Klavierlehrer - erwarte ich zuviel?

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Atra

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7. Feb. 2008
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Halo,

ich muss mal ausholen und ihr dürft ruhig ehrlich sein,wenn ich ganz falsch liege.

Ich selber bin C-Musiker, versteh also durchaus was von Musik, mein Mann Schlagzeuger und spielt Gitarre.

Unser Sohn, 10 hat seit 4 Jahren Klavierunterricht, zunächst 2,5J in der Musikschule. Der erste Lehrer war ständig krank, landete dann in der Klappsmühle. Erfolg: In einem Jahr Rico 1 und die ersten 3 Seiten von Rico 2 gearbeitet.
Dann kam eine andere Lehrerin: In 1,5 Jahren Rico 2 fertiggestellt (parallell hatten wir auch Ricos Konzert II).
Dann hatte Sohn (und ich) die Faxen dicke.- Er wollte was "richtiges" spielen. die Rico-Stücke musste er sich 2x die Woche für 10 minuten angucken und spielen, dann konnte er die. Herausforderung 0.
Wir redeten mit der Lehrerin, die beharrte auf dem Standpunkt, dass die Kinder heute nichts klassisches spielen wollen und schlug ein Boogie-Woogieheft vor (dasselbe wie bei Rico: links Akkorde, rechts ein bisschen tralala).

Wir kamen durch Zufall an eine polnische Klavierlehrerin, die nach 2 Probeunterrichten Sohn zusagte. Und es war auch zunächst ein Quantensprung. Aber mir kam ihr Unterricht extrem unstrukturiert vor. Mit der Zeit waren immer mehr Stücke offen.
Sie arbeitete sehr oberflächlich. In 45 min wurden teilweise bis zu 12 Stücke durchgenudelt. Darunter Beethovensonatinen, Grieg-Walzer, Chopin-Walzer.
Sohn hatte zuletzt (wir haben gezählt) 29 (!) offene Stücke.
Der Unterricht lief so, dass die 10-12 Stücke runtergespielt wurden, während mein Sohn spielte, wurde rumgemotzt und dann was hastig ins Hausaufgabenheft geschrieben (ich zitiere: "schlechte spielte, mehr volle töne, bessere Fingere"), nächstes Stück.
Mein 10-jähriger schafft es nicht 12 Stücke in einer Woche zu üben. Also pickten wir 5 Stücke heraus, die wurden geübt - mehr war nicht drin.
In der Woche drauf interessiert sie sich nicht für die geübten Stücke sondern griff wahllos ein anderes heraus - oder fing wieder ein neues an.

Das ganze osteuropäisch temperamentvoll mit viel Geschimpfe. Fingersätze sollte ich mit ihm austüfteln (du kenne Kinderfingere besser als ich).

Ich habe schon 2x versucht mit ihr zu reden, dass sie an weniger Stücken, dafür intensiver abrbeiten soll. Z.B. Fingersätze ausarbeiten - warum soll ich das machen? Auch wenn ich das kann - aber wofür bezahle ich einen Lehrer?
Oder auch so eine Analyse - Sohn hat meistens gar nicht begriffen,was er da spielt (wo ist Melodie, wo die Begleitung, was wird betont, harmonische Wendungen - oder muss ein 10-jähriger das schon erkennen können?)

Am Mittwoch hatte ich die Faxen dicke und habe mich von ihr getrennt. Sie begrüßte das und meinte, sie hätte sowieso schon zwei neue Schüler - und das wären liebe Kinder.

Man muss dazu sagen, mein Sohn ging die letzten Wochen mehr und mehr auf Opposition und hat ein Verhalten entwickelt, das die Klavierlehrerin auf Kommando an die Decke gehen ließ - ein geordneter Unterricht war nicht möglich - nur wenn ich die ganze Zeit dabei war und meinen Sohn "unter Kontrolle" hatte.

Bei meiner Nachbarin (deren Kinder haben da auch noch Unterricht), hat sie sich ausgeweint, dass ich mich zu sehr in ihren Unterricht gemischt hätte und hätte ihr vorschreiben wollen, wie sie zu unterrichten hätte.

Ich bin der Meinung, dass man in 45 Minuten max. 5 Stücke bearbeiten kann, da er ja mittlerweile keine kleinen Kinderstücke sondern auch eben längere, anspruchsvollere Stücke spielt. Das habe ich ihr gegenüber auch so formuliert.

Liege ich so völlig falsch? Was ist denn heutzutage Standard? Was kann ich an Didaktik erwarten?

Ich selber habe hervorragenden Klavier- und Orgelunterricht genossen und wäre die Frau heute nicht steinalt - ich würde meinen Sohn zu ihr schicken.
Sie war durchaus streng und anspruchsvoll, aber sehr strukturiert, man hatte einen roten Faden und im Nachhinein hatte sie diese Gradwanderung zwischen Forderung und Überforderung exakt beherrscht. Vergleiche ich vielleicht zuviel?

