Das sagenumwobende Siena-Klavier - Wahrheit oder Mythos?

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Ich lese gerade ein Buch "Das unsterbliche Klavier" von Avner Carmi.
Da geht es um das sogenannte Siena-Klavier, ein legendäres Klavier das aus dem Holz des Tempels von Salomon (biblische Figur) gefertigt sein soll und klanglich über allem stehe, ähnlich wie eine Stradivari Geige dessen Klangeigenschaften die Wissenschaft bis heute nicht hat lüften können und es bislang nicht gelang, diese Geige zu kopieren. (daher der Wert in Millionenhöhe)

Wie auch immer, ich steig bei dem Buch irgendwie nicht durch, was den Fiktionsgehalt betrifft. Im Internet findet man auch nicht viel. Das ganze ist wohl eine Geschichte aber gleichzeitig auch eine Autobiographie in Form einer Familiengeschichte des Autors dessen Großvater das Siena Klavier beim König von Italien gespielt haben soll, bevor das Klavier "verschwand". Der Autor tritt im Roman auch als Hauptfigur auf, mit dem eigenen Namen.

Irgendwie alles sehr verworren. Abgesehen davon ... damals gab es doch gar keine Klaviere zu Salomons Zeiten? Das Holz aus Salomons Tempel soll also später verarbeitet sein?

Und so soll das Siena Klavier laut Recherchen aussehen:
http://www.poetsdelight.de/pics/carmi_klavier.jpg

Ales sehr merkwürdig? Angeblich gibt es auch eine Gesellschaft die die Existenz dieses Klavieres vertuschen will und daher den Roman als fiktiv darstellt. Aber warum?
 
Da ist gar nix verworren.
Dieses Buch scheint ein nettes Geschichtchen zu sein, so etwas wie Dan Brown für Klavierfans.

Es gibt sehr viele Gründe*, weshalb das niemals stimmen kann:

1. Keiner, der sich mit Klavieren berufsmässig oder hobbymässig befasst, hat je davon gehört.

2. Ob es König Salomon wirklich gegeben hat, ist umstritten. Jedenfalls wird seine eventuelle Existenz aufgrund der historischen Zusammenhänge in der Bibel auf etwa 700vChr datiert.
Wenn man weiss, wie die Leute damals (zB Sumerer, Assyrer, Ägypter, Nubier) gebaut haben, dann muss klar sein, dass es nicht möglich ist, dass von damals noch Holz vorhanden sein kann, das man auch nur ansatzweise für etwas anderes brauchen könnte als zum verbrennen.
Natürlich existieren von den Ägyptern auch Relikte aus Holz (zB zu Möbeln verarbeitet). Für den Instrumentenbau halte ich dieses Holz allerdings für gänzlich ungeeignet, denn es ist ein Unterschied, ob ein Holzstuhl aus Tutenchamuns Grab hübsch im Museum steht oder ob man das Holz verarbeiten muss (zuschneiden, evtl. biegen, verleimen, bohren, schrauben, schleifen etc). Das Zeug zerfällt wie Holzkohle.

Holz, das an Gebäuden verwendet wurde, existiert längst nicht mehr. Selbst aus Römerzeit ist ja das Holz von den Gebäuden längst verschwunden und nur noch die Steinrelikte sichtbar.
Meist wurde Holz weiterverwendet, wenn es nicht mehr im ursprünglichen Sinne gebraucht wurde. Insofern wird kaum je Holz einfach übrig geblieben sein, denn Holz war so wertvoll, dass kein Pfahl stehen blieb, wenn er woanders von Nutzen sein konnte. Und falls doch, dann wäre alles längst verwittert.
Und dass Salomon oder die Königin von Saba extra Holz beiseite gelegt haben, damit einer mal 2000 Jahre später ein erst noch zu erfindendes Klavier bastelt, daran mag ich nicht so recht glauben. ;-)

* es gäbe noch weitere Einwände, aber diese 2 scheinen schon genügend starke Argumente zu sein...

