Keine Chance auf Anstellung bei Musikschule ohne künstlerische Tätigkeit?

Anna_

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Hallo zusammen,

Ich durchstöber gerne mal die Ausschreibungen an den städtischen Musikschulen, an denen noch Angestellten-Verhältnisse existieren. Nun wird teilweise erwartet, dass man auch eine künstlerische Tätigkeit ausübt, teilweise steht auch nichts davon in der Ausschreibung. Es kann aber auch sein, dass dies zwar nicht erwähnt, aber insgeheim doch erwartet wird.
Ich stelle mir also die Frage, ob man ohne eine künstlerische Laufbahn überhaupt die Chance auf eine Anstellung hätte? Reicht ein Studium und etwas pädagogische Erfahrung aus? Habt ihr Erfahrungen dazu?
 
Das kann man so pauschal garantiert nicht sagen und kommt auch auf dich an. Wenn du 45 Jahre alt bist und seit 25 Jahren erfolgreich privat unterrichtest, ist eine aktive künstlerische Tätigkeit vermutlich nicht ganz so wichtig wie wenn du 25 bist und seit dem Hochschulabschluss nirgendwo mehr aufgetreten bist (was u.U. etwas komisch wirkt - je nach dem, was du seit dem Abschluss sonst so gemacht hast). Allerdings war ja gerade Corona, das ändert die Lage sowieso grundsätzlich...

Man muss allerdings auch aufpassen, dass man nicht überqualifiziert ist. Wenn du ständig mit Konzerten auf Achse wärst, bei der Vorstellung Gaspard de la nuit spielst und dich für eine Teilzeitstelle mit zehn Durchschnittsschülern bewirbst, wird man sich (zu Recht) fragen, ob du nach einem halben Jahr wieder weg bist, weil du eigentlich andere berufliche Pläne hast und gerade einen Lückenfüller suchst.
 
Heutzutage wird es doch von den Musikschulen eher skeptisch beäugt, wenn die Lehrkräfte einer wirklichen künstlerischen Tätigkeit nachgehen.

Denen ist heutzutage wichtig, dass Du bereit zu Blödsinn wie größeren Gruppen, Schulkooperationen, Instrumentenkarussellen, JeKi etc. bist und es möglichst auch noch toll findest, auf niedrigstem Niveau Heiteitei mit Kindern zu veranstalten, was dann als "Breitenbildung" gilt.

Ich habe schon von Musikschulen gehört, bei denen Lehrkräfte nicht für eigene Auftritte frei bekommen haben, weil es hieß, "wir sind hier öffentlicher Dienst, und da haben Sie zu den Dienstzeiten zur Verfügung zu stehen."

Klar, man kann auch als Honorarkraft anfangen, dann ist das alles kein Problem, jedoch verdient man dann absolut unterirdisch. Das sollte man sich nicht antun.
 
Ich denk immer noch dran, wie mir ca. 60 Euro pro Monat für 4x45 Minuten ohne Fahrtkosten angeboten wurden... :lol:
Das ist immerhin ein Stundenlohn von 20 Euro - weit über dem Mindestlohn! Aber im Ernst: Derartige Honorare sind eine Unverschämtheit. Vor allem, wenn sie von Städtischen Musikschulen gezahlt werden - und diese Städte SPD-regiert sind …
 
Als hätte die SPD sich jemals um Hochkultur geschert… außer Helmut Schmidt natürlich.
 
Das war eine private Musikschule einer CSU-regierten Stadt. Das macht es aber natürlich auch nicht besser.
 
Heutzutage wird es doch von den Musikschulen eher skeptisch beäugt, wenn die Lehrkräfte einer wirklichen künstlerischen Tätigkeit nachgehen.

Denen ist heutzutage wichtig, dass Du bereit zu Blödsinn wie größeren Gruppen, Schulkooperationen, Instrumentenkarussellen, JeKi etc. bist und es möglichst auch noch toll findest, auf niedrigstem Niveau Heiteitei mit Kindern zu veranstalten, was dann als "Breitenbildung" gilt.
Es gibt nach meiner Erfahrung sowohl dies, wie auch das Gegenteil. An Musikschulen, wo ein Teil des zugewiesenen Geldes an Jugend dressiert Erfolge gekoppelt ist, wird das künstlerische Niveau wohl eher höher bewertet und vice versa.
 
Gibt es solche Musikschulen? Öffentlich-rechtlich, nach TVöD bezahlend? Mir scheint doch eher, dass sich das Hochhalten des Künstlerischen mittlerweile weitgehend auf private Musikschulen beschränkt...
 
Mir scheint doch eher, dass sich das Hochhalten des Künstlerischen mittlerweile weitgehend auf private Musikschulen beschränkt...
Eventuel liegt das an einer gewissen Fixierung auf Jazz?

Für eine "fundierte" Ausbildung in Sachen Musik gibt es in Bielefeld exakt zwei "Adressen" ... unter der einen fasse ich private Instrumentallehrer zusammen (ohne Vertragsbindung an eine Schule), und die andere ist die städtische "KuMu" (Kunst- und Musikschule, ÖR und TVöD).

