Hanns Eisler

  • Ersteller des Themas Gomez de Riquet
  • Erstellungsdatum

G

Gomez de Riquet

Guest
Seit einiger Zeit werden hier Witze über bekennende Ossis gemacht -
Anlaß, über meine Liebe zur Musik Hanns Eislers zu sprechen.

Ich kenne außer Eisler niemanden, der so dermaßen zwischen allen Stühlen gesessen hat.
Als Jude, Österreicher, Schönberg-Schüler und Marxist war er in Berlin gleich vierfach stigmatisiert.
Nach dem Zerwürfnis mit seinem von ihm hochverehrten Lehrer Schönberg,
nach dem Bruch mit dem bürgerlichen Konzertbetrieb engagierte sich Eisler für die KPD,
schrieb Agitprop-Chöre und Musik für Laienorchester, Film- und Theatermusik und wandte
sich erst in der Emigrationszeit wieder der Zwölftontechnik und dem Konzertbetrieb zu,
als er mit Entsetzen mitbekam, daß seine Kampflieder ("Solidaritätslied" etc.)
auch im ******-Deutschland gesungen wurden, nationalsozialistisch umtextiert.

Nach dem Krieg begab er sich via Österreich nach Ostberlin, was ihn in der Bundesrepublik sofort
zur Unperson werden ließ. Aber im Grunde genommen war er auch in der DDR eine Unperson -
nur daß das durch offizielle Ehrungen übertüncht wurde: Mit seinem "Faust"-Opernprojekt
geriet er in die Mühlen der Antiformalismuskampagne; er wurde denunziert und von Ulbricht
persönlich angegriffen. Nur das Renommé als Komponist der DDR-Nationalhymne
bewahrte ihn vor der Verfolgung. Aber er war das Paradox eines gefeierten Staatskünstlers,
der nicht aufgeführt werden durfte: Seine zwölftönigen Arbeiten galten als bourgeois-dekadent,
seine Agitpropchöre und Kampfmusiken aus den zwanziger Jahren waren tabuisiert,
weil der darin ausformulierte Protest dem Régime zu recht nicht geheuer war.

Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre kam es dann in Ost- und Westdeutschland
zu einer merkwürdigen Auswahlrezeption: In West-Berlin und der BRD entstand
aus der Konkursmasse des SDS u.a. eine maoistische Splittergruppe, die Eislers Agitprop-
und Kampfmusiken für sich entdeckte, während in Leipzig ein paar junge Musikbegeisterte
den Mut fanden, Eislers "bürgerlich-dekadente" Avantgardemusik aufzuführen,
natürlich gegen heftigen Widerstand eines Großteils der Kulturbürokraten.

Und heute? Es ist still um ihn geworden. Zumindest ist er dadurch kein Opfer mehr
irgendwelcher musikfremder Grabenkämpfe.

Mir hat der Schönberg-Schüler natürlich viel bedeutet. Man höre sich die zärtliche Musik
zu Yoris Ivens' Regenfilm an, die "14 Arten, den Regen zu beschreiben":
Hanns Eisler/Joris Ivens: Regen (1929/1941) - YouTube

Aber noch viel mehr frappiert haben mich Eislers neotonale Kampfmusiken
aus den zwanziger und frühen dreißiger Jahren, weil ihre Ausdruckskraft, ihre Präzision
und die Reinheit ihrer Stimmführung in keinem Takt das bei Schönberg Erlernte verleugnen,
nur eben auf ein anderes Material bezogen - ganz zu schweigen von ihrer ungebrochenen Aktualität:

Hanns Eisler/Bert Brecht: Das Lied von Angebot und Nachfrage (1930) aus "Die Maßnahme" op.20


Das Neue der neuen Musik auf ein anderes Material zu übertragen, das war für mich
ein künstlerisches Aha-Erlebnis. Eisler bezeichnete es mit dem heute in Verruf geratenen Begriff
"Neue Einfachheit" und definierte es als "den Umschlag des Neuen in das Einfache".
Das war und ist zur sogenannten Experten-Avantgarde die Alternative, in ihrer Wirkung
nur vergleichbar mit der von La Monte Young, Riley und Reich initiierten Minimal Music.

