Kent Nagano: Erwarten Sie Wunder

@jannis

Das ist kulturpessimistisches Blabla der billigen Sorte.

;-) mein Tipp: erst gründlicher nachdenken, dann vom Leder ziehen (falls es nach dem nachdenken noch einen Grund dafür gibt)

Dieser Vorwurf geht ja erst mal an Kent Nagano, der sich uebrigens auch darueber, ob er nun "kulturpessimistisches Blabla" betreibt oder nicht, in dem Buch Gedanken macht. Du stimmst also Herrn Nagano nicht zu, was ich durchaus verstehe :teufel:.

@jannis

Wie erklärt man sich angesichts dieses Pessimisus den Umstand, dass nahezu sämtliche europäischen Musikhochschulen Zulassungsbeschränkungen aufweisen?

Das ist meiner Meinung nach weder ein Argument fuer noch gegen den Kulturpessimismus: Die Bewerberzahl ist schlicht zu hoch im Vergleich zum Markt. Auszerdem will der Staat nicht so viel fuer die extrem teuere Ausbildung zahlen (Einzelunterricht z.B.). Dazu kommt, dasz ich gehoert habe, dasz es angeblich bei Klavier "Europaeerquoten" gibt. Also kommt ein erheblicher Anteil des Interesses nicht aus Europa. Dafuer koennen die Gruende sehr unterschiedlich sein, mangelndes Interesse, bessere Alternativen, zu schlechte Ausbildung vor der Hochschulzeit im Kindesalter trotz Interesse in Europa z.B.

Auszerdem ging es Nagano ja gerade nicht um die durchaus vorhandenen Spezialisten wie hervorragende Instrumentalisten sondern das mehr oder weniger interessierte Publikum, das anscheinend nur noch von "Events", wie Du sie beschreibst, zu locken ist?

Eine abschlieszende Frage, speziell an @rolf oder andere Berufsmusiker hier: Bisher seht Ihr wenig Grund in den gewissen Kulturpessimismus von Nagano einzustimmen, Ihr findet die Bedeutung und den Platz speziell der klassischen Musik in Deutschland in der Gesellschaft angemessen vertreten durch die Hochschulen, die Musikschulen, die lebendige Kirchenchorszene, Laienorchester und zumindest halbwegs volle Konzertsaele bzw. Festivals. Ihr habt nicht den Eindruck, dasz sich die juengere Generation anstrengender "klassischer" Musik "verweigert", siehe Teilnehmerzahlen und Qualitaet der Darbietungen bei "Jugend musiziert" oder anderen Konzerten (Tonkuenstlerverband). Es besteht keinerlei Sorge, dasz die Kontinuitaet der Tradition unterbrochen werden koennte, da es immer ein breites Interesse an klassischer Musik geben wird. Anders lautende Beobachtungen sind Kulturpessimismus, den Ihr nicht teilt?

Ich frage deshalb, ob ihr das so seht, da ich auf Grund meiner Sozialisierung natuerlich auch nicht so ganz an den Untergang der klassischen Musik glauben kann. Von Musikschullehrern hoere ich allerdings schon auch viel Jammern ueber die Massen uninteressierter Schueler, die eigentlich nur Entspannung oder die Moeglichkeit mit einem Instrument anzugeben suchen und "Amelie" oder "Fluch der Karibik" oder "Pink Panther" jedenfalls etwas "Cooles" spielen wollen.

Mir scheint, dasz also die Fragen Naganos zumindest hier im Forum keine grosze Rolle spielen?

Viele Gruesze
Jannis
 
Mir scheint, dasz also die Fragen Naganos zumindest hier im Forum keine grosze Rolle spielen?
@jannis
das Forum ist völlig irrelevant.
Naganos Fragen wenden sich nicht primär an irgendeine Forenmehrheit.

Nagano selber hat keine ernst zu nehmende Ursache, sich über mangelnde Resonanz klassischer Musik vulgo Kunstmusik zu beklagen: seine Schäfchen weiden im trockenen.

