Klaviertechnik - Mechanik - Hintergründe

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Marlene

Marlene

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Hallo,

hier und da habe ich etwas über das Klavier gelesen und dazu einige Fragen an die Fachleute, weil ich bei der Suche nichts passendes gefunden habe.

Ausschnitt aus einem Artikel über Alfred Brendel, Kit Armstrong und Kristian Bezuidenhout:

„Wahrlich: Die Kraftakte, die dieses Instrument seit seiner Erfindung durchzustehen hatte, sind nicht bloß zahllos, sie sind endlos. Lange brauchte die Ingenieurskunst, um fürs Pianoforte die endgültige Form zu finden und dann – es klang ja eigentlich schon richtig – wurde es noch extra verstimmt, auf dass es künftig wohlige Temperaturen erzeugt.“

Warum wurde es verstimmt? Was bedeutet das?

Dann wird über einen Klavierstimmer geschrieben. In dem Bericht steht, dass Elisabeth Leonskaja auf den „Abnickdruck“ achten würde. Dazu habe ich „ergoogelt“, dass das Abnicken eine Bewegung des Flügelhammers ist, die aussieht, als würde der Hammer kurz nicken. Ist der denn nicht unbeweglich befestigt? Was bewirkt dieses Abnicken?

Weiter steht dort, dass der Klavierstimmer für Maurizio Pollini eine Modifikation vorgenommen habe: „...die durch das linke Pedal ausgelöste Tastaturverschiebung auf Wunsch des Künstlers vor dem Konzert änderte und in der Pause wieder rückgängig machte“.

Was ist gemeint mit „Tastaturverschiebung“?

Gestern habe ich ein Konzert auf einem Bechstein Flügel (vermutlich ein B 212) gehört, ich saß vier Meter entfernt von dem Instrument. Der Ton hat sich himmlisch angehört, auch in den forte-Passagen. Vor einigen Monaten, bei Beethovens 5. Klavierkonzert – ich saß etwa 6 Meter entfernt - hörten sich auf dem Steinway D 274 nur die leisen Passagen schön an, das forte gespielten Stellen waren höllisch erschreckend im Klang. Wie kommen solche Unterschiede zustanden? Klingt ein Bechstein weicher oder liegt es am härteren Anschlag des Pianisten (den Bechstein hat einer Frau gespielt – aber sehr virtuos).

Wenn ich es richtig beobachtet habe, dann hebt das rechte Pedal das gesamte Spielwerk an. Gibt es da eine Art „Übersetzung? Denn ansonsten stelle ich mir vor, dass das Pedal einen enormen Widerstand hat und mit einiger Kraft im Fuß bedient werden muss. Denn das Spielwerk ist doch sicherlich recht schwer.

Gruß
Marlene
 
Hallo Marlene,

Bis jetzt hat sich ja leider keiner der Spezialisten hier gemeldet, deshalb werde ich versuchen deine Fragen zu beantworten

Warum wurde es verstimmt? Was bedeutet das?

Die Verstimmung bezieht sich hier auf die früher angewendete temperierte, bzw. aktuell auf die gleichschwebende Stimmung. Die reine Stimmung kann nicht auf das Klavier übertragen werden. Wenn man am Klavier zum Beispiel drei große Terzen übereinander stapelt - z.B.: c-e-gis-c', so landet man bei einer Oktav - ausgehend von der reinen Stimmung würde sich das aber nicht ausgehen, der Ton wäre niedriger als das oktavierte c'. Diese Differenz wird nun aufgeteilt, damit man eine gleichmäßige Stimmung erhält. Näheres dazu auf dieser Seite unter "Akustische Grundlagen"

Dann wird über einen Klavierstimmer geschrieben. In dem Bericht steht, dass Elisabeth Leonskaja auf den „Abnickdruck“ achten würde. Dazu habe ich „ergoogelt“, dass das Abnicken eine Bewegung des Flügelhammers ist, die aussieht, als würde der Hammer kurz nicken. Ist der denn nicht unbeweglich befestigt? Was bewirkt dieses Abnicken?

