Also sagen wir mal ganz pragmatisch: Es gibt Kirchenmusiker, die sind musikalisch genial - aber menschlich eine Null. Nicht teamfähig, nicht stressstabil, umständlich, schlecth organisiert.
Wir haben in unserer Gemeinde ein solches Exemplar, das seines Zeichens als Voll-A-Musiker ja auch die Koordination der 3 Predigtstätten seines Wirkungskreises hat.
Orgeltechnisch, absolut top! Bei der Chorleitung wird es schon schwierig, weil ihm immer wieder Sänger davon laufen, weil sie auf ihn keinen Bock haben, weil er menschlich unmöglich ist.
Sein Kinderchor dümpelt seit Jahren mit 8 Kindern herum, die ständig ausgetauscht sind, weil es kein Kind lange bei ihm aushält und ausser einem Piepseauftitt in der Adventszeit kriegt er auch mit denen nix auf die Reihe.
Orgelschüler hat er keine (mehr). Er ist didaktisch untauglich. Ich hatte mal einen Improvisations-Workshop bei ihm besucht - ich hätte besser zuhause gebügelt.
Er vergisst andauernd Termine (Gottesdienste, Hochzeiten, Beedigungen....), weil er nicht in der Lage ist, sich was zu notieren, Änderungen mitzuteilen etc.
Es gibt zwei Frauen in der Gemeinde mit Helfersyndrom, die um ihn herumschwirren, ihn verehren und ihn managen (Konzerte organisieren z.b. was eigentlich auch seine Aufgabe wäre) und die schlimmsten Schnitzer ausmerzen.
Meine gesamte ("professionelle") musikalische Ausbildung lag eigentlich bis jetzt immer in den Händen von Kirchenmusikern und da konnte ich mir auch ein Bild vom Kirchenmusiker machen, weniger vom Berufsbild als von den Menschen selbst, die diesen Beruf ausüben. Ich habe deine Beobachtung auch schon geteilt, obwohl ich es auch schon anders rum beobachtet habe: Ein absolut begeisternder, motivierter und perfekt organisierter Musiker, der absolut von seiner Sache überzeugt ist und unglaublich viele Menschen motiviert - doch seine Orgelbegleitungen sind ständig voller Quint- und Oktavparallelen (ja, das wirkt schon fast Revoluzzer-haft!), seine Intonationen immer nach dem gleichen Muster und zudem gibt er selbst zu, nicht besonders der Überflieger zu sein. Er sieht Kirchenmusik weniger als Kunst, als als solides Handwerk an.
Ich möchte in meinem späteren Leben aber beides sein: Ein Überflieger und Motivator. Total überzeugt von dem, was ich mache, bin ich imho schon, obwohl mich natürlich immer (noch) Zweifel plagen. Jetzt fehlt eigentlich nur noch, dass ich der Überflieger werde. Doch ich hoffe sehr, dass ich währenddessen nie vergesse, welche Anforderungen und Wünsche die Menschen, für die ich arbeiten werde, haben. Danke, dass ihr mir die Wichtigkeit der Menschen noch einmal aufgezeigt habt - die vergisst man so leicht, wenn man einsam in dunklen Kirchen auf verlassenen (sehr chaotischen!!) Emporen sitzt.
Wenn musik Deine Passion ist, dann versuche es.
Ich bin nicht der Typ, der einfach etwas versucht. Ich will etwas durchziehen. Und wenn ich mich dazu entschlossen habe, es durchzuziehen, dann tu ich es auch. Nur bin ich im moment in einer Phase der Ernüchterung, ich meine, ich weiß nicht, ob es sich lohnt, es durchzuziehen. Vor allem was die Zeit nach dem Studium angeht: das breitgefächerte Fach Schulmusik zu studieren und zu erkennen, man ist nicht für den Lehrerberuf geeignet, ist wohl weniger tragisch, als den vollends auf den späteren Beruf ausgerichteten Studien(resp. Ausbildungs-)gang Kirchenmusik zu studieren, und zu erkennen, dass der Beruf des hauptamtlichen Kirchenmusikers nichts für einen ist (warum auch immer!).
Davor hab ich Angst. Anderereseits werde ich auf keinen Fall Schulmusik studieren, nur um auf der sicheren Seite zu sein. Das werde ich wiederum nur studieren, wenn ich auch vollkommen überzeugt davon bin, Kindern und Jugendlichen in der Schule etwas mit völliger Hingabe beibringen zu wollen. Ob ich das kann, kann ich beim besten Willen nicht sagen. Gleichermaßen habe ich selbst als Schüler Lehrer erlebt, die so genial waren.. Ich weiß nicht, ob ich das auch sein kann.
Ich habe Angst, die falsche Entscheidung zu treffen, doch glaube ich nun, dass ich mich im gesamten kommenden Jahr weiter intensiv vorbereiten werde, mit dem Ziel, Kirchenmusik und Schulmusik (als Doppelfach!) zu studieren.
In dieser Kombination kenn ich aber leider auch wieder Menschen, die total unglücklich sind. Die sich in der Schule beim Unterrichten nicht wohl fühlen, jedoch von der Kirchenmusik allein nicht leben können. Ich will in meinem Leben aber glücklich sein und mich bei dem, was ich mache, auch wohlfühlen.
Doch dass ich mich irgendwann auch in dunklen Kirchen und einsamen Emporen verlassen und unwohl fühlen werde, ist auch möglich. Im Moment ist dies aber keinesfalls der Fall!