Hightech in der beschaulichen Oberpfalz

  • Ersteller des Themas MartinH
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Ich versuche es aber kann mich in die Problematik nicht einen mm hineindenken. Allerdings sind Gottesdienste auch eine fremde Welt für mich, die ich (ohne jemandem auf die Füße treten zu wollen) urkomisch finde. Evtl. kann mich jemand erhellen.
Von außen kommt es mir so vor, dass hier unterschiedliche (weltliche!) Prioritäten aufeinanderstoßen: Die eines Organisten und die von Nichtmusikern, denen es am Ende völlig egal ist.
Das eigentlich Indiskutable für eine Kirche ist ja, dass hier eine Maschine menschliche Dienste übernimmt.
??? Verstehe ich nicht. Die Kirche bedient sich dem Fortschritt und der Technik genau so wie jede weltliche Einrichtung. Es wäre auch gaga, sich dem zu verweigern zu wollen. Klappt eh nicht. Zudem: Das einzig menschliche ist der Gesang. Die Orgel selbst ist doch eine einzige Maschine.
Dass man einen CD-Spieler angemessener findet als eine automatisierte Orgel, die "strikt und ausnahmslos verboten gehört" kapiere ich schon gar nicht mehr. Evtl. muss man Organist sein, um so denken zu können.
 
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Statt "menschliche Dienste" wäre eher "liturgische" passend, der Kernbereich Gottesdienst ist betroffen. Da hat m.E. ein Automat nichts zu suchen und ist sozusagen ein falsches Spiel. Da muss alles authentisch "im Jetzt" -samt Rückkopplung- passieren.
Ein CD-Player ist wenigstens als Notlösung erkennbar - und selbst wenn für manche nicht: er nutzt keine "andere" und "echte" Infrastruktur vor Ort.
Die Orgel selbst ist für mich übrigens weniger Maschine als immer behauptet wird.
Immerhin wird ein riesiger Aufwand betrieben, um den Spieler sensibel agieren zu lassen (mechanische Traktur). Damit kommt eine durchaus große subjektive und sensible Komponente ins Spiel.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Statt "menschliche Dienste" wäre eher "liturgische" passend, der Kernbereich Gottesdienst ist betroffen. Da hat m.E. ein Automat nichts zu suchen und ist sozusagen ein falsches Spiel. Da muss alles authentisch "im Jetzt" -samt Rückkopplung- passieren.

Und was macht man, wenn ein menschlicher Spieler nicht zur Verfügung steht?
Wer darf das entscheiden?

Immerhin wird ein riesiger Aufwand betrieben, um den Spieler sensibel agieren zu lassen (mechanische Traktur).

Nicht jede Orgel hat eine mechanische Traktur. Ich musste mal auf einer spielen, da waren zwei Manuale pneumatisch und eins elektrisch. Mechanisch bevorzuge ich, aber das geht halt nicht immer. (Ich habe allerdings erst ca. 15 Pfeifenorgeln unter die Fingers gehabt.)

Meine Sicht:
CD-Spieler und Orgelautmaten sind nicht toll. Aber wenn ich mangels menschlichen Spielers die Wahl hätte, würde ich einen Orgelautmaten einem CD-Spieler vorziehen. Aber weder Du noch noch ich haben da die Deutungshoheit, sondern nur unsere subjektive Wertung.

Für Gottesdienste im Grünen haben wir auch schon zu zweit mit Alt- und Baritonsax operiert. Fand ich auch besser als Orgel aus der Dose. Eigentlich(!) wäre das dann ein Fall für den Posaunenchor, aber der ist so langsam am weg am sterben, kein Nachwuchs auf dem Dorf.

War übrigens mal ein Aha-Erlebnis. Hochzeit irgendwo in Trier. Die Orgel klang - nun ja - mittelmäßig. Und dann spielte der Posaunenchor. Die hatten einen super Sound, die klngen erheblich besser als die Orgel. Braucht man halt genügend Leute, die auch üben und proben.

Grüße
Häretiker
 
Die Orgel selbst ist doch eine einzige Maschine.

Das finde ich hochinteressant.
Eine "meiner" Orgeln hat mehr Pneumatik als mein LKW, aber ich sehe sie dennoch nicht als Maschine. Diese Zuschreibung würde ich wohl eher bei elektronischer Tonerzeugung vornehmen, aber so lange Luft (selbst wenn der Balg durch ein strombetriebenes Gebläse gefüllt wird und nicht durch körperliche Arbeit) durch Pfeifen strömt, ist eine Orgel für mich keine Maschine. Viele Instrumente haben ja mechanische Komponenten und/oder sind teilweise hochkomplex - eine Flügelmechanik wirkt für jemanden, der so etwas noch nie gesehen hat, vielleicht auch wie ein Teil einer Maschine.