Die Frage ist also aus der Position der ins trockene gebrachten Schäfchen gestellt und müsste folglich präziser formuliert werden: kann es künftig weitere Naganos, Horowitze, Karajans geben, oder ist der Zug abgefahren?

...salopp gesagt: es wird noch eine Weile gutgehen :puh:;-)

(ja... zugegeben... so ganz ernst ist der Beitrag nicht...)
 
Ich habe mich nur gefragt, @rolf , ob Forenmitglieder, insbesondere die Berufsmusiker das von Nagano beschrieben Orchestersterben in den USA, die Umwandlung fester Stellen an Musikschulen und -hochschulen in Lehrvertraege, das scheinbar sinkende Interesse der Masse Schueler an Musikschulen fuer "anstrengende" Klassik auch fuer ein Anzeichen des Rueckganges der gesellschaftlichen Relevanz (falls es denn eine gibt) klassischer Musik halten oder nicht. Gestern habe ich erst wieder mit einer Lehrperson eines groeszeren Konservatoriums in Deutschland telefoniert, die sich ueber ihre 80% "unkultivierter" Asiaten kritisch geaeuszert hat. Angeblich haben sie schnelle Finger aber keine umfassende Musikbildung. Natuerlich stimmt das sicher nicht fuer alle, aber ist es so, dasz viele Klavierstudierende nur ihre Tasten kennen?
Vielleicht war das immer so ("industrielle" Klaviertechnik seit dem 19. Jhdt.), vielleicht gibt es aber tatsaechlich einen Wandel: Wir wollen wieder aeuszerlich polierte Schoenheit, Zerstreuung, keine "anstrengenden" Inhalte? Ich weisz das nicht, da ich so viele Leute nun auch wieder nicht kenne. Wenn bei uns Asiaten kommen, bringen sie oft ein sehr schoen verpacktes aeuszerlich glatt poliertes Geschenk mit, z.B. eine Plastikcomputermaus im 20cm Karton. Ist dieser Kitsch symptomatisch? Ist "Schoenheit alles" oder doch nur, wie Celibidache meinte "nur der Koeder" fuer etwas Groeszeres dahinter. Verlieren wir dieses "Groeszere"?
Ja, sicher, eine Weile wird es "noch gut gehen" :super:.
Jannis
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe mich nur gefragt, @rolf , ob Forenmitglieder, insbesondere die Berufsmusiker das von Nagano beschrieben Orchestersterben in den USA, die Umwandlung fester Stellen an Musikschulen und -hochschulen in Lehrvertraege, das scheinbar sinkende Interesse der Masse Schueler an Musikschulen fuer "anstrengende" Klassik auch fuer ein Anzeichen des Rueckganges der gesellschaftlichen Relevanz (falls es denn eine gibt) klassischer Musik halten oder nicht. Gestern habe ich erst wieder mit einer Lehrperson eines groeszeren Konservatoriums in Deutschland telefoniert, die sich ueber ihre 80% "unkultivierter" Asiaten kritisch geaeuszert hat. Angeblich haben sie schnelle Finger aber keine umfassende Musikbildung. Natuerlich stimmt das sicher nicht fuer alle, aber ist es so, dasz viele Klavierstudierende nur ihre Tasten kennen?
Vielleicht war das immer so ("industrielle" Klaviertechnik seit dem 19. Jhdt.), vielleicht gibt es aber tatsaechlich einen Wandel: Wir wollen wieder aeuszerlich polierte Schoenheit, Zerstreuung, keine "anstrengenden" Inhalte? Ich weisz das nicht, da ich so viele Leute nun auch wieder nicht kenne. Wenn bei uns Asiaten kommen, bringen sie oft ein sehr schoen verpacktes aeuszerlich glatt poliertes Geschenk mit, z.B. eine Plastikcomputermaus im 20cm Karton. Ist dieser Kitsch symptomatisch? Ist "Schoenheit alles" oder doch nur, wie Celibedache meinte "nur der Koeder" fuer etwas Groeszeres dahinter. Verlieren wir diese "Groeszere"?
Ja, sicher, eine Weile wird es "noch gut gehen" :super:.
Jannis
Meiner (zugegebenermaßen beschränkten) Wahrnehmung nach ist das mit dem Orchestersterben, dem Abbau oder der Umwandlung der Lehrstellen usw. ein Dauerthema, beinahe schon seit dem Zeitalter der großen Komponisten selbst. Die Kassandrarufe, die den Untergang der klassischen Musik oder gar der gesamten westlichen Kultur prophezeien höre ich schon, seit ich ein Teenager war, und das ist nun wirklich schon ein paar Tage her. Herr Nagano hat wahrlich kein Patent auf solche Aussagen. Eingetroffen sind diese düsteren Vorhersagen bisher noch nicht, zumindest nicht, soweit ich das abschätzen kann. Natürlich haben die Kulturschaffenden aller Länder seit jeher schon hart um die wirtschaftliche Existenz kämpfen müssen (und in dem Zusammenhang muss man wahrscheinlich auch das Buch von Herrn Nagano sehen). Das war aber schon zu Mozarts und Beethovens Zeiten so und hat sich seitdem nicht großartig geändert. In Abwandlung eines Brechtzitats kommt bekanntlich erst das Fressen und dann die Kultur.
Was "die Asiaten" angeht, so wäre ich da mit pauschalen Aussagen sehr vorsichtig. "Die Asiaten" gibt es nämlich so nicht. Abgesehen von nationalitätsbedingten kulturellen Unterschieden (ein Japaner hat mitnichten den gleichen Hintergrund wie ein Chinese, Koreaner oder Vietnamese) ist ein Lang Lang eben auch kein Yundi Li, obwohl beide Chinesen sind. Mit solchen Aussagen gerät man sehr schnell in Teufels Küche.
 
