Rippen Aluminium Flügel

  • Ersteller des Themas reymund
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Ist zwar schon ca. 25 Jahre her, mein erster Eindruck "klingt wie ein Klavier" ist aber noch wie heute in Erinnerung.
 
Ich wollte schon länger mal was über den Aluripp schreiben.....
 
Ich fange mal mit der Kurzversion an:

Er ist sowohl klanglich als auch konstruktiv völlig anders als alle anderen Flügel die man heute so kennt.

Was den Klang anbelangt, so gibt das obere Beispiel schon einen ganz guten Eindruck:

er klingt etwas silbrig, man meint das Aluminium zu hören, was auch definitiv so ist.
Das klingt aber nicht unangenehm sondern eher singend, so wie Aliquot z.B. eher romantisch und bereichert den Klang.
Das Aluminium hat eine deutlich geringere Eigendämpfung als Gußeisen und Holz und das Alugehäuse klingt dann immer etwas mit und nach.
Je nach Musikrichtung kann das sehr ansprechend sein.
Der Effekt ist mit geschlossenem Deckel allerdings weniger ausgeprägt, so daß sich das nach Bedarf auch etwas steuern läßt.

Ein weiterer Faktor: er ist relativ leise, was in einer häuslichen Umgebung nur selten ein Nachteil ist.

Es gab ihn mit Renner- oder Schwander-Mechanik.
Meiner hat Letztere und die spielt sich sehr schön leicht und flüssig, das kann man nicht von jeder Renner aus der Zeit sagen.

Man muß ihn definitiv spielen um herauszufinden ob man ihn mag oder nicht.

Zu den konstruktiven Eigenheiten komme ich noch.
 
die Dinger haben keine gute Stimmhaltung. Ich persönlich rate von Rippen ab.
 
Ich kenne keinen Flügel der eine bessere Stimmhaltung hat.
Den konstruktiven Hintergrund dazu werde ich noch erläutern.
 
Zum Gehäuse:

eigentlich gibt es keines, bis auf die hölzernen Deckel vielleicht.

Im Prinzip stellt die Aluminiumstruktur den Rahmen dar, an den der ebenfalls aus Alu bestehende Mechanikkasten angeschraubt ist, so wie Beine und Lyra aus Alu.
Einen Rim im herkömmlichen Sinne gibt es nicht, genausowenig wie eine Rast.
Daraus ergibt sich diese einmalige schlanke Silhouette und das im Vergleich sehr geringe Gewicht.
Die Beine sind dem Stil der 50er/60er geschuldet und mindern mMn etwas den zeitlosen Eindruck.
Die Verwendung von Holz beschränkt sich auf Tastenklappen und Deckel. Einen aufklappbaren Vorderdeckel gibt es auch nicht, sondern nur eine abnehmbare Abdeckung auf der der filigrane Notenständer befestigt ist.

Das geringe Gewicht, die flache Form und die einfache Demontierbarkeit von Rahmen und Mechanikkasten machen den Flügel zerlegt auch für sehr enge Wege transportabel.

Und weil wir beim Rahmen sind:

es ist ein Geradsaiter, einer der letzten, bevor in neuerer Zeit dieses Prinzip wieder salonfähig wurde.
 
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zur akustischen Anlage:

Geradsaiter bedeutet, daß alle Saiten nahezu parallel sind und die Baßsaiten nicht über den Tenorbereich hinweg kreuzen.
Beide Prinzipien (Gerad- und Kreuzsaiter) haben sowohl klangliche als auch statische Vor- und Nachteile.
Beim gusseiseneren Rahmen lassen sich durch die Kreuzung höhere Saitenspannungen abstützen, die materialgerechte Konstruktion der Alustreben mit großen Raumquerschnitten liessen aber hier den Geradsaiter wohl vorteilhaft erscheinen.

Angeblich ist der Alurahmen aber weniger stabil als ein vergleichbarer GG Rahmen mit Rast und verträgt deshalb nur geringere Saitenspannungen, was dazu beiträgt, daß er leiser ist.

Klanglich bedeutet „Geradsaiter“, daß es wegen des durchgehenden Steges keinen starken Bruch wie beim Kreuzsaiter im Kreuzungsbereich und Übergang Langsteg/Baßsteg mit den dadurch entstehenden Problemen bei Dämpfung und Intonation, gibt.
Der Klang ist hier sehr homogen über den gesamten Bereich, die Töne besser getrennt.
Bei einem 185cm Flügel ist der geringe Nachteil bei der Länge der Baßsaiten von wenigen cm zu vernachlässigen.

