Lehrerwechsel wg. versch. Ansichten?

C

Chrissi

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20. Feb. 2009
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Ich neige dazu beim Klavierspielen nicht so ruhig dazusitzen wie meine Lehrerin das gerne hätte. Sie meint nur die Finger sollen spielen. Ich meine, wenn dadurch keine unpassenden Akzente oder ähnliches entstehen und es dann besser klingt spricht nichts dagegen sich beim Spielen zu bewegen.

Was meint Ihr dazu? Ist bei so verschiedenen Ansätzen ein Kompromiss möglich? Liege ich vielleicht falsch und beim Geigen sind Ausdrucksbewegungen in Ordnung, beim Klavier aber nicht?

Ich sehe im Moment nur zwei Möglichkeiten. Entweder ich bewege mich nicht und bekomme dann vorgeworfen Schreibmaschine zu spielen, oder ich suche mir einen anderen Lehrer.

Ist es vielleict wirklich falsch Ausdrucksbewegungen zu machen? Dann würde ein Wechsel das Problem ja nur verschieben und eigentlich bin ich sonst mit dem Unterricht sehr zufrieden.
 
Leider habe ich ein ziemlich genaues Bild der musikalischen Gestaltung und versuche wirklich alles zu machen dass es so klingt. Ich glaube, dass mich das Denken an das ruhige Sitzen hindert meine innere Vorstellung zu realisieren. Sobald ich an das musikalische Element denke bewege ich mich automatisch, ich denke dann nicht mehr daran was ich wie zu machen habe.

Vielleicht sind es auch wirklich verschiedene Schulen Klavier zu spielen. Dann wäre die Ansicht meiner Lehrerin mit meiner unvereinbar.

Hallo Chrissi,

dann noch ein Aspekt:

Bewegung im Oberkörper erzeugt im Arm Zug, Schub und ändert die Winkel der Hand und der Finger. Das sind eigentlich Techniken, die man bewusst einsetzt, jedenfalls wenn's schwierig wird. Wer sehr viel übt, kann die technisch notwendigen Bewegungen mit den Ausdrucksbewegungen harmonisieren aber der Aufwand ist halt höher.

Für mich ändert sich das Spielgefühl schon spürbar, wenn ich das Handgelenk nur einen halben Zentimeter anhebe. Wenn ich an meiner technischen Grenze übe, kann ich mir also Bewegung kaum noch leisten.

Möge es helfen - viel Glück

LA
 
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Ich habe gerade heute einen sehr interessanten Artikel in der Tageszeitung gelesen, da ging es auch um Stillsitzten und Konzentration.

In der Studie wurde festgestellt, das "Zappelphillipe" eine bessere Konzentration hatten. Man hat 2 Testgruppen gebildet. Die einen saßen auf einem Stuhl mit beweglicher Sitzfläche, die anderen mussten ganz ruhig sitzen.

Dann hat man Untersuchungen gemacht und festgestellt, dass die mit der beweglichen Sitzfläche eine bessere Haltung hatten, die inneren Organe waren besser durchblutet und der Sauerstoffgehalt des Blutes war höher, dem Zufolge war die Konzentration höher.

Die Stillsitzer bekamen irgendwann einen runden Rücken, also die Körperspannung ließ nach, aussen wie innerlich. Die Durchblutung wurde langsamer, der Sauerstoffgehalt im Blut nahm ab, ebenso die Konzentration.

Also, Zappelphillipe halten durch ihre Bewegung alles auf Trapp und sind besser Konzentriert.

Ich werde mal schauen, ob ich die Zeitung noch habe und den Bericht mal einscannen.
 
Nochmal vielen Dank an alle!!!

Das Problem hat sich erledigt.:) Entweder sie hat mitgelesen, oder wir haben doch einen Kompromiss gefunden. Im Moment sind wir beide wieder ziemlich zufrieden mit den Klavierstunden.:):):)
 
Update:

