlauf oder der Poesie usw.
Rückblickend würde ich behaupten, dass dies gelernt und geübt wird, als Teil der "Anleitung zum Musizieren". Irgendwann wird man dann entweder sich so an die floskelhaften Mienen gewöhnen, dass sie ganz und gar Teil von einem selbst werden, oder sie hinterfragen und ggf. verleugnen.
Wenn ich einige meiner Aufnahmen aus einem gewissen Zeitraum höre, weiß ich von den Sachen, die ich gemacht habe, weil "die Musikleute genau so etwas unter musikalisch und gefühlsvoll verstehen". (Ich sage nicht aus welchem Zeitraum, denn die Aufnahmen kursieren immer noch im Rundfunk, und das Publikum soll sie ohne Vorurteile hören.) Ich habe es in nicht geringem Maße dem Erfolg, welchen ich mit solchen Aufführungen erlangte, zu verdanken, dass ich mich mittlerweile einer Position erfreuen kann, in der ich keinen derartigen Zwang fühle.
Will man lernen, gefühlsvoll nach der Vorstellung des Klavierlehrers zu spielen, weil dies ihm gefällt? So formuliert klingt es schrecklich, aber mit jener Einstellung, und dem notwendigen Geschick, alles als echt zu "verkaufen", erreicht man Menschen. Reine Authentizität genügt dafür nicht; man muss die Menschen zuerst in der Emotionssprache ansprechen, die sie schon mal gehört haben.
Dieses Bedürfnis mag nicht bestehen; wenn man dem eigenen, von anderen als emotionslos empfundenen Vortrag etwas abgewinnen kann, reicht es doch...
Oder man will versuchen, durch Nachahmung fremder Ausdruckssymptome sich emotionell weiterzuentwickeln. Vielleicht geht das.
Lieber kitium,

sehr spannend, was du da erzählst! Allerdings kommen bei mir Fragen auf.
Aber: Gefühle, die man selber nicht nötig hat, zu simulieren gehört zu der Kunstform. Es ist nicht richtig, der Musik diese Künstlichkeit ganz absprechen zu wollen. Genauso wenig dem Eiskunstlauf oder der Poesie usw.
Ich zweifle daran, dass Musik überhaupt etwas Künstliches hat, was Gefühle angeht.

Musik transportiert und erzeugt beim Hören unzweifelhaft Gefühle, oder meinst du nicht? Welche Gefühle, in welchem Ausmaß und Umfang ist individuell sehr verschieden.

Diese Gefühle sind aber doch immer authentisch und nicht künstlich. Sie entstehen beim Hören von Musik, ob als Zuhörer oder Interpret. Auch wenn ich mir Musik nur im Kopf vorstelle, entstehen diese Gefühle.

Vielleicht meinst du, dass ein Interpret beim Spielen eines Agitato-Stücks sich selbst eigentlich nicht agitato fühlt. Vielleicht hat er einen schönen Tag gehabt und fühlt sich persönlich entspannt und glücklich.

Sobald er aber sich innerlich auf das Spielen dieses Stücks vorbereitet und innerlich die entsprechenden Klänge hört, die er bald darauf dann auch am Instrument realisiert, wird er von den vorgestellten oder real klingenden Tönen in einen Bann gezogen. Es ist aus meiner Sicht gar nicht möglich, Gefühl und Klang zu trennen, die Klangvorstellung enthält auch die zugehörigen Gefühle.

Beim Hören ERLEBE ich! Ich erlebe die Strukturen, die Entwicklung, die musikalische Aussage und auch die dazugehörigen Gefühle. Es ist ein sinnliches Erleben, die Klänge werden individuell verarbeitet und erzeugen dabei ebenso individuelle Emotionen. Die Hirnforschung zeigt sehr plastisch, welche Hirnregionen beim Hören von Musik angesprochen werden (limbisches System ...). Ich erkenne da nichts Künstliches.

Schon wenn ich einen sehr lauten und einen sehr leisen Ton nebeneinander höre, erzeugt dies Gefühle. Das Unerwartete, das Überraschende lässt mich staunen und verwirrt mich einen Moment, eine Cantilene rührt mich zu Tränen, eine große langgestreckte Entwicklung lässt mich gebannt zuhören - wann kommt denn endlich der Höhepunkt, wann entlädt sich die Spannung? Eine einfache Dominante-Tonika-Verbindung lässt mich die Auflösung der Spannung in die Entspannung nachempfinden, Dissonanzen führen zu mehr Spannung als Konsonanzen. Um mal ein paar Beispiele zu nennen.

Rückblickend würde ich behaupten, dass dies gelernt und geübt wird, als Teil der "Anleitung zum Musizieren". Irgendwann wird man dann entweder sich so an die floskelhaften Mienen gewöhnen, dass sie ganz und gar Teil von einem selbst werden, oder sie hinterfragen und ggf. verleugnen.
Ich stimme dir aber zu, dass die "Show" offensichtlich ein wichtiger Teil des Verkaufsmanagements ist und nehme an, du meinst vor allem diesen Aspekt (das erinnert mich daran, dass mein Prof. damals unbedingt wollte, dass ich meine langen blonden Haare beim Spielen der Harfenetüde seitlich nach vorn über die Schultern fallen lassen sollte. Es sehe dann wie ein Engel aus. :angst::008:Ich hab's nicht gemacht.).

Insofern bin ich wirklich froh, dass du nun die Freiheit hast, tun und machen zu können, was du willst! :003:
Oder man will versuchen, durch Nachahmung fremder Ausdruckssymptome sich emotionell weiterzuentwickeln. Vielleicht geht das.

