Debussy Serenade for the doll

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Pipapia

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26. Feb. 2010
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Hallo ihr!! ;-)

Ich habe bald eine mündliche Prüfung über dieses Stück.
Wie würdet ihr das denn gliedern? Das ist leider nicht so eindeutig, finde ich.
Würde mich sehr freuen, wenn mir jemand weiterhelfen könnte!

lg
Pipapia
 
Guten Abend, Pipapia!

Na, wenn sich sonst niemand meldet, dann tu ich's halt.

Gliederungen bei Debussy sind eine verzwickte Angelegenheit.
Debussy hat nichts so sehr gehaßt wie den vorgegebenen Formverlauf.
Das Kochbuchartige, die Art und Weise, wie ihm am Conservatoire
der Sonatensatz vermittelt worden ist, mit der schematischen Aufteilung
in themenaufstellende und -verarbeitende Abschnitte,
hat bei Debussy eine lebenslange Abneigung gegen diese Form hervorgerufen.
Ähnliches gilt für die dreiteilige Liedform - obwohl er sich dieser Form
oft genug bedient hat.

Auch die "Serenade for the doll" könnte man nach dem Schema der dreiteiligen Liedform gliedern,
was durch Doppelstriche und Vorzeichenwechsel noch verstärkt wird:
Erster Teil, vier Kreuze(= Quasi-E-Dur), Takte 1-52 = A
Zweiter Teil, vorzeichenfrei, Takte 53-83 = B
Dritter Teil, vier Kreuze, (Auftakt in Takt 83)Takte 84-124 = A'
mit Reminiszenzen an den B-Teil.

Aber es ist mir sehr sympathisch, wenn Dir das nicht ganz geheuer ist -
ist es nämlich auch nicht. Mit einer solchen schematischen Einteilung
erfaßt man nichts vom Wesen dieser Musik. Zum einen liebt Debussy
die Überlappung von Abschnitten oder auch ganzen Formteilen,
zum anderen kündigt er der Idee von bruchloser Kontinuität die Gefolgschaft.
Es hilft dann nichts anderes als sich seiner Musik von Moment zu Moment
auszuliefern und dabei hellwach zu registrieren, was identisch bleibt,
was sich verändert etc.

Satztechnisch wirkt das Stück vorallem zu Beginn wie eine kleine Toccata,
leger et gracieux. Aus der ostinaten Spielfigur, Tonrepitition und leerer Quinte,
erwächst ein wiederkehrendes Motiv - Thema kann man es kaum nennen.
Es besteht aus den Elementarintervallen Quarte und Quinte, ist aber
vorallem durch die Quart-Vorschläge klanglich geprägt: Man hört parallele Quarten.
In der linken Hand formiert sich ab Takt 14 eine kontrastierende Idee,
sogar ein richtiges Thema, das sich über sechzehn Takte erstreckt,
darüber konstant die nachklappenden Ostinato-Achtel.
Wiederkehr des ersten Motivs in den Takten 30-34, jetzt sind die Quartparallelen sogar richtig ausnotiert,
dann eine Art Fortspinnungsmotiv in den Takten 35-44,
aus dem in der linken Hand eine dem ersten Kontrastgedanken ähnliche Melodie ersteht,
die auch das Fortspinnungsmotiv weiterführt,
den Doppelstrich ignoriert und in Takt 60 endet.

Dort erst wäre die Zäsur dingfest zu machen:
zwei Takte gleichförmige Achtelbewegung, dann zwei Takte Walzerrhythmus,
melodisch: Dreiklangsbrechung. Nun ein ganzer Pausentakt -
so, als ob Debussy von seinem neuen Einfall überrascht wäre und darüber erst einmal verstummt.
Dann konzentriert er sich auf diese neue Idee, führt sie gewissermaßen durch:
konstanter Walzerrhythmus bis Takt 83, die rechte Hand vergnügt sich jetzt mit Dreiklangsbrechungen,
führt sie sequenzartig immer weiter nach oben - ein Puppenwalzer,
an Jacques Offenbachs Olympia aus der Oper "Hoffmanns Erzählungen" gemahnend.

Die nächste Zäsur fiele tatsächlich mit dem nächsten Doppelstrich zusammen,
Wiederkehr der vier Kreuze, veränderte Wiederkehr des Eingangsmotivs,
auftaktig, ohne die Quartvorschläge - aber in der linken Hand läuft der Walzerrhythmus weiter.
Wieder ein den beiden ersten Kontrastmotiven ähnliches Gebilde in der linken Hand,
dann Umkehrung der Achtelbewegung aus Takt 62, in einen arpeggierten Akkord mündend,
der die arpeggierten Sforzato-Akkorde aus dem Puppenwalzer zitiert.

Erst ab Takt 106 Wiedereinsetzen der Ostinato-Begleitung,
das Eingangsmotiv - wieder in die ursprünglichen Quart-Vorschläge eingekleidet -
verliert sich in der toccatenhaften Bewegung, die zur Ruhe kommt, abbricht.
Das Stück verabschiedet sich mit einer aufsteigenden E-Dur-Girlande
und verschwindet in der Unhörbarkeit.

Du siehst, wie Debussy mit der dreiteiligen Liedform spielt:
Er erweckt den Anschein, ihr zu genügen, und gleichzeitig unterläuft er sie.