Dazu empfehle ich dir das Kapitel "Das Spielwerk von Flügeln und Klavieren" der zuvor verlinkten Seite. Ich nehme an, daß sich Elisabeth Leonskaja hier auf den Auslösepunkt bezieht, sicher bin ich jedoch nicht.

Was ist gemeint mit „Tastaturverschiebung“?.

Durch die Betätigung des linken Pedales wird nicht die Tastatur, sondern das Spielwerk verschoben, das bewirkt, daß die Hämmer nicht mehr auf 3 Saiten, sondern nur noch auf 2 treffen (bzw. auf eine, bei den 2-chörigen Basssaiten). Dadurch wird das Spiel bei gleichem Anschlag leiser, aber auch die Qualität des Tones ändert sicht.


Gestern habe ich ein Konzert auf einem Bechstein Flügel (vermutlich ein B 212) gehört, ich saß vier Meter entfernt von dem Instrument. Der Ton hat sich himmlisch angehört, auch in den forte-Passagen. Vor einigen Monaten, bei Beethovens 5. Klavierkonzert – ich saß etwa 6 Meter entfernt - hörten sich auf dem Steinway D 274 nur die leisen Passagen schön an, das forte gespielten Stellen waren höllisch erschreckend im Klang. Wie kommen solche Unterschiede zustanden? Klingt ein Bechstein weicher oder liegt es am härteren Anschlag des Pianisten (den Bechstein hat einer Frau gespielt – aber sehr virtuos).

Das hängt vom Instrument ab, vom Anschlag, aber auch von der Intonation - siehe dazu die oben verlinkte Seite.

Wenn ich es richtig beobachtet habe, dann hebt das rechte Pedal das gesamte Spielwerk an. Gibt es da eine Art „Übersetzung? Denn ansonsten stelle ich mir vor, dass das Pedal einen enormen Widerstand hat und mit einiger Kraft im Fuß bedient werden muss. Denn das Spielwerk ist doch sicherlich recht schwer.

Mit der Betätigung des rechten Pedals wird nicht das Spielwerk, sondern die Dämpfung abgehoben, dadurch können die Saiten frei weiterschwingen.

Hoffe, damit etwas geholfen zu haben, ansonst werden sich schon noch die Experten melden. ;)

LG, PP
 
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Hallo,
Wenn ich es richtig beobachtet habe, dann hebt das rechte Pedal das gesamte Spielwerk an. Gibt es da eine Art „Übersetzung? Denn ansonsten stelle ich mir vor, dass das Pedal einen enormen Widerstand hat und mit einiger Kraft im Fuß bedient werden muss.

PP hat ja schon bestens geantwortet, hier nur noch eine kleine Ergänzung aus eher physikalischer Sicht.

In der Tat gibt es eine kleine Übersetzung beim Flügel. Der Drehpunkt des Pedals ist etwas asymetrisch gelagert. Trotzdem benötigt man ganz schön Kraft. Mit ein bisschen Übung merkt man das nicht mehr, aber es ist wesentlich mehr als beim E-Piano. Das gilt für die anderen Pedale auch. Man kann bspw. einmal diese Pedale mit der Hand betätigen, da wundert man sich typischerweise wie schwer die gehen.
 
Hi,

kleine Anmerkungen von mir:

Durch die Betätigung des linken Pedales wird nicht die Tastatur, sondern das Spielwerk verschoben, das bewirkt, daß die Hämmer ...
Bezieht sich ja alles auf den Flügel und nicht das Klavier. Am Flügel wird tatsächlich die ganze Mechanik verschoben und damit auch die Tastatur (meistens nach rechts, aber nicht immer). Es ist sozusagen ganz einfach realisiert, es wird einfach der Mechanik-Block als Ganzes verschoben.
Wenn man vom Klavier kommt, ist das am Anfang beim Spielen ein bischen irritierend.

