Klavierpädagogische Ausbildung heute - Frage an Musikstudenten und Klavierlehrer

C

chiarina

Guest
Liebe Musikstudenten und Klavierlehrer,

hat sich die heutige klavierpädagogische Ausbildung gegenüber damals (vor ca. 20 Jahren) verändert bzw. verbessert? Was meint ihr?

Wie hasenbein auch schon mal angemerkt hat, ist Klavierunterricht manchmal oder auch öfter unglücklicherweise auf dem Grundsatz "Learning by doing" aufgebaut (Liebe Klavierspieler, die ihr Klavierunterricht genießt - bitte keinen Schreck kriegen :p ). Wenn ich ehrlich bin, haben wir damals in Klavierdidaktik Schulen etc. durchgesprochen, aber von gründlicher didaktisch -methodischer Ausbildung konnte keine Rede sein. Auch im Praktikum habe ich eher gelernt, wie ich es nicht machen möchte :p . Unterricht in Improvisation oder Jazz/Blues ? - tote Hose!

Ist das heute besser???

Mich interessiert das sehr - da kann man ja auch hoffentlich noch was lernen :) !

Liebe Grüße

chiarina
 
Also ich hab die mittlerweile sogenannte "pädagogische Ausbildung" (das ist einer der Namen, andere sind Musiklehre, Musikerzieher usw.) im letzten Jahr abgeschlossen.
Und nach allem, was ich von vorigen Studienordnungen so gehört habe, muss ich sagen: Ja, es hat sich was geändert. Und zwar zum Positiven...
Wir hatten einen Block mit Gruppenleitungsfächern - d.h. wir hatten Jazz, Impro, Rhythmik, EMP, Chor und Dirigieren.
Ich hatte 6 Semester verpflichtend Methodik plus zwei zusätzliche. Wirklich guter und fundierter Unterricht.
Ich habe zwei Praktika absolviert - eines zwei Wochen, das andere ein Jahr.
Ich habe insgesamt 6 Semester pädagogische Seminare besucht. Die meisten davon bei Herrn Prof. Dr. U. Mahlert. Falls den wer kennt... :-)

Ich hab damals genau in der Umbruchphase angefangen zu studieren. Will sagen, ich hab mein Kreuz auf der Bewerbung noch für die Vorgängerordnung gemacht, dann aber diese Ordnung zu studieren angefangen. Damals war ich etwas verärgert, weil ich vermeintlich so viel tun musste. Mittlerweile bin ich sehr froh darüber!
 
Hallo nico,

erst mal sehr herzlich willkommen hier im Forum!!! :) Ich finde es immer sehr schön, sich auch gerade mit anderen Klavierlehrern etc. auszutauschen!

Das ist ja wunderbar, dass sich so viel geändert hat!!! Ich hatte davon auch gehört, wußte aber nichts Genaues. Wenn man überlegt - wir hatten damals 4 Semester Klavierdidaktik und -methodik und außer dem Praktikum sonst nichts.

Mahlert ist doch meines Wissens auch Herausgeber von "Üben und musizieren". Der hat doch auch selbst einiges geschrieben und einen sehr guten Ruf.

Was mich z.B. auch interessiert, ist, ob die Methodik des Anfängerunterrichts intensiv besprochen/diskutiert/gelehrt wurde. Ich selbst beginne in der Regel ohne Noten, stelle aber immer wieder fest, dass ich da eine große Ausnahme bin. Wie sieht das bei dir/an den Musikhochschulen aus?

Vielen Dank für deine Antwort und viele Grüße

chiarina
 
Danke für die Begrüßung. Ich war vor ein paar Jahren schon mal in diesem Forum unterwegs, habs dann aber aus den Augen verloren und nun kürzlich wieder entdeckt...