LG Atra
 
Ich glaube aber, es würde Sinn machen, auch mal die kleinen Klavierschüler zu befragen, was sie gut finden ;-)
Ich habe bei meinem Sohn mit Piano Kids Bd. 1 und 2 angefangen, nicht lange, vielleicht 1/2 Jahr? Bei einem neuen (Orgel-)Lehrer sollte er mit Emonts Bd. 1 beginnen.
Nicht nur ich fand das Heft gräßlich angestaubt, auch die Motivation meines 10jährigen ist auf den Nullpunkt gegangen.
Jetzt spielt er bei einer neuen (natürlich russischen :-) Klavierlehrerin quer Beet aus Anna Magdalenas Notenbüchlein; Entertainer; einfachere Bach-Schumann-Mozart-Stücke. Außerdem bekommt er "Fingerübungen" auf, zu denen praktisch auch "Knecht Rupprecht" gehört, den er nach 1.5 Jahren Unterricht schon kann.

Kurzum, wenn die jungen Pianisten ein Wörtchen mitzureden hätten, glaube ich, wäre Emonts & Co. gaaaaaanz weit hinten angesiedelt...
 
Hallo Rolf,

habe ich das richtig verstanden, daß jeder Anfänger mit den obengenannten Stücken problemlos einsteigen kann?

Ich habe auch einige vierjährige und fünfjährige Anfänger.
Ich bezweifle Deine Aussage sehr. Ok, daß sie nach zwei Jahren damit anfangen können, aber zum Einsteigen.....:?:

Klavierlernen soll dennoch Spaß machen.
Am meisten macht es aber Spaß, wenn ein motivierter Schüler bei einem Lehrer auch Fortschritte macht.

Liebe Grüße, Mario

hallo,

bitte verzeih, dass ich Deinen ausführlichen Beitrag so radikal gekürzt zitiere.

Ja, Du hast mich richtig verstanden: jeder Anfänger kann mit einer individuell angepassten Auswahl mit den von mir genannten Stücken anfangen, falls dafür ein geeigneter Pädagoge vorhanden ist. Das ist keine Theorie, sondern ganz banale Empirie: ein Anfänger mit in Schulzeiten wöchentlich 30-45min Einzeluterricht kann nach einem Jahr trotz Ferien Bachs Menuett in G, das 1. Prael. WTK I und Debussys kleinen Neger spielen -- egal ob das Kind mit 5 oder erst mit 8-9 Jahren anfängt.

ABER dabei sollte man den kognitiven Horizont der Kinder nicht mit unnötigem Ballast überfordern: die sollen sich spielerisch an Tastenbilder/symmetrien und Bewegungen (wie ein Tiger, wie ein Mäuschen, wie eine Schleichkatze usw usw) orientieren - KEINESFALLS soll man die mit groß gemalten Noten, Notennamen und sonstigem Kram plagen!!! Für 5-7 jährige Kinder genügt es, dass sie in der Grundschule mit einem Zeichensystem (Alphabet) lange Zeit nicht eben wenig gefordert werden - ein paralleles zweites Zeichsystem ist da nicht allzu hilfreich (Kenntnisse über Spracherwerb und Kognitionspsychologie habe noch nie geschadet, und schon gar nicht im Anfängerunterricht an einem Instrument)

---wer behauptet "ich will aber, dass mein kleines XY bei der Lehrerin auch notenlesen lernt, damit es von den Noten Weihnachtslieder spielen kann" verkennt schlichtweg, worum es geht, wenn KINDER ein INSTRUMENT erlernen wollen - die wollen darauf SPIELEN, und das ist gut so und läßt sich bestens für das Angewöhnen von Bewegungsmustern verwenden. Warum den Spieldrang von neugierigen Kindern mit unnützem, oft auch deren kognitiven Horizont sprengendem "Lernmaterial" eindämmen? das "notenlesen" kommt peu a peu von allein, zunächst nur über das Wahrnehmen von Verlaufsbildern (man lernt das automatisch auf ähnliche Weise, wie man automatisch sprachlich-denkend kategorisiert) und Strukturen.

:) wer heulen sollte, weil der eigene Nachwuchs zwar Bach, Schumann, Chatschaturjan, Debussy (leicht verständliche, durchaus kindgerechte Klänge und Verläufe) SPIELEN aber (noch) nicht LESEN kann... ... was würde das auf seine SPIELERISCHE LEISTUNG ZU RECHT STOLZE Kind dazu sagen?????

natürlich ist egal, ob man die entsprechenden Stücke aus einer "Klavierschule" oder aus den genannten Werken entnimmt - der Umgang damit ist eintscheidend!

überhaupt das leidige "Noten lesen" und "Tonarten/Vorzeichen oh je oh je": warum leiten die untauglichen "Klavierschulen" eigentlich die Kinder zum "buchstabieren" an??? niemand buchstabiert beim lesen... auch nicht beim Noten lesen, wenn man sich en passant daran gewöhnt hat. Und das kommt en passant, ohne alle Zwänge.