Jetzt, über zwei Jahre später hat sich herausgestellt, dass meine Zweifel doch der Anfang vom Ende waren. Schade.
Es sind scheinbar doch zwei vollkommen verschiedene Arten Klavier zu spielen.
Jetzt habe ich einen neuen KL und er bemängelt genau diese fehlenden Ausgleichsbewegungen. Wenn er sie mir dann zeigt, indem er meine/n Hand/Arm führt, dann erinnert sich mein motorisches Gedächtnis und die Bewegung ist wieder da. Er benennt das Ganze sogar und sagt es wären zwei verschiedene Schulen und ich müsse jetzt erst einmal meine Technik komplett umstellen und zusehen, dass ich wieder mit der alten Technik spiele, die ja zum Glück vorhanden ist.
Scheinbar ist der allererste Unterricht doch sehr prägend...
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Jetzt, über zwei Jahre später hat sich herausgestellt, dass meine Zweifel doch der Anfang vom Ende waren. Schade.
Es sind scheinbar doch zwei vollkommen verschiedene Arten Klavier zu spielen.
Jetzt habe ich einen neuen KL und er bemängelt genau diese fehlenden Ausgleichsbewegungen. Wenn er sie mir dann zeigt, indem er meine/n Hand/Arm führt, dann erinnert sich mein motorisches Gedächtnis und die Bewegung ist wieder da. Er benennt das Ganze sogar und sagt es wären zwei verschiedene Schulen und ich müsse jetzt erst einmal meine Technik komplett umstellen und zusehen, dass ich wieder mit der alten Technik spiele, die ja zum Glück vorhanden ist.
Scheinbar ist der allererste Unterricht doch sehr prägend...


Liebe Chrissi,

ich habe mir gerade mal den Faden durchgelesen. Mir ist eins nicht klar. Geht es hier darum, ob man beim Spielen Bewegungen mit dem Oberkörper macht oder ob man beim Spielen die Ressourcen und Möglichkeiten des ganzen Körpers einsetzt?

Das sind ja zwei ganz verschiedene Dinge!

Das zweite ist absolut notwenig! Man spielt nie nur mit den Finger, man nutzt alle Hebel, Arm, Schulter, Rücken, bis zu den Fußspitzen zur Klanggestaltung!

Beim ersten muss man differenzieren. Ich bin eher für ruhiges Sitzen, dass niemals starr und steif sein darf. Als Vergleich nehme ich gern das Bild eines Baumes, der tief verwurzelt ist = Füße, dessen Rumpf stabil, aber flexibel ist (sonst würde ein Baum bei einem Sturm oder heftigem Wind brechen) = Oberkörper und dessen Äste ganz frei und beweglich sind = Arme.

Wenn man sich zu viel bewegt, drückt man oft das, was in der Musik steckt, mit dem Oberkörper aus und baut Blockaden auf. Lieber sollte die Musik/die Klangvorstellung ungehindert in die Fingerspitzen strömen und sich auf die Taste und das Instrument übertragen. Z.B. werden Vorhalte manchmal gern mit dem Oberkörper ausgedrückt und wenn man sich mal zuhört, kriegt man einen Schock, weil man nicht das spielt, was man innerlich hört.

Um Ruhe in den Oberkörper zu bekommen (bitte nicht verwechseln mit Starrheit und Steifheit!!!!), kann man einfach mal die Augen schließen. Dabei kann man sich gut zuhören, der Sehsinn ist ausgeschaltet und man verlagert die taktile Empfindung vom Oberkörper in die Fingerkuppen. Und die Bewegungen, die man in den Oberkörper fälschlicherweise verlagert hat, kommt da an, wo man sie braucht (z.B. in den Armen....).

Liebe Grüße

chiarina
 
@chiarina
nein, übermäßige rotierende Oberkörperbewegungen ö.ä. mache ich nicht.
Einer der Hauptkritikpunkte waren Bewegungen des Handgelenks, es sollte immer gerade sein, und Bewegungen des Ellenbogens bei ff Akkorden. Den Oberkörper sollte ich auch nicht bewegen...
Im Nachhinein denke ich, dass sie bis vor zwei Jahren den Fokus auf andere Dinge gelegt hatte und dann, nach einem Meisterkurs, dachte es wäre an der Zeit, dass man auch sieht dass ich ihr Schüler bin. Bis zu dem Kurs war sie vollauf damit beschäftigt meine Stücke mit mir so zu polieren, dass es nicht peinlich wird.

Vermutlich sind es wirklich zwei verschiedene Schulen, da meine alte KL selber sehr gut gespielt hat und ich anfangs extrem schnell und viel bei ihr gelernt habe. Nur die Bewegungen waren ein ständiger Zankapfel.

Warum ich das hier schreibe?
Ich möchte anderen zwei Jahre Zeitverschwendung ersparen.
Heute würde ich beim kleinsten Zweifel max. einen Monat abwarten, schauen was ich ändern kann, und dann wenn nötig sofort wechseln. Vor allem würde ich extrem hellhörig werden, wenn erst etwas ständig bemängelt wird, und dann ganz plötzlich unter den Tisch fällt.
 
Er benennt das Ganze sogar und sagt es wären zwei verschiedene Schulen und ich müsse jetzt erst einmal meine Technik komplett umstellen und zusehen, dass ich wieder mit der alten Technik spiele, die ja zum Glück vorhanden ist.


Liebe Chrissi,

danke - es geht also doch um meinen zweiten Punkt.

