Warum denken eigentlich so viele, dass ein Flügel eigentlich nur was für weit fortgeschrittene Hobbyspieler und Starpianisten sei?
Hallo Musicus, Du hast mich da wirklich etwas falsch zitiert, weil so etwas habe ich tatsächlich weder behauptet noch gemeint (und würde es auch nicht). Aber, kurzum: alles was Du schreibst ist aus meiner Sicht richtig, ich pflichte bei, und es wurde tatsächlich auch schon besprochen. Interessant ist, wenn Du sagst
"Nicht nur das, je nach Tageszeit klingt das nochmal ganz anders, weil das Instrument, bzw. seine Naturmaterialen arbeiten und das Klangerlebnis somit auch immer ein anderes ist."
Weil ich persönlich des Nachts und späten Abends z.B. wirklich oft viel schöner und intensiver spielen kann. Solange Du mir aber nicht glaubhaft versichern kannst, daß Du am Morgen beim Spielen in Deinem Klavierzimmer 5°C und am Abend, wenn Du spielst, 23°C hast, dann kaufe ich Dir dieses "Arbeiten" einfach nicht ab, weil um eine Veränderung am Instrument zu erzeugen, muß sich irgendeine der wesentlichen umgebenden physikalischen Bedingungen spürbar ändern (und an Esoterik glaube ich persönlich, es sei nur angedeutet, nur begrenzt :p).
Allerdings glaube ich nicht, daß Du über Nacht im Klavierzimmer das Fenster offen hast, denn wenn ich mich mal zufällig in die Klavierreparatur-Fäden der "Mechanik-Fraktion" (lustiges Wort, Zitat von ich weiß nicht wem) verirre, und von den einfach mannigfaltigen Problemen
millionenfacher Art bei den mechanischen Instrumenten so lese...
Aber trotzdem, Musicus: wie gesagt, ich kenne diesen Effekt auch, und genieße ihn. Ich halte ihn aber eher für subjektiv begründet.
Wenn ein Digitalpiano
"Wirtschaftlicher Unsinn..." ist (Pierre Schwickerath, sla019 likes this ;)), dann ist ein mechanisches Instrument eine
"Endlose Sparbüchse und zickige Diva, die einfach ständige Kontrolle, sorgsame Hege und Pflege, und Aufmerksamkeit verlangt und finanziell gesehen ein Desaster und Faß ohne Boden ist". (Dreiklang ;))
Klimakontrollsysteme! Raumtemperatur! Stimmen, Wartung, Sommer, Winter, Sonne, Zugluft, Problem Fußbodenheizung! Ohgottogott! ;) V-Piano: gekauft, hingestellt (und übrigens kann man das hinstellen notfalls auch ganz alleine machen), anstöpseln und stante pede schönen Klang eines perfekt gestimmten (künstlichen) Instruments genießen, der sich niemals ändert. Ein Instrument der Marke sorgenfrei. Für die Leute, die es etwas individueller mögen: einfach die einzelnen Töne etwas verstimmen, oder mal auf eine andere Grundstimmung umschalten. Der Klaviaturanschlag der Tasten paßt mir nicht? Kein Problem: rein ins Menü, und Umstellen. Andere Klangfarben, Interferenz-Beeinflussungen der Saiten, Hämmerschwere, -Wege und Geschwindigkeit, Besaitung: alles von -127 bis +127 einstellbar. Ist aber alles weniger toll als es sich anhört, weil das Gesamtergebnis des Digitalklangs eben leider noch seine beschriebenen Grenzen hat. Aber solche Sachen werden irgendwann mal wohl in großen Stil kommen - und dann hat man in einem kleinen elektronischen Kasten halt wirklich mal 5 gute total unterschiedliche Instrumente realisiert.
Neronick:
"Elektronische Instrumente dürfen "Samples" aber nicht abspielen, sondern sie müssen algorithmisch Samples formen und zwar hin zu einer Einmaligkeit: "Dieser Ton, hier und heute wird sich trotz Steckdose niemals wiederholen unter fremden Fingern"."
Genau ein solches "Formen", "Neu-Erschaffen",
macht ja das V-Piano, von Grund auf nach oben, und genau das
ist ja die Modelling-Technologie. Sehr gut möglich, wenn ich die Töne so anhöre, daß mit Zufallsalgorithmen gearbeitet wird, das ist softwaretechnisch nicht weiter schwierig, d.h. ein Ton ist niemals 100%ig gleich.
Und: durch das Modelling haben sie es geschafft, in jeden Ton selbst "Leben" reinzubringen. Einer schwingenden Baßsaite könnte ich stundenlang zuhören, so lebendig in sich klingt sie, während sie abklingt. Man sieht diese Lebendigkeit teils auch an einem Aufnahmegerät (Pegelanzeige). Genau dieses "Leben" in den Tönen, die
nicht mehr statisch reproduziert werden, ist der große Sprung nach vorne für mich gewesen beim V-Piano, in Verbindung mit der wohl deutlichen gegenseitigen Beeinflussung der einzelnen Töne untereinander. Etwas völlig neues gegenüber den anderen Geräten im Laden, eine ganz neue Qualität. Samples wirken einfach tatsächlich - kalt und tot, wenn man dieses andere eben erst mal erlebt hat. Aber immer noch hat das Modelling eben seine Grenzen, die man auch er-hören kann.
Schönen Gruß,
Dreiklang