"Singende" Töne bei neuen Flügeln

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warmerklang

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21. Sep. 2010
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Vielleicht kann ein Experte ein kleines Mysterium klären, dass sich bei meiner Flügelsuche auftut:

Schlage ich bestimmte Töne an, dann produziert der Flügel ausser dem primären Ton (besonders oft passiert das beim "C") ein sehr hohes Surren/Pfeifen, das sich anhört, als ob der Rahmen mitschwingt oder die Saite einen ungewünschten hohen Oberton produziert.

Gestern zB in einem Steinway-Haus hatten das alle neuen S&S-Flügel, die da ausgestellt waren, bis zum D! Der gebrauchte O war als einziger "ruhig".

Andere um mich herum hören das Phänomen auch, wenn ich darauf hinweise, also doch kein Tinnitus ;)

Bei alten Flügeln wurde mir gesagt, dass das der Gussrahmen ist, der mitschwingt, aber bei neuen Steinways kann das wohl kaum der Fall sein, schon gar nicht durch die Bank..

:confused:
 
Ich bin leider kein Experte sondern eher interessierter Laie - kann also die Frage nicht beantworten.

Doch ich frage mich ist mit dem Obertonreichtum nicht gerade der gesangliche Klang der von vielen gerühmt wird gemeint? Das was Du beklagst wäre dann also gewollt.
Passt dazu das Thema Duplexscala? = das Mitschwingen von benachbarten Saiten um Obertonreichtum zu erzeugen. Das ist ein Patent von S&S und gibt es auch bei Yamaha und anderen.
 
DAS ist Steinway-spezifisch und gewollt. Genau dadurch entsteht ein "Orchester". Am Anfang konnte ich das gar nicht gut vertragen - heute möchte ich es nicht mehr missen.
 
Ich kenne das Phänomen (leider nur zu gut) von meinem Flügel, Ibach ca. 1910. Bei den Tönen von e bis a (also 165 bis 220 HZ) klingt "etwas mit", es hört sich metallisch an, als ob die Seite schwach an den Gußrahmen anschlagen würde, allerdings erst ab mf - f. Ich habe anfangs tatsächlich (natürlich vergeblich) nach Metallteilen am Gußrahmen gesucht, die eventuell vibirieren könnten. Im Frühjahr hatte Michael den Flügel erstmals intoniert, einige Tage später waren dann zum ersten mal die merkwürdigen Vibrationen zu hören (vorher waren die Hämmer so knochenhart, daß diese Vibrationen - wenn sie schon da waren - nicht aufgefallen wären); im August hat Michel diese Töne noch einmal nachintoniert, aber nach und nach hat sich das wieder eingestellt und verfestigt. Michael ist der Ansicht, daß es sich um ein Intonierungsproblem handelt. Am Samstag wird er wieder tätig, ich bin gespannt, was sich dann ergibt.

LG

Pennacken
 
Anmerkung:

Habe folgendes gefunden:

Duplex-Skala: : Pat.-Nr. 126848 (14. Mai 1872).
Das Prinzip der von Steinway erfundenen Duplex-Skala besteht darin, daß zusätzlich zur angeschlagenen Saite ihre vorn und hinten frei schwingenden Saitenteile mitklingen.
Dies führt zu dem besonderen Obertonreichtum, der - neben anderen Faktoren - den unnachahmlichen Klang eines Steinway ausmacht.

Duplex-Skala – Bei vielen Flügeln stehen die Längen der toten Saitenenden in einem bestimmten Verhältnis zur klingenden Saitenlänge (1/2, 1/4, 1/8 Saitenlänge), so daß sie durch Resonanz zum Mitschwingen angeregt werden und so zur Brillanz des Tones beitragen. Halbe Saitenlänge entspricht dabei der doppelten Frequenz, deswegen die Bezeichnung »Duplex«.


Aus einem Forum:
"Ist der Unterschied mit bzw. ohne Duplexskala groß?
Nein, meiner Erfahrung nach nicht. Die anderen Faktoren beim Klavierbau haben größere Auswirkungen
auf den Klang. Ich bin selbst aber kein Klavierbauer, nur Pianist..." :confused:
 
ein sehr hohes Surren/Pfeifen, das sich anhört, als ob der Rahmen mitschwingt oder die Saite einen ungewünschten hohen Oberton produziert.

Ein Surren/Pfeifen wird sicherlich anders wahrgenommen, als ein hoher Oberton (die n-te Harmonische auf dem Grundton - wird i.d.R. nicht als störend empfunden sondern entweder gar nicht "herausgehört" oder als wohlklingend empfunden, wenn die Amplitudenverhältnisse halbwegs stimmen). Also, wenn die Beschreibung "Surren/Pfeifen" zutrifft, würde ich eher nach parasitäten Mitschwingern suchen.