Was mich wirklich stört, ist der uralte Begriff "zwei verschiedene Schulen", von dem ich hoffte, dass er mittlerweile aus dem klavierdidaktischen Sprachgebrauch verschwunden ist.

Dein Lehrer meint vermutlich die damals so genannte "Fingertechnik" und "Gewichtstechnik". Czerny, Leschetitzky ......auf der einen, Deppe, Breithaupt, Caland...... auf der anderen Seite.

Heute wird im optimalen Fall beides so miteinander verbunden, dass man die höchstmögliche Variabilität an Klanggestaltung besitzt bzw. eben eine differenzierte Klangvorstellung ideal umsetzen kann (Technik).

Ob Bewegungen richtig sind, erkennt man an einem ganz einfachen Fakt:

der Klang muss sich sofort verbessern!

Dieser Erfolg führt zur Einsicht und zur Verbesserung der eigenen Bewegungsabläufe. Bewegungsabläufe in abstrakter Form (Verbote wie "du darfst dies und das nicht bewegen" ....*grusel*) ohne diesen Zusammenhang sind absolut überflüssig und schädlich.


Liebe Grüße

chiarina
 
...Denn oft ist dieser Satz/diese Einstellung ein Indiz dafür, dass der Lehrer nicht so recht weiß, was du schon alles kannst und wo er eigentlich mit dir weitermachen sollte; dass er deinen jetzigen Zustand am Klavier nicht analysieren/einordnen kann.
Krasses Beispiel aus dem Streicherunterricht: erstmal ein halbes Jahr leere Saiten streichen lassen (das hab ich nicht erfunden und das passiert auch Leuten, die schon viele Jahre Unterricht hinter sich haben).
Ich denke, ein guter Lehrer kann das, was du dir bisher erarbeitet hast, verwerten. Damit meine ich, einbeziehen und korrigieren. Aber nicht alles auf den Müll werfen und auf null runterfahren...
OT: Das mit dem leere Saiten Streichen habe ich auch mitgemacht und ich bin meinem Prof. heute noch dankbar dafür. Es bringt unglaublich viel für den Klang und die Bogentechnik. Mir ist das Ganze in der Frühförderung passiert. Ich habe Paganini Capricen gespielt und musste paralell dazu täglich ein bis zwei Stunden leere Saiten streichen...

Radikal ist mein neuer KL nur was die Technik angeht. Bei den Stücken wiederholen wir zur Zeit den 1.Satz der Pathetique. Von auf "Null runterfahren" kann also nicht die Rede sein. Alle zwei Wochen etwa eine neue Seite. In den Stunden zeigt er mir dann ganz genau wie es mit seiner Technik zu spielen und zu üben ist. Bis jetzt bin ich ganz zufrieden. Der Klang isgesamt ist deutlich voller und die einzelnen Stimmen differenzierter geworden. Sogar meine absolute Gruselstelle wird spielbar. Was mich allerdings auch überzeugt, ist die Tatsache, dass alles plötzlich viel einfacher wirkt. Vorher hatte ich das Gefühle echt am absoluten Limit in jeder Richtung zu spielen. Jetzt muss ich mich nicht mehr so anstrrengen und kann mich vor allem auf die musikalische Gestaltung konzentrieren.
 
...Was mich wirklich stört, ist der uralte Begriff "zwei verschiedene Schulen", von dem ich hoffte, dass er mittlerweile aus dem klavierdidaktischen Sprachgebrauch verschwunden ist.
(...)Ob Bewegungen richtig sind, erkennt man an einem ganz einfachen Fakt:
der Klang muss sich sofort verbessern!
Dieser Erfolg führt zur Einsicht und zur Verbesserung der eigenen Bewegungsabläufe. Bewegungsabläufe in abstrakter Form (Verbote wie "du darfst dies und das nicht bewegen" ....*grusel*) ohne diesen Zusammenhang sind absolut überflüssig und schädlich.
Aber sind es nicht wirklich zwei total verschiedene Arten zu spielen?
Ich spiele bei meinem neuen KL das gleiche Stück und verwende ganz andere Bewegungsabläufe. Es ist schon ein großer Unterschied, der sich vor allem in den Ausgleichsbewegungen bemerkbar macht. Meine alte KL war für minimalste Bewegungen, jetzt gilt, jede Bewegung die für den Klang, die Ausführung oder auch Entspannung zuträglich ist, ist erwünscht.
Bei mir ist der Klang mit Ausgleichsbewegungen deutlich besser. Wie es für den Zuhörer aussieht weiß ich noch nicht. Eine Aufnahme zu Übzwecken werde ich erst nach einer Eingewöhnungszeit machen.
 
Boah ey! Daß immer noch dieser Müll mit den "minimalsten Bewegungen" oder dem "geraden Handgelenk" usw. rumgeistert! Furchtbar!

