Kleines Erlebnis mit dem Digi und "Andante Favori"

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Vorweg etwas zur Erklärung, denn nicht jeder kann sich in Beethovens Klaviermusik auskennen, vielleicht auch nicht hier im Forum.
„Andante Favori“ ist ein Stück von L.v.B. Es sollte ursprünglich als Mittelsatz der sogenannten Waldsteinsonate dienen, wurde dann wegen seiner Länge aber als selbständiges Einzelstück herausgegeben. Es ist zumindest für technisch nicht so versierte Klavierspieler wegen einiger Oktavengänge nicht so einfach zu spielen.

Ich bin seit vielen Jahren im Sommer längere Zeit mit meinem Segelboot in Skandinavien unterwegs. Das verträgt sich gar nicht mit Klavierspielen. Zum ersten Mal habe ich mit jetzt ein Digi-Dingens als Trainingsinstrument mit aufs Boot gebracht, nicht zuletzt durch die Ermutigung hier im Forum. Nun aber zu meinem Erlebnis.
Ich legte mit meinem Segelboot auf der schwedischen Insel Hanö an und ein nettes älteres schwedisches Ehepaar half mir dabei. Deren Yacht hieß „Andante Favori“. Wir lagen nun nebeneinander Bord an Bord und ich sagte der Bordfrau (alles auf Englisch) „Ich kenne ein Andante Favori, das ist aber so ungefähr 200 Jahre älter“. Ich war irgendwie sicher, daß die Frau sofort versteht, was ich meinte.
Sie mit erstaunten und neugierigen Blick und zweifelnd nachfragend: „Ein anderes Boot mit diesem Namen?“
Ich: „Nein kein Boot!“
Sie nun mit wissenden Lächeln im Gesicht „Ein Stück von Beethoven!“
Ich: „Genau, das ist in F-Dur, und gar nicht so einfach zu spielen“
Sie: „Das stimmt, bei den Oktaven“
Ich: „Ja, das meinte ich“
Sie: Spielen Sie denn Klavier?
Ich: Ja
Sie: Ich auch.

Das war am Mittag, ich machte eine Wanderung auf der Insel und ich hatte die Idee es irgendwie zu schaffen den Anfang des Stückes aus dem Gedächnis zu rekonstruieren und ihr abends vorzuspielen. Da ich nicht nach innerem Gehör etwas spielen kann, brauchte ich viele Versuche um es einigermaßen, sagen wir mal erkennbar, auf dem Digi zu spielen und vorsichtshalber mit der Rekorderfunktion zu speichern.
Abends dann beim Rotwein im Cockpit Bordwand an Bordwand. Ich stelle das Digi in er Kajüte auf größere Lautstärke und „Andante Favori“ , zumindest die ersten Takte, klingen zu allen Nachbaryachten herüber..
Als ich danach aus der Kajüte herauskam, stand die Frau staunend im Cockpit und strahlte mich an. Natürlich hatte sie nicht ganz verstanden, wie das möglich war.
Sie: „Wer hat das gespielt?“
„Ich, vor einer Stunde, dann gespeichert und jetzt abgespielt.“
Sie war geplättet. So etwas hatte sie natürlich noch nie erlebt.
Danach unterhielten wir uns noch etwas über das Klavierspielen. Sie hat einen Blüthner Flügel, ist 4 Wochen im Sommer mit ihrem Mann auf Segeltour, ich aber mehrere Monate. Ich erzählte ihr von meinem Befremden nach so langer Klavierabstinenz mich wieder dem Klavier zu nähern. Deshalb nun das Digi auf meinem Boot.

Wir habe uns jedenfalls beide gefreut über die nette Begegnung.

Gruss
Manfred
 
Ja, das Klavierspielen bringt die Menschen zusammen. :rolleyes:

:klavier:
 
Schönes Erlebnis. Beneide Dich!
 
Andante favori

... ganz fisherman: beneide Dich!

Du könntest Dich jetzt ja Andante favori nennen (und nicht mehr "Moderato ohne was")! :D

Grüßle

Walter
 
Ja, die Erlebnisse....