Vielleicht gibt es auch (Spezial-) Flügel, bei denen die Tastatur nicht mit verschoben wird. Ich kenne aber keinen.

In der Tat gibt es eine kleine Übersetzung beim Flügel. ... Trotzdem benötigt man ganz schön Kraft.

Damit mM kein falscher Eindruck entsteht, der Kraftaufwand ist insgesamt für den Fuss nicht sehr hoch.

Wenn man es genauer wissen will, habe ich hier einen neueren Buchtipp:

  • Physics of the Piano von Nicholas J. , Sr. Giordano

Es wird nicht nur der mechanische Aufbau des Flügels erklärt, sondern auch sehr ausführlich auf akustisch physikalische Prinzipien eingegangen und damit die spezifischen akustischen Eigenschaften des Flügels erklärt. Kenne ich von keinem Buch in dieser Art.

Gruß
 
Vielleicht gibt es auch (Spezial-) Flügel, bei denen die Tastatur nicht mit verschoben wird.

Fazioli baut in seinen F308 eine 4. Pedal ein, so dass man beides hat. Eine entsprechende Erläuterung gibts bspw. auf Wikipedia.

Ansonsten hast Du natürlich recht, es ist nicht wirklich anstrengend mit dem Pedal. Ich habe nach meinem Wiedereinstieg zunächst ca. 3 Monate Masterkeyboard gespielt. Danach war der Umstieg auf ein richtiges Instrument allerdings schon sehr deutlich bemerkbar, und durchaus gewöhnungsbedürftig. Nach 1-2 Wochen fühlte sich die Nutzung des Pedals wieder "normal" an. Das höhere Tastengewicht hat mehr Umgewöhnungszeit benötigt.
 
Am Flügel wird tatsächlich die ganze Mechanik verschoben und damit auch die Tastatur (meistens nach rechts, aber nicht immer). Es ist sozusagen ganz einfach realisiert, es wird einfach der Mechanik-Block als Ganzes verschoben.

Hihi, ja, eigentlich logisch - ist vom mechanischen her der wenigste Aufwand! Muß nächste Klavierstunde gleich mal das linke Pedal probieren - muß sich ziemlich komisch anfühlen. :D:D:D

LG, PP
 
Hi,

Fazioli baut in seinen F308 eine 4. Pedal ein, so dass man beides hat. Eine entsprechende Erläuterung gibts bspw. auf Wikipedia.
Danke für den Link. Das hat mich jetzt interessiert. Es ist aber leider nicht genau beschrieben, aber ich folgere aus der Beschreibung, dass das 4. Pedal von Fazioli kein Verschiebungs/Unacorda-Pedal (ob mit oder ohne Tastaturverschiebung) ist, sondern so etwas ähnliches wie beim normalen Klavier bewirkt, nämlich eine Verkürzung des Hammeranschlagweges.

Ich habe nach meinem Wiedereinstieg zunächst ca. 3 Monate Masterkeyboard gespielt. Danach war der Umstieg auf ein richtiges Instrument allerdings schon sehr deutlich bemerkbar, und durchaus gewöhnungsbedürftig.

Einer der vielen Gründe, warum ein Digipiano oder Masterkeyboard (=Klaviersimulationen) keinem echten Klavier entspricht. Die haptische Rückmeldung eines mechanisch betätigten Dämpfers kann nur unvollständig, wenn überhaupt simuliert werden.

Gruß
PS: Hab' gerade gesehen, auf der Wiki-Seite ist das 4. Pedal von Fazioli ja auch so beschrieben.
 
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Danke für die fundierten Antworten.

Durch die Betätigung des linken Pedales wird nicht die Tastatur, sondern das Spielwerk verschoben, das bewirkt, daß die Hämmer ...