Liegt zum einen natürlich daran, daß nach wie vor viele Lehrer von Physiologie keine Ahnung haben.

Zum anderen aber auch daran, daß zu viele Schüler, auch fortgeschrittene, einfach unhinterfragt das machen, was der Lehrer macht! So nach dem Motto: "Jetzt bin ich bei Lehrer XY, also muß ich mir auch komplett die XY-Methode reinziehen". Leute, als Schüler muß man a) auch den Lehrer genau ausfragen, warum man dies und das machen soll, bis man es wirklich verstanden hat, und b) muß man selber experimentieren und spüren lernen, was gut funktioniert und was nicht!

Ich habe noch keinen Schüler jemals von einem anderen Lehrer übernommen, der mir erklären (oder gar schlüssig erklären) konnte, warum er bestimmte Bewegungsstereotype, die ihm sein Lehrer beigebracht hatte, machte. Es hieß immer nur, daß man es halt so gelernt habe. Bestenfalls, daß zu viel Bewegung doch Energieverschwendung sei...

Überall wird von Demokratie, Selbstverantwortung, Erziehung zum selbständigen Denken etc. geredet, aber im Instrumentalunterricht gilt offenbar allzu oft immer noch das Führerprinzip. Folgen bis zum Endsieg... oder bis zur Kapitulation...

So, und nun zum Thema "Wieviel Bewegungen sind zweckmäßig?"

Wenn man mal ein paar Minütchen drüber nachdenkt (ich weiß, dazu hat heutzutage keiner Zeit mehr, weil man ja schrecklich wichtige Dinge zu tun hat...), dann ist doch klar:

1) Eine Bewegung muß zum angestrebten Klang passen. Will ich also z.B. einen weichen, wellenförmigen Verlauf in der Musik haben, so werde ich natürlich nicht "gerade" und unbeweglich dasitzen, nicht die Arme unbewegt hängen lassen, nicht das Handgelenk "gerade" lassen, nicht die Finger in einer konstant hakenförmigen Stellung lassen und nicht mit ihnen "hämmerchenartig" "anschlagen", sondern die Tasten mit "Touch" anfassen. Ist doch vollkommen logisch, oder?

2) Jede Bewegung oder auch nur Muskelanspannung (!), die "zusätzlich" ist, also nicht der Erzeugung des gewünschten Klanges zugute kommt, ist überflüssig und daher unterlassenswert. Man sollte aber sie nicht mit Gewalt unterdrücken (!!), da das zu antagonistischer Muskeltätigkeit führt, sondern sie durch Selbstbeobachtung langsam zum Abklingen bringen.

3) Alle Gelenke des Körpers müssen stets bewegungsbereit und frei sein beim Spielen; ist das bei einem Gelenk nicht der Fall, so ist klar, daß da dann die umgebenden Muskeln unnötigerweise zu stark angespannt sind und daher eine Blockade entsteht. Und solch eine Blockade ist aus anatomisch-physiologischen Gründen niemals "lokal begrenzt", sondern hat zwangsläufig Auswirkungen auf den ganzen Körper und auch die (wichtig!) Atmung.

4) Bewegungen sollten niemals stereotyp sein, sondern immer aus der momentanen Klangerzeugung und der damit verbundenen Emotion heraus improvisiert. Mißachtet man dies, erhält man unweigerlich auch stereotypen, monotonen, unemotionalen Klang.

5) "Gerade" ist immer falsch, weil es "gerade" im menschlichen Bewegungsapparat nicht gibt! Es gibt ausschließlich kurvenförmige Bewegungsabläufe.

LG,
Hasenbein
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

Aber sind es nicht wirklich zwei total verschiedene Arten zu spielen?


Liebe Chrissi,

im Moment sieht das für dich so aus, das ist sehr verständlich. Vermutlich spieltst du auch gerade ein Stück (Romantik?), bei dem gerade die bisher "verbotenen" Bewegungen zu einem viel schöneren Klang führen.

Die Klaviertechnik hat sich ja abhängig von der zunehmend komplexeren Klangwelt der Klavierwerke der verschiedenen Epochen entwickelt (was auch mit dem Fortschritt im Klavierbau zusammenhängt - sehr grob Spinett/Cembalo, Clavichord, Hammerflügel, Flügel). Spielte man zu Beginn der Barockzeit noch ohne Daumen, war also ein Daumenuntersatz überflüssig. Auf einem Clavichord ist der Anschlag völlig anders als auf einem heutigen Flügel, also ist auch eine andere Technik erforderlich. Um die feinen Artikulationen der Barockzeit, um Girlanden und perlenden Läufe von Haydn- und Mozartsonaten schön zum Klingen zu bringen, brauchte man eine gute Fingertechnik. Die Gewichtstechnik kam auf, als in der Romantik die Sätze immer komplexer und anspruchsvoller wurden, die Dynamik und Klangfarbengestaltung, die auf einem Flügel auch entsprechend realisiert werden konnten, immer differenzierter wurde. Einen ff-Akkord von Brahms kann man nicht nur aus den Fingern spielen.

