Lev Natochenny klagt gegen Pensionierung

Jedes Ding hat zwei Seiten:

Hier wird so getan, als werde Herrn Natochenny Berufsverbot erteilt. Es ist ihm freigestellt zu unterrichten, umsonst oder gegen Honorar, Meisterkurse und Workshops zu geben, in Wettbewerbsjurys mitzuwirken. Er ist pensionsberechtigt und hat sein Aus-(Ein-)kommen.

Herrn Natochennys Wunsch ist verständlich und sein pädagogischen Eros ist zu loben. Aber indem er, jenseits der Pensionsgrenze, auf seiner Stelle beharrt (Besitzstandswahrung), blockiert er diese Stelle für jüngere Kollegen - in einer Zeit, in der feste Stellen für Pianisten eh' Mangelware sind.
 
Ja, dieser Hochschulleitung strahlt die Weisheit aus dem Gesicht!
Man kann nur den Kopf schütteln...


Zunächst einmal obliegt die Entscheidung nicht dem Hochschulpräsidenten, sondern dem Landeskultusministerium. Zum anderen bedarf die Aufhebung der Regelpensionsgrenze einer Begründung, und dafür reicht schiere Genialität nicht aus, denn Anspruch auf die werden die prospektiven NachfogerInnen ja auch erheben, denn schließlich handelt es sich ja um KünstlerInnen ;). Im Hochschulalltag ist übrigens nicht selten das Umgekehrte üblich: die Hochschulleitung bitte um Verlängerung der aktiven Dienstzeit um ein Jahr, weil Übergänge oft nicht so glatt gehen wie wünschbar; der Dienstherr kann sie im Bedarfsfalle sogar anordnen. Das Entscheidende aber ist: seine Schüler betreuen kann der Kläger solange er will. Auch wenn es formal schon lange keine "Emeriti" mehr gibt, wird pensionierten Hochschullehrern regelmäßig das Recht eingeräumt (zumindest in Bayern, es sollte mich wundern, wenn es in Hessen anders wäre), nach Belieben weiterzulehren und auf Antrag (wenn man so blöd ist) auch zu prüfen. Das kann der Hochschulpräsident im übrigen gegen den Willen einer Fakultät niemals unterbinden, die zudem in Zeiten der Stellenkürzung und Mittelknappheit geradezu angewiesen ist auf den nützlichen Idioten, der für Gotteslohn weiterlehrt (statt des Doktoranden, der noch keine rechte Peilung hat und zudem Geld kostet, das nicht da ist).

Also könnte es hier um ganz andere Dinge gehen, die sich mit dem Wort "Machtverlust" zusammenfassen lassen: keine Assistenten mehr, die Zuträgerarbeiten leisten, keine Mitgliedschaft in der Fakultät mehr und damit kein Einfluß auf Berufungs- und Forschungspolitik und die Anschaffungspolitik der Bibliothek. Keine Sekretärin mehr und kein Büro (begründete Ausnahmen gibt es), und, tja, ach - niemand mehr, der so recht vor einem zittern muß. Nun, letzteres sei dem Kläger nicht unterstellt. Daß aber hier das Hauptmotiv für den Wunsch auf Weiterbeschäftigung liegt, ist leider nicht extrem selten. Worüber man hier den Kopf schütteln muß, bleibt also zunächst einmal offen.
 
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