Und nun meine Frage an Clavio-Mitglieder, die in Ostdeutschland sozialisiert worden sind:
Was bedeutet Euch Eisler? Ist er überhaupt groß in Euer Bewußtsein gedrungen? Oder seid Ihr
wegen des erzwungenen Singens irgendwelcher von ihm komponierter Massenlieder
ganz präokkupiert gegen ihn? Über Antworten würde ich mich sehr freuen.

Herzliche Grüße!

Gomez

.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Lieber Gómez,

Herzlichen Dank für die Vorstellung von Hanns Eisler! Deine Ausführungen sind wie immer sehr interessant.


Nachdem ich das Lied angehört habe, kann ich es mir nicht verkneifen, diesen Artikel hier reinzustellen: Zickzack an den Agrarbörsen: Zocker spekulieren die Armen in den Hunger - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Wirtschaft



Und nun meine Frage an Clavio-Mitglieder, die in Ostdeutschland sozialisiert worden sind:
Was bedeutet Euch Eisler? Ist er überhaupt groß in Euer Bewußtsein gedrungen? Oder seid Ihr
wegen des erzwungenen Singens irgendwelcher von ihm komponierter Massenlieder
ganz präokkupiert gegen ihn? Über Antworten würde ich mich sehr freuen.

Eine sehr interessante Frage! Bin schon sehr neugierig auf die Antworten, die hoffentlich nicht ausbleiben werden.

Herzlichen Gruß, PP
 
Und nun meine Frage an Clavio-Mitglieder, die in Ostdeutschland sozialisiert worden sind:
Was bedeutet Euch Eisler? Ist er überhaupt groß in Euer Bewußtsein gedrungen? Oder seid Ihr
wegen des erzwungenen Singens irgendwelcher von ihm komponierter Massenlieder
ganz präokkupiert gegen ihn? Über Antworten würde ich mich sehr freuen.

Naja, mit Eisler wurden wir ziemlich gequält, egal welche Musikrichtung - Eisler war Pflicht. Ich denke so mit ist es wahrscheinlich nachvollziehbar, daß ich Eisler nicht so sonderlich vermisse ;)

Viele Grüße

Styx
 
Naja, mit Eisler wurden wir ziemlich gequält, egal welche Musikrichtung - Eisler war Pflicht. Ich denke so mit ist es wahrscheinlich nachvollziehbar, daß ich Eisler nicht so sonderlich vermisse ;)

Viele Grüße

Styx


Hmmmmmm - ich bin jetzt nu kein Ossi, aber mir gings in der Schule so mit Stifter.
Und der ist wirklich und wahrhaftig einer der Allerbesten - wie ich leider später
erst allein entdecken mußte; und allerdings durfte.....

gruß

stephan
 
Hmmmmmm - ich bin jetzt nu kein Ossi, aber mir gings in der Schule so mit Stifter.
Und der ist wirklich und wahrhaftig einer der Allerbesten - wie ich leider später
erst allein entdecken mußte; und allerdings durfte.....

Das Eisler in der DDR so hoch angesehen war, hing wohl eher mit seiner Biographie als "Vorzeigekommunist" zusammen. Seine "Kompositionen" waren entweder geklaut, oder klassische Stücke wurden einfach rückwärts geschrieben.
Peter Igelhoff strebte einst ein Verfahren gegen Eisler an zwecks musikalischen Diebstahl an (good by Johnny = auf erstanden aus Ruinen) was von der DDR Regierung abgeschmettert wurde. Die DDR hatte da so ihre ganz eigenen Urhebergesetze, welche die AWA überwachte.

Viele Grüße

Styx
 
Lieber Gomez, hatte gerade einen Beitrag getippt, bin auf ne falsche Taste gekommen....wech isser....:( Und für neu tippen reichts jetzt nicht.)

Daher nur ganz kurz: Sowohl in dem Schulmusikbuch (der 70er/80er) 9/10 kommt Eisler vor (Einheitsfrontlied, Lied von der belebenden Wirkung des Geldes, Solidaritätslied, Ausschnitte aus der Bühnenmusik zur "Mutter", Nationalhymne) als auch in dem der Klassen 11/12 (Kleine Sinfonie op.29, Ausschnitte aus Deutsche Symphonie, Wohltätigkeit, verschiedene "rote" Lieder..).