Ja, nur was Klavier betrifft, so waren "die Asiaten" bis vor wenigen Jahren hauptsaechlich Japaner und Koreaner, inzwischen sind Klavierschulen in China zu beeindruckender Groesze angewachsen, Klavier ein haeufig gewaehltes Instrument. Selbst die haeufiger werdenden Studierenden aus Indonesien oder meinetwegen Vietnam bilden nicht die Mehrheit. Es geht hier eigentlich nur um die Hintergrundbildung in europaeischer klassischer Musik und Kulturgeschichte. Diese scheint bei einigen dieser Studierenden und konkret besonders bei Leuten aus China ganz und gar nicht europaeisches Niveau zu haben. Im Vergleich zur Fingerfertigkeit ist das Wissen ueber andere europaeische Musik, Musikgeschichte, und Anknuepfungspunkte der Musik an die Kulturgeschichte und allgemeine Historie offenbar geringer als erhofft bzw. fuehrt zu sehr eigenartigen Interpretationen der Musik.
Jetzt koennte man natuerlich sagen: "Ja, das ist normal fuer jemanden aus China mit anderen ....". Klar, ist ja alles richtig, aber manches Miszverstaendnis fuehrt eben doch zu Interpretationen, die den Absichten der Komponisten zuwiderlaufen moegen.
Das mag auch fuer Europaeer zutreffen, schlieszlich interpretieren wir ja auch aus unserer jetzigen Erfahrung und Sicht Mozart und spielen eben nicht wie Mozart, daher ja auch die Existenzberechtigung der "historisch informierten Musikpraxis". Ja, man kann ueber alles streiten und Wortklauberei betreiben, trotzdem duerfte ziemlich klar sein, was mit einer "miszverstaendlichen Interpretation" in diesem Zusammenhang gemeint ist.
Irgendwie habe ich das Gefuehl, dasz eigentlich keiner Naganos Buch gelesen hat und sich viele denken: Oh wie langweilig, Kulturpessimismus war immer, alles schon einmal dagewesen, und stimmt doch eigentlich alles nicht, es aendert sich eigentlich nichts.