Ich glaube das nicht! Ich bin immer noch der Meinung, dass man nur dann klanglich gut spielt, wenn man weiß, was man damit ausdrücken will. Und das weiß man wiederum nur, wenn man unter vielem anderen auch seiner Gefühlswelt und seiner inneren Ausdruckskraft auf die Spur kommt. Dazu verhilft ein guter Lehrer, der dem Schüler bei der Arbeit am Klang zu einer persönlichen musikalischen Aussage verhilft.

Insofern bin ich wirklich froh, dass du nun die Freiheit hast, tun und machen zu können, was du willst! :003:

Will man lernen, gefühlsvoll nach der Vorstellung des Klavierlehrers zu spielen, weil dies ihm gefällt? So formuliert klingt es schrecklich, aber mit jener Einstellung, und dem notwendigen Geschick, alles als echt zu "verkaufen", erreicht man Menschen. Reine Authentizität genügt dafür nicht; man muss die Menschen zuerst in der Emotionssprache ansprechen, die sie schon mal gehört haben.

Ich glaube, dass reine Authenzitität absolut ausreicht, denn jeder Mensch hat schon einmal die grundlegenden Emotionen gefühlt wie Trauer, Angst, Freude, Wut ... . Musik enthält m.E. keine anderen Emotionen als die, die jeder Mensch schon einmal empfunden hat. Deshalb ist Musik ja so universell!

Der Grund, wieso manche Menschen bei manchen Stücken nichts empfinden, liegt meistens in ihnen selbst. Vielleicht haben sie solche Musik noch nie gehört und die Musik ist ihnen fremd. Sehr viel haben solche Dinge mit musikalischer (Vor-)Bildung zu tun. Aber auch mit Geschmack. Wie beim Essen - warum mag der eine das, der andere das ... .

Wenn jemand einen Vortrag als emotionslos empfindet, kann das also eher mit seinem Geschmack, seiner musikalischen Bildung und seiner Persönlichkeit zu tun haben als mit der Qualität des Vortrags des Interpreten.

Einer der grössten Pianisten überhaupt ist (nicht nur) für mich Michelangeli. Rein äußerlich hat der ja nun kaum eine Miene verzogen, auch vor und nach seinem Vortrag nicht. Und doch löst er durch seinen unglaublichen Klangfarbenreichtum, seinen Anschlag, sein Streben nach Perfektion, seinen Klangwillen und musikalische Ausdruckskraft ein wahres Feuerwerk an Gefühlen aus. Ich meine immer noch, dass eine hohe Qualität des Spiels eine entsprechende Resonanz beim Hörer zur Folge hat, wenn auch nicht bei allen.

Liebe Grüße

chiarina
 
Ich glaube das nicht! Ich bin immer noch der Meinung, dass man nur dann klanglich gut spielt, wenn man weiß, was man damit ausdrücken will. Und das weiß man wiederum nur, wenn man unter vielem anderen auch seiner Gefühlswelt und seiner inneren Ausdruckskraft auf die Spur kommt. Dazu verhilft ein guter Lehrer, der dem Schüler bei der Arbeit am Klang zu einer persönlichen musikalischen Aussage verhilft.
Genauso sehe ich das auch.
Vielleicht handelt es sich aber auch nur um verschiedene Auffassungen von Definitionen.
Wenn ich also aufgeräumt und gutgelaunt am Klavier sitze, satt und glücklich, gerade einen positiven Steuerbescheid bekommen habe, dann kann ich trotzdem authentisch
Die Wuth über den verlorenen Groschen spielen.
Ich kann mich gehetzt fühlen, obwohl ich völlig ruhig bin, ich kann würend werden, obwohl meine Seele im siebten Himmel schwebt, weil, ja weil ich grundsätzlich diese Gefühle, die ich im Stück vorfinde, nachvollziehen kann.
Und jetzt kommt die Kunst in´s Spiel.
Um herausragend einen wiederwärtigen niederträchtigen Mörder in einem Theaterstück zu spielen, muss ich niemals selber schon gemordet haben, ich muss noch nicht einmal niederträchtig sein, aber ich muss mir vorstellen können, wie sich das anfühlt, und das ganz und gar.
Genauso ist es in der Musik.
Privat werden dürfen wir nie. Dann schlagen wir unser Instrument.
 
Ich denke, das, was sich beim aktiven Musizieren oder auch beim passiven Konsumieren von Musik in einem musikalischen, empfindungsfähigen Menschen abspielt, ist nicht gleichzusetzen mit den Gefühlen, die man im realen Leben durchläuft. Da Gefühle ja auch mit Ausschüttungen von irgendwelchen Botenstoffen einhergehen, unterliegen diese immer einer gewissen Trägheit, so schnell wie zuweilen in Musikstücken die Gefühlszustände durchwandert werden (gerade in denen, die interessant sind), könnte doch die Chemie da gar nicht rückstandsfrei folgen.
Meinem Empfinden nach sind es eher so Erinnerungen an Gefühle, die man beim Musizieren innerlich abruft, von der Tiefe her dem Original nicht gleichzusetzen.
Dieses Abrufen ist auch nahezu ohne Trägheit oder Hysterese möglich. Wenn man (aus dem realen Leben) einen vielfältigen, ausdifferenzierten Vorrat angesammelt hat, auf den man da erinnernderweise zugreifen kann und das dann auf ein Musikstück abbilden kann. kommt das natürlich der Authentizität der musikalischen Darbietung zugute.
Fremdartigkeit des Musikstückes oder auch des darbietenden Künstlers kann natürlich eine Hürde darstellen, diesen Gefühlsabruf innerlich zu vollziehen. Aber das, was fremd ist, muss es ja nicht bleiben.
Seht diesen Beitrag nicht als fachliche Expertise, eher als gefühlt, mehr soll es nicht sein. Reicht ja manchmal auch:-)
 
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