Born to be wild :D
Liebe chiarina,
auf Anfängerniveau, auf welches sich philomela bezog, spielen wir aber doch viele Stücke, die vom Hören her bekannt sind, oder sich beim Spielen schnell erschließen.
Mal ein ganz bekanntes Beispiel, welches jeder Anfänger wohl kennt.
Das Menuett in G-Dur von Petzold aus dem Notenbüchlein von A.M. Bach.
In Takt zwei falle ich, brutal mit den Akkordtönen von G ins Haus.
Aber damit nicht genug, nein, dieses G soll nun auch Staccato reingehämmert werden, damit jeder Depp begreift, in welcher Tonart wir uns noch bewegen. Und dann noch doppelt??
Nö, beim besten Willen, nicht mit NewOldie!
Bevor ich dies Stück gespielt habe, war mir klar, dass bei mir vom Stakkato höchstens eine Andeutung übrigbleibt.
Warum? Ich will keine Tanzmucke spielen.
Und damit habe ich bereits im 2 Takt als blutiger Anfänger experimentiert und meine Interpretation gefunden.
Ich denke du hast eher die Waldsteinsonate vor Augen, deren Notentext sakrosankt sein sollte, bevor man darin zu viel herumspielt.
Liebe Chiarina, ich schätze die Meinungen der erfahrenen Pädagogen hier sehr - und ich werde jetzt immer an dich denken, bevor ich zu experimentierfreudig werde.
Bin ich jetzt ein Junger Wilder? :D
Lieber Gruß, NewOldie
Also, lieber New Oldie,
ich weiß ja nicht, wie du so tanzst :D ! Ich glaube, ich will's auch gar nicht wissen!:D !!! "Brutal mit den Akkordtönen von G ins Haus" -
schade, mir gehen die Smilies aus! Reimt sich sogar.
Staccato = hämmern, aha, aha .....*grins³*.
Stell dir doch mal eine graziöse wunderbare Tanzpartnerin vor, so ähnlich wie Aschenputtel aus "Drei Nüsse für Aschenbrödel" ( als Frau kennt man den, hach.......). Und dieses zauberhafte Wesen kommt nun auf dich zu, schaut dir tief in die Augen und fordert dich zum Tanz auf. Und dann schwebt sie vor deinen Augen graziös und anmutig wie eine Feder und du verwandelst dich vom stampfenden Ochsen in einen smarten, ebenso graziösen Prinzen, der mit seiner Angebeteten sanft auf der Tanzfläche einhergleitet....... .
Ich finde Experimente, wie du sie machst, absolut super! Gerade was Artikulation angeht, sind wir ja mit Bachschen (oder hier Petzoldschen) Anweisungen nicht gerade gesegnet und müssen auch experimentieren. Herauszufinden, wie ich artikulieren will, ist für mich aber noch keine Interpretation. Wahrscheinlich fasse ich diesen Begriff höher als du und wir sind uns ganz einig. Für mich ist eine Interpretation ein musikalisches Gesamtkonzept eines Stückes, wobei ich aus der Vielzahl der Möglichkeiten Entscheidungen treffen muss.
Die Vielzahl der Möglichkeiten herauszufinden, gehört aber noch nicht zur Interpretation, allerdings ist der Übergang fließend.
Wenn du dich z.B. bei dieser Stelle nach Ausprobieren mehrerer Möglichkeiten für deine Variante entschieden hast, könnte man es schon als einen kleinen Teil einer Interpretation begreifen (wobei dieser Begriff natürlich bei größeren und längeren Werken noch eine weitreichendere Bedeutung bekommt).
Allerdings stellt sich die Frage, ob du denn auch wirklich alles ausprobiert hast. Ich finde, dass die beiden g's in Takt 2 absolut leicht und luftig gespielt werden sollten, was auch durch den Bogen in Takt2 von d2 nach g1 klar angegeben wird. Wenn man dann z.B. die "1" von Takt 1 anschlägt ( eher voller Klang) und anschließend die "1" von Takt 2, klingt der gleiche Ton d2 in der rechten Hand mit dem begleitenden einzelnen "h" in der linken als Terz von G-Dur ganz anders, schwebender. Da passt es doch nicht, wenn man die staccati da reinhämmert *muss immer noch grinsen*.
Auch bekannte Stücke können auf diese und andere Weise erst einmal "durchgehört" werden. Man kann Stücke von ganz verschiedenen Seiten kennen lernen, wenn man will, und zwar von Seiten, die man in einem Konzert oder einer Aufnahme gar nicht wahrnimmt. So lernt man auch Musik verstehen.
Wenn ich mich aber entschieden habe, diese staccati nun leicht und luftig zu spielen, ist das eben noch keine Interpretation, wie schon oben geschrieben. Dazu kommen alle Parameter der musikalischen Gestaltung und noch mehr zusammen und vereinen sich zu einer musikalischen Aussage.
Aber ich finde, du bist auf einem guten Weg. Als mein armer und geplagter :D Schüler müsstest du aber immer deine Entscheidungen begründen und auch meinen Argumenten etwas entgegensetzen. Oder eben nicht - *kicher*.
Das schult....!
Lass deiner wilden Seele also ruhig freien Lauf, schalte aber ab und zu das Hirn ein und begründe deine Entscheidungen.
Liebe Grüße
chiarina