Darin, dasz sich nichts aendert, kann ich ueberhaupt nicht zustimmen. Die Zeit der Stars vom Schlage Karajans oder Michelangelis scheint mir voellig ueberholt, wenn man sich z.B. Lang Lang anschaut. Die Vermarktung, das "Funktionieren-Muessen" haben (wahrscheinlich, vielleicht?) ganz andere Dimensionen angenommen. Koennte sich einer leisten so viele Konzerte aus so "laecherlichen" Gruenden wie der falschen Buehnentemperatur abzusagen wie Michelangeli und trotzdem ein vielgesuchter Star bleiben? Ich glaube eher nicht. Dafuer gibt's Lang Lang sneakers (Ja, die gibt es ueber seine Webseite!). Waere so etwas von Michelangeli vorstellbar? Wie war das mit @rolf 's Eventcharakter?
Man macht es sich natuerlich auch einfach, wenn man nur sagt: ja, ja, alles schon dagewesen, aendert sich ja doch nichts. :denken::konfus:
Ich war anfangs sehr skeptisch mit Naganos Buch. Vielleicht lohnt es sich aber trotzdem, darueber nachzudenken. Vielleicht ist der Gewinn, es zu lesen, auch die Frage sich zu stellen, was klassische Musik fuer einen selbst bedeutet. Klaviertasten druecken? In Sentimentalitaet fliehen? Ein Anstosz, sich auch mit der Zeit der Komponisten und dem damaligen Lebensgefuehl, der Gesellschaft und Kultur zu beschaeftigen? Aendert Musik mein eigenes Verhalten, was waere ich ohne klassiche Musik? Warum klassische Musik? Wieso hoeren wir zum x-ten Male bestimmte Stuecke?
Jannis
 
Oder anders formuliert: Es gibt so viele davon, dass sich allein schon aus stochastischen Gründen jede Pauschalaussage verbietet. :-)

Bloß ein off/(u)topischer Gedanke:
Vielleicht wird ab einer bestimmten Maße die Pauschalisierung gerechtfertigter aufgrund von Gruppendynamiken und Massenabfertigung.
Ich denke tatsächlich, dass in "kleineren" (wie immer das aussehen mag, Zahlen oder konkrete Größenverhältnisse von Gruppen oder Nationen habe ich nicht parat) Gruppen die Individualität stärker hervortreten bzw. gefördert werden kann.
 
Ja, nur was Klavier betrifft, so waren "die Asiaten" bis vor wenigen Jahren hauptsaechlich Japaner und Koreaner, inzwischen sind Klavierschulen in China zu beeindruckender Groesze angewachsen, Klavier ein haeufig gewaehltes Instrument. Selbst die haeufiger werdenden Studierenden aus Indonesien oder meinetwegen Vietnam bilden nicht die Mehrheit. Es geht hier eigentlich nur um die Hintergrundbildung in europaeischer klassischer Musik und Kulturgeschichte. Diese scheint bei einigen dieser Studierenden und konkret besonders bei Leuten aus China ganz und gar nicht europaeisches Niveau zu haben. Im Vergleich zur Fingerfertigkeit ist das Wissen ueber andere europaeische Musik, Musikgeschichte, und Anknuepfungspunkte der Musik an die Kulturgeschichte und allgemeine Historie offenbar geringer als erhofft bzw. fuehrt zu sehr eigenartigen Interpretationen der Musik.
Jetzt koennte man natuerlich sagen: "Ja, das ist normal fuer jemanden aus China mit anderen ....". Klar, ist ja alles richtig, aber manches Miszverstaendnis fuehrt eben doch zu Interpretationen, die den Absichten der Komponisten zuwiderlaufen moegen.
Das mag auch fuer Europaeer zutreffen, schlieszlich interpretieren wir ja auch aus unserer jetzigen Erfahrung und Sicht Mozart und spielen eben nicht wie Mozart, daher ja auch die Existenzberechtigung der "historisch informierten Musikpraxis". Ja, man kann ueber alles streiten und Wortklauberei betreiben, trotzdem duerfte ziemlich klar sein, was mit einer "miszverstaendlichen Interpretation" in diesem Zusammenhang gemeint ist.
Irgendwie habe ich das Gefuehl, dasz eigentlich keiner Naganos Buch gelesen hat und sich viele denken: Oh wie langweilig, Kulturpessimismus war immer, alles schon einmal dagewesen, und stimmt doch eigentlich alles nicht, es aendert sich eigentlich nichts.

