Emotionale Abstumpfung

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Hallo,

ein Thema, das mich gerade sehr beschäftigt. Je mehr Musik ich höre, desto weniger fesselt mich die Musik. Geht es jemandem genauso?

Noch vor 4 Jahren fand ich die Balladen von Chopin als großartige Werke, wo mir Tränen kamen und ich Gänsehaut kriegte. Wenn ich sie mir heute anhöre, dann sind sie nur noch langweilig.

Irgendwie ist alles immer dasselbe, ich kann es nur schwierig beschreiben. Ich kenne bereits zahlreiche harmonische Wendungen und das macht alles zur Gewohnheit. Ich erlebe Musik nicht mehr, ich betrachte sie nur noch analytisch.

Warum ist das so?

Auf eine spannende Diskussion freue ich mich jetzt schon.
 
Hallo zusammen,

gehts euch auch so, wenn ihr diese langweilig gewordenen Stücke in anderen Interpretationen hört? Mir gehts oft so, dass ich ein und dasselbe Stück aus der Hand eines anderen Interpreten bzw. Dirigenten dann völlig neu empfinde. Es ist auch spannend sich genau auf dieses Neu-, Wieder-, Andersempfinden und -verstehen einzulassen und es geradezu herauszufordern, indem andere Darstellungen gehört werden.
Ansonsten "werte" ich es eher als gutes Zeichen, wenn einst höchst aufregende Stücke nach einigen Jahren ihren Reiz verlieren: man entwickelt sich: man lebt noch :D

LG, Sesam
 
Hm. Gottseidank habe ich das bei mir noch nicht beobachtet. Ich bin aber überhaupt nicht so fürs Neue. Vielleicht eine Typfrage?

Gruß,
Cem.
 
Ich erlebe das auch öfters bei mir. Wenn ich entsprechende Stücke allerdings etwas länger nicht mehr höre, kommt wieder so ein überwältigender Effekt.
Manchmal war das Gefühl vor dieser "Hör-Pause" noch gar nicht da.

Das ging mir so, als ich seit Längerem mal wieder Rach's g-moll Prelude hörte (der Mittelteil!). Auch bei Liszts Liebestod-Transkription gibt es eine Stelle, die mich letztens total überraschte.

Liebe Grüße!
 
das mag der Grund sein,warum so viele Star-Pianisten ,die das gesamte Klavier Repertoire seit ihrem 13 Lebensjahr unzählige Male im Konzert und mindestens zwei mal auf Tonträger eingespielt haben ,zu Dirigenten mutieren.Auch Glenn Gould hätte wohl diesen Weg eingeschlagen hätte er länger gelebt,oder sie versuchen sich eben als Schriftsteller wie Brendel.

Einfaches Rezept nach "tot hören" eines Stückes:dieses mal einüben oder zumindest die Partitur studieren,da gehen einem oft einige Lichter auf, was an verborgenen Schätzen drin schlummern :o

Das erste mal ein zig-mal gehörtes Stück selbst spielen ,ist meist ein wundervolles Erlebnis,deswegen musizieren wir ja,oder?(statt vor der Stereo Anlage zu hocken.)

Freilich kann man auch ein Stück "zu tode spielen",ich will z.B.Chopins As Dur Polonaise weder anhören noch spielen,da ich sie vor 30 Jahren bis zum erbrechen oft herunter geklimpert habe,schade drum.

Scheint auch ein Merkmal der romantischen Literatur zu sein,denn was mir mit der As Dur Polonaise widerfahren ist,habe ich trotz ebenfalls unzähliger Monate,ja Jahre mit den Goldberg Variationen(immer eine Mischung aus Ehrfurcht,Freude und Kampf mit diesem ungeheuer schwierigen Werk) nie erfahren.
 
Ja, auch ich kenne das Gefühl von einigen Stücken. Eigentlich habe ich sogar immer irgendwelche "aktuell toten" Stücke, welche dann für eine gute Weile aus meinem Hörrepertoire fliegen. Aber das muss bei den Stücken dann kein Dauerzustand werden.

Einfaches Rezept nach "tot hören" eines Stückes:dieses mal einüben oder zumindest die Partitur studieren,da gehen einem oft einige Lichter auf, was an verborgenen Schätzen drin schlummern :o
Ein sehr guter Tipp. Mir haben sich so schon viele auf den ersten Blick unspektakuläre Stücke viel besser eröffnet, die ich dann unerwartet liebgewonnen habe, obwohl sie in meinem Kopf beim bloßen Hören auch eher den imaginären Stempel "öde" aufgedrückt bekommen hatten.

Ebenfalls ein Tipp nach dem "tot hören" eines Stücks: Einfach ein anderes Stück suchen und hören - die Musik bietet so viele Werke, dass man sie wohl im Leben nicht alle hören kann. Also selbst wenn man sich schnell an Stücken tothört ist der mögliche Nachschub an "neuen" Stücken doch enorm hoch.

Oder die Stücke einfach, wie schon hier im Thread von anderen empfohlen, einige Zeit weglegen und später wieder hören. So habe ich mir zum Beispiel (was zu dir, ubik, sehr schön passt) Chopins 1. Ballade gerettet. Ich mochte sie früher enorm gern und habe sie "tot gehört"... zwei Jahre Balladenabstinenz und auf einmal war die Ballade wieder wunderschön und ergreifend. Und aufgrund der prinzipiellen Vertrautheit war es dann noch deutlich einfacher, neue Aspekte zu bemerken, die man früher aus alten Hörgewohnheiten heraus nie wahrnehmen durfte/wollte/konnte.
 
Es ist nie das Musikstück, welches abstumpft - es ist die subjektive Auffassungsgabe, die ermüdet und dann Überdruß empfindet.

Ganz normal, also kein Grund, Therapeuten aufzusuchen :D:D

Mir ging´s mit mehreren Sachen, die ich spiele, schon so - ne Weile weglegen und nicht dran denken. Der Moment der überaschenden Wiederentdeckung wird schon kommen.
 

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