Aber wie gesagt, scheint ein nettes Büchlein zu sein. Diese "pseudo-historischen" Bücher schiessen ja wie Pilze aus dem Boden, wobei die Autoren davon zu profitieren scheinen, dass oftmals der Glaube der Leser grösser ist als das Wissen. Je verworrener, desto mehr Anhänger. ;)

Habe nichts gegen sowas. Habe "Der Medicus" (sowas wie der Prototyp der Pseudohistorie :D) auch gelesen sowie viele andere. Aber als geschichtlich sehr interessierten Menschen hat mich der ROMAN interessiert, nicht der vermeintliche Wahrheitsgehalt. Denn dafür habe ich Geschichtsbücher.
 
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Angeblich gibt es auch eine Gesellschaft die die Existenz dieses Klavieres vertuschen will und daher den Roman als fiktiv darstellt. Aber warum?

Sagt wer? Der Autor?

Weil genau dann noch mehr Leute glauben, dass da was dran sein muss. Und so diese Geschichte sich weiterverbreitet und möglichst viele Menschen das Buch kaufen. Diese Marketingstrategie klappt schon seit Jahrhunderten (siehe Ablasszettel: den absichtlich unwissend gehaltenen Leuten so lange einen vollkommenen Scheiss erzählen bis die armen Trottel das auch noch glauben; dann kann man mächtig abkassieren).

Beispiel: Was Dan Brown in Sakrileg so geschrieben hat, hat keinen Historiker gross überrascht, den solches Zeugs wird seit Jahrzehnten und -hunderten geschrieben, erzählt, behauptet (nur der Laie weiss nix davon).
Ähnlich der Geschichte mit dem heiligen Gral (und weil Indiana Jones ihn auch verpennt hat, ist er wieder verschwunden, also wäre es langsam wieder mal Zeit für einen, der sich auf die Socken macht und den Gral findet). :D

Wie gesagt - und ich wiederhole mich hier gern - scheint Glauben selbst heute noch stärker zu sein als Wissen. Was mir persönlich ein absolutes Rätsel ist. :rolleyes:
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
"...ähnlich wie eine Stradivari-Geige, deren Klangeigenschaften die Wissenschaft bis heute nicht hat lüften können..."
Das ist genau so ein Mythos. Man hat Blindversuche gemacht, wo aus 10 Geigen von etwa 500 Zuhörern die eine Stradivari erkannt werden sollte. Das Ergebnis lag bei knapp 50 richtigen Angaben, man hätte also genauso gut würfeln können. Ähnliche Versuche haben nie zu einem signifikanten Ergebnis geführt.

Völlig überteuert sind alte Geigen deswegen, weil der Markt nun mal so ist und Liebhaber einem Mythos hinterherjagen. Zweifellos gibt es sehr gute alte Geigen, aber keine Geige der Welt ist objektiv betrachtet Millionen wert, sie wird nur deswegen so hoch gehandelt, weil Liebhaber, Sammler und Geiger an diesen Wert glauben. Eine moderne Geige, gebaut von einem Geigenbauer, der das "Geheimnis" der Stradivari auch nie gelüftet hat, muß kein bißchen schlechter sein als eine Stradivari. Nur macht's natürlich weniger her, wenn ein Geiger sagen muß, er spiele auf einer Larifari. Dieser Wahn geht so weit, daß ein Solist einfach aus Prestige-Gründen ein altes Instrument haben MUSS, wenn er ernst genommen sein will. Das ist eine Pervertierung, über die man eigentlich nur den Kopf schütteln kann.

Der Menschen Glaube ist nun mal ihr Himmelreich, und wenn jemand die Wahl hat, etwas zu glauben oder etwas auch wissen zu können, dann glaubt er eben lieber.
 
"Das ist genau so ein Mythos. Man hat Blindversuche gemacht, wo aus 10 Geigen von etwa 500 Zuhörern die eine Stradivari erkannt werden sollte."