Darin, dasz sich nichts aendert, kann ich ueberhaupt nicht zustimmen. Die Zeit der Stars vom Schlage Karajans oder Michelangelis scheint mir voellig ueberholt, wenn man sich z.B. Lang Lang anschaut. Die Vermarktung, das "Funktionieren-Muessen" haben (wahrscheinlich, vielleicht?) ganz andere Dimensionen angenommen. Koennte sich einer leisten so viele Konzerte aus so "laecherlichen" Gruenden wie der falschen Buehnentemperatur abzusagen wie Michelangeli und trotzdem ein vielgesuchter Star bleiben? Ich glaube eher nicht. Dafuer gibt's Lang Lang sneakers (Ja, die gibt es ueber seine Webseite!). Waere so etwas von Michelangeli vorstellbar? Wie war das mit @rolf 's Eventcharakter?
Man macht es sich natuerlich auch einfach, wenn man nur sagt: ja, ja, alles schon dagewesen, aendert sich ja doch nichts. :denken::konfus:
Ich war anfangs sehr skeptisch mit Naganos Buch. Vielleicht lohnt es sich aber trotzdem, darueber nachzudenken. Vielleicht ist der Gewinn, es zu lesen, auch die Frage sich zu stellen, was klassische Musik fuer einen selbst bedeutet. Klaviertasten druecken? In Sentimentalitaet fliehen? Ein Anstosz, sich auch mit der Zeit der Komponisten und dem damaligen Lebensgefuehl, der Gesellschaft und Kultur zu beschaeftigen? Aendert Musik mein eigenes Verhalten, was waere ich ohne klassiche Musik? Warum klassische Musik? Wieso hoeren wir zum x-ten Male bestimmte Stuecke?
Jannis
Ok, also in einem hast du Recht: ich habe das Buch nicht gelesen. Gelobe hiermit Besserung, werde es am Wochenende herunterladen, bitte aber um Verständnis, das ich schon ein paar Tage brauchen werde, um es zu lesen.
Was die Sache mit dem Kulturpessimismus angeht, so habe ich das Wort bewußt nicht in den Mund (auf die Tastatur? ;-)) genommen. Ich habe im übrigen auch nicht behauptet, es würde sich nie etwas ändern. In den letzten Jahren hat sich schon etwas geändert, nämlich das Internet. Das gibt den Kulturschaffenden eine sehr viel breitere, i.e. globale Plattform, was wiederum eine massive Ausweitung des erreichbaren Publikums zur Folge hat. Das finde ich, abgesehen von Marketingauswüchsen wie den genannten Lang-Lang-Sneakern erstmal grundsätzlich förderlich. Insofern hat sich die Situation m.E. nach also eher verbessert als verschlechtert. Und was Karajan angeht: über den schieden sich damals bekanntlich genauso die Geister wie heutzutage über Lang Lang. Mit seinen Mitteln hat der damals auch ganz gut Marketing betrieben :-D.
So, zu guter letzt das Thema "Asiaten". Wie gesagt: Teufels Küche:-D. Unabhängig davon, daß die Aussage "die Chinesen haben nicht den kulturellen Hintergrund wie wir Europäer" genau die Art von pauschalisierender Aussage ist, die mir erhebliches Magendrücken bereitet (entgegen anderslautender Gerüchte sind nämlich sowohl Europäer als auch Chinesen durchaus Individuen mit individuellen Fähigkeiten und Kenntnissen; nicht jeder Chinese ist Lang Lang und nicht jeder Europäer ist Roger Willemsen :-D, überspitzt formuliert), halte ich die Bezeichnung asiatischer Pianisten als "Tastendrücker" oder "seelenlose Übertechniker", wie man das öfters liest, gelinde gesagt für gewagt. Wer sich mal die Einspielungen von Yundi Li z.B. anhört wird da schnell in Argumentationsschwierigkeiten geraten. Oder anders ausgedrückt: was würde ich dafür geben, wenn ich nur halb so gut spielen könnte :-D. Um mit einem nicht ganz unbekannten Finanzminister zu sprechen: "We have to agree to disagree" :-D.
 
