Luxemburgensia

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Pierre Schwickerath

Pierre Schwickerath

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28. Okt. 2011
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Luxemburg ist ja nicht gerade wegen seinen Komponisten bekannt. Das liegt nicht unbedingt an den Komponisten selbst, doch eher an der Tatsache, dass man in Luxemburg so „Multi-Kulti“ sein will, dass man sich kaum seiner eigenen Kultur widmet. Dem zum Trotz, möchte ich euch mal kurz eine Komponistin vorstellen.

HELEN BUCHHOLTZ

Helen Buchholtz wurde am 24 November 1877 in Esch/Allzette geboren und wuchs dort in einer wohlhabenden Familie auf. Ihr musikalisches Talent wurde früh entdeckt und von ihren Eltern gefördert. Helen Buchholtz studierte privat Komposition bei Gustav Kahnt, Jean-Pierre Beicht und Fernand Mertens und bildete sich daneben intensiv autodidaktisch weiter. Im April 1914 heiratete sie den deutschen Arzt Dr. Bernhard Geiger (1854-1921) und zog mit ihm nach Wiesbaden. Das neue Umfeld wirkte auf die Musikerin äußerst inspirierend und die Jahre, die sie in Wiesbaden verbrachte, waren für sie eine schöpferisch sehr wichtige Epoche. Nach dem unerwartet frühen Tod ihres Mannes kehrte sie in ihr Heimatland zurück. Sie hinterließ ein Oeuvre von rund 140 Kompositionen. Als sie am 22 Oktober 1953 verschied, wollten die ahnungslosen Erben, das gesamte Notenmaterial vernichten, doch einer der Neffen nahm es in seine Obhut.

1998 wurde der als verschollen geglaubte komplette Nachlass der Komponistin (rund 140 Werke) von Danielle Roster wieder entdeckt und der Öffentlichkeit im Archiv Helen Buchholtz im Cid-femmes zugänglich gemacht. Zurzeit wird das Schaffen der Komponistin in einem gemeinsamen Projekt der Universität Oldenburg und des Cid-femmes erforscht.

Cid-Femmes - Frauen in Politik, Kultur und Gesellschaft
 
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Dank Dir schön für diese spannende Geschichte. Sie erinnert mich ein wenig an eine Literatin aus meiner engeren Nachbarschaft, Marieluise Fleißer, die samt ihrem Werk ein Vierteljahrhundert lang verschollen war. Nach dem Schreibverbot durch die Nazis und der dadurch erzwungenen Rückkehr in das "innerste Bayern" (maliziöse Bemerkung Brechts über ihren Herkunftsort) war sie 25 Jahre lang vergessen und überlebte als Tabakhändlerin in Ingolstadt. Und sie wäre vergessen geblieben, wenn nicht R.W. Fassbinder sie wiederentdeckt hätte. Aber im Gegensatz zu deiner Komponistin konnte sie wenigstens noch 5 Jahre öffentliche Anerkennung genießen.


Wie würdest Du denn das Werk von H.B. charakterisieren, falls das in kurzen Worten möglich ist? Die von Dir zitierte Seite sagt ja leider nur, was sie nicht war ("Wie alle luxemburgischen Komponisten ihrer Zeit blieb auch Helen Buchholtz avantgardistischen musikalischen Strömungen des 20. Jahrhunderts gegenüber verschlossen.")

Schöne Grüße,

Friedrich
 
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Nun, ich hatte in der Tat schon die Gelegenheit, mich in unserer Presse mit Helene Buchholtz Tonsprache zu beschäftigen, dies jedoch in französischer Sprache, will es aber hier mal auf Deutsch versuchen.

Um Missverstände aus zu räumen, muss ich aber ein paar Informationen vorausschicken.

Also Helene Buchholtz wurde am 24 November 1877 im Süden unseres kleinen Ländchens in einer wohlhabenden kleinindustriellen Familie geboren. Die Familie war auch, wie es sich gehört, sehr Musik beflissen. Sie selbst lernte auch sehr jung Klavier spielen. Jedoch, war es zu dem Zeitpunkt nicht üblich, Mädchen in der Musiktheorie auszubilden, und so blieb der Musikunterricht auch streng beim Klavierspiel. Relativ früh, begann sie aber zu „komponieren“, und brachte sich das weitgehend autodidaktisch bei. Später, als Erwachsene, setzte sie aber durch, dass sie nur für ihre Musik leben würde, und wies jeden, der um ihre Hand anhielt zurück bis sie einen Mann kennen lernte der ihrer Musiktätigkeit das „Kinder kriegen“ nicht in den Weg setzte. Sie zog dann mit ihrem Mann, Namens Geiger, nach Wiesbaden wo sie ein intensives Kulturleben genießen konnte. Diese glückliche Zeit wurde aber schnell getrübt, weil der erste Weltkrieg ausbrach. Und nach dem Krieg verschied ihr Mann im Jahre 1921. Daraufhin kam sie nach Luxemburg zurück, hielt sich relativ vom öffentlichen Leben fern und widmete sich ausschließlich der Komposition. Erst spät in ihrem Leben gelang es ihr, Kompositionsunterricht bei verschiedenen luxemburgischen Persönlichkeiten zu nehmen. So weit in ganz groben Zügen über ihr Musikstudium. Ich muss aber noch bemerken, dass dieses Bild in den nächsten Jahren verändern kann, weil wir in Luxemburg erst seit 1999 beginnen uns mit diesem Kulturerbe zu beschäftigen, und dass die Musikwissenschaftlerin Frau Danielle Roster zurzeit die große Buchholtz Spezialistin ist.