Der Anfängerunterricht nimmt eine große Rolle im Studium ein. Im ersten Methodiksemester, einer Art Einführung in die Materie, sind etliche Sitzungen diesem Thema gewidmet gewesen. Das ganze zweite Semester dreht sich nur um das Thema Klavierschulen. Und in den insgesamt vier (!) Semester Lehrpraxis, also überwachtem und ausgewertetem Unterrichten, wird großer Wert darauf gelegt, dass immer auch ein Anfänger in der Gruppe oder besser noch bei jedem Studenten eine Rolle spielt. Dort wird dann intensiv auf deren Bedürfnisse eingegangen. Auch die unterschiedlichen Ansätze, mit dem Unterricht zu beginnen (ohne Noten ist ja auch nur ein möglicher, wie ich finde), werden thematisiert. Am besten ist aber, dass generell alles möglich ist - es muss nur überzeugend und schlüssig sein...
Dies ist aber nur sie Situation an der UdK Berlin. Und sogar dort nur im Fach Klavier. Bei den anderen Instrumenten ist die Situation zum Teil ganz anders - so haben etwa alle Holzbläser zusammen Methodikunterricht, der diesen Namen im Vergleich zum Klavier nicht verdient...
Wobei auch noch fraglich ist, wie lange dieser Luxus angesichts der Haushaltslage des Landes und besonders der Hochschule noch aufrecht erhalten werden kann...

Mahlert ist wohl eine der Koryphäen der Instrumentalpädagogik der letzten 30 Jahre. Ein wirklich sehr kluger, sehr fairer, äußerst engagierter Mann. Ich bin froh, bei ihm studiert zu haben.
 
Hallo Nico,

danke für die schnelle Antwort! Schön, dass du wieder im Forum bist! In Berlin ist ja wohl die Ausbildung ganz hervorragend. Wie sieht es denn an anderen Hochschulen aus? Es wäre sehr schön, wenn sich auch noch andere zu Wort melden!

Viele Grüße

chiarina
 
Mich interessiert das sehr - da kann man ja auch hoffentlich noch was lernen :)
chiarina

Hallo chiarina

ich habe eine gewisse Karenzzeit abgewartet, bevor ich mich hier als musikalischer Laiendarsteller zu einem Thema äußere, dessen Interna ich nicht beurteilen kann.

Trotzdem habe ich eine ausgeprägte Meinung.
Als Lehrer ist man Führungskraft.
Die Persönlichkeit und das Einfühlungsvermögen in unterschiedliche Menschen spielen eine große Rolle. Erlernbar ist das begrenzt.
Eine pädagogische Ausbildung kann eigentlich einem "geborenen" Lehrer nur den letzten Schliff verleihen.

Fast jeder aus Industrie und Verwaltung kennt das Problem; da werden erfahrene Fachleute zu Führungskräften ernannt und ausgebildet. Eine ganze Industrie von Beratern und Coaches lebt sehr erfolgreich davon.
Trotzdem werden oft aus fähigen Experten nur mittelmäßige Chefs.

Ein guter Chef und Lehrer ist jemand, der seine Schüler mitreißt, weil ihn sein Fachgebiet fasziniert und ausfüllt. Und dieses Feuer läßt er alle unmittelbar spüren.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass solche Themen bei Führungsseminaren keine Rolle spielen.

Kleines Ratespiel: Woher kommen diese Worte?

Erziehung, Namhafte Professoren, Kunst, Pädagoge, Pädagogin, Herausforderung, Schwierigkeiten und Probleme, Hochschulausbildung, Kompetenz, Pünktlichkeit und Disziplin, Diplom, Konservatorium, Steinway Flügel, Mozartino, Stabilisierende Funktion im Gefühlsleben, Im Klavierspiel fangen Sie den ganzen Reichtum der Musik ein ...

Antwort: Ich habe willkürlich und flüchtig die Internetpräsenzen von Klavierlehrern in meiner Heimatstadt "quergelesen".

Was habe ich gesucht?

Freude
Erfüllung
Begeisterung
Schönheit der Musik
Musiker aus Leidenschaft
Spass machen
sich wohl fühlen
Musik macht glücklich

Chiarina, solche Charakteristika spüre ich in vielen deiner Beiträge und auch bei anderen Lehrern hier im Forum sehr deutlich.
Aus meiner Sicht, brauchst du dir keine ernsten Gedanken um ggf versäumte Klavierpädagogik zu machen.