Das bekam jeder -abhängig davon, ob nach der 10. oder 12. abgegangen- mit auf den Weg.

Sicher dominierte in der Breite der von Styx geschilderte Eindruck.

Ich selbst komme in meinem kurzen Leben nicht annähernd dazu, mich mit den Komponisten bzw. deren Werken intensiver zu beschäftigen, die mir näher stehen als Eisler. Das mag Eisler Unrecht tun, doch so ists.....

Herzliche Grüße
gubu

PS: Nach der Durchsicht der o.g Lehrbücher im Vergleich mit denen meiner Kinder wage ich die These, dass das, was von Bach bis Kochan/Matthus zum DDR-Pflichtprogramm der Musik gehörte, dem heutigen überlegen ist....Wesentliche Werke aller Musikepochen werden mit Notenbeispielen und kurzen Erläuterungen vorgestellt, der ideologische Ballast hält sich -abgesehen von den in den Büchern enthaltenen Liedern- in Grenzen....
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Lieber Unterweltsfluß,

bei allem Verständnis für eine Imprägnierung gegen Eisler
durch die von Dir beschriebene Sozialisation (wie ich's befürchtet habe),
aber gegen eine so verzerrte Sichtweise

Seine "Kompositionen" waren entweder geklaut,
oder klassische Stücke wurden einfach rückwärts geschrieben.
Peter Igelhoff strebte einst ein Verfahren gegen Eisler an zwecks musikalischen Diebstahl an
(Goodbye Johnny = Auferstanden aus Ruinen), was von der DDR-Regierung abgeschmettert wurde.
Die DDR hatte da so ihre ganz eigenen Urhebergesetze, welche die AWA überwachte.

hilft nur sachliche Richtigstellung.

Durch Umkehrung vorhandener Melodien (oder deren Krebsgang) neue zu finden,
das hat Brecht getan - in Anlehnung an die Reihentechnik, deren Kenntnis
ihm durch Eisler vermittelt wurde. Brecht hat bekanntlich auch komponiert,
vorallem in seinen jungen Jahren, angeregt von Wedekinds Lautenliedern,
und in einigen Bühnenmusiken von Weill und Dessau finden sich Original-Relikte Brechtscher Melodien.
Allerdings hat Brecht vorallem der bürgerlichen 'ernsten' Musik mißtraut. Sie war ihm zu narkotisch.
Brechts Verhältnis zur Musik wäre eine eigene Betrachtung wert. Das muß hier entfallen.
Sie spiegelt sich aber auch in bestimmten Werken jener Komponisten wider, die für ihn gearbeitet haben
oder die er für eine Zusammenarbeit zu gewinnen versucht hat, so zum Beispiel auch Hindemith
und Carl Orff (!). Musik hatte für ihn dienende Funktion; sie sollte 'distanziert' sein.
Mit Weill überwarf er sich angesichts der abendfüllenden "Mahagonny"-Opernversion.
Die Musik war ihm dort zu eigenständig.

Aber zurück zu Eisler: Die Melodie der DDR-Nationalhymne ist ein unfreiwilliges Plagiat,
aber nicht von Peter Kreuders "Goodbye Johnny", sondern vom Hauptthema des 3.Satzes
aus KV516, dem g-Moll-Streichquintett: für Eisler als Mozart-Liebhaber sehr naheliegend.
Ansonsten dürfte bei ihm die Quote unbeabsichtigter Entlehnungen, unbewußter Zitate
nicht größer sein als bei jedem anderen Komponisten.

Ihm durch „ “ den Komponistenstatus abzusprechen, betrachte ich als Polemik...

Herzliche Grüße!