Bezieht sich ja alles auf den Flügel und nicht das Klavier. Am Flügel wird tatsächlich die ganze Mechanik verschoben und damit auch die Tastatur (meistens nach rechts, aber nicht immer). Es ist sozusagen ganz einfach realisiert, es wird einfach der Mechanik-Block als Ganzes verschoben.
Wenn man vom Klavier kommt, ist das am Anfang beim Spielen ein bischen irritierend.

Wir die Tastatur von den Tönen her verschoben oder physikalisch? Ist wohl eine blöde Frage, aber als Laie weiß man es halt nicht.

Warum ist es für Klavierspieler irritierend?

Fazioli und vier Pedale. Ach herrje, das ist Gehirnjogging pur!
 
Hallo Marlene,

meine Vorredner haben ja schon fleißig geantwortet und vieles davon ist richtig, trotzdem gehe ich auch noch einmal auf deine Fragen ein.

„Wahrlich: Die Kraftakte, die dieses Instrument seit seiner Erfindung durchzustehen hatte, sind nicht bloß zahllos, sie sind endlos. Lange brauchte die Ingenieurskunst, um fürs Pianoforte die endgültige Form zu finden und dann – es klang ja eigentlich schon richtig – wurde es noch extra verstimmt, auf dass es künftig wohlige Temperaturen erzeugt. Warum wurde es verstimmt? Was bedeutet das?“

Hier wird, wie bereits erwähnt, von der "gleichschwebenden Temperatur" gesprochen. Ein Ton auf dem Klavier entspricht ja einer bestimmten Frequenz, so z.B. das A in der Mittellage mit 440Hz. In der Entstehungsphase des Klaviers hat sich am Instrument natürlich ständig etwas verändert. Ständig erfand jemand eine verbesserte Technik, etc. Und genauso unterschiedlich war auch die Vorstellung des Klangs, eher der Stimmung. Bis ca. 1850 verwendete man z.B. das Mittelton-System, aber dann setzte sich die Gleichschwebende Temperatur durch, die 'lediglich' besagt, das jede Oktave in 12 aufeinanderfolgende gleiche Halbtonabstände eingeteilt wird. Das kann man sich auch alles komplett durchrechnen, aber sprengt hier wohl den Rahmen, wir wollen ja keine Klavierstimmer ausbilden.


Dann wird über einen Klavierstimmer geschrieben. In dem Bericht steht, dass Elisabeth Leonskaja auf den „Abnickdruck“ achten würde. Dazu habe ich „ergoogelt“, dass das Abnicken eine Bewegung des Flügelhammers ist, die aussieht, als würde der Hammer kurz nicken. Ist der denn nicht unbeweglich befestigt? Was bewirkt dieses Abnicken?

Der Hammerkopf befindet sich in seiner Ruhelage, wenn also niemand auf die Taste drückt, in einem Abstand zur Saite von ca. 45mm. Wenn man die Taste langsam durchdrückt kann man den Weg des Hammers bis an die Saite verfolgen. Kurz bevor der Hammer allerdings die Saite trifft, fällt er wieder zurück. Warum? Wenn man dies nicht einbauen würde, würde der Hammer bei ganz durchgedrückter Taste an der Saite festklemmen und als Dämpfer wirken, es gäbe keinen Ton mehr. Also muss man erreichen, dass der Ton auch noch bleibt, wenn jemand die Taste im durchgedrückten Zustand festhält. Deshalb wird der Hammer ca. 0,5-1,5mm vor der Saite 'abgenickt', also zurückgeholt. Das ist der Abnickpunkt. Diesen kann man in der Taste spüren. Wenn man sie ganz ganz langsam durchdrückt spürt man zum Schluß einen kleinen Widerstand in der Taste, das ist der Zeitpunkt, an dem der Hammer zurückfällt. Dieser Punkt muss ganz sauber eingestellt werden, denn viele Klavierspieler reagieren auf diesen Punkt, sie stellen sich auf diesen Punkt ein und können gerade das pianissimo sehr gut darüber steuern/bewerten/fühlen."


