Danke, Mick. Ich kann mir, wie oben geschrieben, auch nicht vorstellen, dass es von J.S. Bach ist. Dein Urteil erscheint mir aber doch etwas zu hart, bzw. die Begründungen überzeugen mich nicht direkt.
Man muss sich m.E. erst einmal fragen: Was ist das für ein Stil? Ganz sicher kein in allen Details durchdachtes Choralvorspiel nach Art der großen Bachschen Orgelchoräle — und auch nicht etwas dergleichen "in klein", etwa im Stil des Orgelbüchleins.
Ich denke stilistisch vielmehr in Richtung von Sammlungen wie die "Choräle welche bey währendem Gottesdienst zum Präambulieren gebraucht werden können" von Johann Christoph Bach (1642-1703; er selbst alles andere als ein "thüringischer Kleinmeister", sondern von JS und auch CPE hochgeschätzt) – also kleinformatige aufgeschriebene Sonntagsimprovisationen. Ähnlich wie auch hier weicht die strenge Kontrapunktik meist schnell einer einfach "gegriffenen" Setzweise und gewisse einfache Improvisationsmuster kehren häufig wieder.
Die merkwürdigen Terzverdoppelungen im dreistimmigen Satz
Wenn Du eine Oktavverdoppelung des Basstons im Sextakkord meinst (wie man in Generalbass- statt Funktionsharmoniksprechweise sagen würde), davor hat man im frühen 18. Jh. nicht zurückgeschreckt (selbst wenn die Verdoppelung im Sopran liegt). Im vierstimmigen Satz ist das bei Sextakkorden doch sehr häufig der Fall (das weißt Du ja sicher); im dreistimmigen Satz ist dieser dann eben unvollständig. Ich weiß nun nicht, ob darüber etwas speziell für den dreistimmigen Satz geschrieben wurde, aber ähnliche dreistimmige Muster kann ich auch bei J.Chr. Bach sehen.
, die unlogische Doppeldominante nach der streng diatonischen Sequenz am Ende des ersten Ritornells
Naja, so ganz elegant finde ich das auch nicht. Es ist eben eine schlichte und schnelle improvisatorische Art, nach D-Dur zu modulieren. J.S. hätte das nicht gemacht, aber der Organist einer kleinen Stadt ist damit zufrieden und die Gemeinde auch ;)
die anschließende Quintparalle (obwohl "rein-vermindert", hier ein furchtbarer Missgriff)
"Rein-vermindert, ungehindert" hieß es doch zur damaligen Zeit, meine ich. Und noch CPE Bach schreibt ohne Einschränkungen (im
Versuch): "Im Heruntergehen (was ja hier der Fall ist) kann in allen Stimmen auf eine reine Quinte eine falsche folgen".
Trotz meiner Einwände: Bitte nicht falsch verstehen. Ich möchte dieses kleine Choralvorspiel nicht als Meisterwerk der Tonkunst darstellen und gegen Deine Kritik verteidigen. Ich meine aber, dass man ihm ein wenig unrecht tut, wenn man außer acht lässt, dass eine aufgeschriebene Improvisation für die gottesdienstliche Praxis anderen Gesetzmäßigkeiten folgt als etwa ein ähnlich kleines Stück aus dem Orgelbüchlein.