Magst Du vielleicht mehr dazu sagen, was für Dich das "maschinenartige" bei der Orgel ausmacht? Ich hoffe, damit bewegen wir uns nicht zu weit vom Thema weg, aber ich denke, wir wären damit zumindest nach wie vor auf einer gemeinsamen Straße, wenn auch vielleicht nicht mehr auf einer Straßenseite :coolguy:
 
Ein Polysynth z.B. ist auch eine komplexe Maschine, wird aber nicht von allen als Musikinstrument anerkannt. Die Welt ist schon komisch. :-)

Dabei hat man u.U. mehr Möglichkeiten zur Beeinflussung des Klangs als man so denkt. Anschlagsdynmik, Loslassdynmik, Modwheel, Expression Pedal, Aftertouch (sogar polyphon, ist aber eher selten) ... trotzdem denken manche, man muss da "nur eine Taste drücken".

Und nein, auch Snyths klingen nicht alle gleich. Anderes Thema.


Für mich ist wichtig: kann ich das Instrument spielen, als Verlängerung meiner selbst.
Beim Klavier kann ich das.
Bei der Orgel 'im Prinzip' auch, kann aber nicht Pedal spielen; wollte ich immer mal lernen.
Beim Synth definitv. Da kann ich auch gestalten.

Meine Eltern sahen das auch so: Wenn Strom zu Klangerzeugung benutzt wird, dann ist das kein echtes Musikinstrument. Andererseits: Ein Fagott wächst auch nicht auf dem Baum ....

Grüße
Häretiker
 
Danke @Häretiker für die Denkanstöße!
Eine wirklich scharfe Trennung zwischen Instrument und Maschine scheint schwierig, denn letztendlich kann vieles ja Hilfe zum Ausdruck sein. Auch die aneinander geschlagenen Löffel...
Um nochmal den Bogen zur Orgel zu schlagen, ich persönlich tue mir eher schwer mit Installationen von Lautsprecherorgeln und der oft geäußerten Begeisterung dafür, und dass das so toll sei, weil man nicht mehr stimmen müsse und dass man den Unterschied nicht hört. Ich ziehe jede noch so kleine Pfeifenorgel einer Orgel mit gesampleten Klängen vor, obwohl ich an anderer Stelle auch nicht zimperlich bin und auch schon mal das Akkordeon als tragbare Orgel verwende (was andere mitunter als "geht gar nicht" ansehen. Trotzdem versuche ich, nicht zu dogmatisch zu sein. Wenn ich hier eine Beerdigung musikalisch begleite, spiele ich halt auf der uralten Viscountorgel mit Stummelpedal und versuche, das beste draus zu machen.
 
Magst Du vielleicht mehr dazu sagen, was für Dich das "maschinenartige" bei der Orgel ausmacht?
Zunächst ist für mich eine Orgel natürlich erst mal ein Instrument. Die "Maschine" war vor Allem eine Relation zu "menschlichen Diensten". Dennoch: Ein Instrument wird von Menschen gebaut und bedient und ersetzt letztendlich die menschliche Stimme (hier einen riesigen Chor). Ein Orgelautomat ist für mich genau so ein Instrument : Ein Hilfsmittel, das menschliche Dienste nicht ersetzt aber vereinfacht.

Ich sehe gerade: So falsch liege ich nicht. :-D
Ist die Orgel nun ein Musikinstrument oder eine Maschine? Die Genialität ihres Erfinders verdient höchstes Lob: sie ist beides.
Quelle
Da kann man ja nur schlussfolgern, dass der Erfinder des Automaten noch genialer war. :lol:

So oder so; ich verstehe die Verteufelung eines Automaten nicht. Der ist genauso wie die Orgel selbst reiner Pragmatismus. Die Orgel hat den Zweck, Gesang zu unterstützen. Und wenn für die Gemeinde ein Automat oder CD-Player oder Gitarre oder Digitalpiano dafür praktischer ist, warum nicht? Mit den heutigen technischen Möglichkeiten halte ich eine Orgel angesichts des wirtschaftlichen und personellen Aufwands sogar für sehr unpraktisch und wenn man ehrlich ist: ohne die ganzen Förderungen, Stiftungen, Weltkulturerbe usw. gäbe es aus rein praktischen Gründen längst nicht mehr so viele Orgeln wie es sie gibt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wobei man fairerweise dazu sagen sollte, dass der Kulturerbestatus für den Orgelbau noch vergleichsweise jung ist. Die Nominierung wurde 2016 bei der Unesco eingereicht und Ende 2017 wurde positiv darüber entschieden.