Weiter steht dort, dass der Klavierstimmer für Maurizio Pollini eine Modifikation vorgenommen habe: „...die durch das linke Pedal ausgelöste Tastaturverschiebung auf Wunsch des Künstlers vor dem Konzert änderte und in der Pause wieder rückgängig machte“. Was ist gemeint mit „Tastaturverschiebung“?

Ein Flügel unterscheidet sich in der Mechanik von einem Klavier. Beim Klavier gibt es ein Pedal, mit dem ich einen Filz zwischen Saite und Hammerkopf bewegen kann und damit den Ton abdämpfen kann. So eine 'Billiglösung' gibt es beim anspruchsvolleren Flügel nicht. Hier arbeitet man mit dem einfachsten Prinzip um leisere Töne zu erzeugen, ohne dabei den Klangcharacter zu verändern. Man verschiebt die gesamte Klaviatur, fertig. Aber was passiert hier genau? Die Besaitung besteht aus drei Zonen. 1. dem Bass mit den einseitigen Kupfer umsponnenen Saiten, hier trifft der Hammer immer nur die eine Saite, 2. der Bass mit zwei Kupfer umsponnenen Saiten, hier trifft der Hammer beim Anschlag zwei Saiten. Und 3. der Bereich der reinen Stahlsaiten, hier trifft der Hammer also drei Saiten gleichzeitig. Man stellt nun die Mechanik so ein, dass wenn ich das linke Pedal drücke, die Klaviatur ca. 2mm nach rechts rutscht. Dabei wird es so ausgerichtet, das der Hammer der Stahlsaiten die ganz linke Saite nur noch einen Hauch berührt, also quasi nur noch streichelt. Dadurch werden also nur noch zwei der drei Saiten voll angeschlagen und der Ton klingt gemäßigter. Im Bass schlagen die Hämmer weiterhin alle Saiten an, aber auch hier jetzt natürlich um gut 2mm versetzt. Damit man auch hier den Ton ein wenig mäßigt, werden die Hammerköpfe in diesem Anschlagsbereich anders intoniert, der Filz also weicher gemacht als im Hauptanschlagspunkt. Dadurch wirkt auch der Bass dann gemäßigt.

Es wurde in einem Beitrag das 4. Pedal von Fazioli angesprochen, dazu noch ein Wort. Viele Klavierbauer haben natürlich auch heute noch Ideen, ihre Flügel zu optimieren oder ihm ein besseres Verkaufsargument zu verpassen. So hat Blüthner z.B. die 4. Saite, die nur mitschwingt oder Steingräber hatte auf dem großen Konzertflügel das Hammerröllchen beweglich angebracht. Faziloi will mit dem 4. Pedal das pianissimo verbessern und bringt über das Pedal die Hammerköpfe näher an die Saite. So kann man mit weniger Aufwand und leichtem Anschlag einen sanften Ton erreichen. Ob sich das durchsetzt bleibt abzuwarten.

Gestern habe ich ein Konzert auf einem Bechstein Flügel (vermutlich ein B 212) gehört, ich saß vier Meter entfernt von dem Instrument. Der Ton hat sich himmlisch angehört, auch in den forte-Passagen. Vor einigen Monaten, bei Beethovens 5. Klavierkonzert – ich saß etwa 6 Meter entfernt - hörten sich auf dem Steinway D 274 nur die leisen Passagen schön an, das forte gespielten Stellen waren höllisch erschreckend im Klang. Wie kommen solche Unterschiede zustanden? Klingt ein Bechstein weicher oder liegt es am härteren Anschlag des Pianisten (den Bechstein hat einer Frau gespielt – aber sehr virtuos). Wenn ich es richtig beobachtet habe, dann hebt das rechte Pedal das gesamte Spielwerk an. Gibt es da eine Art „Übersetzung? Denn ansonsten stelle ich mir vor, dass das Pedal einen enormen Widerstand hat und mit einiger Kraft im Fuß bedient werden muss. Denn das Spielwerk ist doch sicherlich recht schwer.