Gruß
Rubato
 
@ wenn die Beschreibung "Surren/Pfeifen" zutrifft, würde ich eher nach parasitäten Mitschwingern suchen.

Genau so hört es sich bei mir an, vielleicht findet Michael Samstag den "Parasiten".

LG

Pennacken
 
schwieriges Thema, was alle paar Monate hier wieder auftaucht. Wie bereits erwähnt, dürfte es sich im konkreten Fall im Steinway-Haus um die Obertöne bei Duplex-Skala handeln. Das ist gewollt und gut so. Leider wird das im Laufe der Zeit stärker und klingt dann nicht mehr so schön. Bis zu einem gewissen Grad kann man das weg intonieren. Allerdings empfiehlt es sich, da einen Klavierbauer dran zu lassen, der genau weiß, was er da tut. Am besten einen, der bei Steinway gelernt hat oder entsprechende Schulung mitgemacht hat. Ich gebe offen zu, dass ich das nicht kann. Bzw. ich würde da irgendwie rumstechen und möglicherweise sogar einen Effekt erzielen, vielleicht aber auch nicht und würde es nur mumpfig stechen. Ich persönlich gebe das Kunden auch offen zu und schicke sie zur (ortsansässigen) Steinway-Vertretung. Die Frage ist: warum taucht das in erster Linie bei Steinway auf? Eine Theorie besagt, dass es nicht nur ein reines Intonationsproblem ist, sondern dass die Saite sich in die Auflage hineingefressen hat, sich also ein minimaler Grat gebildet hat. Das könnte u.a. durch häufiges Stimmen kommen. Und da Steinways normalerweise häufiger gestimmt werden, kommt es bei denen halt auch häufiger vor.

Insgesamt kommen für solches Sirren (generell, nicht nur bei Flügeln) mehrere Quellen in Betracht: Grat auf der Silie/Capo/Agraffe, Saite am Stegstift hochgewandert, Saitenmaterial selbst, die eigentlich nicht klingende Länge klingt doch zu sehr mit (nicht nur bei Duplex), nicht gedichtete Ringe, schlecht aufliegende Dämpfer pfeiffen, und natürlich zu viel Energie beim Anschlagen, sprich Intonation. Abgesehen vom sehr seltenen Dämpferpfeiffen letzlich 2 grobe Kategorien: entweder Intonationsproblem oder Saitenauflage. Ich mache zuerst meist folgendes: Saite schnell extrem entspannen und sofort wieder hochstimmen. Hilft das nicht, dann das ganze Choir entspannt auf der Silie verschieben, evtl. sogar hin- und her reiben. Dann Saiten auf Steg festklopfen und Ringe dichten. Hilft das alles nichts, dann mit Intonieren versuchen, wobei ich da meist nicht erfolgreich bin. Meist wird der Ton nur kraftloser/weicher, aber das Sirren bleibt, wenn auch nur leiser. Mittlerweile bin ich zu folgendem Schluss gekommen: entweder die oben erwähnten Maßnahmen helfen sofort, oder man ist mit dem Geräusch verheiratet :( Neulich ist es mir tatsächlich das erste Mal gelungen, das mit Intonieren wegzubekommen. Das erstaunliche daran war, dass sich das Geräusch für mich genauso angehört hat wie sonst auch. Mit sonst meine ich, dass es wahrscheinlich meistens ein Saitenauflageproblem ist und selten ein Intonationsproblem, und in beiden Fällen klang das gleich, ich konnte es nicht unterscheiden. Das einzige, was wahrscheinlich wirklich helfen würde, wäre neu besaiten und alle Auflagen schleifen und somit entgraten.

Wie gesagt, das bezieht sich alles auf ungewolltes Sirren, nicht auf das gewollte Duplex-Singen. Aber auch da kann es natürlich Probleme geben. Da gibt es dann PitchLock, was ich selber noch nie ausprobiert habe. Kennt jemand das aus eigener Erfahrung?

http://www.pitchlock.com/website/pages/primary/couplers.html
 
Hallo an alle, die sich bislang äußerten,
insbesondere an warmerklang, den Themen-Eröffner.

Das angeschlagene Thema ist mit wenigen Worten oder ein paar patenten Verweisen nicht abzufrühstücken.
Metallische Beiklänge sind so ziemlich die komplexeste Herausforderung für Menschen, die an der Feinformung des Klavierklanges arbeiten. Zum Teil sind solche Beiklänge gewollt, zum Teil aber auch nicht. In ihrer gewollten Form (z. B. den inzwischen patentmäßig abgelaufenen Duplex-Skalen, die alle namhaften Hersteller kopieren) haben sie sich allenthalben weltweit marktmäßig durchgesetzt, die Diskussion über den Sinn davon ist aber m. E. noch sehr weit von erschöpfender Behandlung entfernt.