Ich glaube ja, dass es bei Orgeln und Orgelmusik nicht allein ums Geld geht, und dass diese reiche Tradition, die wir hierzulande haben, auch nicht nur mit Geld zu pflegen ist. Aber das führt jetzt vom Thema weg.
 
Die "Maschine" war vor Allem eine Relation zu "menschlichen Diensten". Dennoch: Ein Instrument wird von Menschen gebaut und bedient und ersetzt letztendlich die menschliche Stimme (hier einen riesigen Chor).
Die Orgel kann aber viel mehr (oder zumindest andere Sachen), als ein egal wie noch so großer Chor könnte.

Die Orgel hat den Zweck, Gesang zu unterstützen.
Das soll DER Zweck der Orgel sein?:angst:
Da würde ich aber gerne mal die Meinung von @Gefallener zu hören.


Ich empfinde die Orgel fast als ein weniger maschinenmäßiges Instrument, als andere. Das liegt daran, dass sie "atmet". Da beste Gefühl ist einfach die Orgel einzuschalten und sie beginnt zu atmen.
 

In der Kirche? Denke ja. Aus obiger Quelle:
Das Positiv: ...Im weltlichen Leben erklang es solistisch oder zusammen mit anderen Instrumenten; in der Kirche, wo es im Chorraum aufgestellt wurde, diente es als Stütze des Gesangs ...und weiter zur großen Orgel: Schon in der zweiten Hälfte des 13.Jh. wurde – parallel zur Entwicklung der Polyphonen Musik – die Rolle der Orgel in den Kirchen immer wichtiger: die Orgel mußte mit dem Chor alternieren und/oder diesen ersetzen und den Gesang der Gläubigen führen und stützen, so daß ein immer größerer und vielfältiger Klangreichtum erforderlich wurde.
Das schließt natürlich nicht aus, dass in Kirchen auch weltliche Dinge geschehen aber dem TE ging es ja gerade um die Rolle der Orgel beim Gottesdienst.

Ich empfinde die Orgel fast als ein weniger mechanisches Instrument, als andere. Das liegt daran, dass sie "atmet".
Interessant! So habe ich das noch nie betrachtet. Das Atmen war für mich immer ein Rauschen.
Für mich ist Violine das Instrument, was am nächsten an die menschliche Solostimme kommt aber eine Orgel einen Chor wesentlich besser darstellt als viele Geigen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zudem: Das einzig menschliche ist der Gesang. Die Orgel selbst ist doch eine einzige Maschine.

Statt "menschliche Dienste" wäre eher "liturgische" passend, der Kernbereich Gottesdienst ist betroffen. Da hat m.E. ein Automat nichts zu suchen und ist sozusagen ein falsches Spiel.

Die orthodoxen Kirchen sehen es wie Peter, und zwar ganz konsequent: Das einzige "Instrument", das für den Gottesdienst geeignet ist, ist die menschliche Stimme.
 
Nix für ungut aber das ist für mich als Atheist keine nachvollziehbare Quelle. Der ganze Text liest sich ja wie eine Heiligsprechung der Orgel.
Hast schon recht, dass es drübber ist. Ich wollte damit eigentlich auch nur zeigen, dass ich deine Aussage so nicht unterschreiben würde, nur weil das irgendjemand in irgendeinem Text so geschrieben hat (was ja nicht mal der Fall ist).
 
Oder gleich "Hauptwerk" für die "moderne" Kirche von heute. Quasi gestohlene Klänge und Vorspiegelung falscher Tatsachen. Passt super zum Selbstverständnis der Kirchen/Liturgie. Da kann man ja nur den Samplesetherstellern dankbar sein, die sowas per Lizenz verbieten.
Beispiel:

Wird auch sicher nach Restaurierung der Hauptorgel dort verwendet werden. Ganz wichtig: 3 Manuale!
Im Übrigen: das "Hightech" war natürlich ironisch gemeint, das MIDI-Protokoll ist jetzt ca. 50 Jahre alt - und die Konstruktion im Vergleich zu Organolas wirklich einfach.
 

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