Der Nachteil war, dass es teils erbitterte Kämpfe zwischen den Lagern der ehemals so hochgeschätzten Fingertechnik und der "neuen" Gewichtstechnik gab. Mit der Gewichtstechnik kann man zwar alles spielen, auch schnelle Passagen, aber perlende, klare, brillante Läufe bekommt man nur damit nicht hin. Sie klingen ohne aktive Finger eher unklar und verwaschen.

Spielt man z.B. Chopin oder Liszt, braucht man unbedingt beides, dort wimmelt es von glitzernden Verzierungen, Läufen etc. einerseits und sehr melodischen Verläufen mit verschiedenen Klangschichten andererseits.

Das alles ist nur fürchterlich grob beschrieben, aber ich hoffe, es ist dir nun ein bisschen klarer geworden. Du hast den Vorteil, dass du beides schon kennengelernt hast und so kannst du mit deinem neuen Lehrer wunderbar drauf aufbauen!

Viel Spaß dabei und liebe Grüße

chiarina
 
Es gibt kein Schisma "Gewichtstechnik" - "Fingertechnik".

Der Begriff "Fingertechnik" kam deswegen auf, weil Lehrer feststellten, daß bei einigen Schülern die Finger nicht beweglich und aktiv genug waren, um bestimmte klangliche Anforderungen (z.B. die von Chiarina genannten perlenden, klaren Läufe, "non legato"...) hinzubekommen. Die guten Spieler in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts haben instinktiv genug die Finger bewegt und wären daher, wären sie unter sich gewesen und hätte es nicht sich ungeschickt / verkrampft bewegende nicht so gute Spieler gegeben, nie auf die Idee eines Begriffs "Fingertechnik" gekommen.

Der Begriff "Gewichtstechnik" kam dann später auf, weil Lehrer feststellten, daß bei vielen Schülern, die sich in einer methodischen, "gewollten" und nicht gesamtkörperlich-klanglich integrierten Weise um aktive Finger bemühten, ein "Halten" des Arms stattfand, was zu einer zu "festen" und klanglich zu dünnen, zu wenig fließenden, zu wenig differenzierten Spielweise führte.

Beides ist also nur deswegen aufgekommen, weil das große Ganze nicht gesehen wurde und man die Antithese des Beobachteten quasi für das Allheilmittel hielt.

Es ist methodisch total falsch, z.B. zu lehren, daß man die Finger pauschal erstmal immer ordentllich heben soll, "um eine gute Fingertechnik zu bekommen". Genau so was geschieht aber auch noch heute allzu oft. Richtig ist, den Klangwillen im Schüler für Klänge zu wecken, die stärker bewegte Finger unbedingt erfordern, so daß das Mehr-Bewegen organische Konsequenz ist.

Also bitte derartigen Unsinn einfach mal begraben, auf dem Friedhof gleich neben "Münze auf dem Handrücken darf nicht runterfallen" und ähnlichen Schätzchen...

LG,
Hasenbein
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Es gibt kein Schisma "Gewichtstechnik" - "Fingertechnik".


Lieber hasenbein,

sag ich ja! :D Gab's aber mal!


Der Begriff "Gewichtstechnik" kam dann später auf, weil Lehrer feststellten, daß bei vielen Schülern, die sich in einer methodischen, "gewollten" und nicht gesamtkörperlich-klanglich integrierten Weise um aktive Finger bemühten, ein "Halten" des Arms stattfand, was zu einer zu "festen" und klanglich zu dünnen, zu wenig fließenden, zu wenig differenzierten Spielweise führte.


Ich meine, dass, wie gesagt, der ursprüngliche Grund in einem erheblich veränderten Klangbewusstsein liegt, das wiederum aus den vielfältigen neuen klanglichen Möglichkeiten der Flügel/Klaviere resultierte sowie aus den immer anspruchsvolleren pianistischen Werken der Komponisten.

Liebe Grüße

chiarina
 
Ich meine, dass, wie gesagt, der ursprüngliche Grund in einem erheblich veränderten Klangbewusstsein liegt, das wiederum aus den vielfältigen neuen klanglichen Möglichkeiten der Flügel/Klaviere resultierte sowie aus den immer anspruchsvolleren pianistischen Werken der Komponisten.

Zwar hatte es in der Tat mit dem veränderten Klangbewußtsein und den neuen Möglichkeiten zu tun, klar.

