Kurzzeitgedächniss des Gehörs

Hallo Chris,
Das echoische Gedächtnis wird (wie das ikonische) so untersucht, dass man den Probanden für ganz kurze Zeit mit vielen Informationen füttert, die er aufgrund der Menge nicht reproduzieren kann. Wenn man ihn aber nach der Gabe von sensorischen Informationen spezifische Teilbereiche des sensorischen Inputs abfragt, weiß er gerade solange darauf eine Antwort zu geben, solange die Informationen in seinem ikonischen/echoischen Gedächtnis gespeichert sind.

Und nach einer bestimmten Zeit (beim ikonischen Gedächtnis eine halbe Sekunde) weiß man eben auch bei Teilbereichen keine sichere Antwort zu geben, weil die Informationen aus dem Gedächtnisspeicher gelöscht sind und man nicht mehr darauf zugreifen kann.

Es handelt sich dabei um ein sensorisches Gedächtnis, das Erinnern an Sinneseindrücke für sehr kurze Dauer - was man allerdings alles unter sensorischer Information versteht, das kann ich dir nicht sagen.

Es ist auf jeden Fall so, dass die sensorischen Informationen aus den Experimenten nicht memoriert werden sollten, bzw. es auch nicht möglich ist, diese zu memorieren. Man wollte sichergehen, dass die Informationen lediglich als Sinneseindrücke zur Verfügung stehen. Man zeigte bei einem Experiment zum ikonischen Gedächtnis etwa Zahlenreihen für die Dauer einer zwanzigstel Sekunde und fragte dann nach einer bestimmten Zahlenreihe. Die Unmöglichkeit, alle Zahlen aufgrund ihrer Menge zu memorieren änderte nichts an der Tatsache, dass bestimmte Zahlreihen perfekt wiedergegeben werden konnten - eben weil alle Zahlenreihen als sensorische Informationen konserviert waren.

Dann ist das aber kein spezifisch akustisches Phänomen ... (?)

Und nach einer bestimmten Zeit (beim ikonischen Gedächtnis eine halbe Sekunde) weiß man eben auch bei Teilbereichen keine sichere Antwort zu geben
Wie fragt man so etwas ab? Die sehr knapp bemessene Zeit dürfte ja im allgemeinen bereits verstrichen sein, bis der Proband überhaupt eine Antwort zu geben vermag.

Viele Grüße,
Nuri
 
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Dann ist das aber kein spezifisch akustisches Phänomen ... (?)
Nein, soweit ich es verstanden habe, ist es das in der Tat nicht - vielmehr ist es ein allgemeines sensorisches, für - vermutlich - alle Sinne gültiges Phänomen, worauf der direkte Verweis vom echoischen zum ikonographischen Gedächtnis hindeutet.

Ich schreibe bewusst "vermutlich", denn die Erforschung dieses Phänomens in Bezug auf alle Sinne dürfte sehr schwer werden. Passend dazu ist die berechtigte Frage von Nuri, wie man das ikonographische Gedächtnis abfragen kann (Eine Antwort fände ich auch interessant, falls die jemand kennt).
Viel schwieriger, wenn nicht gar absolut unrealisierbar werden Experimente, wenn man z.B. das Vorhandensein eines äquivalenten olfaktorischen oder gustatorischen Gedächtnisses erforschen wollte.
Beim Hören und Sehen, kann ich den Sinneseindruck in Sekundenbruchteilen unterbinden, indem ich z.B. das Bild entferne oder die Augen schließe oder das Licht lösche, bzw. beim Gehör einfach den Ton/Geräusch/Klang/... abbreche, was i.d.R. sofortige Stille zur Folge hat.
Beim Geruch oder Geschmack geht das nicht so leicht... Gut, die Nase kann man sich vielleicht noch ganz schnell zuhalten, aber spätestens das schlagartige Unterbrechen eines Geschmacks auf der Zunge binnen zu erforschenden Sekundenbruchteilen ist einfach ein Ding der Unmöglichkeit. Die geschmacksauslösenden Moleküle sind nun einmal direkt auf der Zunge und gehen da nicht so ganz schlagartig weg... und bei wissenschaftlich reproduzierbaren Experimenten mit definiertem Nachspülen mit Wasser im Mund binnen Sekundenbruchteilen würde ich mich selbst wohl ungern bereit erklären... ;-)

Soweit so gut: Festhalten lässt sich wohl nur, dass es dieses sehr kurzzeitige Sinnesgedächtnis bei verschiedenen Sinnen gibt und vor allem, dass es mit dem "herkömmlichen" Tongedächtnis, welches z.B. Melodiediktate oder das Wiedererkennen von Freundesstimmen ermöglicht, nichts zu tun hat.