Ok, also in einem hast du Recht: ich habe das Buch nicht gelesen. Gelobe hiermit Besserung, werde es am Wochenende herunterladen, bitte aber um Verständnis, das ich schon ein paar Tage brauchen werde, um es zu lesen.

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So, zu guter letzt das Thema "Asiaten". Wie gesagt: Teufels Küche:-D. Unabhängig davon, daß die Aussage "die Chinesen haben nicht den kulturellen Hintergrund wie wir Europäer" genau die Art von pauschalisierender Aussage ist, die mir erhebliches Magendrücken bereitet (entgegen anderslautender Gerüchte sind nämlich sowohl Europäer als auch Chinesen durchaus Individuen mit individuellen Fähigkeiten und Kenntnissen; nicht jeder Chinese ist Lang Lang und nicht jeder Europäer ist Roger Willemsen :-D, überspitzt formuliert), halte ich die Bezeichnung asiatischer Pianisten als "Tastendrücker" oder "seelenlose Übertechniker", wie man das öfters liest, gelinde gesagt für gewagt. Wer sich mal die Einspielungen von Yundi Li z.B. anhört wird da schnell in Argumentationsschwierigkeiten geraten. Oder anders ausgedrückt: was würde ich dafür geben, wenn ich nur halb so gut spielen könnte :-D. Um mit einem nicht ganz unbekannten Finanzminister zu sprechen: "We have to agree to disagree" :-D.

Niemand musz das Buch lesen, vielleicht findet Ihr das Thema ja tatsaechlich irrelevant, zumindest fuer Euch.

Ich glaube jetzt nicht, dasz Yundi Li hier "als der typische Asiate" bezeichnet werden kann. Es geht schon um die inzwischen wachsende Zahl Klavierstudenten, welche sich aus insbesondere China an hiesigen Musikhochschulen und Konservatorien bewerben, und deren "Eingangsvoraussetzungen" fuer ein erfolgreiches Klavierstudium. Die "Europaeerquote" sieht ja so aus, dasz Europaeern Technikmaengel durch besondere Musikalitaet auszugleichen offiziell gestattet wird.
Es geht in dieser Diskussion also absolut nicht um die derzeit hier vielleicht bekanntesten aus China stammenden Pianisten Lang Lang, Yundi Li und Yuja Wang. Dasz alle drei enorme kuenstlerische Qualitaeten haben, steht auszer Zweifel, dasz sie nicht unbedingt immer kuenstlerisch Wertvollstes abliefern wie jeder andere Pianist auch, ebenfalls.

Es geht auch nicht darum, "Asiaten" irgendein Stigma aufzudruecken, sondern um die Tiefe der musikalischen Ausbildung dort und in Europa, welche Schwerpunkte gesetzt werden, welche begleitenden Faecher sie haben. Eine sehr begabte Kuenstlerpersoenlichkeit wird ja nicht nur durch ihren unmittelbaren Unterricht gepraegt, also ist keineswegs der Weg fuer "Asiaten" versperrt. Die Frage ist nur, ob sich deren Blickwinkel auf die europaeische Klassik waehrend der Ausbildung mit unserem eigenen deckt oder nicht, ob eventuell sogar uns Wichtiges verloren geht oder gegangen ist, eventuell anderes als wichtiger betrachtet wird, das uns nicht interessiert.

Jannis
 
Niemand musz das Buch lesen, vielleicht findet Ihr das Thema ja tatsaechlich irrelevant, zumindest fuer Euch.

Ich glaube jetzt nicht, dasz Yundi Li hier "als der typische Asiate" bezeichnet werden kann. Es geht schon um die inzwischen wachsende Zahl Klavierstudenten, welche sich aus insbesondere China an hiesigen Musikhochschulen und Konservatorien bewerben, und deren "Eingangsvoraussetzungen" fuer ein erfolgreiches Klavierstudium. Die "Europaeerquote" sieht ja so aus, dasz Europaeern Technikmaengel durch besondere Musikalitaet auszugleichen offiziell gestattet wird.
Es geht in dieser Diskussion also absolut nicht um die derzeit hier vielleicht bekanntesten aus China stammenden Pianisten Lang Lang, Yundi Li und Yuja Wang. Dasz alle drei enorme kuenstlerische Qualitaeten haben, steht auszer Zweifel, dasz sie nicht unbedingt immer kuenstlerisch Wertvollstes abliefern wie jeder andere Pianist auch, ebenfalls.