Es gibt eine Fülle möglicher Gründe für solche Beiklänge, z. B. die Konsistenz des Saitenmaterials, die Form und Ausarbeitung der Umlenkungen, die Gestaltung und Länge nicht gespielter Saitenteile, die Länge der gespielten Saitenteile, die Dicke der Saiten, die Gestaltung und Art der Befestigung des Gussrahmens oder seiner Teile, die Anschlaglinie (Stelle wo die Hämmer auf die Saite treffen), ggf. die inkorrekte Formung des Hammerkopfscheitels auf nicht exakt chorgleichen Anschlag aller Saiten eines Tons.

Es gibt noch viele weitere Möglichkeiten - dies waren nur ein paar, die mir aus der Praxis sofort ins Gehirn purzelten. Nicht zuletzt kommen dazu, als außerordentlich wichtige Komponenten, subjektive Faktoren individuellen Wahrnehmens und Ertragen-Könnens.

Wie schon gesagt, und wie ihr seht - eine verwirrende Vielfalt, und oft ein diagnostisch-therapeutisches Glatteis.

Eines kann ich, nach vielen Jahren spezialisierter praktischer Arbeit an solchen Themen, mit Sicherheit sagen: Mit Intonation der Hammerköpfe lässt sich vieles des Genannten kompensieren und - insbesondere für die letztgenannten subjektiven Faktoren - erträglich oder sogar angenehm machen. Aber in der Regel nicht beseitigen. Weil die Quellen der Nebenklänge andere als die Hämmer sind.

Gruß
Martin
PianoCandle

... und aus Krach wird Klang
 
PS.: Gerade hab ich mit Tastenscherge simultan gepostet. Ein erfreutes Hallo an TS!
-m-
 
Darf ich nochmals auf Post #1 verweisen?
Gestern zB in einem Steinway-Haus hatten das alle neuen S&S-Flügel, die da ausgestellt waren, bis zum D! Der gebrauchte O war als einziger "ruhig".

Das ist ganz sicher*** die das steinway-typische Duplex-Sirren. Hört man dies zum ersten Mal und vor allem nicht in konzertantem Spiel, sondern beim Lauschen auf einzelne Töne, so kann das sehr irritierend sein und wird als Mangel wahrgenommen (mir ging es jedenfalls so). Aber irgendwann merkt man, wie wunderbar diese OT das Spiel "verdichten/verbinden" und möchte es nicht mehr missen.

Wie schon gesagt: Gewöhnungsbedürftig. Aber ... letztendlich klasse!

*** ein S&S-Haus wird wohl kaum ausschließlich mangelhafte Flügel aufstellen ...:D

PS. Auch ich habe zunächst nach "bösen Verursachern" gesucht. Und natürlich muss das "Sirren" insgesamt homogenisiert werden - das machen aber Micha und Kollegen sicher vortrefflich.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

Ob das Sirren tatsächlich von der Duplex-Skala kommt, ließe sich mit einem einfachen Test feststellen: einfach die entsprechenden Saitenanteile mit Filz abdämpfen, so wie es alle Flügel ohne Duplex-Skala haben.

Ob das in einem Steiwayhaus allerdings gerne gesehen wird??

MfG

Wolfgang
 
Super Antworten, vielen Dank an die Experten hier, immer wieder eine Freude, an Eurer Erfahrung teilhaben zu dürfen!

;)
 
Habe ich das jetzt richtig verstanden in der Konsequenz, dass also solche überarbeiteten Flügel wie dieser auf Ebay (260686569625) den Filz wahrscheinlich deshalb da hat zwischen den Saitenenden (drittes Bild), weil der schon ein wenig älter ist und sonst singen würde wie ein Zahnarztbohrer, wenn mal jemand das C kräftig anschlägt?

Superinteressant, dieses Thema, werde mal ein schönes tiefes Stück einüben und mal Sonntags nochmal beim Händler vorbeischauen, wenn nur die Studentin da sitzt und Wache hält :)
 
Habe ich das jetzt richtig verstanden in der Konsequenz, dass also solche überarbeiteten Flügel wie dieser auf Ebay (260686569625) den Filz wahrscheinlich deshalb da hat zwischen den Saitenenden (drittes Bild), weil der schon ein wenig älter ist und sonst singen würde wie ein Zahnarztbohrer, wenn mal jemand das C kräftig anschlägt?

Nein.