Aber der Grund, warum überhaupt so was wie "Gewichtstechnik" als Begriff und "Methode" eingeführt wurde (auch vorher wurde schon immer wieder mit Gewicht / Schwerkraft gearbeitet, das war nur oft nicht bewußt), ist ganz klar, daß es vorher eine "Fingertechnik" gab. Diese bewirkte, daß nicht mehr der Klang oder der Klangwille, also die spontanen Erfordernisse, zur Entstehung einer "Spieltechnik" führten, sondern von außen aufgedrückte mechanistische Konzepte. Dies war den Verfechtern der Gewichtstechnik jedoch nicht klar, sondern man dachte, man müsse "verkehrte" mechanistische Konzepte durch "bessere" mechanistische Konzepte ersetzen.

Ohne diesen historischen Ablauf, bei dem eine Mechanisierung der Klavierpädagogik eintrat, wäre es überhaupt nicht zur "Schulenbildung" gekommen, sondern die Körper der Musiker hätten sich ganz natürlich den Erfordernissen der neuen Instrumente angepaßt, und die Pädagogen hätten einfach beobachtet, was zweckmäßig und was unzweckmäßig zur Erzeugung bestimmter Klangwirkungen sein kann. (Das können ja manchmal auch mehrere Möglichkeiten sein.)

LG,
Hasenbein
 
Daß immer noch dieser Müll mit den "minimalsten Bewegungen" oder dem "geraden Handgelenk" usw. rumgeistert!

Jede Bewegung oder auch nur Muskelanspannung (!), die "zusätzlich" ist, also nicht der Erzeugung des gewünschten Klanges zugute kommt, ist überflüssig und daher unterlassenswert.


:D:D

sachma: sind die "minimalsten Bewegungen" nicht dasselbe wie die von überflüssigem entschlackten? :D:D wie kann erst böse sein, was dann gut ist?...


...gleichgültig welche doktrinär vorgetragene "Schule" gerade Mode war, ist zu allen Zeiten technisch verdammt gut gespielt worden - seit über 100 Jahren haben wir sogar Ton und Filmaufnahmen davon. Schaut man sich dergleichen an, und zwar bei besonders heiklen Stellen, stellt man fest: kein unnötiges Gehampel, kein starres Gedresche usw., sondern elastische Ökonomie der Bewegungen. Und Halleluja es gab auch stets unabhängig von doktrinären "Schulen" vernünftige Publikationen oder Äußerungen zur Klaviertechnik: Liszt, Goldenweiser, Feinberg u.v.a.

bewegliche Finger wird man schon brauchen, wenn man allerlei rasches Laufwerk spielt, und wenn man bei Akkordballereien nicht ermüden will, wird n lockeres Handgelenk und stets frei beweglicher Arm hilfreich sein.

nochwas zum Handgelenk: verbiegt man es nach links oder rechts, isses bei niemandem mehr sonderlich beweglich - tjap, lässt man es hängen, dann isses ja auch nicht krumm oder schief nach links oder rechts, oder?
 
Rolf, da Du offenbar in Deinem Leben sehr guten Klavierunterricht genossen hast und selber stets zweckmäßig gespielt hast, kannst Du Dir, glaube ich, so ein paar Sachen, die im "Wald- und Wiesen- Klavierunterricht" so rumgeistern, nicht so richtig vorstellen. Außerdem frönst Du offenbar mal wieder Deiner Lust an der lustigen Wortklauberei.

Die Anweisung, man solle seine Bewegungen auf ein Minimum reduzieren, ist eben gerade NICHT dasselbe wie Entschlackung von überflüssigen Bewegungen! Nämlich deswegen, weil a) diese Anweisung potentiell sehr leicht zu viel Spannung im Schüler erzeugt (durch antagonistische Muskeltätigkeit wird Bewegung aktiv verhindert; sehr deutlich zu sehen an Schülern, die eingetrichtert bekommen haben, sie sollen nur "aus den Fingern" spielen und den Arm ganz ruhig lassen) und b) zweckmäßige Bewegungen auch mal ziemlich groß sein können.

Das Mißverständnis hier ist aber, glaube ich, Folgendes:

Du, Rolf, meinst mit "minimalsten Bewegungen" vermutlich, daß man gerade so viel bewegt, daß es für das Angestrebte zweckmäßig ist und nicht mehr. (Eine derartige Bewegungsweise erscheint auch mir und sicherlich den meisten KL erstrebenswert.)

Wir hier aber sprechen davon, daß Klavierlehrer Bewegungsmöglichkeiten untersagen aus einem eigenartigen Ideal des "regungslosen Pianisten" heraus, so wie es Chrissi offenbar mit ihrem ersten Lehrer ergangen ist.