Es geht auch nicht darum, "Asiaten" irgendein Stigma aufzudruecken, sondern um die Tiefe der musikalischen Ausbildung dort und in Europa, welche Schwerpunkte gesetzt werden, welche begleitenden Faecher sie haben. Eine sehr begabte Kuenstlerpersoenlichkeit wird ja nicht nur durch ihren unmittelbaren Unterricht gepraegt, also ist keineswegs der Weg fuer "Asiaten" versperrt. Die Frage ist nur, ob sich deren Blickwinkel auf die europaeische Klassik waehrend der Ausbildung mit unserem eigenen deckt oder nicht, ob eventuell sogar uns Wichtiges verloren geht oder gegangen ist, eventuell anderes als wichtiger betrachtet wird, das uns nicht interessiert.

Jannis
Jetzt ist es zu spät, jetzt habe ich mir das Buch heruntergeladen, jetzt lese ich es auch :lol: . Scherz beiseite: das Thema interessiert mich durchaus, ich fühle mich also weder gedrängt noch genötigt, sondern bedanke mich an dieser Stelle nochmal für den Hinweis. Weitere Meinungsäußerungen darüber stelle ich mal zurück, bis ich weiß, was drinsteht :-D.
 
So, bin durch :-). Fazit: das Buch hat m.E. mit Kulturpessimismus herzlich wenig zu tun. Die anfängliche Frage nach der Zeitgemäßheit klassischer Musik ist, soweit ich das verstanden habe, eher eine rhetorische. Natürlich lautet auch Naganos Antwort auf die Frage: ja, sicher ist klassische Musik zeitgemäß und sie steht auch nicht kurz vorm Aussterben :-D. Das ganze Buch stellt eher den Versuch einer auch für den Laien nachvollziehbaren Darstellung der Daseinsberechtigung der schönen Künste im allgemeinen und der klassischen Musik im besonderen dar. Bei mir persönlich rennt Nagano damit offene Türen ein. Interessant daran sind vor allem die diversen Lösungsansätze, die er vorstellt, um dem von ihm wohl so empfundenen Rückgang der Popularität der klassischen Musik entgegen zu wirken. Unabhängig von der Frage, ob es einen solchen Rückgang wirklich gibt, sind seine Vorschläge durchaus bedenkenswert, denn sie entstammen allesamt seinem unbestreitbar reichen Erfahrungsschatz. Die einzelnen Vorschläge will ich hier jetzt nicht ausbreiten, aber von "kulturpessimistischem Blabla" ist das alles ziemlich weit entfernt. Und abgesehen davon plaudert er in höchst unterhaltsamer Weise aus dem Nähkästchen, und schon allein deswegen ist das Buch sehr lesenswert :-).
 

um dem von ihm wohl so empfundenen Rückgang der Popularität der klassischen Musik entgegen zu wirken
Interessierte Frage dazu: Wann war klassische Musik seiner Meinung nach "populär"? In welchem Land/Kontinent/Lebensalter hat er diese Beobachtungen gemacht?

Meine Frage hat einen Grund, und zwar den der "Skepsis gegenüber der eigenen Wahrnehmung". In meiner Schulklasse am Gymnasium spielten eigentlich alle ein Instrument, die meisten Klavier, einige Cello oder Geige, eine sogar Zugposaune. Also war meine damalige Wahrnehmung: Es ist üblich ("populär"), ein klassisches Instrument zu spielen, im Orchester oder wenigstens im Chor mitzuwirken.

Heute ist meine Wahrnehmung eine vollständig andere. Mit Jugendlichen habe ich überhaupt keinen Kontakt. Und wenn, dann fallen sie mir in der Regel unangenehm auf. Also liegt die Assoziation nahe "Jugend von heute" = ungehobelte, unzivilisierte Halb- bis Vollasoziale mit echtem oder imitiertem Getto-Slang, obligatorischem Baseball-Käppi und geschmackloser Klamotte.