Bei aller Ernsthaftigkeit der Musik als Wissenschaft; - als populärer Mittler, der ein Klavierlehrer in erster Linie ist, - hoffe ich, dass "diese Begeisterungs-Punkte" in einer didaktischen Ausbildung heute nicht fehlen.:p


In der Praxis spüre ich Begeisterung bei meinem jetzigen Lehrer in Reinkultur.
Er hat keine pädagogische Ausbildung.:p

Lieber Gruß, NewOldie
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Bei aller Ernsthaftigkeit der Musik als Wissenschaft; - als populärer Mittler, der ein Klavierlehrer in erster Linie ist, - hoffe ich, dass "diese Begeisterungs-Punkte" in einer didaktischen Ausbildung heute nicht fehlen.:p

möglicherweise fehlen die in manchen Ausbildungszweigen - aber die fehlen ganz gewiß nicht bei denen, bei denen man wirklich Klavier studiert (oder zumindest ist mir da noch keiner begegnet, der nicht für Musik glühte und alles bis ins letzte Detail geliebt hat) : und das ist kein Wunder, denn diejenigen, die ich meine, waren/sind neben ihrer Lehrtätigkeit echte "Vollblutmusiker".

ich habe einmal zugeschaut, wie ein solcher (gestorben 2004) in einer ganz normalen Musikschule einen kleinen "Interpretationskurs" nur über das leichte c-Moll Prelude von Chopin mit Klavierschülern von 8-18 Jahren gemacht hatte - und die lernten an diesem Nachmittag mehr über Musik und Klang, als ansonsten in acht Wochen (sic!!)
 
Hallo Rolf und New Oldie,

ich kann euch nur vollkommen zustimmen!!! Besonders über deinen Beitrag, New Oldie, habe ich mich sehr grfreut, denn es ist sehr interessant, auch Perspektiven aus Schülersicht zu erfahren!!! Ganz toll finde ich z.B. deine Gegenüberstellung von gewünschten und angebotenen Charakteristika!

Es ist natürlich wahr, dass man bestimmte Fähigkeiten als guter Lehrer haben muss, die vermutlich nicht erlernbar sind. Echte Begeisterung und tiefe Liebe zum Fachgebiet gehören dazu!

Weswegen ich diesen Thread eröffnet habe, liegt daran, dass ich mich schon mein ganzes Klavierlehrerleben über die mangelnde Ausbildung geärgert habe. Das Schlimme war, dass die Lehrer, die uns ausgebildet haben, diese Ausbildung auch noch gut fanden .....:-? . Ich wusste nur - so nicht (z.B. hatte ich bei einer Koryphäe einer bekannten Musikschule mein Praktikum gemacht :( ).

Da sich aber mittlerweile ja viel in der Didaktik und Methodik getan hat, wollte ich mal wissen, ob das auch an den Musikhochschulen angekommen ist.

Ich persönlich interessiere mich immer sehr für didaktische und methodische Fortschritte in der Klavierpädagogik und mache Fortbildungen, lese so einiges. Das sollte man allerdings m.E. immer machen, ob man nun eine gute pädagogische Ausbildung genossen hat oder nicht.

Es wäre halt auch für mich schöner und einfacher gewesen, so einige Dinge gleich im Studium gelernt zu haben. Da bin ich doch glatt neidisch auf Nico! :D Die Welt ist ungerecht! :D

Liebe Grüße

chiarina
 
Nico: Und in den insgesamt vier (!) Semester Lehrpraxis, also überwachtem und ausgewertetem Unterrichten, wird großer Wert darauf gelegt, dass immer auch ein Anfänger in der Gruppe oder besser noch bei jedem Studenten eine Rolle spielt.
Was sind das für Anfänger? Wie alt sind die Anfänger?
Ich habe den Eindruck, daß Spätanfänger in einen pädagogischen Musikstudium kaum eine Rolle spielen.

Eben weil den jungen frischgebackenen Diplompädagogen die Lebenserfahrungen fehlen, ist es wichtig, daß sie ein Feeling im Umgang mit den Spätanfängern bekommen und mit ihnen im Studium arbeiten und darüber auch dokumentieren sollten und auswerten.
Meine Erfahrung ist, daß die Absolventen (es gibt Ausnahmen) nach dem Studium in ihrem Klavierunterricht so vorgehen, als hätten sie Kinder bzw. Jugendliche vor sich, sozusagen "das Schema F" abspulen, das sie im Studium erworben haben. Das Konzept mag ja für manch einen Älteren passen, aber in der Regel ist hier eine ganz andere Herangehensweise vonnöten.