War ich doch letztens mit meinem "Trabant", das Digi auf´s Dach geschnallt, zum Campen. Ganz in der Nähe lässt sich ein riesiges Wohnmobil nieder. Plötzlich höre ich abends Klavierklänge. Als ich im Schutz der Dunkelheit ein wenig "spanne" , sehe ich in dem Wohnmobil einen XL-Blüthner, aus dem die Töne kamen! Ich habe mich mit meinem Digi so geschämt und bin sofort abgereist. Jetzt spare ich auch auf ein Wohnmobil mit Flügel....:cool:
 
Nee, oder? :shock:
 
...na, da kann das Wohnmobil aber nicht mehr viel wert sein! Doch ich überleg´s mir! :eek:

(Das gehört nicht zum Faden; wir werden bestimmt gleich abgemahnt! :()
 
Was für eine schöne Geschichte! Musste echt schmunzeln. Und, nebenbei gesagt: Ferien mit Boot und Digi für mehrere Monate, das klingt ja traumhaft!! :cool:
 

....und ich hatte die Idee es irgendwie zu schaffen den Anfang des Stückes aus dem Gedächnis zu rekonstruieren...

Es gibt eine fast tragische Geschichte aus Beethovens Biographie mit eben diesem Versuch, dieses wunderschöne Stück aus dem Gedächtnis zu rekonstruieren und einer der ganz wenigen Schüler Beethovens, Ferdinand Ries, musste von da an auf Lebenszeit den Raum verlassen, wenn Beethoven Klavier spielte, selbst bei öffentlichen Proben.

(Quelle:Thayer, Alexander Wheelock Ludwig van Beethovens Leben 2. Band)
»Dieses Andante«, fährt Ries fort, »hat aber eine traurige Rückerinnerung in mir zurückgelassen. Als Beethoven es unserem Freunde Krumpholz und mir zum erstenmale vorspielte, gefiel es uns auf's höchste und wir quälten ihn so lange, bis er es wiederholte. Beim Rückwege, am Hause des Fürsten Lichnowsky [am Schottenthor] vorbeikommend, ging ich hinein, um ihm von der neuen herrlichen Composition Beethovens zu erzählen und wurde nun gezwungen, das Stück, so gut ich mich dessen erinnern konnte, vorzuspielen. Da mir immer mehr einfiel, so nöthigte mich der Fürst, es nochmals zu wiederholen. So geschah es, daß auch dieser einen Theil desselben lernte. Um Beethoven eine Ueberraschung zu machen ging der Fürst des andern Tages zu ihm und sagte, auch er habe etwas componirt, welches gar nicht schlecht sei. Der bestimmten Erklärung Beethovens, er wolle es nicht hören, ungeachtet, setzte sich der Fürst hin und spielte zu des Componisten Erstaunen einen guten Theil des Andante. Beethoven wurde hierüber sehr aufgebracht und diese Veranlassung war Schuld, daß ich Beethoven nie mehr spielen hörte.«


und es geht noch weiter:

Bei all seiner Freundlichkeit gegen Ries hatte Beethoven jedoch die Geschichte mit dem Andante favori (S. 449) weder vergessen noch vergeben. »Eines Tages (Notizen S. 102), wo eine kleine Gesellschaft nach dem Concerte im Augarten (Morgens um 8 Uhr) mit dem Fürsten [Lichnowsky] frühstückte, worunter auch Beethoven und ich waren, wurde vorgeschlagen, nach Beethoven's Haus zu fahren, um seine, dazumal noch nicht aufgeführte Oper Leonore zu hören. Dort angekommen, verlangte Beethoven auch, ich sollte weggehen, und da die dringendsten Bitten aller Anwesenden fruchtlos blieben, that ich es mit Thränen in den Augen. Die ganze Gesellschaft bemerkte es. Fürst Lichnowsky, mir nachgehend, verlangte, ich möchte im Vorzimmer warten, weil er selbst die Veranlassung dazu gegeben habe, und nun die Sache ausgeglichen haben wollte. Mein gekränktes Ehrgefühl ließ dies jedoch nicht zu. Ich hörte nachher, Lichnowsky wäre gegen Beethoven wegen seines Betragens sehr heftig geworden, da doch nur Liebe zu seinen Werken Schuld an dem ganzen Vorfalle und folglich auch an seinem Zorne sei. Diese Vorstellungen führten jedoch nur dahin, daß er nun auch der Gesellschaft nicht mehr spielte.«

Eine fast unvostellbare Geschichte, wenn man bedenkt, was Ries für eine Stellung und Funktion in Beethovens Leben hatte und dass eigentlich Lichnowsky derjenige war, der Schabernak mit Beethovens "heiliger Kreativität" getrieben hatte...

Ich finde das Stück einer der genialsten von Beethoven und wundere mich immer dass es kaum jemand kennt. (Ich suche übrigens immer noch nach einer Streichquartett-Aufnahme)

Gruß,
S
 

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