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Gomez de Riquet
Guest
Aber davon waren nicht nur die Komponisten betroffen, sondern auch die Literatur.
Wer sich einmal kommunistischer Umtriebe verdächtig gemacht hatte,
wurde entweder bekämpft oder, wo möglich, einfach ingoriert.
Nachtrag: In Sachen Literatur galt das 'zu meiner Zeit' und an anderem Ort
schon nicht mehr: im reformfreudigen Hessenland. Das ist eine Pointe,
die sich der arme B.B. wohl nicht hätte träumen lassen - daß ausgerechnet
er an westdeutschen Gymnasien als Klassiker-Ersatz dienen würde.
Statt "Nathan der Weise" lasen wir also den "kaukasischen Kreidekreis",
statt der "Jungfrau von Orléans" "Die heilige Johanna der Schlachthöfe" etc.
Zweiter Nachtrag: Der traurigste Fall eines Dichters und Schriftstellers,
der sich nicht kommunistischer Umtriebe verdächtig gemacht hatte,
sondern wirklich aus dem Herzen der Finsternis kam: der des Johannes R. Becher,
der als expressionistischer Dichter begonnen hatte und mit Stalin-Hymnen endete
(man nannte das auch "Kaiser-Geburtstags-Lyrik"). Er gehörte zur Ulbricht-Gruppe
linientreuer deutscher Emigranten, die im Moskauer "Hotel Lux" untergebracht war,
zur Zeit der Schauprozesse und der Massenverhaftungen/-liquidierungen der 30er Jahre.
Man muß dazu wissen, daß es in der planwirtschaftlich strukturierten Sowjetunion
für jeden Rayon eine innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums vorgegebene Zahl an
zu erfassenden Kulaken, Spionen und Diversanten gab - so auch für die Emigranten
im "Hotel Lux": Sie hatten pflichtgemäß einen gewissen Prozentsatz an Rechts- oder
Linksabweichlern, Trotzkisten, Sinowjewisten etc. abzuliefern: fürs Erschießungskommando.
Wer dorthin kam, das durften die Emigranten unter sich ausmachen.
Und so saßen sie nächtens beisammen, u.a. Georg Lukács, Friedrich Wolf, Johannes Robert Becher,
als aufrechte Antifaschisten vor ****** geflohen, um sich nun gegenseitig ans Messer zu liefern.
Die stenographierten Protokolle dieser geschlossenen Parteiversammlungen des Jahres 1936
sind erhalten geblieben ("Die Säuberung", Rowohlt-Verlag, Hamburg 1991).
Bei der Lektüre wird einem speiübel. Sicher ist: Dieses Gemetzel konnte nur überleben,
wer erfolgreich andere denunziert hatte, womit sich der Kreis schließt und wir wieder
beim Dichter der "Spalter"-Hymne wären, Johannes R. Becher, deren Melodie Eisler
sich bei KV 519 ausgeborgt hat.
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