Amüsantes: Das Klavier - Haschisch für die Frau???

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Debbie digitalis

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Hallo ihr Lieben,

habe heute mal wieder in der Mittagspause in einem recht interessanten mehrbändigen Werk gestöbert, und zwar in der fünfbändigen Geschichte des privaten Lebens (im französischen Original (Histoire de la vie privèe) und zwar in Band 4 "Von der Revolution zum Großen Krieg" (De la Révolution à la Grande Guerre). Auf den Seiten 497 bis 499 findet sich dieser folgende, für mich höchst interessante und amüsante Text: (Zitat!)

Das Klavier - Haschisch für die Frau

Es war kaum übertrieben, wenn Edmond de Goncourt vom Klavier als von dem "Haschisch für die Frau" sprach, denn als solches präsentierte sich das Instrument der künstlerischen Imagination. Danièle Pistone hat in der französischen Romanliteratur des 19. Jahrhunderts zweitausend Szenen entdeckt, in denen das Klavier vorkommt. In der Hälfte dieser Szenen spielt ein junges Mädchen eine Rolle, in einem weiteren Viertel eine verheiratete Frau. Zur großen Mode wurde das Klavier ab1815; in seiner Bevorzugung spiegelte sich der KOdex bürgerlicher Prüderie: die Violine, die Harfe, oder gar das Cello zu spielen, galt für Frauen zunehmend als 'unanständig'. In der Julimonarchie entdeckte das Kleinbürgertum das Klavier; danach kam es zu einer Demokratisierung des Instruments. Ab 1870 geriet es in den Geruch der Vulgarität, sein Ansehen zerbrach.

Das auffälligste Ergebnis der Studie von Danièle Pistone ist, dass das Klavier eine soziale Funktion erfüllte. Das Kind, das ordentlich Klavier spielen konnte, stand in gutem Ruf und stellte öffentlich seine gute Erziehung unter Beweis. Die Virtuosität des jungen Mädchens auf dem Flügel war, neben anderen Elementen seiner "ästhetischen Mitgift" ein wichtiges Moment in der elterlichen Verheiratungsstrategie. Dagegen war das Klavier nur selten ein Medium des liebevollen Austauschs oder des innigen Zwiegesprächs; diese Rolle fiel dem Lied zu, namentlich der Ballade. Trotz dieser Vorbehalte kann man in der Romanliteratur vier Schlüsselszenen unterscheiden, in denen sich das Klavier, vorzugsweise in stiller Abendstunde, als Vertrauter und Medium der einsamen Herzensergießung empfiehlt. Allerdings verloren sich diese Funktionen des Klaviers im Laufe der Jahrzehnte, bis am Ende des Jahrhunderts seine Reize in der Pose des stummen Möbelstücks erstarrten.

1) Das unwissende junge Mädchen vermochte dem Klavier die Signale von Herzensregungen zu entlocken , die auszusprechen ihm untersagt war. Eben aus diesem Grunde riet Balzac seiner Schwester Laure Surville, sich ein Klavier anzuschaffen. Das Instrument fungierte als Ventil der Schüchternheit.

2) In selteneren Fällen hallte im Klavierton die Sehnsucht unerfüllbarer Liebe wider, eine einsame Botschaft an den fernen Geliebten; oder er drückt den durch die Trennung verursachten Schmerz der Seele aus. Edmond About zufolge war es üblich, dass ein Mann der verlassenen Geliebten ein Klavier zum Geschenk machte. Dieser Brauch entsprach dem literarischen KLischee der guten, aber nicht sonderlich hübschen Frau, die, verständnisvoll und sensibel, mit gebrochenem Herzen ihren Schmerz in berückenden Improvisationen verausgabt - jener Frau also, die, mit Jules Laforgue zu reden, 'sich selber mit Chopin seziert'.

3) Am häufigsten ist die dritte der genannten literarischen Szenen: das Klavier als Organ einer unwiderstehlichen, rasenden Leidenschaft, wie bei der Herzogin von Langeais, die am Flügel den Aufruhr ihrer Sinne besänftigt. Bei solchen Anlässen ersetzt das Klavier den Ausritt zu Pferde oder das Wandern durch Gewitter und Sturm (man beachte übrigens die Nachbarschaft dieser drei semantischen Felder) ; Edmond de Goncourt assoziiert das Klavierspiel aus diesem Grund mit autoerotischen Praktiken - lange vor der Psychoanalyse.

4) Schließlich trug das Klavierspielen dazu bei, der Frau die unerfüllte Zeit zu vertreiben, in der ihr Gatte abwesend war. Nach Hippolyte Taine half ihr das Klavierspiel, sich mit der 'Nichtigkeit der weiblichen Situation' abzufinden. Im übrigen beweisen alle diese konventionellen Szenen, die von der Bedeutung des Klaviers im privaten Leben zeugen, vor allem, dass die klavierspielende Frau die Phantasie des Mannes beschäftigte: mit wallendem Haar und verhangenem Blick, auf dem Gesicht den Schimmer des Kerzenlichts, scheint sie die erträumte Beute des begehrenden Mannes zu sein



Zitat Ende!!!

Ich hoffe, dass ihr alle jetzt gehörig was zum Lachen oder zumindest zum Schmunzeln habt!

LG

Debbie digitalis
 

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