Laß uns also nicht aufgrund unterschiedlicher Begriffsauffassungen unnötigerweise ein Faß aufmachen - vermutlich sind wir prinzipiell weitgehend einer Meinung.

Im übrigen muß man manchmal auch Schüler übergroße Bewegungen machen lassen: Dann nämlich, wenn der Schüler (z.B. wenn er von einem anderen Lehrer kommt, bei dem er sich eine zu unbewegliche Spielweise angewöhnt hat) überhaupt erstmal Bewegungsgmöglichkeiten, die er bislang nicht zuläßt, kennenlernen und spüren soll. Beispiel: Einer spielt immer mit hakenartigen Fingern, d.h. die beiden letzten Fingergelenke werden meist starr gehalten (oft hat so jemand "Hämmerchentechnik" beigebracht bekommen). Dann macht man vielleicht Übungen, bei denen man diese Gelenke überstark in Bewegung versetzt, wie es beim normalen Spiel natürlich nicht zweckmäßig wäre, damit er überhaupt diese Bewegungsmöglichkeiten deutlich in seinem Nervensystem abspeichern kann. (Eine mögliche Übung wäre z.B., Tonfolgen zu spielen, indem man die nächste Taste immer mit flachem Finger anfaßt und dann beim Drücken der Taste den Finger "aufrollt".)

LG,
Hasenbein
 
Wirklich tolle Beiträge zu Bewegungstechnik beim Klavierspiel, danke allerseits...!

Zitat von rolf:

interessant wäre es, ob es eine einfache Methode geben könnte, wie man automatisch zu diesen Bewegungen findet (die z.T. ja individuell unterschiedlich sein können).

Der Körper (alternativ: das Bewußtsein, das Hirn) optimiert selbständig oft wiederholte Bewegungsabläufe (gutes Beispiel: schreiben lernen... wir alle kritzeln nicht mehr in Erstklässler-Manier mit verkrampfter Hand, hochgezogenen Schultern und angestrengt die Lippen leckend krakelige Buchstaben auf das Papier.)

Eine Voraussetzung gibt es dazu allerdings: man muß dem Körper die Chance und die Gelegenheit dazu geben. Wie? Indem man ihn mit der richtigen Geschwindigkeit diese Bewegungen üben läßt. Es ist eher eine niedrige als eine hohe Geschwindigkeit.

Ich weiß, wie ich Handgelenk oder Finger bei manchen Stellen der Pathétique bedienen soll oder muß - wenn man seinen ganzen Spielapparat z.B. mittels Metronom angemessen lange vor eine konstante und leicht fordernde Aufgabe stellt, werden alle falschen Bewegungsmuster, Verkrampfungen, Haltefehler etc. aus der Spielbewegung ganz von selbst herausgezogen
(und man ist bereit für die nächste Geschwindigkeitsstufe)

Der Körper versucht, die "Bewegungsaufgabe" zu bewältigen, und findet durch Variationen immer klein wenig bessere Methoden, das zu tun, und merkt sich diese. Auch Verkrampfungen wird er z.B. selbständig irgendwann zu lösen beginnen...

Weil bei dieser ganzen Sache eine konstante Übe-Geschwindigkeit eine so wichtige Voraussetzung ist, bin ich so begeistert von dem Metronom (zumindest seitdem ich diese Vorgehensweise herausgefunden habe)

Viele Grüße
Dreiklang
 
Da hat sich ja eine ganze Menge Interessantes und Wissenswertes angesammelt. Vielen Dank!
...Das Mißverständnis hier ist aber, glaube ich, Folgendes:
Du, Rolf, meinst mit "minimalsten Bewegungen" vermutlich, daß man gerade so viel bewegt, daß es für das Angestrebte zweckmäßig ist und nicht mehr. (Eine derartige Bewegungsweise erscheint auch mir und sicherlich den meisten KL erstrebenswert.)
Wir hier aber sprechen davon, daß Klavierlehrer Bewegungsmöglichkeiten untersagen aus einem eigenartigen Ideal des "regungslosen Pianisten" heraus, so wie es Chrissi offenbar mit ihrem ersten Lehrer ergangen ist....
Das trifft es auf den Punkt.
Was mich an der ganzen Geschichte am meisten ärgert ist, dass ich ja schon vor über einem Jahr Zweifel hatte und dann trotzdem so lange geblieben bin und immer die Schuld an meinem zu geringen Üben gesucht habe. So etwas wird mir sicher nicht noch einmal passieren.
Eine Voraussetzung gibt es dazu allerdings: man muß dem Körper die Chance und die Gelegenheit dazu geben. Wie? Indem man ihn mit der richtigen Geschwindigkeit diese Bewegungen üben läßt. Es ist eher eine niedrige als eine hohe Geschwindigkeit.