Hier sind zwei Punkte zu unterscheiden. Die Flügel der unterschiedlichen Hersteller haben auch einen unterschiedlichen Klang, das ist auch so gewollt. Es gibt Instrumente, die allein auf einer Bühne wunderbar klingen, zusammen mit einem Orchester aber untergehen und andere, die für Klavierkonzerte wunderbar geeignet sind, weil sie einfach domierend sind. Zusätzlich wird natürlich viel von den Hammerköpfen beeinflusst. Der Hammerkopf ist mit Filz bespannt. Wenn man einen nagelneuen Hammerkopf mal anfasst, dann ist der knallhart. Wird der so in ein Instrument eingebaut, ist das ungefähr so, als wenn ich mit einem Hammer aus der Werkzeugkiste auf einen Amboss schlage, laut und grell, keineswegs angenehm. So ein Hammer kann durch den geübten Anschlag eines Pianisten die Saite zum Reißen bringen. Um einen angenehmen Klang zu erzeugen werden die Köpfe daher intoniert. Dabei werden die Filze an ganz bestimmten Stellen mit Nadeln eingestochen und der Filz so weicher. Man merkt die Veränderung der Dynamik, wenn man dann auf den Hammer drückt. D.h. so ein Hammer verformt sich beim Anschlag an der Saite und springt wie ein Gummiball zurück. Dieses Spielgefühl empfindet jeder Pianist anders und er lässt sich das Instrument entspr. einstellen. Dieser Wert, zusammen mit der Bauart, dem Hersteller und dem Umfeld (Saal) bewirken die unterschiedlichen Klangeindrücke. Wäre sonst ja auch langweilig.

Punkt zwei, das rechte Pedal hebt sämtliche Dämpfer an, so dass der Klang einer Saite bestehen bleibt, wenn der Pianist die Taste längst losgelassen hat. Hierfür wird die Dämpfung mittels einer Leiste hochgehoben und zwischen dieser Leiste und dem Pedal befindet sich eine einfache Metallstange, die für den Hub sorgt. Die Stange ist am Ende des Pedals angebracht, wobei ein Peadl ca. 20cm lang ist und wie eine Wippe ca. in der Mitte drehend gelagert ist. Bei manchen Flügeln hat man das Gefühl, man müsse erst noch mal kurz im Kraftstudio vorbei schauen um es betätigen zu können. Das liegt aber ganz allein an einer Feder, die unter dem Flügel angebracht ist und dafür sorgt, dass die Leiste wieder zurückgedrückt wird, wenn man das Pedal loslässt. Diese Feder kann man nach belieben einstellen.


So, ich hoffe damit konnte ich noch etwas mehr Licht ins Dunkel bringen und du erkennst, dass so ein Klavier/Flügel einfach nur eine zusammengeleimte Kiste aus Holz, Filz und Metall ist, die den simplen Regeln der Physik folgt. ;)

Zum besser Verständnis habe ich mal die Mechanik aus meinem Flügel ausgebaut und ein paar Fotos gemacht. Du siehst im 1. Bild einen aus dem Stuhlboden ragenden Keil, dieser hakt sich unten in die Mechanik ein und verschiebt sie nach rechts. Bild 2 zeigt die Dämpfungsleiste und die darunter angebrachte Stange zum Anheben. Bild 3 zeigt die Stangen an der Lyra und ihre Aufhängung und auf Bild 4 habe ich die Blattfeder mal markiert, die das rechte Pedal zurück drückt.

Wenns noch Fragen gibt, einfach melden.

VG
 

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Hallo,

So, ich hoffe damit konnte ich noch etwas mehr Licht ins Dunkel bringen

Etwas mehr Licht ins Dunkel? Es war eine Freude deine detaillierten und sehr anschaulichen Erläuterungen zu lesen. Vielen Dank für die Mühe, die du dir gemacht hast und für die Fotos (und natürlich gilt mein Dank auch an die anderen „Informanten“).

