Lieber Karlheinz,
jeder hauptberufliche Musiklehrer aus Überzeugung weiß, daß das, was man in Methodik und Didaktik lernt (meist idealisierte Theoreme eines Unterrichtsgeschehens), auf die Praxis oft nicht 1:1 anwendbar ist - vor dem Lehrer sitzt nämlich jetzt genau der Schüler (=Mensch) mit diesem Problem - und keine Puppe. Meine Meinung: Methodische Grundlagen sind wichtig, aber nur durch deren Anwendung muß noch lang kein guter Unterricht zustande kommen. Pädagogische Intuition hat mit Methodik wenig bis nichts zu tun.
Das sehe ich anders, ganz besonders den letzten Satz - hab glatt meinen Computer nochmal angemacht, um hierauf noch zu antworten
(Ansonsten aber danke für die Blumen!)
Nicht sofort auf die Praxis anwendbar sind zu starre, vorgefertigte Ideen, die nicht zu einem (natürlich immer individuellen und jede Woche anders gelaunten) Schüler passen. Dann passiert das, was man erlebt, wenn jemand einen Wort für Wort auswendiggelernten Vortrag von sich gibt. Inhaltlich top, sprachlich top, dramaturgisch top - leider todlangweilig... Dennoch einige Gedanken dazu:
1. Sehr konkrete Ideen können immer nur beispielhaft sein. So wie eine Lehrprobe in der Schule auch nicht dem Unterrichtsalltag entspricht - aber man kann an ihr ablesen, wozu jemand fähig ist. Genauso verhält es sich mit beispielhaften Szenen, Ideen, Modellen, Spielen, Ansätzen.
2. Die Frage ist, was "pädagogische Intuition" ist, und noch mehr, woher sie kommt und worauf sie gründet. Intuition ist kein Kohl, der im Gehirn vor sich hinwuchert, sondern sie entsteht aus Erlebnissen, Erfahrungen, Wissen, Gelerntem, Fehlern, Erfolgen, Beobachtungen und so weiter. Deshalb sind auch konkrete Erlebnisse im Fachmethodikunterricht so wichtig. Sie bilden sozusagen den Boden mit ein paar Samen und Pflänzchen, auf dem die Intuition weiter wachsen kann.
3. Der Fachmethodikunterricht sollte darum so gestaltet sein, dass die Studenten möglichst viel erleben und erfahren können, am eigenen Leib. Und auch sehr viel ausprobieren und testen und Fehler machen können. Betonung auf VIEL. Ein, zwei Lehrproben pro Semester sind zu wenig, dreimal Fachmethodik pro Semester genügt nicht. Es braucht einen breiten Grundstock an ganz konkreten Ideen, damit eine "Denkstruktur" angelegt wird, wie man selbst kreativ in diesem Feld Eigenes entwickeln kann.
4. Fazit: In meinen Augen ist die Aufgabe des Fachmethodikunterrichts, Kreativität zu säen und bestimmte Denkrichtungen anzulegen. Eine Ideenbasis also, auf der jeder Student und künftige Klavierlehrer selbst weiterdenken kann und fähig ist, eigene Konzepte zu entwickeln.
Dazu gehört natürlich einiges an Wissen, Beispiele zu wichtigen Unterrichtsinhalten (wie z.B. Notenlesen, neue Stücke einführen, Üben, Improvisation, Spieltechnik, Rhythmus, Hören,........) und ein Grundstock an Erfahrungen des Ausprobierens und Reflektierens von eingenem Tun, damit man seine "Lehrerpersönlichkeit" findet und selbstbewusst auftreten kann.