Ich mache es einen Nachmittag lang derzeit mit zwei Anfängern so, mehr Zeit kann ich für "Schüler" leider nicht aufwenden - die anderen spielen Chopinetüden, Sonaten, Charakterstücke (und das ohne bei Wettbewerben mitzumachen, sondern einfach trotz G-8 und Schulstress aus Begeisterung).

Es funktioniert!

liebe Grüße, Rolf

ach ja: die Weihnachtslieder... klar, aber elendig sind die Begleitungen und wenig geschickt ist es, erst ein paar Tage vor Nikolaus sowas machen zu wollen... wer partout will, bekommt von mir erst die Begleitung (die ich selber zusammen stelle!) und darf allein die Melodie herausfinden, das wird dann zusammengesetzt (immer mit dem Hinweis an die Eltern, dass gerade gebührenpflichtig Zeit vertan wird - da bin ich unbelehrbar!) :)
 
Bei einem neuen (Orgel-)Lehrer sollte er mit Emonts Bd. 1 beginnen.
Nicht nur ich fand das Heft gräßlich angestaubt, auch die Motivation meines 10jährigen ist auf den Nullpunkt gegangen.

Hallo Nicola,

war das jetzt von Emonts "Die Europäische Klavierschule" oder "Erstes Klavierspiel"?
"Europäische Klavierschule" ist speziell für kleinere Kinder geacht. Diese haben auch Spaß daran, da sie kindgerecht gestaltet wurde. Mit vielen Bildern, Tieren usw.

Die Klavierschule "Erstes Klavierspiel" ist z.B. für Ältere, so ab 13 oder 14 Jahren gut geeignet.

Schlecht wäre jetzt zum Beispiel wenn kleinere Kinder mit sechs Jahren mit "Erstes Klavierspiel" anfangen: Zu kleine Notenzeilen, keine Bilder und es beginnt direkt mit dem Fingerspiel.

Umgekehrt genauso. Einen 20-jährigen kann man nicht mit der "Europäischen Klavierschule" unterrichten, was ich schon erlebt habe.
Als ich das hörte, dachte ich es fehlt nur noch der Schnuller, den ihm der Klavierlehrer zum Geburtstag schenkt. (Kleiner Scherz!)


Kurzum, wenn die jungen Pianisten ein Wörtchen mitzureden hätten, glaube ich, wäre Emonts & Co. gaaaaaanz weit hinten angesiedelt.

1. Wenn ich eine Klavierschule auswähle, muß ich als Klavierpädagoge zunächst sehen, welche Klavierschule die geeignete für den Schüler ist. Das ist von Schüler zu Schüler unterschiedlich.

2. Ebenso ist es schlecht, wenn ein Lehrer sagt: Du kannst Dir eine Klavierschule aussuchen!

3. Müssten sie klavierpädagogische Erfahrungen haben, wenn sie bei der Auswahl ein Wörtchen mitzureden hätten, da eine Klavierschule auch klavierpädagogischen Wert haben soll.

Klavierschulen, die nur supertoll mit Bildern ausgestaltet sind, bis zum Schluß nur easy und leicht gestaltet, ja keine Fingerübungen, keine Etüden (um Gottes Willen),wenig lernen, nur das nötigste, nur Fun besitzt, damit der Herausgeber ein gutes Geschäft macht, halte ich als Klavierpädagoge gar nichts davon.

Natürlich ist es wichtig daß die Kinder Spaß beim Klavierspielen haben und motiviert sind. Bin ich in voller Übereinstimmung! Aber das alleine reicht nicht für eine gute Klavierschule.

Eine gute Klavierschule heißt für mich auch: Klavierspielen zu lernen.

Was nützten solche Fun- Klavierschulen, die gut ausstaffiert sind, einen Spaß hinter dem anderen besitzten, aber das klavierpädagogische Fundament gar nicht berücksichtigt wurde?

Was bringen solche Klavierschulen, in denen man richtiges Klavierspielen eigentlich gar nicht lernt?

Liebe Grüße, Mario
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hallo Mario,

ich kenne nur das "Erstes Klavierspiel" von Emonts.
Allein die Stückeauswahl finde ich veraltet. Mein Sohn (10) sollte da immer mitsingen "Komm wir wollen singen, tanzen, komm und laß uns musiziern". Das ganze im Kanon :rolleyes:

Aber Du hast natürlich Recht - der Lehrer bestimmt die Klavierschule, Kinder kann/darf man da nicht entscheiden lassen.

Würde mich aber trotzdem interessieren, was an Piano Kids verwerflich ist? Die (auch wieder russische :D ) Klavierlehrerin meiner Arbeitskollegin hat damit deren Sohn unterrichtet, mittlerweile Band 3.
Den habe ich mir mal durchgeblättert, fand das nicht mehr so gut. Aber die ersten beiden Bände fand ich zum Lernen ok und ich glaube nicht, daß ich meinen Sohn damit "verzogen" habe (hoffe ich zumindest ;) )
 

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