Ich weiß, wie ich Handgelenk oder Finger bei manchen Stellen der Pathétique bedienen soll oder muß - wenn man seinen ganzen Spielapparat z.B. mittels Metronom angemessen lange vor eine konstante und leicht fordernde Aufgabe stellt, werden alle falschen Bewegungsmuster, Verkrampfungen, Haltefehler etc. aus der Spielbewegung ganz von selbst herausgezogen
(und man ist bereit für die nächste Geschwindigkeitsstufe)
Der Körper versucht, die "Bewegungsaufgabe" zu bewältigen, und findet durch Variationen immer klein wenig bessere Methoden, das zu tun, und merkt sich diese. Auch Verkrampfungen wird er z.B. selbständig irgendwann zu lösen beginnen...
Ersterem kann ich zustimmen, Letzterem nicht.
Gerade bei so schnellen und für mich schweren Stellen, wie in der Pathetique hilft es mir ungemein gleich im Zieltempo mit der richtigen Bewegung, die eine andere als im langsamen Tempo ist, zu üben und einfach die Bewegungen zu verdoppeln oder bei Bedarf auch zu vervierfachen. Mein Körper ist zB. durchaus in der Lage auch verkrampft extrem schnell zu spielen... Immerhin habe ich es geschafft mit hochgezogenen Schultern UND geradem Handgelenk die Wut über den verlorenen Groschen im Originaltempo zu spielen... Das Schlimme dabei ist, dass man irgendwann eine Grenze erreicht, an der es dann gar nicht mehr vowärtsgeht. (Wie es bei mir dann letztendlich war) Da ist es dann doch besser das Ganze gleich richtig anzugehen. So spart man sich viel Frust, Zeit und auch Geld.
 
Ersterem kann ich zustimmen, Letzterem nicht.
Gerade bei so schnellen und für mich schweren Stellen, wie in der Pathetique hilft es mir ungemein gleich im Zieltempo mit der richtigen Bewegung, die eine andere als im langsamen Tempo ist, zu üben und einfach die Bewegungen zu verdoppeln oder bei Bedarf auch zu vervierfachen. Mein Körper ist zB. durchaus in der Lage auch verkrampft extrem schnell zu spielen...

Hallo Chrissi,

auch das ist wohl möglich, und ich glaube Dir das gerne. Ich persönlich bin allerdings (so wie Du offenbar auch), bei dieser Methode an Sauberkeits- bzw. Geschwindigkeitsbarrieren gestoßen.
Welche Methoden es alle geben mag, die beim "motorischen Lernen" individuell erfolgreich sein können, vermag ich nicht zu sagen. Das von mir hervorgehobene, dazu wollte ich sagen, daß "schnell" und "langsam" für verschiedene Menschen äußerst relative Begriffe sind. Nur durch Metronomzahlen kann man da Ordnung und eine gleiche Verständigungsbasis reinbringen. In meiner unreifen geistigen Vorstellung geistert "prestissimo" immer noch als eine Geschwindigkeit herum, die noch nie ein Pianist erreicht hat. Aber egal -

Zum Arbeiten mit dem Metronom kann ich nur sagen, daß mir das in 99,8% der Fälle zu dem entscheidenden, schnellen Erfolg und Weiterkommen verhilft und inzwischen die zentrale Basis meiner Arbeit am Instrument geworden ist.
Wenn sich eine schwere Stelle nicht in schneller Zeit entscheidend verbessert (schnelle Zeit ist natürlich wieder ein relativer Begriff: vielleicht 20 Durchläufe in 4 Geschwindigkeitsstufen, 3 Minuten?) dann bin ich ja schon richtig konsterniert :cool:
Wenn ich so nicht weiterkomme, ist vielleicht ein Wurm anderer Art drin, den ich noch nicht erkannt habe (kann von Disziplinlosigkeit bis hin zu Überforderung des optischen Memorierungssystems reichen).

Man kann auch nicht nur Passagen, sondern einzelne Takte versuchen, in Zieltempo tonweise aufzubauen (d.h. ein paar Töne oft wiederholen, und ab und zu einen zusätzlichen Ton dazunehmen. Das verhindert genau diese "Überforderung des optischen Memorierungssystems" - wenn man sein Hirn/Bewußtsein/Körper dahingehend überfordert, kann sich nämlich nicht das notwendige "innere Bild" aufbauen).

Da ist es dann doch besser das Ganze gleich richtig anzugehen. So spart man sich viel Frust, Zeit und auch Geld.

Wenn Du weißt, wie dieses "richtig gehen" aussieht, dann scheue Dich nicht, das im Form kundzutun :D:D:D
Für mich es ist es, generalisiert gesagt, die Arbeit mit dem Metronom.

Schönen Gruß,
Dreiklang
 
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