Gomez

Ein Kuriosum als Nachtrag zum Thema DDR und Urheberrecht: Pierre De Geyter (oder Degeyter)
hatte sich die Rechte an seiner berühmtesten Textvertonung, nämlich der der "Internationalen",
nicht sichern lassen. Die Rechtslage war also lange unsicher. Das änderte sich erst,
als der Rechtehändler Leo Kirch(!) das Copyright erwarb. Wann immer also in der DDR
oder anderen Ostblockländern, die das westliche Urheberrecht anerkannten/anerkennen mußten,
die "Internationale" aufgeführt oder abgespielt wurde, klingelte bei Leo Kirch die Registrierkasse.

.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

Lieber Gubu,

schade - ich hätte gern Deine ausführlichere Version gelesen.

in dem der Klassen 11/12 (Kleine Sinfonie op.29, Ausschnitte aus Deutsche Symphonie,
Wohltätigkeit, verschiedene "rote" Lieder..).

Das erstaunt und erfreut mich - und bestätigt Deinen Eindruck:

Nach der Durchsicht der o.g Lehrbücher im Vergleich mit denen meiner Kinder wage ich die These,
dass das, was von Bach bis Kochan/Matthus zum DDR-Pflichtprogramm der Musik gehörte,
dem heutigen überlegen ist...

Herzliche Grüße,

Gomez
 
Ihm durch „ “ den Komponistenstatus abzusprechen, betrachte ich als Polemik...

Ich spreche ihm ja den Komponistenstatus nicht ab, es sind ja durchaus legitime Mittel zur Komposition - wobei ja Komposition ohnehin alle Freiräume offen läßt.
Von wem er nun "versehentlich" die DDR Hymne geklaut hat, bleibt im Grunde genommen nur noch Spekulation...klar, wird es offiziell auf den 3. Satz von Mozart zugeschrieben, ein fast ganzes Tanzmusikstück zu mausen dünkt nicht gerade heldenhaft :D

Viele Grüße

Styx
 
Von wem er nun "versehentlich" die DDR-Hymne geklaut hat,
bleibt im Grunde genommen nur noch Spekulation...klar,
wird es offiziell auf den 3. Satz von Mozart zugeschrieben,
ein fast ganzes Tanzmusikstück zu mausen dünkt nicht gerade heldenhaft

Lieber Styx,

'offiziell' wurde Eisler unterstellt, Kreuder plagiiert zu haben.

Für den Hinweis auf KV519 beanspruche ich Copyright.
In der Literatur ist er mir noch nirgendwo untergekommen.

Zum einen ist die Ähnlichkeit mit Mozart entschieden größer,
zum anderen wäre es naheliegend, auch "Goodbye Johnny"
auf das Mozartsche Melodiemodell zurückzuführen (Mozarts
Streichquintett wurde schon ein paar Jährchen früher komponiert).
Davon abgesehen: Dieses Melodie-Sequenzmodell wird garantiert
noch öfter in der Musikgeschichte herumspuken.

Du willst mich vermutlich ärgern, wie der grüne Grinsekopp verrät,
und unterstellst Eisler mit Deinem erneuten „ “ - Gebrauch nun
auch noch vorsätzlichen Diebstahl.

Dann weiterhin viel Spaß beim Vorzeigekommunisten-Bashing

und trotzdem herzliche Grüße!

Gomez
 

Warum sollte ich? Das Kommonisten zuweilen klauen, ist doch nichts ungewöhnliches - es ist ja irgendwo auch schon mal alles da gewesen, da tauchen dann nun mal wieder altbekannte Sequenzen auf. Sicher, "good by Johnny" wurde schon vorher vom Mozart geklaut - jetzt kann man darüber philosophieren ob Geklautes von Geklauten wirklich geklaut ist :D

Und was heißt hier "Vorzeigekommunisten-Bunging"? Ich weiß nur eines - zwischen rot und braun ist soo viel Unterschied nicht :twisted:

Viele Grüße

Styx
 
Ob blond, ob schwarz, ob braun,
ich liebe alle Frau'n.
 
Ich gehöre nicht zum Adressatenkreis von Gomez' Frage, sie war aber Anlaß für mich, in meiner Erinnerung zu kramen, was Schüler in einem bayerischen Gymnasium der 60er Jahre über das Musikleben der DDR unterbreitet wurde. Erwartungsgemäß - wenig. Namen wie Eisler, Dessau, Dräger kamen sicher überhaupt nicht vor, und eigentlich erinnere ich mich nur an zwei Ausnahmen, natürlich Weill, an dem man wegen Brecht nicht vorbeikam, der deswegen aber eher im Deutsch- als im Musikunterricht auftauchte, und an den Dresdner Kreuzkantor und Komponisten Mauersberger, der als Repräsentant der unterdrückten Kirche gehandelt wurde.