Ich vermute darüber hinaus aber auch, dass die Fragestellung zu Beginn des Threads weder mit dem einen noch dem anderen Gedächtnis direkt in Verbindung steht, sondern dass die dort zugrunde liegende "Erinnerung" tatsächlich keine wirkliche Erinnerung ist, sondern eine Erfahrung... so wie rolf es beschreibt. Wenn man über die Jahre weiß, wie eine Tonika etc. klingt, dann hört man sie auch - auch dann, wenn sie nicht als Akkord sondern in aufeinanderfolgenden Einzeltönen auftritt.
 
Hmm, müsste dann aber nicht der Doppelpunkt ebenso nicht funktionieren wie das große D?

das hat mich ja auch gewundert: ich hab´s mehrmals zu korrigieren versucht - hat aber nicht funktionieren wollen... sonderbar, zumal ja auch im Zitat plötzlich alles klein geschrieben war, auch die Grinseköppe funktionierten nicht... ... ... molto misterioso...
 
Wenn man über die Jahre weiß, wie eine Tonika etc. klingt, dann hört man sie auch - auch dann, wenn sie nicht als Akkord sondern in aufeinanderfolgenden Einzeltönen auftritt.
zumindest rudimentär ist die Harmonik im tonalen Material implizit (bezogen auf musikalisch eher unbeleckte), da braucht´s nicht viel Erfahrung - und selbst wenn man kein Instrument spielt und keine Noten lesen kann, dann hört man trotzdem, ob die Nationalhymne bei der Fußball-WM richtig oder falsch gesungen wird und man erkennt auch irgendwelche Hits wieder
 
Ich glaube eine gewisse Erfahrung ist nötig. Aber diese Erfahrung muss nicht unbedingt musizierender oder musiktheoretischer Natur sein. Die hier nötige Art der Erfahrung erlangen wohl die meisten, auch die "musikalisch eher unbeleckten" schon als kleine Kinder. Zum Beispiel durch Radiogeplärre (da bekommt man mehr Tonika und Dominante um die Ohren geworfen als einem lieb ist) oder bei Glück auch durch Mamis Gesang oder den Gesang der Kindergartentante o.ä.

Diese Hörerfahrung dürfte eigentlich genügen, um die rudimentäre Harmonik im tonalen Material auch in späteren Jahren wiedererkennen (erkennen ist ungleich verstehen oder benennen) zu können - ganz gleichgültig ob man von den Begriffen der impliziten Tonika oder Dominante jemals etwas gehört hat oder nicht.
 
Laut DTV-Atlas Musik vermitteln 30000 Nervenfasern mittels elektrischer Impulse mit einer Frequenz von bis zu 900 Hz., 1.500 Tonhöhenunterschiede bei 325 Stärkestufen, also 340.000 Werte pro Sekunde, von den Orten auf der Brasilialmembran über den Hörnerv zum Gehirn.

Wäre das nicht eine zu große Datenmenge, wollte man sich das alles merken - und vor allem die Klangfolgen. Deshalb vermute ich eine Selektierung zu deren Zweck eine kurzfristige Zwischenspeicherung nicht schaden kann. Es bliebe dabei nur das interessante übrig, das man sich dann für längere Zeit merkt. Die angesprochene Erfahrung hilft bei der Auswahl.
Weiß jemand, wie das wirklich abläuft?

Grüße
Thomas

PS: molto misterioso :D
Bei Windows wird mit Caps Lock aus dem Punkt ein Doppelpunkt - bei Linux bleibt der Punkt auch bei Caps Lock ein Punkt. Wenn auch die Zitate nur Kleinbuchstaben enthalten, ist das wirklich misteriös.
 
Wie fragt man so etwas ab? Die sehr knapp bemessene Zeit dürfte ja im allgemeinen bereits verstrichen sein, bis der Proband überhaupt eine Antwort zu geben vermag.

Man zeigt den Probanden drei Reihen mit jeweils vier Buchstaben oder Zahlen. Danach ertönt ein niedriger, mittlerer oder hoher Ton, je nachdem, welche Reihe sie wiedergeben sollen.
Würde man zwei Sekunden bis zum Ton warten, könnte der Proband nicht mehr auf sein Bild im "inneren Auge" zugreifen.

Bezüglich Hören: Das, wovon ich spreche, ist eine spezialisierte Gedächtnisform (für die ich die physiologische Grundlage nicht kenne), und ich gehe davon aus, dass beim Hören von Musik eine komplexere Verarbeitung der Informationen im Spiel ist. Was letzteres betrifft, so will ich zumindest nichts Gegenteiliges behaupten.
 
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in Sachen "Kurzzeitgedächtnis des Gehörs" kenne ich von mir das folgende: den letzten Satz, den ich gehört habe, habe ich eine kurze Zeit lang sehr gut gespeichert, und kann ihn noch einmal geistig genau "Durchhören".