Dann hatte das Publikum wohl wenig Ahnung. Aber egal, hast Du eine Quelle?
Ich würde das sofort hören.
 
Angeblich gibt es auch eine Gesellschaft die die Existenz dieses Klavieres vertuschen will und daher den Roman als fiktiv darstellt. Aber warum?

Das ist doch klar warum: weil diese Gesellschaft von Steinway und Bösendorfer ins Leben gerufen wurde. Die haben natürlich höllische Panik, daß sie auf ihren 08/15-Klavieren sitzenbleiben, wenn die Leute erstmal das Siena-Klavier gehört haben. Ist Siena vielleicht sogar ein Deckname für ... psst... Fazioli... ?
 
"Aber egal, hast Du eine Quelle?"
Der Versuch mit den 500 Leuten, die nach repräsentativen Gesichtspunkten ausgewählt waren (Musiker, sachkundige Liebhaber, Laien) ist in einer Fernsehsendung dokumentiert, die im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Leider weiß ich keine genauen Daten mehr.

"Ob eine Stradivari tatsächlich mehrere Millionen Euro wert sei, darauf hat Schröder" (Geigenhändler und Restaurator) "nur eine einfache Antwort: 'Wenn jemand 2,7 Millionen Euro zahlt, ist sie ihm wohl so viel wert.'" (Rheinische Post, 4/2007)

"Ich würde das sofort hören."
-- William Voller in England fertigte einst eine Stradivari-Kopie an, die von vielen Experten für echt gehalten wurde. Das Instrument tauchte tatsächlich irgendwann als "echt" auf dem Markt auf -- ein Betrug, der nur dadurch entlarvt werden konnte, daß Voller eidesstattlich erklärte, daß er der Erbauer sei.
-- Am 12. Januar 2007 verkleidete sich Joshua Bell als Straßenmusiker und ließ seine Stradivari in der Londoner Metro erklingen. Während gut 40 Minuten sind 1040 Menschen an dem Musiker vorbeigelaufen, immerhin haben sie ihm insgesamt 32,17 Dollar in den Hut geworfen. Die Nachricht über dieses Experiment ging auch durch die deutsche Presse.
-- Bei Stern-TV gab es einmal einen (nicht repräsentativen) Blindversuch, eine Carbon-Geige von einer Stradivari und einer weiteren Geige zu unterscheiden. Eine von drei Geigenlehrerinnen hielt die Carbon-Geige für die Stradivari, jede der drei hielt eine andere Geige für die beste, nur eine riet dabei richtig.
-- Am Lehrstuhl für musikalische Akustik der Universität „Pierre et Marie Curie“ wurde ein Blindtest mit vier unterschiedlichen, von zwei Geigern gespielten Violinen durchgeführt. Viele Hörer hielten eine bestimmte moderne Violine für die Stradivari.

Um nicht mißverstanden zu werden: Es geht nicht darum zu behaupten, daß es nicht hervorragende Instrumente gäbe und hohe Preise für hohe Qualität nicht gerechtfertigt wäre. Auch geht es nicht darum, daß an Marken gar nichts dran sei. Natürlich sind Steinway-, Bösendorfer-, Fazioli-Flügel deutlich und entschieden besser als namenlose Ware und Stradivaris deutlich und entschieden besser als Fabrikgeigen. Aber wenn ein Stückchen Holz für vier Millionen gehandelt wird (meines Wissens der bisher höchste Preis für eine Stradivari), weil reiche Sammler einem unbewiesenen Mythos erliegen, dann ist das nicht mehr mit Vernunft zu rechtfertigen:
http://www.fritz-reuter.com/de/books/rin032.htm
 
@ Jörg

danke für Deine ausführlichen Ausführungen. Aber ich bin noch nicht davon überzeugt, dass es das Siena Klavier nicht geben soll. Wie gesagt, die Existenz
wird vertuscht. Gehen wir einmal davon aus, dass das Klavier wirklich existiert
(wie das Bernsteinzimmer), welchen Sinn würde es machen, das Klavier geheim
zu halten?
 

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