... du erkennst, dass so ein Klavier/Flügel einfach nur eine zusammengeleimte Kiste aus Holz, Filz und Metall ist, die den simplen Regeln der Physik folgt.

Also, mein Vater war eigentlich derjenige, welcher gesagt hat, ein Klavier sei eine Holzkiste. Und das Beste, das man mit ihr machen kann, sei sie zu Brandholz zu verarbeiten weil ihr grauenhafte Töne entlockt werden, welche die Menschheit foltern. Ich muss ihm und dir widersprechen. Ich halte ein Klavier – insbesondere einen Flügel – für ein Wunderwerk der Mechanik, für ein akustisches und visuelles Gesamtkunstwerk. Einem Pianisten beim Spielen zuzusehen und dabei in einem Flügel zu schauen finde ich so berauschend wie wohl ein Junkie sein Heroin empfindet. Leider ist mir das erst Jahrzehnte nachdem meine Eltern diese Tasteninstrumente in Grund und Boden gestampft haben und mir als Kind das Erlernen des Klavierspielens verwehrt haben klar geworden. Mein Nachholbedarf ist immens, meine Emotionen ebenfalls, so auch mein Wissensdurst . Und steht irgendwo ein Flügel auf der Bühne der bespielt wird – ich versuche dabei zu sein.

Danke nochmal!

Gruß
Marlene
 
Hallo Marlene,

da hast du meinen Kommentar etwas zu ernst genommen, die Holzkiste war nicht so ernst gemeint. Ich beschäftige mich seit Jahren nicht umsonst mit dem Klavier- und Flügelbau, es ist für mich das schönste und interessanteste Instrument. Also pack mich mit deinem Vater bitte nicht in eine Schublade.

VG
 
Obwohl ich kein Fachmann auf dem Gebiet bin, möchte ich ein paar kleine Ergänzungen anmerken.
...
Warum wurde es verstimmt? Was bedeutet das?
...
Verstimmt würde ich das nicht direkt nennen.
Es werden die Oktaven "rein" gestimmt und die Fehler in der Quinte, Quarte und in der kleinen und großen Terz, durch verstimmen, auch temperieren genannt, ausgeglichen oder besser gesagt, verteilt.
... rein theoretisch, in der Praxis spielen Schwingungseigenheiten der Saiten und des Instrumentes auch eine Rolle, habe ich mir sagen lassen.

Die Verteilung der sogenannten Fehler, wie
das Pythagoräische Komma (zwölf Quinten sind mehr als sieben Oktaven),
das Syntoische Komma (vier Quinten sind mehr als zwei Oktaven und eine große Terz),
das Schisma (Differenz zwischen pythagoräischem und syntoischem Komma)
und die kleine Diesis (drei große Terzen sind kleiner als eine Oktave)
bestimmt die musikalische Temperatur und somit die Klangfarben.

Bei der "gleichstufig-temperierten Stimmung" wird das pythagoräische Komma in zwölf Teile geteilt und auf ebensoviele Quinten verteilt. Ein derartig gestimmtes Instrument ist in allen Tonarten verwendbar. Andere Arten, wie die pythagoräischen, reinen, mitteltönigen und wohltemperierten Stimmungen basieren auf einer anderen Art der "Fehlerverteilung" und sind heute kaum mehr gebräuchlich.

...
Punkt zwei, das rechte Pedal hebt sämtliche Dämpfer an, so dass der Klang einer Saite bestehen bleibt, wenn der Pianist die Taste längst losgelassen hat.
...
Ein weiterer Effekt:
Wenn die Dämpfer durch das Betätigen des rechten Pedales abgehoben sind während ein Ton angeschlagen wird, werden auch Saiten in Schwingung versetzt, die normalerweise durch ihre jeweilige Dämpfer daran gehindert werden. Das führt zu einer Änderung des Klanges.

cm

PS:
Da habe ich wohl fälschlicherweise die Werckmeister- und die Kirnberger-Stimmung den gleichstufigen zugeordnet. Danke an Kernbeisser für den Hinweis.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Zitat von Caligulaminix:
Bei der "gleichstufig-temperierten Stimmung" wird das phytagoräische Komma in vier bis zwölf Teile geteilt und auf ebensoviele Quinten verteilt. Die restlichen null bis acht Quinten werden rein gelassen.