(Das hilft z.B., wenn man einen überraschenden Tonfall eines anderen hört, und sich nochmal innerlich anhören möchte, wie es wohl gemeint war - oder wenn man jemand verbal nicht verstanden hat. Man kann sozusagen ein "audio-akustisches Postprocessing" durchführen).

Aber ich benutze dieses "Kurzzeitgedächtnis des Gehörs" besonders dazu, mir abstrakte Zahlenfolgen kurzzeitig zu merken: ich spreche sie innerlich in einem einzigen Satz möglichst mit einer besonders akzentuierten, abwechslungsreichen Sprachmelodie und Sprachrhythmus, sodaß ich mir diesen Satz dann merke - die Zahlen sind darin eingebettet, und purzeln dann von selbst raus, wenn ich den Satz als ganzes innerlich wiederhole und wieder abrufe. Interessanter Trick finde ich,

Gruß, Dreiklang
 

Schönes Beispiel für Kurzzeitgedächtnis sind die Cello-Concerte von Bach. Da spielt das Cello EInzeltöne hintereinander und doch wirkt die Musik mehrstimmig, weil sich das Gehirn anscheinend die vorhergenden Töne des Dreiklangs "merkt".



Bei Windows wird mit Caps Lock aus dem Punkt ein Doppelpunkt - bei Linux bleibt der Punkt auch bei Caps Lock ein Punkt. Wenn auch die Zitate nur Kleinbuchstaben enthalten, ist das wirklich misteriös.

OT: Es gibt eine Methode, die Caps-Lock Taste komplett zu deaktivieren (es ist ja auch die überflüssigste Taste auf dem Computer und hat den Ursprung in den alten Schreibmaschinentastaturen). Wenn jemand interssiert kurze pm an mich. Ich schicke ihm dann die Kochanleitung zum editieren der registry.
 
Perfekt hyp, in die Richtung war die Frage gestellt!
 
Schönes Beispiel für Kurzzeitgedächtnis sind die Cello-Concerte von Bach. Da spielt das Cello EInzeltöne hintereinander und doch wirkt die Musik mehrstimmig, weil sich das Gehirn anscheinend die vorhergenden Töne des Dreiklangs "merkt".
das liegt nicht am Gehirn, sondern an der Qualität der Darbietung!
In Bachs Solostücken für Violine oder für Cello wird die Mehrstimmigkeit nun mal nicht immer durch Gleichzeitigkeit mehrerer Töne erzielt, sondern auch oft durch Lagenwechsel - und es ist die Phrasierung des Spielers, welche den Hörer auf die Polyphonie aufmerksam macht (spielt er gut, merkt man´s, spielt er schlecht, hört man nur Einzeltöne nacheinander)
 
Schönes Beispiel für Kurzzeitgedächtnis sind die Cello-Concerte von Bach.
Da spielt das Cello Einzeltöne hintereinander, und doch wirkt die Musik mehrstimmig,
weil sich das Gehirn anscheinend die vorhergenden Töne des Dreiklangs "merkt".

Die Cello-Suiten sind wirklich ein schönes Beispiel.

Allerdings frage ich mich, ob sie nicht eher belegen,
daß wir über ein musikalisches Langzeitgedächtnis verfügen (auch Hörerfahrung genannt),
das uns befähigt, eine Anzahl von Einzeltönen als Bestandteil eines harmonischen Feldes
zu identifizieren - und dieses wiederum als Bestandteil einer harmonischen Entwicklung.

Das gelingt nur, wenn der Interpret den Zusammenhang versteht und richtig wiedergibt.
Ansonsten kommt musikalischer Unsinn heraus, wie ihn Webern bei einer Aufführung seiner
Symphonie op.21 erleben mußte, deren erster Satz ein krebsgängig verlaufender Doppelkanon ist.
Durch große Intervallsprünge und die subtile 'punktuelle' Instrumentierung dieses Doppelkanons
(= häufiger Klangfarbenwechsel), ist es schwierig, dem Stimmverlauf zu folgen. Dem Dirigenten
war es offenbar unmöglich. Webern erkannte sein eigenes Werk nicht wieder, und er klagte:
"Ein hoher Ton... ein tiefer Ton... wie die Musik eines Irren..."
 
Danke, Rolf, für diese schönen Aufnahmen ! (( Wobei mir die mit Rostropowitsch (deutlich) besser gefällt.))

wie gefällt Dir diese:
YouTube - ‪Pablo Casals plays Bach Suite #1‬‏
(kann man schöner espressivo und cantabile auf dem Cello spielen?)

oder nochmal Casals:
YouTube - ‪Pablo Casals plays BACH - Suite no 1 for Cello - part 1‬‏

oder Harnoncourt:
http://www.youtube.com/watch?v=K5kM2MfCVxo&feature=related
 
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