Zum „Permatone“ Resonanzboden komme ich noch.
 
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Der Resonanzboden, eines der wenigen Holzteile am Rippen Alu Vleugel, ist auch wieder ganz anders als man es sonst so kennt.

Zunächst mal: er ist aus dreilagigem Sperrholz.
Das ist bekanntlich nicht das Optimale, was den Klang anbelangt (die dem Geradsaiter eigene Trennschärfe geht hier zum Teil wieder verloren) aber es macht ihn klimatisch extrem unempfindlich.
Vielleicht kein dummer Gedanke, wenn man in einem Land lebt, daß unter dem Meeresspiegel liegt.
Zumindest hat er sich wohl auch auf Kreuzfahrtschiffen bewährt.

Der Resonanzboden ist in einen dünnen Holzrahmen gefasst, der quasi das Bodenlager darstellt, aber eigentlich nur eine Randverstärkung ist, durch die er mit dem Rahmen von unten kraftschlüssig verschraubt ist.
Der Resonanzboden ist nicht, wie üblich, gewölbt und in Rim und Rast verspannt. Da er nur kraftschlüssig verschraubt ist, kann er Dehnungen und Schrumpfungen durch veränderte Luftfeuchtigkeit ausgleichen, ohne daß sich die Saitenspannung und damit die Stimmung nennenswert ändern. Er läßt sich auch, nach Entspannen der Saiten, einfach abschrauben und komplett nach unten herausnehmen.

Stärker als die Luftfeuchtigkeit machen sich Temperaturänderungen bei der Stimmung bemerkbar, da die Wärmedehnung vom Alurahmen und den Stahlsaiten unterschiedlich sind.
In einem gleichmäßig temperierten Raum hält der Flügel die Stimmung ungewöhnlich gut und lange.

Auch wenn der Rippen Vleugel nicht der Beste aller Flügel ist, er ist jedenfalls sehr eigenständig und bemerkenswert, sowohl vom Design, der Konstruktion, als auch was den Klang angeht.

In dem Anfangsvideo läßt sich alles hier Beschriebene sehr schön nachvollziehen.
Danke für die Anregung, Reymund.
 
Danke für die Ausführliche Beschreibung, wie sieht es eigentlich mit der Haltbarkeit des Rahmen aus? Manchmal wird Aluminium ja etwas weich mit dem Alter.
Beim Anhören auf YouTube hab ich die Meinung bekommen das sich der Flügel gut für Jazz eignen würde.
wie gesagt ist alles Neugier, und die Bewunderung das sich da mal einer Was Neues ausgedacht hat.
 
Irgendwelche Weichheiten, Risse oder Dauerbrüche in der „Silumin“ getauften Alulegierung kann ich nicht feststellen.
Die Belastungen beim Flügel sind auch eher statisch, der Anteil der Wechselspannungen durch die Saitenschwingungen ist dagegen sehr gering. Zu Materialermüdung führen aber vor allem häufige Wechselbelastungen, die ich hier nicht sehe.
Ein Weichwerden nur aufgrund von Alterung kenne ich aus anderen Bereichen nur von Magnesiumlegierungen.
 
Man hört häufiger, daß der Flügel im Zusammenhang mit Jazz genannt wird, das liegt daran, daß er wohl gerne von holländischen Jazzpianisten genommen wurde, der Klang passt aber auch z.B. bei Bach ganz hervorragend.
 
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Vielen Dank für die ausführlichen Erläuterungen!
Das Aluminium hat eine deutlich geringere Eigendämpfung als Gußeisen und Holz und das Alugehäuse klingt dann immer etwas mit und nach.
Ich glaube mich zu erinnern, daß Steingräber mal sagte, man höre den Alu-Block zu deutlich (Eigenfrequenzen), und deshalb verwendeten sie lieber herkömmliches Gußeisen.
Leider konnte ich noch keinen Aluflügel spielen, oder wenigstens hören. Wenn sich Gelegenheit ergibt, werde ich mir das mal anhören / ausprobieren.
 
Danke @reymund für diesen interessanten Bericht.
Hat Blüthner jemals wieder Flügel dieser Art gebaut?
Ist das Konstruktionsprinzip mit dem von Rippen vergleichbar?
Vielleicht weiß das von den Fachleuten jemand.
 

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