Dieser Thread nur als Beispiel:https://www.clavio.de/forum/forum-f...kalische-ansprueche-haben-spaetanfaenger.html und noch mehr im Forum täglich zu lesen von vielen Spätanfängern. Solche oder ähnliche Aufzeichnungen könnte man im Studium nutzen. Sie können hilfreich sein, einen Musikunterricht auch aus der Späterwachsenenperspektive zu sehen lernen und zu entwickeln. Im Spätanfänger-Semester steckt ein Potenziel - auch für die Zunkunft. (Abgesehen davon, daß diese Gruppe finanzkräftiger, treuer und wahrhaftiger ist.) Ich habe den Eindruck, man lebt in der Hochschule in einer ganz anderen Sphäre aber nicht in der Realität.

Für Meinungsäußerungen bin ich immer dankbar. :)
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hallo Kulimanauke,

ich befürchte, ich kann dir so recht keine guten Gründe für eine Meinungsänderung vermitteln :p . Trotzdem tut sich was im Staate Deutschland, denn, wie du auch sagst, haben die Musikschulen mittlerweile diese Lücke und große Chance erkannt. Der Erwachsenenunterricht wird immer mehr zunehmen und so wird es auch immer mehr didaktisches Material geben.

Trotzdem steckt die Sache noch in den Kinderschuhen :p, wenn ich das mal so sagen darf. Es geht auch viel um Kommunikation - kein Erwachsener hat Lust, wie ein Kind behandelt zu werden und ständig Kinderlieder mit entsprechenden Bildchen zu spielen. Da ist also noch einiges im Argen. Leider!!!

Viele Grüße

chiarina
 
Es geht auch viel um Kommunikation - kein Erwachsener hat Lust, wie ein Kind behandelt zu werden

Als erwachsener Klavierschüler möchte ich vor allem diese Aussage aus eigener, leidiger Erfahrung unterstreichen...

Selbst meinem Klavierlehrer (auf den ich aber sonst nichts kommen lasse) merke ich bei seiner Form der Kommunikation doch teilweise sehr deutlich an, dass er viel Kinder unterrichtet, bzw. unterrichtet hat...ich nehme es ihm nicht übel, aber zuweilen nervt es gewaltig und hält auf.

Grüße
Musicus
 

Was sind das für Anfänger? Wie alt sind die Anfänger?
Ich habe den Eindruck, daß Spätanfänger in einen pädagogischen Musikstudium kaum eine Rolle spielen.

Das ist unterschiedlich. Es kommt vor, dass ein Erwachsener dort sitzt, meist sind es aber Kinder. Was ich persönlich auch für sehr sinnvoll halte. Mit Erwachsenen kann man (muss man auch...) anders reden als mit Kindern. Kinder brauchen einfach eine andere Art der Vermittlung von Inhalten als "Hand so, Finger so, diese Note heißt C und jetzt spiel los". Gut, diese Art ist auch bei Erwachsenen eher fehl am Platz, aber ich hoffe, ihr versteht, was ich meine...
In meinen eigenen Unterrichtsanfängen (gebend) hatte ich mit mehreren erwachsenen Schülern kaum Probleme. Zu jedem fand ich einen Draht, ich glaube, dass jeder ganz zufrieden war. Mit einigen Kindern dagegen tat ich mich schwer. Das lag an dem Unterricht, den ich selbst mal erhalten hab. Ich hab nämlich kein Spiel gespielt, kein Bild gemalt, keinen Noten geschrieben, selbst meine Klavierschule hatte kein Bild - zumindest kenn ich keine Ausgabe vom Ersten Lehrmeister (Czerny), in der bunte Bilder drin sind...Daher war ich sehr dankbar für die vielen Anregungen, die ich im Studium bekommen konnte. Was man davon für sich selber mit- und übernimmt, ist ja jedem selbst überlassen. Aber auf so geballtem Raum so viele verschiedene (da ja jeder Student auch eigene Ansätze und Ideen hat) Möglichkeiten zu sehen, empfand ich als sehr wertvoll.
Wobei es in der freien Wildbahn dann eh viel darauf ankommt, dass man eigene Ideen hat. Jeder Schüler ist anders. Jeder Schüler braucht anderes. Und bei 20+ Schülern ist schon so viel anderes dabei, dass man sich einfach neue Dinge einfallen lassen muss...
 

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