An den privaten Musikschulen sind die Lehrer eigentlich mehr so Fließbandarbeiter ... das ist zumindest mein Eindruck soweit ich das durch die Tätigkeit im Musikalienhandel (mit angegliederter privater Musikschule) und durch Gespräche mit Instrumentallehrern beurteilen kann.
Das sind Wirtschaftsunternehmen, die ihre vorrangige Aufgabe darin sehen, als Abstellplatz für die Kinder musikbegeisterter Eltern zu fungieren ... die machen also auch nichts anderes, als jeder Fussballverein.

Wahrscheinlich ist meine Einschätzung zu pauschal und auch zu hart, aber ich glaube kaum, dass die an Privatschulen angestellten Instrumentallehrer groß dazu beitragen, Künstler zu produzieren.
Das Hauptziel der meisten Instrumentallehrer dürfte es ohnehin nicht sein, Musiker zu züchten ... die wollen davon vor allem leben können und wenn dabei mal ein Musiker rauskommt, dann ist das eher eine erfreuliche Nebenwirkung hat aber wahrscheinlich zu mehr als 50% nix mit dem Instrumentalunterricht zu tun.

Ich frage mal zurück ... welche private Musikschule hat festangestellte Instrumentallehrer?
Zumindest hier sind das alles Freelancer mit Honorarverträgen. Auf was anderes würden die Schulen sich wohl auch dann nicht einlassen, wenn Czerny höchstselbst vor der Tür stünde.
Ausserdem nehmen die privaten hier als Instrumentallehrer auch wirklich jeden, der ein bisschen was auf seinem Instrument vorzeigen kann ... bei meiner einzigen Anstellung waren die Empfehlungen scheinbar so gut, dass die auf ein Vorspiel komplett verzichtet haben ... da können die Ansprüche echt nicht höher gewesen sein, als "wir brauchen einen zusätzlichen Gitarrenlehrer um keine Interessenten wegschicken zu müssen".
 
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Vielen Dank für eure Einschätzung.
@DerOlf Was du da schreibst, spiegelt auch meine Erfahrung im privaten Musikschulbereich wider. Verträge, bei denen 34€ monatlich (!!!) für 4x30 Min. geboten werden, Lehrer, die 40 Schüler die Woche unterrichten, und Musikschulleitungen, die kein Vorspiel und auch kein Studien-Zertifikat benötigen.
 

Gut, OK, angenehmer als Kloputzengehen ist der Job ja immerhin...
 
Ich stelle fest, dass es für geschäftstüchtigere Absolventen der Musikhochschulen ein zunehmend attraktives Unterfangen ist, sich einen Übe- und Unterrichtsraum zu mieten und dort entweder ausschließlich oder teilweise - eventuell in Kooperation mit einem anderen Instrumentallehrer - zu unterrichten.
Da scheint es in Billig-billig-Land offenbar endlich bei den Schülern eine Klientel zu geben, die bereit ist für Unterricht etwas mehr Geld auszugeben. Nur, sozial ist das nicht.
 
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Da scheint es in Billig-billig-Land offenbar bei den Schülern eine Klientel zu geben, die bereit ist für Unterricht etwas mehr Geld auszugeben. Nur, sozial ist das nicht.
Was die Preise angeht, sind sich die privaten Instrumentallehrer und die Musikschulen in Bielefeld weitestgehend einig.
Die städtische KuMu überbietet hier eigentlich niemand (die sind mit ca. 10% Abstand die Teuersten).
30 Minuten Unterricht pro Woche kosten hier ca. 60,- im Monat (für Klavier sind es 69,-). Das billigste Angebot liegt bei ca. 50,- und hat einen wirklich sehr schlechten Ruf (die meisten Schülerinnen und Schüler kommen dort nicht über den Probemonat für 28,- hinaus).

Die meisten Musikschulen geben davon weniger als 50% an die Lehrkraft weiter.

Wer hier also an einer privaten Musikschule 40 Schüler wöchentlich je 30 Minuten lang unterrchtet, geht mit knapp 1.200,- (brutto) im Monat nach Hause.
Privat reichen dafür 20 Schüler und wer mit der Kundenakquise nicht abslut überfordert ist oder einfach keinen Unterrichtsraum auftreiben kann, der sollte mMn auch die Finger von privaten Musikschulen lassen.
 
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Privat reichen dafür 20 Schüler und wer mit der Kundenakquise nicht abslut überfordert ist oder einfach keinen Unterrichtsraum auftreiben kann, der sollte mMn auch die Finger von privaten Musikschulen lassen.
Nein, wenn man als diplomierter und aktiv überregional auftretender Musiker vernünftige 50 Euro pro Unterrichtsstunde nimmt, dann reichen 6-8 Schüler für 1200 brutto (je nachdem wie man das mit dem Durchbezahlen oder nicht regelt).
 
@hasenbein:
Ich sprach von 30 Minuten Unterricht pro Woche an einer privaten Musikschule.
Ich kenne nur die Preise für die Kunden ... weiß aber aus Erfahrung, dass meist nicht mehr als 50% beim Lehrer landen.

Die Preise für 60 Minuten die Woche sehen hier auch anders aus. Aber auch da wirst du für die 1.200 brutto eher 9 oder 10 Schüler brauchen. Und da auch da nur etwa 2/3 beim Lehrer landen (an einer privaten Musikschule), gehe ich eher von ca. 12 Schülern aus).
Es sind hier eben nicht 100,- pro Stunde, sondern eher 100,- pro Schüler.
 
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