Hoffentlich kannst Du mit meiner Analyse etwas anfangen.
Für Deine Prüfung alles Gute!

Christoph
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hallo Christoph,

vielen, vielen Dank für Deine ausführliche Analyse!!
Ich hatte es in etwa gleich angelegt, wie Du und diese Bestätigung ist doch sehr beruhigend!! Außerdem, hast Du mich doch auf einige neue Aspekte gebracht, die ich vorher nicht erkannt habe - danke!! ;-)
Zusammenfassend würde ich sagen, dass es grob in der Liedform A B A' angelegt ist, jedoch nicht im herkömmlichen und, v.a. nicht im strengen Sinne:
Zum einen lassen sich die A bzw. A' Teile wieder in drei Teile gliedern: a b a' bzw. a'' b' a''',
zum andern ist der B-Teil eine Mischung, aus Verarbeitung (vgl. T. 15 und T. 45), Weiterentwicklung und ganz neuen Elementen (T.69f)...
Impressionistische Merkmale sind zB gerade die Quint-Figur (asiatischer Einfluss), Chromatik (T.24f) und die Neuerungen bezüglich der Harmonik (Rückungen zu tonartfremden Harmonien...). Sowie die Programmmusik an sich...

Liebe Grüße, und nochmals vielen Dank für Deine Mühe!!

Pipapia
 
Eine Bitte

Impressionistische Merkmale sind zB gerade die Quint-Figur (asiatischer Einfluss),
Chromatik (T.24f) und die Neuerungen bezüglich der Harmonik (Rückungen zu tonartfremden Harmonien...).
Sowie die Programmmusik an sich...

Hallo, Pipapia!

Da Du nur nach der Gliederung des Stückes gefragt hattest,
habe ich mich zu den harmonischen und rhythmischen Feinheiten gar nicht geäußert.
Nun bitte ich Dich aber - falls Deine Dozentin oder Dein Dozent
nicht gerade von einer fixen Idee besessen ist, was Debussy betrifft,
und Du nicht Gefahr läufst, Dir die Zensur zu vermasseln,
wenn Du gewisse Stichworte verschweigst: Betrachte Monsieur Croche,
ohne Stichworte wie "Impressionismus" zu benutzen.

Diese Analogie zur bildenden Kunst ist eine Kritiker-Phrase, die sich vorallem
an Debussys Stücktiteln entzündet hat oder an der Placierung
der "Préludes"-Titel unter dem jeweiligen Stück - wie bei einem Bild.
Es ist sinnvoller, in Debussy einen Vertreter der frühen Moderne zu sehen.
Die von Dir beschriebenen Phänomene, Chromatik, Rückungen zu tonartfremden Harmonien,
findest Du in derselben Zeit auch bei Strauss, Reger und vielen anderen.

Noch vorsichtiger wäre ich mit dem Begriff "Programmusik" -
auch da führen Debussys Stücktitel in die Irre.
Halte Dir Richard Strauss vor Augen, um zu sehen, was Debussy nicht tut:
mit provozierender Drastik ein außermusikalisches Sujet musikalisch nachzuzeichnen.
Debussys Werktitel bieten einen Assoziationsspielraum für Interpreten und Hörer,
aber die Werke selbst bedürfen keiner Rechtfertigung durch Außermusikalisches:
Sie sind ganz und gar absolute Musik, deren Logik sich beschreiben käßt -
wie Du und ich es getan haben.

Kritisch betrachte ich Deinen Versuch, doch so etwas wie einen A'-Teil zu benennen.
Ich halte den dritten Formteil für eine Konsequenz aus den beiden
vorhergehenden: Die beiden ersten Teile werden in ihm gleichsam
übereinandergelegt wie zwei unterschiedlich beschriftete transparente Folien.
Das Wiederaufgreifen des Eingangsmotivs simuliert eine Rückkehr zum ersten Teil,
dessen verkürzte Kontrastmelodie (aus Takt 45 ff) auch prompt hinzutritt,
aber erst in Takt 106, mit dem letzten arpeggierten Sforzato-Akkord
ist der Puppenwalzer beendet.

Sagst Du uns mal, wie Deine Prüfung ausgegangen ist?

Herzliche Grüße,

Christoph
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hallo Christoph!

Naja, ich hatte das Stück, als Beispiel für impressionistische Klaviermusik bekommen, das Stichwort "Impressionismus" ließ sich deshalb nicht vermeiden ;-)

Die Zweifel, die Du am Begriff "Impressionismus" hast, teile ich mit Dir. Nur ist es eben mittlerweile allgemeiner Konsens genau diese Richtung der frühen Moderne so zu bezeichnen, deshalb kommt man da kaum drum rum....

Den A'-Teil halte ich aber durchaus für logisch. Während im "Mittelteil" das Anfangsmotiv garnicht auftaucht, sondern anstattdessen weitergesponnen und verarbeitet wird, erscheinen im letzten Teil die ersten drei kleineren "Abschnitte" in der gleichen Reihenfolge wieder...
Der A'-Teil beginnt meiner Meinung nach dort, wo in der Oberstimme das Anfangsmotiv, ohne Vorschläge, erscheint, unterlegt durch die Arpeggien. (Hab die Noten gerade leider nicht da)
Die Prüfung war gestern und lieg sehr gut: Höchstpunktzahl ;-)
Vielen Dank nochmals für deine Hilfe!

LG
Pipapia
 

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