Das mag bei dem phytagoräischen Komma so sein. Bei dem pythagoräischen ist es ähnlich, aber wenn die Stimmung gleichstufig werden soll, dann werden nicht null bis acht, sondern nur null Quinten rein gelassen, bzw. nur unreine Quinten reingelassen.
 
Danke für den Hinweis. Ich habe meinen Beitrag korrigiert.

cm
 
da hast du meinen Kommentar etwas zu ernst genommen, die Holzkiste war nicht so ernst gemeint. Ich beschäftige mich seit Jahren nicht umsonst mit dem Klavier- und Flügelbau, es ist für mich das schönste und interessanteste Instrument. Also pack mich mit deinem Vater bitte nicht in eine Schublade.

Deinen Beitrag habe ich so aufgefasst, wie du ihn gemeint hast. Wenn du das Instrument nicht lieben würdest, dann hättest du nicht so detailliert und fundiert darüber berichtet und dir so viel Mühe dabei gemacht, meine Fragen zu beantworten und mir Einblicke zu gewähren.

Bitte entschuldige, dass ich mich so unglücklich ausgedrückt habe. Nachdem ich es noch mal gelesen habe wundere ich mich selber über das, was ich geschrieben habe.
 
Hallo,

es haben sich zwei neue Fragen ergeben.

Vor einigen Tagen durfte ich mal ein wenig an einem D 274 spielen. Für mich als blutige Anfängerin (die aber trotzdem erfolgreich mit der Elise beschäftigt ist und diese zur Hälfte dem Flügel entlockt hat) war das ein tolles Erlebnis.

Zwei Dinge haben mich gewundert: Der Tastenanschlag war viel sanfter als bei meinem E-Piano wo es einen Widerstand zu überwinden gilt. Und das Pedal des D 274 hat nicht mehr Widerstand als das meines Klaviers. Ich dachte es braucht ein wenig mehr Kraft im Fuß um die Dämpfer (die sind es doch, die durch das rechte Pedal angehoben werden, oder?) zu bewegen.

Bitte vervollständigt mein Wissen.

Gruß
Marlene
 
Ich dachte schon, dass keine Antwort kommt, weil ich weiter oben vielleicht schon eine Antwort bekommen habe. Nach Lesen des Textes ist dem aber nicht so. Dort oben steht sogar, dass das Pedal schwergängiger sei.

Trotz des Widerstandes (Repetition?) am D 274 hatte ich aber den Eindruck, dass die Tasten dort viel leichtgängiger waren als an meinem E-Piano. Wegen meiner Emotionen in Anbetracht der Vorgeschichte des Flügels habe ich aber vergessen denjenigen danach zu fragen, der mich an dem Flügel hat spielen lassen. Daher bitte ich Euch um eine Antwort, denn ich lerne immer gerne hinzu. Ich hatte sogar den Eindruck, dass am D 274 die Tasten etwas schmäler waren als an meinem E-Piano. Aber das ist ja wohl eher Einbildung und resultiert vermutlich aus meiner Ehrfurcht vor dem Instrument. Oder sind die Tasten wirklich anders in der Breite?

Wäre nett, wenn jemand meine Wissenslücke schließen würde.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hallo Marlene,

Ich denke, es wäre besser, Fragen dieser Art im Unterforum Klavier/Keyboard kaufen, reparieren... zu stellen. Die Klavierbauspezialisten sind, glaube ich, nicht so im Anfängerforum unterwegs.

LG, PP
 

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