Doch nun zur eigentlichen Frage: Wie würde ich ihr Werk charakterisieren?

Ganz pauschal, und dies ohne jeglichen Argwohn, möchte ich sagen, dass ihr Werk, gegenüber dem offiziellen Musikkalender ein halbes Jahrhundert Verspätung aufweist. Sie ist stets der Tonalität des 19ten Jahrhunderts treu geblieben. Ihre Harmonien tragen ganz deutlich romantische Züge. Sie wirft die Welt mit Nichten aus der Bahn. Ihre Formensprache ist aber noch archaischer: sie frönt der Sonate und gar der barocken Tanz Suite. Aber auch hier bleibt sie stets ganz persönlich, wenn nicht gar wiedersprüchig. Sie füllt nämlich die alten Formen ganz und gar mit ihrer eigenen Persönlichkeit. Wer hier „neo barocke Kunst“ erwartet oder gar sieht, hat nichts von ihr verstanden. Die Form wird wahrlich zur Fassade hinter welcher ein ganz anderes Universum lebt.

Mit der Distanz der drei Konzerte im Cube 521 in Marnach, (November 2009, 2010, 2011) kann ich erkennen, dass Helen Buchholtz doch einen großen Wandel in ihrer Sprache vollzogen hat. Das exakte datieren wird sicherlich noch Jahre in Anspruch nehmen, weil unsere Komponistin kein einziges Werk mit einem Datum versehen hat, aber ihre Sprache lässt uns nun erkennen dass wir schon Werke der großen Reife von Frühwerken unterscheiden können. (Aber dazu kann ich mich nicht zu viel äußern, und muss doch den Abschluss von Frau Rosters Arbeiten abwarten.)

Ich möchte aber noch darauf verweisen, dass der Luxemburger Marco Kraus eine CD mit Klavierwerken bei der Firma CPO herausgegeben hat. (Helen Buchholtz (1873-1953): Klavierwerke (CD) – jpc)

Meiner Meinung nach, gehören aber die dort eingespielten Werken der Früh-bis Mittlerer Reife an, und die Spätwerke standen wirklich nur auf dem Programm des Konzertes vom 19.11.11 in Marnach. (_| C U B E 5 2 1 - Centre Culturel à Marnach: Startseite)

Zurzeit wird an einer Monumental-Edition von Helen Buchholtz gearbeitet.

Soweit zu Helen Buchholtz.

Beste Grüße
PiRath
 
Liebe Freunde,

Nun habe ich die große Ehre und Freude, ab dem 02.04 in der National Bibliothek von Luxemburg unser musikalisches Erbe zu betreuen. Meine neue Aufgabe, – die voraussichtlich drei Jahre dauern wird - wird darin bestehen, verschiedene Editionen vorzubereiten und dem Publikum wie dem Musiker zugänglich zu machen.

Nebst größeren Chor und Orchester Werken, - prioritär stehen eine Passion und eine weltliche Kantate auf dem Plan, - könnte es noch zur Publikation von luxemburgischen Klavierwerken kommen. Ich werde versuchen, in (un)regelmäßigen Zeitabschnitten, über den Fortgang der Arbeiten zu berichten und euch unsere Musik „schmackhaft“ zu machen…
 
Liebe Freunde,

Nun habe ich die große Ehre und Freude, ab dem 02.04 in der National Bibliothek von Luxemburg unser musikalisches Erbe zu betreuen.

Lieber Pierre,

ich wünsche Dir viel Erfolg und Freude bei Deiner neuen Tätigkeit! Schreib doch mal als Parergon einen Buchholtz-Artikel für die MGG; wenn ich recht sehe, gibt es auch im neuesten Namensverzeichnis den Namen B. nicht.

Grüße,

Friedrich
 
2 Laurent Menager Messen in Kassel gesungen

Anlässlich des Jubiläumskonzertes des Merseburger Verlages, wird der luxemburgische Chor « Les Amis du Chant » unter der Leitung von Fränz Theis zwei Messen von Laurent Menager (1835-1902) am kommenden 22 September in der Evangelischen Kirche Kassel-Rothenditmold singen.

Die Musiker-Musikologen Alain Nitschké und Damien Sagrillo von der Uni. Luxemburg, sind in einem mehrjährigen Projekt damit beschäftigt, das Gesamtwerk dieses Komponisten zu veröffentlichen. Die Seltenheit einer Menager Aufführung jenseits der Grenzen unseres kleinen Landes bewegt mich dies mitzuteilen.

Beste Grüsse
PiRath
 

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