Dahinter steckt natürlich eine Kombination von zwei Dingen, zum einen die Abneigung der Lehrplanmacher, aber auch vieler Musiklehrer gegen zeitgenössische Musik überhaupt (modernen "Westmusikern" erging es auch nicht besser), zum andern die für den Muff der (Post-)Adenauer-Ära typischen politischen Vorbehalte (wogegen man bei anderen Komponisten wie etwa Pfitzner zwischen Musik und Politik sehr wohl zu trennen wußte).

Aber davon waren nicht nur die Komponisten betroffen, sondern auch die Literatur. Wer sich einmal kommunistischer Umtriebe verdächtig gemacht hatte, wurde entweder bekämpft oder, wo möglich, einfach ingoriert. Ein gutes Beispiel für letzteres ist etwa Lion Feuchtwanger, der wegen seiner kurzeitigen irrigen Liebelei mit dem Stalinismus und weil er den Nationalpreis der DDR angenommen hatte, als Schulautor verpönt war. Dabei wäre sein Roman "Erfolg", der in analytischer Schärfe die Wurzeln des Nationalsozialismus im kleinbürgerlichen Milieu bloßlegt und geradezu hellsichtig den Aufstieg Hitlers voraussieht, die ideale Begleitlektüre zum verdruckt-apologetischen Geschichtsunterricht gewesen.

Grüße,

Friedrich
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Lieber Friedrich,

vielen Dank für Deinen Rückblick aus alt-bundesrepublikanischer Sicht,
den ich komplett bestätigen kann - auch für den Zeitraum der 70er Jahre.

Weill ist in mehrfacher Hinsicht eine Ausnahme: Er wurde als Vertreter
der "roaring twenties" von genau jenem Bürgertum konsumiert,
dem Brecht und Weill mit der "Dreigroschenoper" einen Spiegel vorhalten wollten
(dieses Problem hatten die Autoren schon mit dem Uraufführungs-Publikum).
Weill ist in der amerikanischen Emigration verstorben; an eine Rückkehr
nach Deutschland, egal in welches, hat er im Traum nicht gedacht.
Weills Musik ist so abgründig wie Mahlers "Wunderhorn"-Lieder, von deren Technik,
den "Volkston" zu verfremden, sie viel gelernt hat. Eislers Musik pflegt eindeutig zu sein,
was den Agitprop-Bedürfnissen entspricht. Weills Musik ist vieldeutig. Subversiv an ihr
ist das Mittel der vorgetäuschten Affirmation: einer Heiterkeit, hinter der sich
das Gegenteil verbirgt - damit einhergehend ein komplexeres Verhältnis zum Text:

Und was bekam des Soldaten Weib?

Was jenen Teil der deutschen Intelligenz betrifft, der vor ****** geflohen ist,
um vor Stalin seinen Kotau zu machen - zu ihm wird mein Verhältnis immer zwiespältiger.
Bedingt verständlich wäre sein Verhalten zu Zeiten der Anti-******-Allianz.
Ohne Not jedoch hat sich Lion Feuchtwanger die Mühe gemacht, Stalins Schauprozesse
als humanitäre Großtat zum Aufbau des "Sozialismus in einem Lande" zu feiern,
und der von mir einst geliebte Heinrich Mann schreibt in seinem Quasi-Memoirenband
"Ein Zeitalter wird besichtigt", in eben diesen Schauprozessen erlebte man
ein Hinableuchten in Dostojewskische Seelentiefen - darüber kann man nur verzweifeln,
auch wenn man weiß, daß der bettelarme, von seinem Bruder im Stich gelassene Heinrich Mann
einzig und allein von Zuwendungen lebte, die aus der sowjetischen Botschaft kamen.

Herzliche Grüße,

Gomez

.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

Zurück
Top Bottom