Alle Instrumentensaiten haben eine klingende Länge (das ist der längste Abschnitt der Saite, zwischen der Auflage am Steg und der Begrenzung am Wirbel, ausgeführt als Sattel, Agraffe, Druckstab oder Kapodaster). Davor und dahinter (bezieht sich auf die klingende Länge der Saite) sind bei allen Instrumenten Dämpfungsmaßnahmen nötig, weil die eigentlich nicht klingenden Abschnitte der Saite sonst unkontrolliert schwingen würden und den Ton mit unharmonischen Schwingungen "verunstalten" würden. Also laufen die Saiten am Wirbel z.B. über ein Filzpolster und hinter dem Steg wird Filz in die Saiten eingeflochten. Das ist vollkommen richtig und auch nötig so.

Nun handelt man sich damit allerdings einen kleinen Nachteil ein. Die Energie, die man mit dem Filz dämpft, geht verloren (aus der Sicht, dass man möglichst die komplette Anschlagsenergie hörbar machen will). Also kam Steinway auf die Idee, dass man vor und hinter der eigentlich klingenden Länge der Saite nochmals genau berechnete Abschnitte bilden kann, die in einem resonanten Verhältnis zur Tonhöhe der Saite stehen, um genau diese Energie, die sonst verloren ginge, hörbar zu machen. Das ist auch im verlinkten Steinway-Flügel so, z.B. auf dem zweiten Bild kann man sowohl den Front-Duplex als auch den Back-Duplex (etwas unscharf) sehen. Durch die genaue Berechnung der Duplex-Scale ergeben sich "passende" Obertöne, im Gegensatz zu Klirren, wie es zu hören wäre, wenn es keinen dämpfenden Filz bei den nicht klingenden Saitenabschnitten gäbe.
 
Einen Aspekt möchte ich noch gerne ergänzen und zwar die Stimmung des Instrumentes.

Steinway gehört zu den Instrumenten mit großer Inhamonizität. Wenn alle vorher beschriebenen Maßnahmen erfolglos geblieben sind kann es durchaus sein, das die Stimmung einfach nicht zum Instrument passt. Jedes Instrument hat seine eigene mehr oder weniger stark ausgeprägte Inhamonizität, was nichts anderes bedeutet, das die Teiltonreihe mehr oder weniger vom rechnerischen Ideal abweicht. Wird nun durch eine technisch zwar einwandfreie, aber nicht zur Inhamonizität des Instruments passende Stimmung ausgeführt, kann es durch aus sein, dass eben die "falschen" Teiltöne angeregt werden können, die dann als störend empfunden werden. Das Gleiche gilt übrigens auch für die Intonation. Dies ist ja bekanntlich nichts anders als die Veränderung der Anschlagsgeschwindigkeit bzw. der Anschlagsdauer des Hammerkopfes auf die Saiten. Auch hier kann es zu Bösen Überraschungen im Bezug auf unangenehme Nebentöne kommen - vor allem dann, wenn die Scheitel nicht perfekt angepasst sind und/oder die einzelnen Register nicht zueinander passen....

LG
 
Einen Aspekt möchte ich noch gerne ergänzen und zwar die Stimmung des Instrumentes.

Ganz genau, und es wundert mich doch sehr, dass dies erst jetzt angesprochen wird. Die hellen Töne können an einer falsch temperierten Stimmung liegen und einem unreinen Saitenchor. Ich selber habe noch nie einen wirklich perfekt gestimmten Flügel in einem Klaviergeschäft angespielt. Man bekommt von schlecht bis mittelmäßig gestimmten Flügeln alles zu Gesicht. Jeder Flügel, der leicht Chorunrein ist produziert diese charakterischen "hellen, metallischen Töne".

Ich bin mir ziemlich sicher, dass genau diese Töne, die auf eine klassische Fehltemperierung oder leichte Chorverstimmung hindeuten, empfunden werden. Leider bemerken einfach viel zu wenige von uns Schwebungen (oder: Zum Glück :) ). Jede kleinste Schwebung ist für mich schon eine Horrorvorstellung und wenn ich dann nicht selber nachstimmen könnte, ginge ein Klavierstimmer bei mir ein uns aus :)
 
Wird nun durch eine technisch zwar einwandfreie, aber nicht zur Inhamonizität des Instruments passende Stimmung ausgeführt, kann es durch aus sein, dass eben die "falschen" Teiltöne angeregt werden können, die dann als störend empfunden werden.

Das leuchtet mir nicht so ganz ein, bzw. ich verstehe nicht so ganz, was du meinst. Mangelnde Choirreinheit - ok, klare Sache, dass dann was jault und metallisch klingt. Aber was du meinst, tritt das auch auf, wenn man nur eine einzelne Taste spielt, also kein Intervall? Wenn das so wäre, dann würden wir ja wieder über Choirreinheit reden.
 

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