Da könnte man ganz leicht zum Kulturpessimisten werden!

Wäre da nicht die Vernunft, die einem warnend zuruft: "Vorsicht mit Pauschalurteilen ex negativo! Unangenehm auffallen tun dem Außenstehenden nur die unangenehm Auffälligen!" ...
 
Interessierte Frage dazu: Wann war klassische Musik seiner Meinung nach "populär"? In welchem Land/Kontinent/Lebensalter hat er diese Beobachtungen gemacht?

Meine Frage hat einen Grund, und zwar den der "Skepsis gegenüber der eigenen Wahrnehmung". In meiner Schulklasse am Gymnasium spielten eigentlich alle ein Instrument, die meisten Klavier, einige Cello oder Geige, eine sogar Zugposaune. Also war meine damalige Wahrnehmung: Es ist üblich ("populär"), ein klassisches Instrument zu spielen, im Orchester oder wenigstens im Chor mitzuwirken.

Heute ist meine Wahrnehmung eine vollständig andere. Mit Jugendlichen habe ich überhaupt keinen Kontakt. Und wenn, dann fallen sie mir in der Regel unangenehm auf. Also liegt die Assoziation nahe "Jugend von heute" = ungehobelte, unzivilisierte Halb- bis Vollasoziale mit echtem oder imitiertem Getto-Slang, obligatorischem Baseball-Käppi und geschmackloser Klamotte.

Da könnte man ganz leicht zum Kulturpessimisten werden!

Wäre da nicht die Vernunft, die einem warnend zuruft: "Vorsicht mit Pauschalurteilen ex negativo! Unangenehm auffallen tun dem Außenstehenden nur die unangenehm Auffälligen!" ...
Das ist genau der Punkt und das ist mE das Einzige, was man dem Buch entgegenhalten kann. Die Ausführungen zum angeblichen Rückgang der Zuschauerzahlen und zur Überalterung des Publikums sind zu wenig belegt, vielleicht auch kaum belegbar. Das hört sich bei mir so an, als ob Nagano zumindest teilweise seine subjektive Sicht der Dinge wiedergibt, getragen von wenigen belegbaren Fakten. Allerdings ist das nur ein sehr kleiner Teil seines Buches, und er verfällt auch nicht in panikartigen Kulturpessimismus, sondern bietet da durchaus Lösungen und Ansätze an, wie man die klassische Musik ein bischen populärer machen kann, was ja grundsätzlich nicht verkehrt ist.
 
Das ist genau der Punkt und das ist mE das Einzige, was man dem Buch entgegenhalten kann. Die Ausführungen zum angeblichen Rückgang der Zuschauerzahlen und zur Überalterung des Publikums sind zu wenig belegt, vielleicht auch kaum belegbar. Das hört sich bei mir so an, als ob Nagano zumindest teilweise seine subjektive Sicht der Dinge wiedergibt, getragen von wenigen belegbaren Fakten. Allerdings ist das nur ein sehr kleiner Teil seines Buches, und er verfällt auch nicht in panikartigen Kulturpessimismus, sondern bietet da durchaus Lösungen und Ansätze an, wie man die klassische Musik ein bischen populärer machen kann, was ja grundsätzlich nicht verkehrt ist.

Genau deshalb habe ich meine Frage eingangs gestellt, wie Ihr das empfindet. Der Rueckgang oeffentlicher Unterstuetzung fuer Orchester ist zumindest fuer die USA aber wohl belegbar und faende nicht statt, falls die Leute in Entscheidungspositionen die Bedeutung klassischer Musik hoeher einschaetzten. Mit geht es weniger um die Mittel gegen einen Bedeutungsverlust klassischer Musik sondern eher um die "Diagnose". Diese scheinen hier aber nur wenige und nur eingeschraenkt nachvollziehen zu koennen (ich will diese Diagnose noch nicht einmal bewerten, zumindest nicht jetzt).
Jannis
 

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